eJournals Transforming cities 2/4

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0098
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2017
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Analyse von Kaskadeneffekten in Versorgungsnetzen

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2017
Jörg Finger
Katja Faist
Sandra Hasenstein
Tobias Leismann
Moderne Versorgungsnetze sind hochkomplexe Systeme, die starke Abhängigkeiten von anderen kritischen Infrastrukturen aufweisen. Störungen in diesen Netzen können vielfältige Auswirkungen nach sich ziehen. Beispielsweise können Stromausfälle zu Problemen im Kommunikationsnetz oder der Wasserversorgung führen. Das Entstehen eines Vorfalls als Folge eines anderen nennt man Kaskadeneffekt. Am Fraunhofer EMI werden Kaskadeneffekte in Versorgungsnetzen und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Infrastrukturnetzen durch Simulationen analysiert und ein entsprechendes Softwaretool entwickelt.
tc240058
58 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum Wie schon in der aktuellen Ausgabe in dem Artikel von Daniel Hiller und Benjamin Scharte ab Seite- 47 dargestellt, ergeben sich für Städte wachsende Herausforderungen angesichts einer steigenden Anzahl von Bewohnern und einem häufigeren Auftreten von Natur- und menschlich verursachten Katastrophen. Um die Sicherheit im Stadtraum zu gewährleisten, benötigen diese dicht besiedelten Gebiete funktionierende Infrastrukturen wie beispielsweise Strom- und Wasserversorgung sowie Kommunikation über entsprechende Netze. Analyse von Kaskadeneffekten in Versorgungsnetzen Softwaretool CAESAR (Cascading Effect Simulation in Urban Areas to Assess and Increase Resilience) Versorgungsnetze, kritische Infrastrukturen, Resilienz, Kaskadeneffekte, urbane Gebiete, Softwaretool Jörg Finger, Katja Faist, Sandra Hasenstein, Tobias Leismann Moderne Versorgungsnetze sind hochkomplexe Systeme, die starke Abhängigkeiten von anderen kritischen Infrastrukturen aufweisen. Störungen in diesen Netzen können vielfältige Auswirkungen nach sich ziehen. Beispielsweise können Stromausfälle zu Problemen im Kommunikationsnetz oder der Wasserversorgung führen. Das Entstehen eines Vorfalls als Folge eines anderen nennt man Kaskadeneffekt. Am Fraunhofer EMI werden Kaskadeneffekte in Versorgungsnetzen und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Infrastrukturnetzen durch Simulationen analysiert und ein entsprechendes Softwaretool entwickelt. Flut in New Orleans. © pixabay THEMA Sicherheit im Stadtraum 59 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Softwaretool CAESAR Das Fraunhofer EMI hat ein Softwaretool CAESAR (Cascading Effect Simulation in Urban Areas to Assess and Increase Resilience) zur Analyse von Kaskadeneffekten in Versorgungsnetzen entwickelt. Ziel von CAESAR ist es, durch ein gesteigertes Verständnis von Kaskadeneffekten Vorschläge für robustere, gekoppelte Infrastruktur zu liefern und so die Folgen von Ausfällen zu verringern. CAESAR (Bild 1) kann verschiedene, voneinander abhängige Infrastrukturnetze (wie Stromnetz, Wassernetz, Mobilfunknetz) in einer Computersimulation einer fiktiven Naturkatastrophe aussetzen. Die Software CAESAR schätzt dabei den ersten Schaden ab, der durch die Naturkatastrophe verursacht wird (beispielsweise das Umknicken eines Strommasts). Die Simulation propagiert im Anschluss den Schaden durch die Versorgungsnetze. Hierbei werden zwei Arten der Kaskadeneffekte betrachtet: die Weitergabe des Ausfalls innerhalb desselben Netzes (Umknicken eines Strommasts führt zur Unterbrechung der Stromversorgung eines Umspannwerks) und die Weitergabe eines Ausfalls über eine Versorgungsnetzgrenze hinaus (Ausfall der Stromversorgung führt zu Ausfall einer Mobilfunkbasisstation). Basierend auf dieser Simulation werden neu entwickelte Methoden zur Resilienzsteigerung von Versorgungsnetzen angewandt. CAESAR schlägt mit dieser Methodik Strategien vor, um die Auswirkungen von Kaskadeneffekten insbesondere auf abhängige kritische Infrastrukturen zu verringern. Die Ergebnisse werden durch ein Geoinformationssystem (GIS) auf einer Website dargestellt. Berechnung der Resilienz Für die Simulation von Netzabhängigkeiten werden entsprechende Methoden benötigt. Zu nennen ist hier die Modellierung mittels eines Multiagentensystems, welches die verschiedenen Infrastrukturnetze (Strom, Wasser, Mobilfunk) enthält. Physikalische Abhängigkeiten zwischen diesen Infrastrukturen werden durch Wahrscheinlichkeiten abgebildet (Bild 2). Durch diese Abhängigkeiten kann simulativ errechnet werden, inwiefern beispielsweise Stromausfälle Einfluss auf die Funktionalität von Wasser- und Mobilfunknetz in konkreten Szenarien haben. Um diese infrastrukturübergreifenden Ausfälle abzumildern beziehungsweise zu verringern, wurden Methoden zur Identifizierung von Schwachstellen entwickelt. Sie basieren zum einen auf einer Analyse der Netzstruktur und zum anderen auf der simulativen Abschätzung des Ausfallausmaßes. Damit bestimmt CAESAR Teile der Infrastrukturen, die entscheidend zu den Kaskadeneffekten beitragen. Basierend auf den zuvor bestimmten kritischen Teilen der Infrastruktur stellt CAESAR dann Strategien zur Steigerung der Robustheit gegen Kaskadeneffekte zur Verfügung. Die Basis hierzu bilden Maße, welche die Resilienz von gekoppelten Infrastrukturen gegenüber Kaskadeneffekten abschätzen. Diese Resilienzmaße spiegeln mögliche Auswirkungen von Funktionalitätsverlust durch Netzausfälle sowie die Möglichkeit zur Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit wider. So kann das Softwaretool bestimmen, wie resilient die gekoppelten Infrastrukturen gegenüber Naturkatastrophen sind. Damit werden Strategien angeboten, die zu einer bestmöglichen Steigerung der Resilienz gegenüber Kaskadeneffekten führen. Bild 1: Softwaretool CAESAR. © Fraunhofer EMI Bild 2: Beispiel des Multiagentensystems für voneinander abhängige Infrastrukturen. Jede Infrastruktur wird durch verschiedene Agenten modelliert, die miteinander kommunizieren und Ausfälle weitergeben können. Zwischen den Infrastrukturen können Ausfälle durch wahrscheinlichkeitsbasierte Verbindungen (grau) weitergegeben werden. © Fraunhofer EMI 60 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum Ergebnisse der Berechnungen durch CAESAR CAESAR stellt die ermittelten Berechnungsergebnisse auf einer Website in einem GIS dar (Bild 3). Darin ist zu erkennen, welche Teile einer Infrastruktur ausgefallen sind. Darüber hinaus wird über verschiedene Symbole visualisiert, an welchen Infrastrukturteilen ein Ausfall an eine andere Infrastruktur weitergegeben wurde, um welche Art von Ausfall es sich handelt und mit welcher Wahrscheinlichkeit in der Simulation mit einem Ausfall zu rechnen ist. Diese Symbole sind in Bild 3 jeweils mit einem roten Dreieck gekennzeichnet. Über die Ausfälle hinaus werden diejenigen Komponenten der Infrastruktur visualisiert, die entscheidend zu den Kaskadeneffekten beitragen. Diese Komponenten werden durch ein gelbes beziehungsweise rotes Symbol repräsentiert (Bild 3). Gelbe Symbole zeigen kritische, rote sehr kritische Infrastrukturteile. Für diese Teile der Infrastruktur berechnet CAESAR mögliche Strategien zur Resilienzsteigerung, wie zum Beispiel das Hinzufügen von Redundanz oder das Installieren einer unabhängigen Stromversorgung. Mit CAESAR kann ein Benutzer somit analysieren, wie sich eine Naturkatastrophe auf gekoppelte Infrastrukturen auswirkt, in welchen Gebieten besonders viele Ausfälle aufgrund von Kaskadeneffekten zu erwarten sind und wo sich die kritischen Infrastrukturteile befinden. Durch diese Analysen und die vorgeschlagenen Maßnahmen kann der Benutzer hier feststellen, an welchen Orten eine Steigerung der Robustheit die größten positiven Auswirkungen auf die Infrastrukturstabilität hat. Somit können insbesondere Städte und urbane Räume mit ihren hoch vernetzten Infrastrukturen von den Berechnungsergebnissen des entwickelten Softwaretools profitieren. Denn gerade dort wären von der Beeinträchtigung oder gar dem Ausfall einer Infrastruktur und eventuell sich anschließenden Kaskadeneffekten besonders viele Menschen betroffen. Bild 3: Beispiel für ein Ergebnis des Softwaretools CAESAR, visualisiert auf einer Website durch ein GIS. © Fraunhofer EMI Dipl.-Inf. Jörg Finger Sicherheits- und Effizienzanalyse Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Ernst-Mach-Institut, EMI Kontakt: Joerg.Finger@emi.fraunhofer.de Katja Faist Sicherheits- und Effizienzanalyse Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Ernst-Mach-Institut, EMI Kontakt: Katja.Faist@emi.fraunhofer.de Sandra Hasenstein MSc Sicherheits- und Effizienzanalyse Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Ernst-Mach-Institut, EMI Kontakt: Sandra.Hasenstein@emi.fraunhofer.de Dr. Tobias Leismann Stellvertretender Institutsleiter Leiter Hauptabteilung Resilience, Safety & Security Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik Ernst-Mach-Institut, EMI Kontakt: Tobias.Leismann@emi.fraunhofer.de AUTOR I NNEN