Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0031
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Erfolgreich durch stetige Innovation
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Torsten Linnemann
Volker Knack
Als Ingenieur und Inhaber eines kleinen in Essen ansässigen Unternehmens hat Helmut Mauell schon frühzeitig mit dem Energieversorger RWE zusammengearbeitet. Im Jahr 1957 wurde er von RWE mit einer neuen Anforderung hinsichtlich der Überwachung von Schaltanlagen in Umspannwerken und Transformatorstationen angesprochen. Daraus ist die erste Melderelais-Generation MR10/MR20 entstanden, die auch nach 60 Jahren und vielen Weiterentwicklungen noch immer eingesetzt wird.
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17 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie RWE suchte seinerzeit nach einer Lösung, die Meldungen, Fehler und Statusinformation vor Ort visuell anzeigt. Außerdem sollten die Daten über spezielle Kontakte an eine übergeordnete Leittechnik übertragen werden können. Ende der 1950er Jahre standen andere Technologien zur Verfügung als heute. Das galt ebenso für die Meldetechnik und die notwendige Spannungsversorgung in den Umspannstationen. Aus den vorliegenden Rahmenbedingungen resultierte die wichtige zusätzliche Anforderung, dass sich die Meldungen bei einem Ausfall der lokalen Energieversorgung - also einem Schwarzfall der Station - weiterhin speichern lassen. Ferner sollten sie dem Servicetechniker zur einfachen und schnellen Fehlerbehebung dauerhaft dargestellt werden können. Auf der Grundlage dieser Ansprüche von RWE hat der Ingenieur und Unternehmer Helmut Mauell neue Ideen und Technologien entwickelt, um die gewünschten Funktionen bereitzustellen. Dazu kombinierte er die damals vorhandene Relaistechnik mit neuen mechanischen Funktionalitäten. Mechanischer Meldespeicher zur Detektierung von Fehlerursachen Im Ergebnis umfasste das Mauell- Portfolio ein neues Melderelais, aus dem die erste Melderelais-Generation MR10/ MR20 Erfolgreich durch stetige Innovation Das Melderelais und seine Geschichte Energieversorgung, Meldetechnik, Melderelais, Umweltbedingungen, technische Enwicklung Torsten Linnemann, Volker Knack Als Ingenieur und Inhaber eines kleinen in Essen ansässigen Unternehmens hat Helmut Mauell schon frühzeitig mit dem Energieversorger RWE zusammengearbeitet. Im Jahr 1957 wurde er von RWE mit einer neuen Anforderung hinsichtlich der Überwachung von Schaltanlagen in Umspannwerken und Transformatorstationen angesprochen. Daraus ist die erste Melderelais-Generation MR10/ MR20 entstanden, die auch nach 60 Jahren und vielen Weiterentwicklungen noch immer eingesetzt wird. Melderelais im Buchholz-Schutz von Transformatoren. © Phoenix Contact 18 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie hervorgegangen ist. Die Geräte zeichneten sich unter anderem durch einen innovativen mechanischen Meldespeicher aus. Die eingehende Meldung wurde über eine Mechanik so lange mechanisch gespeichert, bis sie ein Techniker manuell mit einem Rücksetzknopf quittierte. So konnte der Betreiber auch Stunden oder Tage nach einem Ereignis herausfinden, was den Fehler genau verursacht hatte. Zu der Zeit war das ein absolutes Novum. ihm Recht, es fanden sich schnell weitere Kunden und Anwendungen im energietechnischen Umfeld. Aufgrund der verschiedenen Zielgruppen und Applikationen musste Mauell ständig neue Varianten und Modelle des Melderelais entwickeln. Deshalb ist aus dem ursächlichen Melderelais MR10 eine Gerätefamilie entstanden, die sich in ganz unterschiedlichen Anwendungen nutzen lässt. Durch ihre hohe Flexibilität hat sich die Komponente rund um den Globus einen festen Platz in den Anlagen der Energieversorgungsunternehmen gesichert. Heute werden somit weiterhin standardmäßig Melderelais MR10 im Bereich der Buchholz-Überwachung der Transformatoren verwendet (Bild 1). Sicheres Erfassen und Anzeigen von Erdschlüssen Mit der technologischen Entwicklung der Umspannwerke erhöhte sich ebenfalls die Anzahl der Informationen, die zum sicheren und zuverlässigen Betrieb der Anlagen benötigt wurden. Daher sind Meldekombinationen aufgekommen, welche die Integration von bis zu 150 Meldungen in einem kompakten Gehäuse erlaubten (Bild 2). Über die Jahre kamen weitere Anforderungen hinzu. So wurden die Umwelt- und technologischen Bedingungen, unter denen die Relais störungsfrei arbeiten, stetig ergänzt. Die konventionelle Relaistechnik war beispielsweise nicht in der Lage, sehr kurze Impulse - sogenannte Wischerimpulse - nach einer L e i s t un g s s c h a l te r- A u s lö s u n g sicher zu erkennen. Das Melderelais muss ein solches Signal innerhalb eines einstelligen Millisekundenbereichs detektieren und sicher darauf reagieren. Vor diesem Hintergrund erarbeitete Mauell eine neue Funktion und baute sie in das Gerät ein, um den neuen Rahmenbedingungen zu begegnen. Die Melderelais-Familie wurde also sukzessive weiterentwickelt. Unter anderem ist ein Erdschlussmelderelais geschaffen worden, das sich direkt an eine Dreieckswicklung anschließen ließ, sodass Erdschlüsse im Spannungsbereich zwischen 30 V und 100 V sicher erfasst und angezeigt werden konnten. Das technologische Problem löste Mauell durch eine kreative Idee: Die Leistung der Spule wurde durch eine mechanische Umschaltung derart angepasst, dass sie im gesamten Spannungsbereich (30 V bis 100 V) langfristig und zuverlässig betrieben werden konnte. Ohne diesen technologischen Kniff der mechanischen Umschaltung der Spulenanschaltung wäre die Spule bei steigender Erdschlussspannung zerstört worden. Eindeutige Darstellung der Drehrichtung Als weitere interessante Lösung hat sich ein mechanisches Anzeigerelais erwiesen, das die Drehrichtung in einem Drehstromsystem darstellt. Die Drehrichtungserkennung ist notwendig, damit unterschiedliche Drehstromnetze miteinander gekoppelt werden können. Alle Netze müssen nämlich die gleiche Drehrichtung haben. Ansonsten kann sie der Anwender nicht galvanisch miteinander verbinden. Das steigert die Versorgungssicherheit und ermöglicht eine schnellere Wiederherstellung der Stromversorgung im Fehlerfall. Wer die Auslösung eines Leistungsschalters in einem Umspannwerk selbst erlebt hat, weiß, dass das laute Geräusch mit dem Knall einer großen Explosion vergleichbar ist. Beim Auslösen werden zudem erhebliche Erschütterungen im Umspannwerk freigesetzt, welche die dort Mauell zeigte sich so von seiner Erfindung begeistert, dass er RWE von der Verwendung des neuen Melderelais überzeugen konnte. Daraufhin baute der Tüftler sofort die Produktion des Produkts in seinem kleinen Unternehmen auf. Der Erfolg gab Bild 1: Das Melderelais MR 11 ist einer der Klassiker des umfassenden Portfolios. © Phoenix Contact Bild 2: Das auf der Melderelaistechnik basierende Meldetableau ist einfach handhabbar, übersichtlich und sicher. © Phoenix Contact Bild 3: Trotz hoher Umweltanforderungen können die Melderelais in der Petrochemie eingesetzt werden. © Phoenix Contact 19 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie verbauten mechanischen Komponenten nicht beeinflussen dürfen. Deshalb wurde eine spezielle Mechanik für die Melderelais entwickelt. Sie war schockfest und daher gegen den Einfluss der Erschütterungen resistent. Die Geräte konnten folglich ebenfalls in erdbebengefährdeten Regionen der Welt installiert werden. Neue Materialien für extreme Umweltbedingungen Neben den technologischen Weiterentwicklungen änderten sich im Laufe der Zeit der Vertrieb und die Einsatzorte der Relais. Die Erfahrungen, die Mauell auf dem deutschen Markt gesammelt hatte, wurden durch die Zusammenarbeit mit großen Schaltanlagenbauern um neue Anforderungen aus dem internationalen Umfeld ergänzt. So verwendete das Unternehmen für die Relaiskontakte neue Materialien, die extremeren Umweltbedingungen standhielten, als sie in Deutschland vorzufinden sind. Abgesehen von der Robustheit erhöhte sich auch die Leitfähigkeit, sodass die Relais mit Kleinsignalen, die aufgrund der Nutzung von Elektronik immer häufiger in den Umspannwerken vorkamen, umgehen konnten. Darüber hinaus bot Mauell besonders hochwertige Kontakte an, wie sie in der petrochemischen Industrie erforderlich sind. Auf diese Weise eröffneten sich den Relais weitere Anwendungsbereiche. Durch die Verwendung in der Ölindustrie wurde der geografische Einsatzort der Melderelais erweitert, denn in der Petrochemie mussten sie höhere Temperaturen und Luftfeuchte-Bedingungen aushalten, für die sie anfangs nicht entwickelt worden waren (Bild 3). Damit es bei solch anspruchsvollen Umgebungsbedingungen nicht zu Ausfällen kam, war das Problem einer möglichen Betauung zu lösen. Mauell machte die Spulen deswegen tropenfest und konzipierte entsprechende Gehäuse. Zeitliche Darstellung von Meldefolgen Das innovative mittelständische Unternehmen pflegte einen partnerschaftlichen Kontakt zu seinen Anwendern. Durch die Kundennähe wurden ständig neue, individuelle Anforderungen an die Melderelais gestellt, sodass neben dem ursprünglichen Relaistyp MR10 die Variante MR20 entstand. Sie umfasste sämtliche Funktionen des MR10, verzichtete jedoch auf die mechanische Speicherung von Meldungen und konzentrierte sich auf deren visuelle Anzeige auf der Gerätefront. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Anlagen- und Automatisierungstechnik in den unterschiedlichen Industrien forderte stetig neue Funktionen von den Meldesystemen. Ab einem gewissen Zeitpunkt waren diese mit einem elektromechanischen System nicht mehr technisch und wirtschaftlich umsetzbar. Deshalb entstanden die ersten vollelektronischen Meldesysteme, die kompakter als mechanische Lösungen bauen sowie zusätzliche Funktionen enthalten. Dazu gehören integrierte akustische Signalisierungen, beispielsweise eine Hupe. Die elektronischen Meldesysteme ermöglichen ferner die Abbildung von kundenspezifischen Meldesequenzen sowie die zeitliche Darstellung von Meldefolgen. Durch die Meldefolge lässt sich zum Beispiel im Fehlerfall der ursächliche Grund der Störung einfacher und schneller ermitteln. Derzeit werden die elektronischen Meldesysteme in verschiedenen Industrien genutzt und durch standardisierte Protokolle an das Leit- und Steuerungssystem angebunden. Neue Anwendungsbereiche für bewährte Technik Neue Technik und Elektronik hat die mechanischen Meldesysteme bis heute nicht vollständig ersetzen können. Sogar jetzt ergeben sich noch neue Anwendungsbereiche. Als aktuelles Beispiel sei der Einsatz in Windenergieanlagen genannt (Bild 4). Dort werden die mechanischen Melderelais zur Überwachung der hochwertigen und teuren Getriebetechnik verwendet. Ihre Geschichte geht also weiter, denn gute Produkte finden immer ihren Markt. Mehr Informationen: www.phoenixcontact.de/ energie Torsten Linnemann Manager Sales Automation Products Phoenix Contact Energy Automation GmbH, Velbert Kontakt: torsten.linnemann@phoenixcontact.com Volker Knack Industry Management T&D Phoenix Contact Energy Automation GmbH, Velbert Kontakt: volker.knack@phoenixcontact.com AUTOREN Bild 4: Moderne Windenergieanlagen nutzen betriebsbewährte Melderelaistechnik. © Phoenix Contact