Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0005
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Smart City – ein neues Instrument zur Stadtentwicklung?
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Stefan Netsch
Markus Karnutsch
Der Begriff Smart City wird von verschiedenen Stakeholdern im Planungsprozess verwendet, um einen ressourcensparenden und zukunftsweisenden Planungsansatz zu beschreiben. Darunter versteht man ein intelligentes und modernes Image der Stadt, das technikbasiert ist und sich mit energierelevanten Fragestellungen beschäftigt, die übergeordnet unter der Vermeidung von CO2 -Emissionen stehen. Aus stadtplanerischer Perspektive stellt sich die Frage, wie die Ziele und Ideen der Smart City in die Planungsprozesse miteingebunden werden können. Einen konzeptionellen Ansatz liefert dazu der Masterplan der Stadt Salzburg.
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12 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Herausforderungen bei der Umsetzung Die Stadt Salzburg vereinigt seit dem Jahr 2012 ihre konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der langfristigen energiepolitischen Zielsetzungen in einem Masterplan Smart City. Die Langzeit-Perspektive ist auf ein Zukunftsbild der Stadt im Jahr 2050 ausgerichtet, worunter eher standardisierte Maßnahmen, wie die Schaffung einer lebenswerten, intelligent vernetzten, erneuerbar versorgten, nachhaltig mobilen und gemeinsam gestalteten Stadt zu verstehen sind. In der Ansammlung allgemeiner und unpräziser Begriffe besteht auch eines der Kernprobleme bzw. die Herausforderung bei der Umsetzung. Um den Bürgern die Inhalte der Planungen zu vermitteln, ist es einerseits notwendig allgemeine Ziele einer nachhaltigen Entwicklung festzusetzen, aber andererseits auch erforderlich, konkrete Pläne und Projekte zu formulieren, die in der Praxis umsetzbar sind. Auch der Zeithorizont spielt dabei eine Rolle, da über mehrere Jahrzehnte verschiedene Projekte verfolgt werden, die eigentlich unabhängig voneinander sind, aber im gesamten Ideenstrang einen Zusammenhang bilden „sollen“. Diese Problematik ist ebenfalls in der Stadtentwicklungsplanung bekannt, da auch hier eine Gesamtidee schritt- und phasenweise entwickelt wird. Um zu vermeiden, dass der Masterplan unkonkret und unspezifisch ist, wurde ein Katalog von Maßnahmen zur Konkretisierung der Umsetzung erstellt, wobei sich diese an unterschiedliche Themen wie Energieplanung, Wohngebäude, Mobilität aber auch an die Menschen und ihren Lebensstil richten. Bei der Visualisierbarkeit des Masterplanes setzt die Stadt auf die Umsetzung von Leuchtturmprojekten, die sich in vielfältiger Art über die Stadt verteilen. Besonders liegt der Fokus auf dem energetisch optimierten Wohnen, welches dank der österreichischen Wohnbauförderung auf einem technisch hohen Standard stattfinden kann. Projekte wie das Kraftwerk Sohlstufe Lehen zeigen dem Bürger, wie innerstädtisch Energie für die Versorgung von 23 000 Haushalten erzeugt werden kann. Insgesamt wurden so 25 Teilziele mit teils konkreten Maßnahmen, wie zum Beispiel verbindliche Gebäudestandards zur Energieversorgung, Sanierung von kommunalen Gebäuden und Wohngebäuden festgelegt. Auch die frühzeitige Benennung der beteiligten Akteure soll zur Umsetzung beitragen. Schlüsselprojekte als sichtbares Zeichen Innerhalb der Stadt Salzburg konzentrieren sich verschiedene Projekte und Maßnahmen im nördlich des Zentrums gelegenen Stadtteil Itzling. Der Stadtteil besitzt eine heterogene Siedlungsstruktur, ausgehend von einem dörflichen Kern, an welchen sich seit der Nachkriegszeit die typischen Erweiterungen gruppieren. Ein Schlüsselprojekt der Stadt Salzburg ist die Goethesiedlung (Bild 1), die nicht nur durch ihr Volumen von 1250 Wohneinheiten, sondern auch durch den Typus einer klassischen Nachkriegsbebauung relevant sowohl für die Stadtentwicklung, als auch für die Thematik der Smart City ist. Ihre streng nord-süd ausgerichtete Zeilenbebauung aus solitären Baukörpern wurde in den 1970er Jahren errichtet und bieten Wohnraum für etwa 2500 Menschen. Die Siedlung präsentiert sich als Fragment einer egalitären urbanen Ideologie, bei welcher Verdichtung zu einer Stadt der kurzen Wege führen sollte und die Smart City - ein neues Instrument zur Stadtentwicklung? Smart City, Stadtentwicklung, Sanierung, Quartiersentwicklung Stefan Netsch, Markus Karnutsch Der Begriff Smart City wird von verschiedenen Stakeholdern im Planungsprozess verwendet, um einen ressourcensparenden und zukunftsweisenden Planungsansatz zu beschreiben. Darunter versteht man ein intelligentes und modernes Image der Stadt, das technikbasiert ist und sich mit energierelevanten Fragestellungen beschäftigt, die übergeordnet unter der Vermeidung von CO 2 -Emissionen stehen. Aus stadtplanerischer Perspektive stellt sich die Frage, wie die Ziele und Ideen der Smart City in die Planungsprozesse miteingebunden werden können. Einen konzeptionellen Ansatz liefert dazu der Masterplan der Stadt Salzburg. 13 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Freiräume mit Sondereinrichtungen für die BewohnerInnen besetzt werden sollten. Sowohl die Gestaltung der Freiräume zwischen den Baukörpern als auch die einheitliche Gebäudetypolgie und Abtrennung von der Erschließungsstraße sowie die großzügigen Abstellflächen für PKWs leisten keinen Beitrag zu einer erhöhten Qualität im Wohnquartier und machen große Flächen zu einem leeren Stadtraum. Darüber hinaus gibt es keine guten Verbindungen zu umliegenden Stadtgebieten, was für eine Stadt der kurzen Wege hinderlich ist. Bedingt durch die Entstehungszeit dieser Siedlung, steht der hohe Energiebedarf im Fokus der Stadt. Gegenwärtig wird darüber nachgedacht, wie eine Optimierung im Bereich der Energieversorgung der Gebäude im Sinne einer CO 2 -armen bis weitgehend CO 2 -neutralen Weiterentwicklung stattfinden kann. Das Ziel CO 2 -Neutralität kann jedoch nicht allein die zukünftigen Entwicklungen bestimmen. In Anlehnung an bereits andernorts realisierte Einzelmaßnahmen sowie unter Berücksichtigung der Ziele der „Klima- und Energiestrategie Salzburg 2050“ des Landes Salzburg sowie des „Masterplans 2025“ der Stadt Salzburg wurden mögliche Handlungsfelder für die Goethesiedlung abgeleitet. Aufbauend wurde ein ganzheitliches Siedlungsentwicklungskonzept erarbeitet, welches nicht vorrangig eine CO 2 -Neutralität anstrebt, sondern verschiedene Aspekte berücksichtigt und kombiniert. Die festgelegten Themengebiete Raumangebot, Energie, Freiraum, Mobilität, sowie Soziales sollen dabei gleichwertig betrachtet werden. Das Siedlungsleitbild formuliert einen Zielzustand und bildet somit Orientierung nach innen und Selbstverständnis nach außen. Es schafft eine gemeinsame Identifikations- und Handlungsbasis für alle involvierten Akteure. Aus den unterschiedlichen Zielen der einzelnen Akteurs- Gruppen (Stadt Salzburg, Wohnbauträger, Energieversorger, BewohnerInnen-Vertretung) wird die gemeinsame Vorstellung für einen gewünschten Zustand und eine gemeinsam akkordierte Vorgehensweise in einem Rückkopplungsprozess (Bild 2) erarbeitet. Damit soll das Erreichen von Effizienzkriterien, Klimaschutz, Komfort und Kosten erleichtert werden. Das Siedlungsleitbild beschreibt die anzustrebende Entwicklung der Goethesiedlung. Die iterative Entwicklung des Leitbildes sowie eines detaillierten Zielvorstellungskataloges, unter Einbindung aller relevanten Stakeholder, ist in diesem Zusammenhang ein innovatives Instrument. Beispiele aus dem Zielvorstellungskatalog sind: Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie notwendiger sozialer Infrastruktur (z. B. medizinische Versorgung) Energetische Dachflächennutzung und Reduktion des Heizwärmebedarfes Entwicklung innovativer Mobilitätslösungen Sanierung als Initial für die attraktive Gestaltung der Freiflächen (z. B. Parkplatzumfeld, Fußwegbeziehungen, Flächenentsiegelung, Barrierefreiheit) Fortführung des Stakeholder- Prozesses Entwicklungsgebiete im Nahbereich der Städte oder der überregionalen Zentren tragen darüber hinaus eine Schlüsselrolle als Alternative zur Verdichtung in der Kernstadt und zur Siedlungsausweitung im ländlichen Raum. Daher beschäftigt man sich in Itzling damit, den gesamten Stadtteil mit nachhaltigen Wohnquartieren und zukunftsweisenden Mobilitätslösungen Bild 1: Luftbildaufnahme der Goethesiedlung. © Google Earth, 2018 14 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum weiter zu entwickeln. Die Formulierung eines Innovations- und Technologie-Portfolios bildet die Grundlage dafür. Man muss diesen Schritt strategisch verstehen, da es sich bei der Umsetzung der Smart City Ziele um einen Maßstabssprung vom Einzelprojekt auf einen gesamten Stadtteil handelt. Ausblick und Perspektive der Smart City Der Fokus der Smart City richtet sich meist auf den Bereich der Einsparung von Energieressourcen, insbesondere der Reduktion der CO 2 -Emissionen durch Sanierung von Gebäuden bzw. durch neue Energiestandards im Neubau. Die Herausforderung der Umsetzung von klimapolitischen Zielen liegt vor allem darin, wie diese Reduktion in einem neuen Maßstab, weg vom Gebäude hin zum Quartier, erfolgen kann. Schwierig ist die Vermittlung der Ziele gegenüber den Bürgern. Energie einsparen im persönlichen Lebensbereich durch ein verändertes Verhalten, wie niedrigere Raumtemperaturen oder der Teilverzicht auf das Auto, ist den meisten einleuchtend. Aber die Übertragung der Smart City- Idee auf einen anderen Bezugsmaßstab wie auf das Quartier oder die Gesamtstadt ist meist schwer nachzuvollziehen und beschränkt sich daher häufig auf einzelne Leuchtturmprojekte. Betrachtet man die Salzburger Projekte aus Perspektive der Stadtentwicklung, dann würden sich einige auch unter Rubrik Stadtumbau, Quartiersplanung oder Stadterneuerung zusammenfassen lassen. Österreich hat dabei den Weg oder die Strategie gewählt, die Projekte unter einem Thema, dem der Smart City zu bündeln. Zu diskutieren wäre, ob die Smart City dadurch zu einem neuen technisch orientierten Leitbild wird, wie es beispielsweise in den 1960er Jahren die „Autogerechte Stadt“ war. Aber dies stellt eine eigene theoretische Frage dar. Für die Planungspraxis relevanter ist es viel mehr, welche Strategien Städte verfolgen sollten, um die nachhaltigen Ziele zu implementieren. Der Ansatz, die Projekte in einem Stadtquartier oder Stadtteil - wie in Salzburg im Stadtteil Itzling - einzubetten, kann der richtige Schritt sein, um für die Bürger den Umsetzungsgedanken der Smart City sichtbar zu machen. So wird den Bürgern verdeutlicht, wie die Smart City im direkten Lebensumfeld umgesetzt werden kann, wie man sich damit identifizieren, dies aber ebenso kritisieren oder selbst beeinflussen kann. Studiengang Smart Building (BA) www.fh-salzburg.ac.at/ smb Studiengang Smart Buildings in Smart Cities (MA) www.fh-salzburg.ac.at/ smc Forschungsbereich Smart Building und Smart City www.fh-salzburg.ac.at/ smart-forschung AUTOREN DI M.eng. Stefan Netsch Fachbereichsleiter Städtebauliche Planung, Smart Buildings in Smart Cities Fachhochschule Salzburg GmbH stefan.netsch@fh-salzburg.ac.at Mag. (FH) Markus Karnutsch, BSc, Researcher, Smart Buildings in Smart Cities Fachhochschule Salzburg GmbH markus.karnutsch@fh-salzburg.ac.at Bild 2: Rückkopplungsprozess - Erstellung Siedlungsleitbild. © FH Salzburg
