Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0010
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Funk als smarte weil wirtschaftliche Lösung
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Benjamin Fiene
Die Prozesse zur Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung müssen ständig protokolliert und überwacht werden. Die Gemeinde Adelsdorf setzt daher ein modernes Fernwirksystem auf Basis von SHDSL-Modems zur Kommunikation über die vorhandenen Zweidraht-Leitungen ein. Weit entfernte Außenbauwerke werden durch das lizenzfreie Funksystem Radioline zuverlässig an das Leitsystem angebunden.
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24 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Adelsdorf liegt in der Region Erlangen-Höchstadt in Bayern, und zwar etwa 45 Kilometer nördlich von Nürnberg. Zur Gemeinde gehören neun Ortsteile mit insgesamt rund 8000 Einwohnern. Das Trinkwasser wird hauptsächlich aus eigenen Grundwasserbeständen gewonnen, denn Adelsdorf verfügt über einen großen Grundwasserspeicher, der vermutlich durch die nördlichen Waldgebiete gespeist wird. Selbst in trockenen Jahren sinkt der Grundwasserspiegel nicht ab. Das Trinkwasser wird mit Unterwasserpumpen aus sechs Brunnen in das Wasserwerk Uttstadt gepumpt. Da das Grundwasser keine Verschmutzungen und Belastungen aufweist, muss es dort lediglich gefiltert und belüftet werden. Anschließend wird es als Trinkwasser je nach Bedarf entweder direkt in das Versorgungsnetz eingeleitet oder in den Hochbehälter Aisch gefördert, um die verschiedenen Ortsnetze später zu beliefern. Darüber hinaus unterhält die Gemeinde eine Kläranlage, die das Abwasser mechanisch, chemisch und biologisch so aufbereitet, dass es am Ende des Prozesses direkt in den Fluss Aisch transportiert werden kann. In der Kläranlage befindet sich auch die Leitzentrale zur Überwachung der Ver- und Entsorgungsnetze (Bild 1). KRITIS grenzt Kommunikationsalternativen ein Vor der Umstellung auf eine lizenzfreie Fernwirklösung wurden die Brunnen, Hochbehälter, Stauraumkanäle, Regenüberlaufbecken und die Pumpstationen durch ein Lizenzfunksystem (Zeitschlitzfunk) kontrolliert. Die Verantwortlichen waren mit der Lösung jedoch nicht zufrieden, weil sie ständig ausfiel oder Störungen auftraten. Nachdem die Lizenz ausgelaufen war, hat die Gemeinde das Lizenzfunksystem deshalb sukzessive durch Die Prozesse zur Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung müssen ständig protokolliert und überwacht werden. Die Gemeinde Adelsdorf setzt daher ein modernes Fernwirksystem auf Basis von SHDSL-Modems zur Kommunikation über die vorhandenen Zweidraht-Leitungen ein. Weit entfernte Außenbauwerke werden durch das lizenzfreie Funksystem Radioline zuverlässig an das Leitsystem angebunden. Funk als smarte weil wirtschaftliche Lösung Zuverlässige Anbindung weit entfernter Außenstationen Benjamin Fiene © Phoenix Contact 25 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation das lizenzfreie Radioline-System von Phoenix Contact ersetzt. Vorteil der providerunabhängigen Lösung ist, dass keine laufenden Kosten entstehen. Außerdem sind private Funknetze im Vergleich zu Mobilfunknetzen nicht überlastet oder fallen aus. In diesem Fall würde die Wasserversorgung in Adelsdorf zusammenbrechen. Alles gute Gründe, weshalb sich die Gemeinde zur Nutzung des Radioline-Systems entschlossen hat. Zudem waren die Möglichkeiten zur Anbindung der Unterstationen an die Leitzentrale begrenzt. Aufgrund des verfügbaren Budgets konnten keine neuen Erdkabel verlegt werden, denn für derartige Arbeiten fallen in der Regel Kosten von 60 bis 100 Euro pro Meter an. Eine Mobilfunklösung kam ebenfalls nicht in Frage, da die Netzhoheit beim öffentlichen Versorger liegen muss, um im Störfall Einfluss nehmen zu können. Die Anforderungen des IT-Sicherheitsgesetzes für kritische Infrastrukturanlagen (KRITIS) grenzten die Kommunikationsalternativen zusätzlich ein. Daher sollten die Außenstationen nun per Richtfunk- Verbindung mit der Leitzentrale vernetzt werden. Inbetriebnahme gestaltet sich einfach Die für die Automatisierung zuständige A.P.P. GmbH wurde von der Gemeinde mit der Planung und Umsetzung der Funkinstallation beauftragt. Das ebenso in Adelsdorf ansässige Unternehmen hat sich auf die Erarbeitung und Projektierung von Anlagen für den Bereich Wasser/ Abwasser spezialisiert. Bei der Suche nach einer Lösung für die Gemeinde Adelsdorf war A.P.P.-Geschäftsführer Rudolf Schwab auf das Radioline-System aufmerksam geworden. Vor Projektbeginn bat er die Funkexperten des Automatisierungsspezialisten um Unterstützung. Dieter Schrenk, als Außendienstmitarbeiter bei Phoenix Contact tätig, führte dann gemeinsam mit Schwab erste Tests vor Ort durch und erläuterte die Funktionen der Funklösung. Anschließend stellte er A.P.P. das entsprechende Equipment für weitere Tests als Dauerleihgabe zur Verfügung. Auf Basis der Versuchsergebnisse orderte Rudolf Schwab schließlich die notwendigen Radioline-Geräte sowie die für die jeweilige Funkstrecke am besten geeigneten Antennen und installierte beides. „Wir haben uns für das Radioline- System von Phoenix Contact ausgesprochen, weil es sich einfach in Betrieb nehmen lässt und keine Folgekosten anfallen“, begründet Schwab die Entscheidung. 868-MHz-Module durchdringen Hindernisse besser Da zwischen der Leitzentrale und sämtlichen Außenstationen Hindernisse wie einzelne Bäume, Wälder oder Gebäude liegen, wurden die Funknetze mit 868-MHz-Modulen realisiert. Denn im Vergleich zum 2,4-GHz- Frequenzband zeichnet sich das 868-MHz-Band durch eine bessere Durchdringung solcher Barrieren aus. Dies resultiert aus dem niedrigeren Frequenzbereich und der dort erlaubten höheren Bild 1: Alles im Blick: In der Leitzentrale laufen sämtliche Daten zusammen und werden ständig überwacht und protokolliert. © Phoenix Contact Bild 2: Bis zu 20 Kilometer überbrückbar: Das Pumpwerk Reuthgraben ist über ein SHDSL-Modem an die Leitzentrale angekoppelt. © Phoenix Contact 26 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Sendeleistung. Das erste Funknetzwerk umfasst fünf Außenstationen. Dazu zählen drei Pumpwerke, ein Stauraumkanal und ein Regenüberlaufbecken an der Aisch. Alle Bauwerke befinden sich mehrere Kilometer vom Klärwerk entfernt, sodass keine Sichtverbindung besteht. Das in vier Kilometer Abstand vom Klärwerk gelegene Pumpwerk Reuthgraben ist per Kabel mit der Leitzentrale verbunden. Deshalb wird es über ein SHDSL- Modem von Phoenix Contact an das Leitsystem angekoppelt. Das Modem ermöglicht die Überbrückung von Entfernungen bis 20 Kilometer - und das über zwei einfache Kupferadern (Bild 2). Das Pumpwerk Reuthgraben fungiert als Unterstation für ein zweites Funknetzwerk. Von hier aus werden vier weitere Pumpstationen und ein Regenüberlaufbecken zwecks Überwachung in die Leitzentrale integriert. Weil zwischen dem Pumpwerk Reuthgraben und den drei am weitesten entfernten Außenstationen zudem viele Hindernisse liegen, nutzt A.P.P.-Geschäftsführer Schwab das Pumpwerk Läusberg als Repeater-Station (Bild 3). Auch das Pumpwerk Industriestraße befindet sich schwer zugänglich hinter Bäumen und wird über die Repeater-Station an die Leitzentrale angekoppelt (Bild 4). „Die Ausrichtung der Antennen hat sich aufgrund einer in das Funkmodul eingebauten Bargraf- Anzeige und eines RSSI-Signalausgangs einfach gestaltet“, berichtet Schwab weiter. Serielle Daten und I/ O-Signale können weitergeleitet werden In sämtlichen Unterstationen werden Modbus-RTU-Steuerungen eingesetzt. Die Radioline- Module dienen als serieller Kabelersatz und übertragen die Modbus-RTU-kodierten Daten von den Außenstationen an die Leitzentrale im Klärwerk. Unter anderem werden Stör- und Alarmmeldungen sowie Durchflussmengen und Füllstände erfasst und analysiert. Anhand der Informationen aktivieren die Gemeindemitarbeiter im Bedarfsfall die Pumpen zur Wasserförderung, damit die Hochbehälter befüllt werden. Die Rechner der Leitwarte dokumentieren die Zurespektive Abflüsse und werten die Wasserförderung statistisch aus. Außerdem werden alle Außenbauwerke auf Einbruchsaktivitäten überwacht. Tritt eine Störung in den Unterstationen auf, benachrichtigt das System die Rufbereitschaft. SOFTWARE BEWERTET DIE UMSETZBARKEIT VON FUNKSTRECKEN Phoenix Contact stellt eine Software zur Verfügung, mit der die Realisierbarkeit von Funkstrecken bewertet werden kann. Dazu liefert das Tool auf Basis der Koordinaten der Unterstationen einen Geländeschnitt mit Höhenprofil. Auf diese Weise lassen sich Hindernisse wie Berge, Hügel, Bäume oder Gebäude erkennen. Außerdem erlaubt die Software die exakte Festlegung der Antennenposition respektive -höhe sowie des Standorts der erforderlichen Repeater-Stationen. Mit diesen Informationen kann der Anwender einschätzen, ob sich die Funkverbindung umsetzen lässt. Bild 3: Überwindung von Hindernissen: In der Repeater- Station werden Signale zur Überwachung der Pumpen sowie für den Objektschutz aufgenommen. © Phoenix Contact Bild 4: Antenne im Grünen: Die Sichtverbindung des Pumpwerks Industriestraße wird durch Bäume verhindert. © Phoenix Contact 27 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Mit den auf Basis der robusten Technologie Trusted Wireless 2.0 funkenden Radioline-Modulen lassen sich neben seriellen Daten auch I/ O-Signale weiterleiten. Je nach Applikationsanforderung stehen verschiedene Einstelloptionen zur Verfügung. Von der einfachen Punkt-zu-Punkt- Verbindung bis zu selbst heilenden Mesh-Netzwerken können beliebige Netzwerkstrukturen aufgebaut werden. Die Technologie zeichnet sich ferner durch gute Diagnosemöglichkeiten und die Koexistenz zu anderen im gleichen Frequenzband funkenden Systemen aus. Da die Datenrate der Funkschnittstelle individuell festgelegt werden kann, erhöht sich die Empfängerempfindlichkeit. Bei einer niedrigen Datenrate lässt sich eine wesentlich größere Reichweite überwinden als bei einer hohen Übertragungsgeschwindigkeit. Datenübertragung ist dauerhaft sichergestellt Bei einer proprietären Technologie wie Trusted Wireless 2.0 ist das Protokoll nicht öffentlich zugänglich, sodass die Funklösung besser vor Angriffen geschützt wird. Darüber hinaus sorgt eine 128-Bit-AES-Verschlüsselung dafür, dass theoretisch mitgehörte Datenpakete nicht verstanden werden. Außerdem kontrolliert die Integritätsprüfung die Echtheit des Senders und verwirft Nachrichten, die verändert wurden. Das FHSS-Frequenzsprungverfahren steigert ferner die Robustheit des Datenaustausches. Aufgrund dieser Mechanismen und der Tatsache, dass das Funksystem keine Ethernet- Schnittstelle umfasst, also nur per Modbus-kodiertem I/ O-Signal kommuniziert, eignet sich die Funktechnik besonders für die Verwendung in kritischen Infrastruktur-Anwendungen. „Durch die Nutzung von Radioline lassen sich jetzt sämtliche Messwerte kontinuierlich aufzeichnen“, erklärt Abwassermeister Markus Steger. „So werden Störungen frühzeitig erkannt und wir können sofort Gegenmaßnahmen ergreifen“. Die Mesh- Netzwerkfähigkeit des Funksystems erlaubt die Weiterleitung von Daten über Repeater-/ Slave- Stationen. Sobald die Kommunikation zwischen zwei Stationen unterbrochen ist, wird automatisch ein neuer Übertragungsweg zu einer anderen in der Nähe befindlichen Station gesucht. Auf diese Weise ist der Datenaustausch zwischen den dezentralen Bauwerken und der Leitzentrale dauerhaft sichergestellt. Fazit „Wegen der positiven Erfahrungen mit der Funktechnik und der umfassenden Unterstützung durch Phoenix Contact planen wir schon weitere Funknetzwerke“, resümiert Rudolf Schwab. Ralf Wegel, als Fachkraft für Abwassertechnik und Leiter Labor bei der Gemeinde Adelsdorf beschäftigt, ergänzt: „Die Funkstrecken arbeiten stabil und sind seit dem ersten Tag nicht einmal ausgefallen (Bild 5)“. Mit dem Radioline-System bietet Phoenix Contact somit eine einfache, flexible und robuste Lösung für die drahtlose Kommunikation von Signalen in ausgedehnten Infrastruktur-Anlagen. Mehr Informationen: www.phoenixcontact.de/ radioline Bild 6: Für jede Anforderung die passende Lösung: Das modulare Radioline- System lässt sich einfach erweitern und individuell anpassen. © Phoenix Contact Bild 5: Erfolgreich im Team: Ralf Wegel, Markus Steger und Rudolf Schwab (von links nach rechts) hat das Radioline- Funksystem überzeugt. © Phoenix Contact Benjamin Fiene Mitarbeiter im Produktmarketing Wireless Phoenix Contact Electronics GmbH Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR