eJournals Transforming cities 3/1

Transforming cities
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2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0006
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Integrierte Planung

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Dirk Schwede
Marcus Jeutner
Integrierte Planungskulturen, wie wir sie in Deutschland kennen, sind in China und Indien nicht stark entwickelt. Doch internationale Pilotprojekte wie GENIUS und IGSI zeigen: Investitionen in integrierte Planung versprechen größere Erfolge bei der nachhaltigen Stadtentwicklung als eine rein technologische Aufrüstung. Dr. Dirk Schwede (Universität Stuttgart) und Marcus Jeutner (TU Berlin) berichten über ihre neuesten Erfahrungen aus der Planungspraxis in China und Indien.
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15 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Dirk Schwede Umdenken in der heutigen Planungspraxis in China verspricht Nachhaltigkeit und hohe Gewinne Immer noch werden die meisten Gebäude in China weniger intensiv und umfassend geplant als hierzulande. Vielen Architekten, Bauherren und Entscheidungsträgern geht es in erster Linie um Ästhetik, weniger um langlebige Funktionalität und Zufriedenheit der späteren Nutzer. Dabei lohnt es sich, die gewünschten Anforderungen an ein Gebäude im Vorfeld zu diskutieren und die verschiedenen Technologien - wie Sonnenschutz, Dämmung, Heiz- und Kühltechnik oder Beleuchtung - nicht losgelöst voneinander zu planen, sondern systematisch gemeinsam auf die Nutzeranforderungen abzustimmen. Diesen integralen Planungsansatz diskutierten Architekten, Ingenieure und Vertreter realer Schulbauprojekte im Rahmen der Informationskampagne GENIUS „German Engineering Integrated for Urban Sustainability“ im Herbst 2017 in zwei interaktiven Workshops in Shanghai. Spielerisch wurde mit den verschiede- Integrierte Planung Der Königsweg für eine nachhaltige Stadtentwicklung in China und Indien Integrierte Planungskulturen, wie wir sie in Deutschland kennen, sind in China und Indien nicht stark entwickelt. Doch internationale Pilotprojekte wie GENIUS und IGSI zeigen: Investitionen in integrierte Planung versprechen größere Erfolge bei der nachhaltigen Stadtentwicklung als eine rein technologische Aufrüstung. Dr. Dirk Schwede (Universität Stuttgart) und Marcus Jeutner (TU Berlin) berichten über ihre neuesten Erfahrungen aus der Planungspraxis in China und Indien. nen Akteuren ermittelt, welche Funktionen und Qualitäten ein Schulgebäude bereitstellen soll. Dabei wurde deutlich, dass durch die Abstimmung der Anforderungen bessere und auch nachhaltigere Ergebnisse erzielt werden. In den Workshops wurde den Teilnehmern auch der Nutzen klar, die wichtigen Akteure und Experten schon früh in die Planung einzubinden und den Bedarf offen und kritisch mit den späteren Nutzergruppen und Gebäudebetreibern zu diskutieren. Und auch für Bauherren lohnt es sich, ausreichend Zeit und Honorarbudget für die integrale Bild 1: Schulplanungsspiel des GENIUS- Netzwerkpartners „die Baupiloten“ identifiziert die geforderten Funktionen des Gebäudes. © GENIUS 16 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Diskussion und die frühe Einbindung der Fachexperten in den Bauprojekten bereitzustellen. Investitionen in eine gute und integrierte Planung führen nach Erfahrung des GENIUS-Projektpartners energydesign aus Shanghai eher zu wirklich nachhaltigen und auch wirtschaftlich optimierten Gebäuden, als nur der Einsatz innovativer und vermeintlich nachhaltiger Technologien. Doch Lösungen, die die echten Bedarfe der Nutzer und zentrale Fragen der Governance nicht berücksichtigen, verfehlen ihre Wirkungsziele und drohen zu scheitern. Besonders brisant ist dies in Ländern wie Indien, wo Städte einem besonders hohen Entwicklungsdruck ausgesetzt sind. Vielerorts sind Wohnungsmärkte, Infrastrukturen und Sozialsysteme völlig überlastet. Lokale Planer scheitern daran, die enormen Herausforderungen mit ihren bisherigen Methoden zu bewältigen. Abhilfe bietet hier eine integrierte Stadtplanung, zum Beispiel mit der an der TU Berlin entwickelten Methode „Urban Design Thinking“. Diese Methode ermöglicht in einzelnen Nachbarschaften, Stadtteilen oder Städten maßgeschneiderte Lösungen samt notwendiger Technologien zu identifizieren, in dem sie die realen Bedarfe der Menschen - der Nutzer und Gestalter der Stadträume - in den Mittelpunkt stellt. Bei der so genannten „Human Centered Innovation“ werden menschliche Bedürfnisse, technologische Machbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit miteinander abgeglichen. Die individuellen Lösungen werden daraufhin auf ihre Wechselwirkungen und auf räumliche Konsequenzen untersucht. Wie gut diese integrierte Planung in indischen Städten funktionieren kann, zeigte sich zuletzt in zwei interaktiven Workshops - so genannten „UrbanLabs“ - in Neu-Delhi und Coimbatore im Rahmen der internationalen „Indo-German Smart Initiative“ Bild 2: Videoclips erklären integrierte Planung beim Bau von nachhaltigen Schulen in China. © GENIUS Marcus Jeutner „Urban Design Thinking“ made in Berlin - ein neuer Planungsansatz für Indiens Städte Viele Städte entwickeln Lösungen, ohne deren Umsetzung und Betrieb vollständig mitzudenken. Bild 3: In interaktiven UrbanLabs arbeiten deutsche und indische Partner gemeinsam an innovativen Lösungen für Zukunftsstädte. © Marcus Jeutner Bild 4: IGSI ist ein Zusammenschluss deutscher Forschungseinrichtungen und Planungsbüros aus allen Ebenen der Stadt- und Infrastrukturentwicklung. © Marcus Jeutner 17 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum (IGSI). Dabei unterstützte die IGSI jeweils 60 indische Wissenschaftler, Planer, Architekten und Infrastrukturentwickler vor Ort dabei, mit den neuartigen Planungs- und Beteiligungstools realistische und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Ausgehend von ganz konkreten Problemen aus den Bereichen Architektur, Mobilität, Energie, baukulturelles Erbe, Wasserver- und -entsorgung oder Abfallmanagement gelang es den Teilnehmern der UrbanLabs mit klaren Regeln systematisch binnen kürzester Zeit interessante Lösungsansätze zu entwickeln und in erste Prototypen zu übersetzen, die sich durch einen hohen Grad an Empathie und Umsetzungsfähigkeit auszeichneten - eine vielversprechende Überraschung nicht nur für die Teilnehmer. BMBF-Kampagne „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ Die Projekte GENIUS und IGSI werden im Rahmen der internationalen Kampagne des Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Shaping the Future - Building the City of Tomorrow“ gefördert. Die BMBF-Kampagne bietet zehn ausgezeichneten Forschungsnetzwerken aus Deutschland eine Plattform, ihre Projekte für nachhaltige Stadtentwicklung im Ausland zu präsentieren und sich weltweit mit starken Partnern zu vernetzen. Schwerpunktländer der Aktivitäten sind China, Indien, Vietnam, Kolumbien und die USA. AUTOREN Dr. Dirk Schwede Projektleiter GENIUS Universität Stuttgart Kontakt: mail@dirk-schwede.de Marcus Jeutner Netzwerkkoordinator IGSI Technische Universität Berlin Institut für Stadt- und Regionalplanung (ISR) Kontakt: m.jeutner@isr.tu-berlin.de Links: Netzwerk GENIUS: https: / / www.research-in-germany.org/ shaping-the-future/ research-networks/ genius.html GENIUS auf Youtube: https: / / www.youtube.com/ channel/ UCmp- 2TIGKpWM_mJOAOroJmaw/ featured Netzwerk IGSI: https: / / www.research-in-germany.org/ shapingthe-future/ research-networks/ igsi.html In Zusammenarbeit mit: Dipl. Biol., M.Sc. Ulrike Wolpers, science stories. ANZEIGE