Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0091
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Die digitale Transformation von Notfalldiensten
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Markus Bornheim
112 – schon im Kindesalter lernen wir, dass wir in Notsituationen diese Telefonnummer wählen sollen, besser einmal zu viel als zu wenig. Wer die Notrufnummer wählt, wird mit einem sogenannten Dispatcher in einer Notrufzentrale verbunden, der die Situation einordnet und, wenn nötig, Rettungskräfte zum Einsatzort entsendet. Doch dieser altbewährte Prozess steht angesichts der Digitalisierung vor einem großen Wandel.
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30 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Grund für den Wandel sind unsere Kommunikationsgewohnheiten, die sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben. Seit der flächendeckenden Einführung des GSM-Mobilfunkstandards in den 1990er Jahren ist die Mobilität des Anrufers zum Treiber für neue Ansätze bei der Notrufbeantwortung geworden. Mit der Einführung des 3G- Mobilfunkstandards und dem Aufkommen des Smartphones als neues Massenkommunikationsmittel im Jahr 2007 nahm die textbasierte Kommunikation stark zu, während Anrufe an Bedeutung verloren, besonders unter den Digital Natives. Diese Paradigmenwechsel in der Kommunikationslandschaft und die damit einhergehenden veränderten Erwartungen der Verbraucher verlangen eine moderne Notfallversorgung. Dabei haben sich vier Herausforderungen für Notfalldienste herauskristallisiert. Die digitale Transformation von Notfalldiensten Beginnt ein neues Zeitalter der öffentlichen Kommunikation? Markus Bornheim 112 - schon im Kindesalter lernen wir, dass wir in Notsituationen diese Telefonnummer wählen sollen, besser einmal zu viel als zu wenig. Wer die Notrufnummer wählt, wird mit einem sogenannten Dispatcher in einer Notrufzentrale verbunden, der die Situation einordnet und, wenn nötig, Rettungskräfte zum Einsatzort entsendet. Doch dieser altbewährte Prozess steht angesichts der Digitalisierung vor einem großen Wandel. auch indem sie für die Kommunikation zwischen Rettungswagen und Krankenhaus eingesetzt wird. So können die Rettungskräfte in kritischen Situationen von Klinikärzten weiteren Rat per Video erhalten oder Vorbereitungen getroffen werden. Und in einigen Fällen kann Video-Kommunikation zwischen dem Anrufer und Dispatcher auch verhindern, dass ein Rettungswagen zu einem Einsatzort geschickt wird, an dem er nicht wirklich benötigt wird. 2. Präzise Informationen über Anrufer und Ort des Vorfalls Um schnellstmöglich ein Einsatzteam zum Ort des Vorfalls schicken zu können, müssen die Informationen so präzise wie möglich sein. Da die Anrufer jedoch häufig nervös oder verängstigt sind und den Notdienst heute in 70 % der Fälle per Mobiltelefon von unterwegs anrufen, kann es wertvolle Zeit kosten, bis der Dispatcher alle relevanten Details 1. Multi-Channel-Zugang zu Notfalldiensten Das traditionelle Telefon ist seit dem Trend zu textbasierter und zu Video-Kommunikation längst nicht mehr die einzige Kommunikationsmöglichkeit in Notsituationen. „Voice-only“-Kommunikation besitzt in einer vielfältigen Gesellschaft einige Nachteile, da nicht jedes Mitglied über das erforderliche Sprachniveau verfügt, um eine Notsituation beschreiben oder Nachfragen des Dispatchers verstehen zu können. Neue Kommunikationstechnologien wie Textnachrichten und Video ermöglichen allen Anrufern gleichermaßen schnellen Zugang zu Notdiensten. Für Dispatcher bieten visuelle Kanäle darüber hinaus Kontextinformationen und sichtbare Hinweise, mit deren Hilfe sie schnellere und effektivere Entscheidungen treffen können, die der Situation angemessen sind. Video-Kommunikation kann daher ein wichtiger Treiber der digitalen Transformation sein, © Avaya Deutschland GmbH 31 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation zur Situation und die genaue Adresse des Einsatzortes kennt. Deshalb war die Einführung von Advanced Mobile Location (AML) bei allen Mobiltelefonen mit Android-Betriebssystem bereits ein wichtiger Schritt zur Bestimmung des genauen Standorts in Notfällen. Mit dieser Funktion werden die Standortdaten des Anrufers automatisch per SMS an die Notrufzentrale gesendet, sobald der Anrufer eine Notrufnummer wählt, sodass Einsatzteams den entsprechenden Einsatzort schneller erreichen können. Allerdings sollten für die satellitengestützte Übertragung von Standortdaten per Mobiltelefon verschiedene Methoden genutzt werden können. Denkbar wäre beispielsweise, die HTML5- Internetverbindung über einen Webbrowser zu verwenden oder eine Standortbestimmung durch Messaging-Apps, um so viele Mobiltelefone wie möglich hierfür nutzen zu können. 3. Konsolidierung von Notrufzentralen Die meisten Notfalldienste verfügten in den vergangenen Jahrzehnten über mehrere kleinere Notrufleitstellen mit typischerweise zwei bis fünf Dispatchern. In den 90er-Jahren funktionierte dieses System dank eines geringeren Anrufvolumens gut - schließlich musste jemand, der einen Autounfall melden wollte, bei einem Mitmenschen anklopfen und dessen Festnetztelefon benutzen. Heute jedoch ist die Anzahl der Notrufe pro Vorfall aufgrund der Verbreitung von Mobiltelefonen um ein Vielfaches höher. Bei größeren Unfällen erleben traditionelle Notrufleitstellen deshalb regelmäßig eine massive Anrufflut, was zu langen Wartezeiten und verpassten Anrufen durch Überlastung der Leitungen und des Personals führen kann. Eine Lösung könnte die Konsolidierung und Vernetzung von Notrufzentralen sein. So könnten große Anrufvolumen besser verwaltet und verteilt werden, etwa indem Mitarbeiter in weniger ausgelasteten Regionen ihre Kollegen in Zentralen mit hohem Anrufaufkommen unterstützen. So wären Notrufzentralen deutlich effizienter und Einsatzkräfte schneller vor Ort. 4. Effektive organisations- und grenzübergreifende Notfallhilfe Effiziente und wirksame Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Notrufzentralen stellt eine noch größere Herausforderung dar, wenn sie zu unterschiedlichen Organisationen gehören oder wenn grenzübergreifende Hilfe benötigt wird. Informationen werden häufig per Telefon, Fax und durch manuelle Eingabe von Daten in Fallverwaltungssysteme ausgetauscht - eine fehleranfällige Vorgehensweise, besonders wenn Menschen unter Stress stehen. Eine organisationsübergreifende Hilfe wird ebenfalls erschwert, wenn die Notfalldienste über unterschiedliche Informationen verfügen. Nationale Grenzen, Zuständigkeitsbereichsgrenzen, aber auch regionale und lokale Grenzen stellen derzeit weitere große Herausforderungen für die Zusammenarbeit dar. Ein strukturierter Austausch von Daten mittels moderner Echtzeitkommunikation würde die Verfügbarkeit und Richtigkeit von Informationen über Notfälle und die organisations- und grenzübergreifende Zusammenarbeit deutlich verbessern. Zukunftsfähig durch Multi- Channel-Kommunikation Die Öffentlichkeit wird stets nach besserer Versorgung in Notfällen verlangen, nach schnelleren Reaktionszeiten und höherer Versorgungsqualität. Ein ausschließlich sprachbasiertes Notrufsystem ist den Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr gewachsen. Verständnis für die vier Herausforderungen ist deshalb die Voraussetzung für die digitale Transformation, die notwendig ist, um Notrufzentralen zukunftsfähig zu machen. Das Ziel ist eine agilere, flexiblere und effektivere Zusammenarbeit innerhalb und zwischen verschiedenen Organisationen. Der schnelle, strukturierte Austausch von Kontext- und Situationsdaten in Echtzeit und über alle Kanäle - sprachlich, visuell und schriftlich - wird dabei integraler Bestandteil der Notfall-Kommunikation der Zukunft sein und die Notfall- und Gesundheitsversorgung deutlich verbessern. AUTOR Markus Bornheim Consulting Sales Engineer EU - Public Safety & Emergency Services Avaya Deutschland GmbH Kontakt: bornheim@avaya.com
