Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0019
35
2018
31
Was macht Städte smart? Die Morgenstadt-Initiative
35
2018
Natalie Pfau-Weller
Alanus von Radecki
Städte sind die Zukunft der Menschheit. Weltweit lebt bereits heute mehr als die Hälfte der Menschen
in Städten; in Deutschland sind es sogar 70 Prozent. Sie alle suchen Sicherheit und Wohlstand, Bildung
und Vernetzung und den urbanen Lebensstil, kurz: Lebensqualität. Das geschieht aber auf begrenztem
Raum und mit begrenzten Ressourcen. Deshalb muss soziale Spaltung vermieden und ein nachhaltiger
Umgang mit natürlichen Ressourcen erreicht werden. Beim Prozess der nachhaltigen Stadtentwicklung
hin zu einer smarten Stadt der Zukunft sind alle Bereiche von Abfall über Energie, Governance, Mobilität bis hin zur Wasserversorgung relevant.
tc310058
58 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Was macht Städte smart? Die Morgenstadt-Initiative In der „Morgenstadt Initiative“ entwickelt die Fraunhofer- Gesellschaft gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Kommunen Lösungen für die Stadt der Zukunft Smart Cities, Innovationsnetzwerk, Stadtverwaltung, nachhaltige Stadtentwicklung Natalie Pfau-Weller, Alanus von Radecki Städte sind die Zukunft der Menschheit. Weltweit lebt bereits heute mehr als die Hälfte der Menschen in Städten; in Deutschland sind es sogar 70 Prozent. Sie alle suchen Sicherheit und Wohlstand, Bildung und Vernetzung und den urbanen Lebensstil, kurz: Lebensqualität. Das geschieht aber auf begrenztem Raum und mit begrenzten Ressourcen. Deshalb muss soziale Spaltung vermieden und ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen erreicht werden. Beim Prozess der nachhaltigen Stadtentwicklung hin zu einer smarten Stadt der Zukunft sind alle Bereiche von Abfall über Energie, Governance, Mobilität bis hin zur Wasserversorgung relevant. Bild 1: Morgenstadt: seit 2012 erfolgreich. © Fraunhofer, Fish Blowing Bubbles GmbH THEMA Die intelligente Stadt 59 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Unsere Mission: Gemeinsam Innovationen realisieren Im Rahmen des „Morgenstadt Netzwerks“ arbeiten Forschung, Industrie und Kommunen gemeinsam daran, Ideen für urbane Systemlösungen zu entwickeln und in die Pilotierung zu überführen. Dabei gilt auch, bevorstehende Technologiesprünge und disruptive Entwicklungen für die Stadt von morgen zu identifizieren und neue Produktsysteme und Geschäftsmodelle zu konzipieren. Innovative und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen der Morgenstadt-Partner werden in ganzheitliche Stadtentwicklungsprojekte integriert. Dabei haben die beteiligten Kommunen die Chance, Pilotprojekte zur Demonstration neuer Wirkzusammenhänge durchzuführen und in Begleitung der Fraunhofer-Forscher, Lösungen für urbane Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadt zu entdecken. Morgenstadt: seit 2012 erfolgreich Gemeinsam mit einem hochkarätigen Netzwerk aus Industrie- und Städtepartnern erfolgte in der ersten Forschungsphase von „Morgenstadt: City Insights“ (M: CI) eine umfassende Analyse nachhaltiger Stadtsysteme. Ziel war es, einen Einblick in die aktuell ablaufenden Transformationsprozesse ausgewählter Städte zu erhalten und Erfolgsfaktoren sowie die relevanten Sektoren für den Wandel hin zur nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadt zu identifizieren (Bild 1). In Phase II wurde das daraus entwickelte Modell für eine nachhaltige Stadtentwicklung 2014 und 2015 im Rahmen der Morgenstadt City Challenge an einer Reihe von Städten angewandt. Prag, Lissabon, Chemnitz, Leipzig, Sabadell, Tiflis und die „Urban Tech Republic“ in Berlin Tegel haben seitdem erfolgreich Morgenstadt-Entwicklungsstrategien auf den Weg gebracht und in konkrete innovative Projekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung überführt. Die Methode des City Labs basiert auf drei Dimensionen urbaner Systeme, die für eine nachhaltige Stadtentwicklung adressiert werden müssen: 1. Urbane Governance in Strategie und Planung genauso wie Organisation und Struktur; 2. Sozio-ökonomische Strategien in Bereichen wie der digitalen Transformation der Kommune, der Schaffung lokaler Innovations-Ökosysteme, der aktiven Beteiligung der Zivilgesellschaft sowie einer innovationsorientierten Stadtplanung; 3. Intelligente Technologien und Infrastrukturen wie Energie, Informations- und Kommunikationstechnologien, Wassermanagement, Mobilität, Logistik, Gebäude, Resilienz und Sicherheit sind die essenziellen Sektoren der nachhaltigen Stadtentwicklung. 2 PRAGUE CITY LAB PROCESS Prague wins Morgenstadt City Challenge Prague Indicators Assessment of 106 indicators for Prague Pressures on the city system State of the city system Impact on the city system Prague Impact Factors structured interviews with the Comparison of Indicators with Creation of Prague systems important impact factors Prague Action Fields Prague City Team Prague projects Prague Roadmap for each project actions into a coherent roadmap Presentation & handover of Roadmap March May June August Nora Adam Pajgrt 6 7 Bild 2: Morgenstadt City Lab Ergebnis anhand des Beispiels Prag. © Fraunhofer IAO 60 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die intelligente Stadt Am Ende dieser tiefgründigen Analyse entsteht eine Grafik, die auf einen Blick die „Performance“ einer Stadt zeigt. Anschließend werden Maßnahmen abgeleitet, die zur Verbesserung der Handlungsfelder führen (Bild 2). Der Fokus der Phase III (2018/ 2019) liegt einerseits auf der Marktentwicklung der bereits erarbeiteten urbanen Lösungen für nachhaltige Städte, andererseits werden diese Lösungen kontinuierlich verbessert und an die jeweiligen Rahmenbedingungen einer Stadt angepasst. Um städtische Herausforderungen in Innovationen zu überführen, arbeitet das Morgenstadt Netzwerk mit drei Hauptsäulen (Morgenstadt City Labs, Morgenstadt Forschung und Innovationspartnerschaften), die durch zahlreiche Netzwerkaktivitäten und weiteren Services ergänzt werden. Was macht Städte smart? Dieser Frage gehen Forscher und Morgenstadtpartner seit Beginn des Netzwerkes nach. Aufgrund der bisherigen Erfahrung lassen sich einige Erfolgsfaktoren für eine smarte nachhaltige Stadtentwicklung identifizieren. Im Rahmen der Initiative wurde für die Doktorarbeit von Natalie Pfau-Weller ein online-basierter Fragebogen an durchschnittlich drei bis vier Personen jeder Stadtverwaltung jeder deutscher Großstadt mit mehr als 100 000 Einwohnern versendet 1 . Ziel der Onlinebefragung war die Ermittlung des Zusammenhanges zwischen den europäischen Instrumenten und der nachhaltigen Stadtentwicklung deutscher Großstädte sowie deren Abhängigkeit von der Struktur einer Stadtverwaltung [1]. Im Folgenden sollen drei Einflussfaktoren kurz erläutert werden: 1. Akteure innerhalb der Stadtverwaltung und Politik als Treiber Die Frage, wer die Strategien hauptsächlich angestoßen hatte, beantwortete eine deutliche Mehrheit mit: Stadtverwaltung (75,6 % der Befragten) im Vergleich zum Oberbürgermeister (15,4 %), der Bürgerschaft (3,8 %) oder Sonstigen (5,2 %; n = 11). Mehr als die Hälfte der Befragten beantwortete auch die Frage: Wer entscheidet in Ihrer Stadt vorwiegend, an welchen Förderprogrammen teilgenommen wird? mit: wir nicht (59,3 %, n = 150). Jedoch wurde von 59 % der Befragten angegeben, dass die Dezernate/ 1 Die Ansprechpartner wurden im Vorfeld ermittelt und, da nachhaltige Stadtentwicklung ein Querschnittsthema innerhalb der Stadtverwaltung darstellt, wurde der Link dieser Umfrage an den Klimaschutzmanager, Dezernat/ Referat/ Amt Umwelt, an die Stadtplanung, Wirtschaftsförderung et cetera versandt. Diese Umfrage wurde im Zeitraum Februar bis April 2016 mit einer Rücklaufquote von 53,8 % durchgeführt. Ämter der Stadtverwaltung dies entschieden, 32,7 % benannten den Gemeinderat als Treiber und nur 4,9 % den Bürgermeister oder 3,2 % weitere Akteure (n = 61). Folglich sind die politische Führungsebene gemeinsam mit dem Gemeinderat die wesentlichen Entscheider, wenn es darum geht, nachhaltige Projekte innerhalb einer Stadt voranzutreiben. Dieses Ergebnis wurde auch bei den in den Jahren 2014 - 2016 durchgeführten City Labs deutlich. 2. Die Stadtverwaltungsstruktur als Einflussgröße Weiterhin ist gerade auch die administrative Struktur ein wesentlicher Einflussfaktor. Im Moment gibt es keinen Standard für Verwaltungsstrukturen. Das Thema „Smart Cities und Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe“ wird in unterschiedlichen Ämtern bearbeitet. Viele Städte tun sich mit Zuständigkeiten übergreifendem Handeln schwer, da immer noch das Silo-Denken der Vergangenheit vorherrscht. Manche Städte riefen Querschnittsämter (New York City) oder spezielle Stabstellen (Norderstedt) ins Leben oder entschieden sich für informelle übergreifende Arbeitsgruppen (Freiburg). Jedoch hängt der Erfolg einer ämter-übergreifenden Zusammenarbeit im Bereich nachhaltiger Stadtentwicklung nicht nur von der Organisationstruktur einer Stadt, sondern vor allem von den dortigen Mitarbeitern ab, beispielsweise den Fachbereichsleitern oder Dezernenten [1]. Im Ergebnis ist ein integrierter Ansatz zur digitalen Transformation der Kommune notwendig, welcher alle relevanten Ämter, Dezernate und kommunalen Betriebe miteinander vernetzt. 3. Abhängigkeit von supralokalen Strukturen Die Städte haben nur bedingt Einfluss auf ihr Rechts- und Finanzsystem. Viele Entscheidungen werden auf regionaler, nationaler oder supranationaler Ebene getroffen. Gerade auch der Prozess von Ausschreibungen und Vergabe sowie vielzählige bürokratische Abläufe erschweren es den Städten, flexibel, innovativ und schnell zu handeln und beispielsweise Technologien auszuprobieren. Dies wird im nationalen Vergleich zum Beispiel zwischen holländischen und deutschen Städten deutlich. Und wie wird meine Stadt smarter? Einige Stellschrauben lassen sich nur schwer schnell weiterdrehen, jedoch wird nach vorliegenden Erkenntnissen deutlich, dass die Innovationsfähigkeit und damit auch die Smartness einer Stadt vor allem von den kommunalen Akteuren abhängt. Die Entscheidungsträger sollten gut informiert und vernetzt sowie auch motiviert sein, damit ihre Stadt zur Smart City wird oder dies weiterhin bleibt. THEMA Die intelligente Stadt 61 1 · 2018 TR ANSFORMING CITIES Denkbare Instrumente sind das Morgenstadt City Lab oder Digitalisierungsstrategien, die Kommunen im Rahmen der Zusammenarbeit mit der „Morgenstadt“ entwickeln und umsetzen. LITERATUR: [1] Pfau-Weller, N.: Tragen die EU-Maßnahmen dazu bei, dass deutsche Großstädte nachhaltiger werden? Eine Untersuchung ausgewählter europäischer Instrumente der nachhaltigen Stadtentwicklung 2002- 2012 in Frankfurt am Main. Tübingen, 2017, S. 221 ff. AUTOR I NNEN Dr. Natalie Pfau-Weller Wissenschaftliche Mitarbeiterin Urban Governance Innovation Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation Kontakt: natalie.pfau-weller@iao.fraunhofer.de Alanus von Radecki, M.Sc. Teamleiter Urban Governance Innovation Fraunhofer Inst. f. Arbeitswirtschaft und Organisation Kontakt: alanus.radecki@iao.fraunhofer.de WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, München, www.trialog-publishers.de ANZEIGE
