Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2017-0101
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2017
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Kritische Fragen zur Ladesäulen-E-Mobilität
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Rainer Hamann
Elektromobilität ist beschlossene Sache, an den Straßen stehende Stromladesäulen sind ihre sichtbaren Zeichen. Generell mag Elektromobilität aus technischer und langfristig aus ökologischer Sicht ja gut sein, aber aus gestalterischen, ästhetischen und städtebaulichen Gesichtspunkten sind es Ladesäulen sicher nicht. Ungefähr jedem dritten Straßenrandparklatz müsste eine Ladesäule zugeordnet werden, die – natürlich – auf dem Bürgersteig steht. Spinnennetzartig legen sich Ladekabel über die Straßenränder und werden zu Stolperfallen für Fußgänger. Straßenraumgestaltung, Aufenthaltsqualität sind dahin, wo bleibt der Aufschrei der Stadtplaner? Weitere offene Fragen und ungeklärte technische Randbedingungen wie die Sicherheit, zu der man bisher populärwissenschaftlich fast gar nichts lesen konnte, werden hier thematisiert.
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72 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum Kritische Fragen zur Ladesäulen-E-Mobilität Technische Unzulänglichkeiten, Sicherheitsfragen und hohe Kosten sind ungeklärt Elektromobilität, Ladesäulen, Stromnetz, Kosten, Stadtgestaltung Rainer Hamann Elektromobilität ist beschlossene Sache, an den Straßen stehende Stromladesäulen sind ihre sichtbaren Zeichen. Generell mag Elektromobilität aus technischer und langfristig aus ökologischer Sicht ja gut sein, aber aus gestalterischen, ästhetischen und städtebaulichen Gesichtspunkten sind es Ladesäulen sicher nicht. Ungefähr jedem dritten Straßenrandparklatz müsste eine Ladesäule zugeordnet werden, die - natürlich - auf dem Bürgersteig steht. Spinnennetzartig legen sich Ladekabel über die Straßenränder und werden zu Stolperfallen für Fußgänger. Straßenraumgestaltung, Aufenthaltsqualität sind dahin, wo bleibt der Aufschrei der Stadtplaner? Weitere offene Fragen und ungeklärte technische Randbedingungen wie die Sicherheit, zu der man bisher populärwissenschaftlich fast gar nichts lesen konnte, werden hier thematisiert. © pixabay THEMA Sicherheit im Stadtraum 73 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES Sind E-Antriebe das Non-plus-Ultra? Vielversprechende Innovationen machen Mut. Eine Studie des Umweltbundesamtes [1] behauptet, dass der Umstieg auf Elektromobilität aus volkswirtschaftlichen Kostengesichtspunkten im direkten Vergleich mit anderen treibhausgasneutralen Antriebs- und Kraftstoffoptionen am besten abschneidet. Dagegen kommt das Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut in einer kompletten Lebenszeit-Analyse [2] zu dem Schluss, dass E-Mobilität unter den gegebenen Rahmenbedingungen in Deutschland noch nicht sinnvoll ist, unter anderem deshalb, weil noch auf Jahre hinaus deutscher Strom mit hohem Kohleanteil produziert wird. Eine schwedische Untersuchung [3], hat ergeben, dass bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien so viel CO 2 entsteht, wie es ein Auto mit herkömmlichem Verbrennungsmotor in acht Jahren produzieren würde. Wird berücksichtigt, dass die Lebensdauer der Batterie durchschnittlich nur bei sieben Jahren liegt, ist der E-Antrieb in der Schadstoffbilanz sogar schlechter als heutige Verbrennungsmotoren. Auto-Bild 41 vom 13. Oktober 2017 schreibt, dass zur Herstellung eines E-Golfs 45 % mehr CO 2 verbraucht wird als für einen herkömmlichen Golf TSI. Zunächst müssen mindestens die Rahmenbedingungen, wie leistungsfähige Stromnetze, Speichermedien mit höheren Kapazitäten sowie intelligent gesteuertes Laden und Autos zu erschwinglichen Preisen erfüllt sein, um ehrgeizige Ziele zur Ladesäulen-E-Mobilität erreichen zu können. Zudem ist heute das Stromtanken an kostenpflichtigen Ladesäulen teurer als herkömmliche Kraftstoffe, die E-Autos sind allemal viel teurer als vergleichbare konventionelle. Da wäre es doch wohl ökonomisch, ökologisch und technologisch sinnvoller, wenn andere Antriebs-Techniken (CNG/ LNG, synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff/ Brennstoffzelle, bzw. Antriebe mit Elektromotoren - Generator-elektrische Verbrennungsmotoren [4], Generator-elektrische Antriebe [5], E-Motoren mit Flußzellensystem-Antrieb [6], Planetenmotor [7]) - ebenfalls weiter verfolgt würden. Sinnvolle bi-direktionale Schnellladestationen für Eigenheimbesitzer sind noch in der Entwicklung [8], ebenso fehlen Schnelladesäulen in Parkhäusern und Mehrfamilien-Eigentumswohnungsobjekten, in denen die Besitzer allein Anschlusskosten von mindestens 25 000 EUR stemmen müssten. Die Einrichtung von Ladestationen an oder in Mietshäusern und Wohneigentumsanlagen ist (immer)noch rechtliche Grauzone. Technische Unzulänglichkeiten sind zu lösen Von Anfang an setzte die internationale Automobilindustrie auf ein antiquiertes Ladesystem mit Stecker, noch dazu erfand jeder sein eigenes System. Mittlerweile werden Stecker und Schnittstellen standardisiert, aber selbst dabei gibt es Kartelle mit Produkten, die weiterhin nicht mit anderen kompatibel sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ladesäulenanbieter wiederum diversifiziert sind. Das heißt: Ein E-Autonutzer kann nicht sicher sein, dass, wenn er endlich eine Ladesäule mit richtigem Stecker und benötigter Ladeleistung gefunden hat, hier auch seine Bezahlkarte akzeptiert wird. Erst 2017 wurde der VDE/ DKE-Arbeitskreis „Backend Kommunikation für Ladeinfrastruktur“ gegründet und die neue Normenreihe IEC 63110, die ein standardisiertes Management von Ladevorgängen zum Ziel hat, initiiert [9]. Ladesäulenanbieter haben allenfalls ein Interesse, mit Fördermitteln da Ladesäulen zu errichten, wo die nötige Stromleitungsinfrastruktur verfügbar ist. Denn die Einnahmen liegen pro Ladevorgang meist im einstelligen Eurobereich. Denn der Stromladevorgang dauert im Vergleich zum Kraftstofftanken oft noch viel länger, dementsprechend können nur wenige niedrige Einnahmen generiert werden - das Geschäft lohnt sich nicht. Zunächst kostenlose Aufstellungen gehen schnell in kostenpflichtige über. Deshalb liegen sogar vielenorts die Ladekosten über denen herkömmlicher Kraftstoffe. In der ZDF-Sendung planet-e [10] wurde anschaulich dargestellt, dass selbst künftig 50 Mio. Elektrokraftfahrzeuge nur 20 % vom gesamten Stromverbrauch beanspruchen würden und die Kapazitäten dafür schon heute bereitstünden. Problem sind aber unsere zu schwachen Stromnetze, diese müssten dringend entsprechend aufgerüstet werden. Vor allem sind Ertüchtigungen und Neubauten von Unterwerken (Umspannwerke zur Einspeisung bzw. Transformation elektrischer Energie verschiedener Spannungsebenen) zwingend, teilweise könnten auch Pufferspeicher helfen. Die zuständige Bundesnetzagentur sieht derzeit aber noch keinen Handlungsbedarf. In den Innenstädten wird es sehr schwierig sein, für Unterwerke die nötigen Flächen zu finden. Jedes größere Parkhaus bräuchte einen eigenen Transformator. Die Gesamtkosten der Stromnetzertüchtigung in Deutschland werden auf rund 30 Mrd. EUR geschätzt. Planer sind gehalten, mit ihren Baumaßnahmen im Hoch- und Tiefbau bereits Plätze für Unterwerke einzuplanen bzw. überall Leerrohre mit zu verlegen. 74 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum Umsetzungsprobleme Wer soll die nötige Infrastruktur bezahlen? Wer kann und soll für induktive Ladeplätze aufkommen? Klamme Kommunen? Energieunternehmen? E-Auto- Hersteller? Grundbesitzer? Arbeitgeber? Einzelhandel und Gewerbe? Die Bürger und Stromkunden? Wahrscheinlich zahlen, wie gewöhnlich, die Strom- Verbraucher - also letztlich alle Bürger - die Zeche. Verbraucherschützer protestieren bereits, gerechter wäre eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt. Bis rund 10 000 EUR kostet allein eine normale Ladesäule, Turbo-Stromspender etwa das Dreifache. Um die Investitionskosten wieder herein zu holen, wird auch nach Ladezeit abgerechnet und das ist zum Beispiel in Berlin teurer als normalen Kraftstoff zu tanken. Am billigsten lädt man zu Hause. Schnellladekapazitäten mit bis zu 150- kW (940- Volt Gleichstrom) sind derzeit praktikabel möglich. Der Strom muss aber auch erst mal zur Säule kommen (Verteilnetzausbau), eventuell müssen erst noch Unterwerke mit hohem Kostenaufwand ausgebaut werden. Können die Kommunen verpflichtet werden, im öffentlichen Raum Parkflächen und Ladesäulen sowie die dazu erforderliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen? Zumindest solche Städte und Gemeinden, die einem Haushaltsicherungsverfahren unterliegen, dürften diese (noch) freiwilligen, zusätzlichen Kosten nicht übernehmen können. Im Gegenteil: Gerade solche Kommunen müssten für diese „Sondernutzung“ einen Mietzins von den Betreibern verlangen, was diese dann aber wohl - wie allenthalben üblich - an die Verbraucher weitergeben werden. Aufbau und Betrieb können in Eigenleistung durch Kommune bzw. kommunale Unternehmen oder privatwirtschaftlich erfolgen. Kommunen sollten sich also zunächst fragen, ob sie Elektromobilität nutzen wollen, um sich zu positionieren und kommunale Ziele zu erreichen. Auch wenn Verbände und Industrie versuchen, für die Elektromobilität Daseinsvorsorge einzufordern, gilt hierbei immer noch das Subsidiaritätsprinzip. Sinnvoll ist es, ein kommunales Elektromobilitätskonzept aufzustellen und in einer Satzung bzw. in Konzessionsverträgen festzusetzen, wo und wie sich grundsätzlich die Ladeinfrastruktur in der Kommune entwickeln soll [11] [12]. Das BMVI hat einen „Prozessleitfaden zur rechtssicheren Errichtung und Organisation von AC/ DC-Infrastruktur“ [13] herausgegeben, der eine gute übersichtliche Handreichung darstellt. Die Separierung des Parkraums wird bei einer Ladesäulentechnik zunehmen: Ähnlich, wie bei Car- Sharing-Fahrzeugen, für die seit kurzem privilegierte Stellplätze reserviert werden können, regelt die StVO bereits seit 2015 durch das Verkehrszeichen 314 (Parkplatz) mit den Zusatzzeichen 1026-60 oder 1026-61 die Beschilderung für Ladeparkplätze für E- Fahrzeuge (Bilder 1 bis 3). Das wird vielen Autofahrern mit Verbrennungsmotoren ungeahnte Toleranz abverlangen. Der Ladeplatz kann kein Dauerparkplatz sein, deshalb sollte, wenn die Säulen entweder reine Normal- oder Schnellladesäulen wären, bei der letzteren auch eine maximale Parkdauerbeschränkung ausgesprochen werden. Laut Urteil des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg (Az. 227 C 76/ 16) [14] dürfen Elektroautos nur auf dem Parkplatz einer Ladestation parken, wenn der Wa- Bild 3: Zusatzzeichen 11026-61. © StVO Bild 4: An Deutschlands zukünftig größtem und innovativstem Schnellladestandort „Sortimo- Innovationspark Zusmarshausen“ entstehen 144 Schnellladestationen [15]. © Sortimo International GmbH, Zusmarshausen Bild 1: Verkehrszeichen 314: Parkplatz. © StVO Bild 2: Zusatzzeichen 1026-60. © StVO THEMA Sicherheit im Stadtraum 75 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES gen dort auch tatsächlich auflädt. Solange das Ladenetz noch so lückenhaft ist, sind potenzielle Nutzer aber sicherlich nicht bereit, ihr E-Auto an eine entfernte Ladesäule zu stellen und ständig zu schauen, ob der Ladevorgang beendet ist. Abschleppaktionen und viel Ärger sind programmiert. Sinnvoll sind gebündelte Stromtankstellenanlagen, eine solche entsteht beispielsweise gerade mit dem Sortimo-Innovationspark in Zusmarshausen bei Stuttgart (Bild 4) [15]. Hier wir der Nutzer nach digitaler Registrierung über eine Nummernschilderkennung erfasst und der passenden Ladesäule zugewiesen. Das laufende Förderprogramm des Bundesverkehrsministeriums umfasst 300 Mio. EUR. Ziel ist es, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur mit bundesweit weiteren 15 000 Ladesäulen aufzubauen. Mit 200 Mio. EUR soll der Aufbau von 5000 Schnellladestationen (S-LIS) unterstützt werden, und mit 100- Mio. der Aufbau von 10 000 Normalladestationen (N-LIS). In einem weiteren Programm, das 250 Mio. EUR umfasst, will die Bundesregierung aber auch Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik fördern. Förderfähig sind Fahrzeuge (Straße, Schiene, Wasser) und Sonderfahrzeuge in der Logistik sowie die dazugehörige Betankungsinfrastruktur, Elektrolyseanlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, nicht-stationäre Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen und autarke Stromversorgung für kritische oder netzferne Infrastruktur. Bewerben können sich Städte, Gemeinden und private Investoren. Ästhetische Probleme Gerade machen sich Städtebauer und Verkehrsplaner wieder mehr Gedanken um den Straßenraum und seine Aufenthaltsqualitäten. Aktuell stehen vielerorts der Fußverkehr und die Nahmobilität im Fokus. Ein unübersehbares Problem sind heute allenthalben die viel zu schmalen Gehwege, die oft zusätzlich mit Sondernutzungen legal und illegal zugestellt werden: Verkehrszeichen, Beleuchtungs- und andere Masten, Stromkästen, Mülleimer, Briefkästen, Hydranten, Feuermelder, Toilettenanlagen, Litfaßsäulen, Bänke, Fahrradständer, wild abgestellte Zweiräder, Bäume, Parkautomaten und -uhren, Werbeträger, Ladenauslagen und Freisitze sowie radelnde Kinder mit ihren erwachsenen Begleitungen, Skater, Inliner, Rollstuhl- und Scooterfahrer, Kinderwagen, demnächst also noch Ladesäulen und neuerdings selbstfahrende Lieferroboter und möglicherweise schweben noch aus der Luft liefernde Drohnen ein. Nein, zu Fuß gehen ist heute an vielen Orten kein Vergnügen (Bilder 5 bis 8). Doch mit dem Auto kann man ungestört und unbehindert auf der Einrichtungsfahrspur der Straße fahren. Wohin die Ladesäule, Hilfsmittel des Autoverkehrs, gestellt werden soll, wird gar nicht erst diskutiert. Ebenso wie Verkehrszeichen und Parkautomaten kommt sie völlig unstrittig auf den Bürgersteig. Eigentlich müsste es generell für solche „Einbauten“ einen rund einen Meter breiten Extrastreifen zwischen Bordsteinkante und Gehweg geben. Zumindest in den innerstädtischen, dicht bebauten, städtischen Wohngebieten wird nach den heutigen Vorstellungen mindestens jeder dritte Parkplatz eine Ladesäule bekommen müssen, um die Versorgung der E-Autos sicherzustellen. Hinzu kommen Verkehrszeichen und oftmals werden die Ladeplätze auf der Straße mindestens markiert, sie können auch mit einem Logo versehen oder sogar farbig herausgehoben werden. Das sieht einfach hässlich aus - Stadtgestaltung ade. Bild 5: Zugestellter Bürgersteig © Hamann Bild 6: Campus of Portland State University in Portland, Oregon, USA. © Cahpcc_20120816_ electric avenue 004_ Creative Commons CC-Zero CC BY-SA 1.0 76 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum Sicherheitsfragen, Vandalismus und Verletzungsgefahren Natürlich bauen die Hersteller von Ladesäulen diese nach den heute üblichen Standards, die aber je nach Leistungsabgabe unterschiedlich sind. Ladesäulen müssen technische Normen [16] und die Ladesäulenverordnung [17] erfüllen, zum Beispiel geerdet werden und über einen Anprallschutz verfügen. Sie benötigen zusätzlichen Leitungsschutz mit ausreichenden Isolierungen (IP-Schutzklasse) und müssen integrierte Fehlerstromschutzschalter haben, spezifisches Brandverhalten aufweisen und einer Schlagfestigkeitsklasse genügen (d.h. nach Einschlagen des Gewichtes dürfen Türen usw. nicht aufspringen). Zu einem sicheren Ladevorgang gehört auch die Überwachung des Ladestroms. Kommt es beispielsweise bei hohen Außentemperaturen oder durch Überlastung zu einer Überhitzung des Systems, wird der Ladevorgang abschaltet oder die Ladeleistung herunterstuft. Einen guten sicherheitstechnischen Überblick gibt die Broschüre „Elektrische Sicherheit für die Elektromobilität“ [18]. Neben unterschiedlichen Steckersystemen müssen ab dem 14.-Dezember 2017 in Betrieb genommene Ladesäulen verschiedene Bezahlsysteme anbieten, entweder kostenlos, per Barzahlung, per ECbzw. Kreditkarte, oder über eine webbasierte Anwendung. Ist die Datensicherheit gegeben? Müssen wir damit rechnen, dass wie am Bankautomaten demnächst an Ladesäulen Missbrauch und Betrugsfälle auftreten? Sowohl das Bezahlsystem als auch die Ladetechnik müssen regelmäßig gewartet werden. Bei der Dekra heißt es auf ihrer Homepage [19] dazu: „Jede Ladesäule und jede Ladesteckdose muss regelmäßig geprüft werden, damit ein sicherer und zuverlässiger Betrieb möglich ist. Dabei werden die Sicherheitssysteme überprüft. Dazu gehören unter anderem elektrische und mechanische Sicherungseinrichtungen. Je nach Aufstellungsort und Nutzung sind dabei unterschiedliche Prüffristen und Bedingungen zu beachten.“ Kommunen, Firmen, Private schließen in der Regel Wartungsverträge mit den Herstellern - möglicherweise über Kooperationspartner in der Region - ab. Es sollten rund um die Uhr Reparaturserviceteams der Hersteller im Einsatz sein. Wenige Hersteller geben Garantien, innerhalb welcher Zeitspannen Schäden behoben werden und eine Säule wieder funktionsfähig ist. Das ist aufgrund der Komplexität möglicher Schäden meist nicht möglich, denn nicht alle Ersatzteile sind vor Ort verfügbar. Einige Hersteller vermitteln auch Versicherungen. Alle diese Kosten werden sicher dem Nutzer eingepreist oder gar auf alle Stromkunden umgelegt. Übrigens sollten Ausschreibungen hinreichend spezifiziert sein und die einschlägigen Vorschriften benannt, bzw. auf die einschlägigen Leitfäden und deren Anwendung verwiesen werden, damit es später keine unliebsamen Überraschungen gibt. Bei ordnungsgemäßer Herstellung, beim Bau und im Betrieb sind Stromschläge und Brände nach technischem Stand ausgeschlossen. Wenn allerdings ein Auto in eine Ladesäule fährt, bzw. sie gar umfährt, Bild 8: Elektroauto Auflade Parkplatz Bellealliancestraße, Hamburg Eimsbüttel. 23.11.16 © Vitavia - CC-BY-SA 4.0, https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ deed.en Bild 7: Ladesäulen in einer Wohnstraße in Oslo © Sabrina Bayer, Oslo THEMA Sicherheit im Stadtraum 77 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES ist es nicht auszuschließen, dass Teile abreißen können. Im Normalfall sollte auch hierbei nichts passieren, unter Umständen könnten aber Personen durch Berühren schutzloser Teile oder gerissener Kabel usw. Schaden nehmen. Sollte jemand gar mit einem Bolzenschneider das Ladekabel an einer Hochleistungsladesäule unter Strom kappen, dürfte der Starkstromschlag für den Vandalen schmerzlich oder sogar tödlich ausgehen; es besteht theoretisch die Gefahr, dass ein Lichtbogen entsteht. Ladesäulen können auch mutwillig demoliert, Steckdosen und Bezahlschlitze verklebt und damit unbrauchbar werden. Steckdosen in der Wohnung schützen wir mit Kindersicherungen, für Ladesäulen braucht es die nicht, denn der Ladestrom fließt erst, wenn die Ladeleitung in der Säule und im Auto gesteckt und beide verriegelt sind, erst dann wird das sogenannte Schütz freigeschaltet. Ein Abziehen unter Last ist daher nicht möglich. Auch kann man nicht aus Versehen abfahren, denn mit gestecktem Ladestecker lassen sich moderne Elektroautos nicht starten. Sollte ein E-Auto einen Unfall haben, brauchen die Rettungskräfte, so wie sie über den spezifischen Einbau von Druckkartuschen für Airbags Bescheid wissen, nun hier spezielle Kenntnisse im sicheren Umgang mit potenzieller Hochspannung. Wie für die Lage der Airbag-Kartuschen gibt es von den Herstellern der E-Autos entsprechende Vermerke in den Rettungskarten, wo Hochvoltkomponenten verbaut sind und an welchen Stellen das Fahrzeug gefahrlos aufzuschneiden ist. Der ADAC hat jüngst wieder Rettungstests durchgeführt und keine Materialprobleme bei der sogenannten technischen Rettung festgestellt. [20] Oftmals queren Fußgänger Straßen und gehen dabei in Parkstreifen zwischen abgestellten Autos durch. Hier hängen in Zukunft Ladekabel, die zu Stolperfallen werden. Nicht immer sind die Ladekabel beispielsweise signalgelb eingefärbt und spiralförmig - und damit auffälliger - gespannt. Der E-Autohalter wird wohl für Sach- und Personenschäden aufkommen müssen, so wie es heute bereits eine Verkehrssicherungspflicht gibt, die zum Beispiel die Straßenbaulastträger und privaten Eigner in die Pflicht nimmt, wenn Fußgänger über Unebenheiten fallen und sich verletzen. Das dürften auch neue Tatbestände für die Kfz-Haftpflichtversicherung von E-Autos sein, die sicher die Prämienhöhe beeinflusst. Verunreinigungen sind ein weiteres Thema: Ladesäulen im öffentlichen Raum haben keine fest angeschlossenen Ladekabel, sondern die bringt der Autofahrer mit. Wer würde schon gerne sein Ladekabel zusammenrollen und in den Kofferraum neben die eben gekauften Lebensmitteleinkauf legen, wenn vorhin ein Hund darüber gepinkelt hat? Fazit Elektroautos sind okay, einzelne, die Stadtgestalt beeinträchtigende Stromladesäulen sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Neue Forschungsergebnisse in Motor- und Batterietechnik - auch für den Elektroantrieb- lassen darauf hoffen, dass es gelingt, Serienreife zu erlangen, eine schnelle Verbreitung zu finden und einzelne Ladesäulen auf Bürgersteigen obsolet werden zu lassen. Kommunen sollten sich in einem Elektromobilitätskonzept zukunftsträchtige Gedanken machen und vorher die Netzkapazitäten und Transformatoren-Verfügbarkeit prüfen lassen. In einer Satzung können sie Grundsätze festlegen, wo und wie Ladesäulen aufgestellt werden können. Antriebstechniken, die gesetzte Emissionsgrenzwerte einhalten, sollten auch künftig fahren dürfen. Die digitale Technik wird, schneller als wir heute denken, unsere heutige Verkehrsmittelwahl verändern. Wir brauchen darauf ausgerichtete Entwicklungen. Wir sollten heute nicht auf immens teure Techniken von gestern setzen; einzelne öffentliche Stromladesäulen sind bereits heute antiquiert, vielmehr macht es Sinn, sie in Sammel-Schnellladeanlagen zu bündeln. Sage niemand, er hätte es nicht gewusst. LITERATUR [1] Hrsg. Bundes Umweltamt (UBA): Texte | 72/ 2016, öko-Institut e.V., Erarbeitung einer fachlichen Strategie zur Energieversorgung des Verkehrs bis zum Jahr 2050, Dessau-Roßlau, November 2016 (letzter Zugriff 17.10.2017: https: / / www.umweltbundesamt.de/ publikationen/ erarbeitung-einer-fachlichen-strategie-zur) [2] UIP Umwelt- und Prognose-Institut e. V.: Ökologische Folgen von Elektroautos - Ist staatliche Förderung von Elektro- und Hybridautos sinnvoll, UIP-Bericht Nr. 79, August 2015, 2. Aktualisierte Auflage August 2017 (letzter Zugriff: 16.10.17: http: / / www.upi-institut.de/ UPI79_Elektroautos.pdf) [3] IVL Swedish Environmental Research Institute Ltd.: Report number C 243, Mia Romare, Lisbeth Dahllöf, Mia Romare, Lisbeth Dahllöf, The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries, Stockholm (letzter Zugriff 17.10.17: http: / / www.ivl.se/ download/ 18. 5922281715bdaebede9559/ 14960 4 6218976/ C24 3+The+life+c ycle+energ y+consumption+and+CO 2+emissions+from+lithium+ion+batteries+.pdf ) Darüber berichtet die schwedische Fach-Zeitschrift „Ingeniøren“. - (letzter Zugriff 17.10.17: https: / / ing.dk/ artikel/ svensk-undersoegelse-produktionelbiler s bat terierudleder-tons v is co2-20 0 0 8 0) In Deutschland berichten erstmals die Zeitungen der shz-Gruppe am 13.06.2017. (letzter Zugriff 17.10.17: https: / / www.shz.de/ deutschland-welt/ schwedische-untersuchung-akkus-in-elektroautosbelasten-das-klima-id17046871.html) 78 4 · 2017 TR ANSFORMING CITIES THEMA Sicherheit im Stadtraum [4] Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF: Elektrotraktion ohne Reichweitenproblem, GEV/ one: Generator-elektrisches Versuchsfahrzeug, 17.10.2017; (letzter Zugriff 22.10.17: https: / / www.lbf.fraunhofer.de/ de/ forschungsbereiche/ systemzuverlaessigkeit/ gevone-generator-elektrisches-versuchsfahrzeug-elektrotraktion.html) [5] Volker Schneider: Rettung-der-Erde.de; Elektro-Auto und Zwei-Liter-Auto, Generator-elektrischer Antrieb, 22.082014; (letzter Zugriff 22.10.17: http: / / www.rettung-der-erde.de/ GeneratorElektrischerAntrieb.htm) [6] E-und-E-Magazin, 12.04.2017, Energy 4.0, Levenstein, Elektroantrieb auf Basis regelbarer Flusszellen - 1000 Kilometer in unter 9 Stunden mit Flusszellen- Sportwagen; (letzter Zugriff 18.10.17: http: / / www.industr.com/ de/ E-und-E-Magazin/ corporate-channel/ publish-industry-verlag-gmbh-12550/ kilometer-instunden-mit-flusszellen-sportwagen-2282041) und E-und-E-Magazin, 13.08.2017: Neuer Meilenstein für E-Mobility, Flusszellen-Rennwagen knackt 100 000 Kilometer; (letzter Zugriff 18.10.17: ht t p: / / w w w. indu s tr. com / d e / E n e r g y - M a g a z in / energiespeicher/ flusszellen-rennwagen-knacktkilometer-2 3 036 81? sc _ ref_ id=24 4 6 0 02811& sc _ usergroup= E4 0&utm _ source=newsletter&utm _ medium=E40&utm_campaign=2017-35-242) [7] TU Wien, Presseaussendung 22/ 2017, 21.04.2017, Florian Aigner, Der Planetenmotor: TU Wien präsentiert neuartigen Elektroantrieb; (letzter Zugriff 22.10.17: https: / / www.tuwien.ac.at/ aktuelles/ news_ detail/ article/ 124899/ ) [8] Hochschule Osnabrück, Nachrichten, Hochschule auf der Hannover Messe: Das Elektroauto als Energiespeicher nutzen, 18.04.2017; (letzter Zugriff 22.10.17: https: / / www.hs-osnabrueck.de/ de/ nachrichten/ 2017/ 04/ hochschule-auf-der-hannover-messe-das-elektroauto-als-energiespeicher-nutzen/ [9] Verband Deutscher Ingenieure VDE, Presse, 07.07.2017, Elektromobilität: VDE/ DKE machen den Weg frei für Ladesäulen, (letzter Zugriff 22.10.17: https: / / www.vde.com/ de/ presse/ pressemitteilungen/ vde-dke-machen-den-weg-frei-fuer-ladesaeulen) [10] ZDF, 5.10.17, 21: 45 Uhr, planet)e, Risiko Elektroauto - Stromnetz am Limit? (letzter Zugriff 18.10.17: https: / / www.zdf.de/ dokumentation/ planet-e/ planet-e-risiko-elektroauto---stromnetz-am-limit-100. html) [11] Bayerischer Gemeindetag, Stefan Graf, Präsentation, Elektromobilität (aus der Sicht von Gemeinden), 30.06.2016, (letzter Zugriff 17.10.2017: https: / / static1.squarespace.com/ static / 58e21c- 3b6b8f5b410f708afb/ t/ 58e3d2e303596e54866239 0c/ 1491325678471/ S1_6_Gemeindetag_+Graf.pdf) [12] Becker+Büttner+Held (BBH) - Lange-Ringwald, Präsentation, Der rechtssichere Aufbau einer Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, Konferenz Kommunales Infrastruktur-Management, Berlin, 1.6.2012 ; (letzter Zugriff 18.10.17: https: / / www.kim. tu-berlin.de/ fileadmin/ fg280/ veranstaltungen/ kim/ konferenz_2012/ vortraege/ vortrag---ringwald.pdf) [13] Hrsg. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), Prozessleitfaden zur rechtssicheren Errichtung und Organisation von AC/ DC-Infrastruktur, 2. überarbeitete Auflage, 2017 (letzter Zugriff: 16.10.17: http: / / www.startersetelek tromobilit ät.de / content / 3 - Infothek / 3 - Publikationen/ 1-prozesssicherheit-ac-dc-li/ now_ prozessleitfaden-acdc-infrastruktur_170613.pdf) [14] Gerichte Berlin; (letzter Zugriff 22.10.17: https: / / w w w.berlin.de/ gerichte/ presse/ pressemitteilungen-der-ordentlichen-gerichtsbarkeit/ 2017/ pressemitteilung.546630.php) [15] Sortimo International GmbH, Ihr Partner für Fahrzeugeinrichtungen, 86441 Zusmarshausen; (letzter Zugriff 11.10.17: https: / / www.sortimo. d e / s e r v i c e ko nt a k t / pr e s s e infor m a tio n e n / d e t ail/ sor timo innovationspark-zusmar shaus en z u k u n f t s w e i s e n d e s p r o j e k tw ir d u m g e s e t z t / Rabbit Publishing GmbH, Redaktion electrive.net, Berlin; (letzter Zugriff 11.10.17: https: / / www.electrive.net/ 2017/ 09/ 01/ sortimo-innovationspark-zusmarshausen-wird-umgesetzt/ ) [16] RL 2014/ 94/ EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vom 22. Oktober 2014 (AFI-RL), umzusetzen bis 18.11.2016 (Verpflichtung, nationaler Strategierahmen, einheitlicher Stecker/ Kupplungen, intelligente Stromzähler, punktuelles Aufladen u.a.) Gesetz zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge (Elektromobilitätsgesetz - EmoG) vom 5. Juni 2015 (BGBl. I S. 898) (E-Kennzeichen, Ermächtigung für Kommunen von Privilegien) Sowie weitere VDE-Normen und DIN, DIN EN [17] Verordnung über technische Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektromobile (Ladesäulenverordnung - LSV), vom 9. März 2016 (BGBl. I S. 457), die durch Artikel 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1520) geändert worden ist. [18] Hrsg. Bender GmbH & Co. KG, 35301 Grünberg, Elektrische Sicherheit für die Elektromobilität, 14.10.2015; (letzter Zugriff 25.10.2017: https: / / www.bender.de/ fileadmin/ content/ Products/ b/ d/ Emobilit y_ PRO - SP_de.pdf) [19] DEKRA e.V., (letzter Zugriff 9.10.1: http: / / w w w . d e k r a e l e k t r o m o b i l i t a e t . d e / d e / f a q ladeinfrastruktur#Wissenswertes-zur-Ladeinfrastruktur) [20] ADAC e. V., Pressemitteilung: Sichere Rettung aus Stahl und Strom - ADAC Unfallforschung testet Personenrettung aus Elektrofahrzeug: Schneiden und Spreizen unter erschwerten Bedingungen erfolgreich; (letzter Zugriff 25.10.2017: https: / / presse. adac.de/ meldungen/ adacev/ tests/ rettung-ausstahl-und-strom.html) Der Artikel basiert auf einer kürzeren Fassung zum Thema „Elektromobilität mit unliebsamen Nebenwirkungen“ - in Planerin, Heft 5, 2017, Hrsg. Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplaner e.V., Berlin. AUTOR Dr.-Ing. Rainer R. Hamann Büro StadtVerkehr Planungsgesellschaft mbH & Co. KG Kontakt: hamann@buero-stadtverkehr.de