Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0043
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Landesweites Solar-Kataster für Hessen
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Martina Klärle
Ute Langendörfer
Das Solar-Kataster Hessen ist der Baustein, um die Energiewende in Hessen voranzubringen. Als Online-Angebot erreicht es viele Menschen, informiert und motiviert zum Bau einer eigenen Solaranlage. Somit ist eines der größten existierenden Solarkataster entstanden, in einer Detailschärfe und mit besonderen Funktionen, wie es sie für ein Flächenbundesland bislang noch nicht gibt. Ein gutes Jahr nach seiner Freischaltung verzeichnete das Internet-Angebot bereits über 130 000 Aufrufe und ist beim eGovernment-Wettbewerb 2017 als bestes Digitalisierungsprojekt ausgezeichnet geworden.
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62 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten Nach einer Pilotphase im Jahr 2011, die über 30-Städte und Gemeinden in Mittel- und Südhessen erfasste, liegt seit September 2016 ein technisch rundum erneuertes landesweites Solar-Kataster für alle Gebäude und Freiflächen in Hessen vor. Es gibt allen Hausbesitzerinnen und -besitzern sowie Bürgerinnen und Bürgern in Hessen kostenlos Auskunft darüber, ob sich eine Solaranlage auf dem eigenen Dach lohnt. Ein Wirtschaftlichkeitsrechner berechnet, wie hoch die Investition in eine Anlage wäre und wie viel CO 2 damit eingespart werden könnte. Zielgruppe sind neben Bürgerinnen und Bürgern sowie Hausbesitzerinnen und -besitzern auch Kommunen, Netzbetreiber und Energieversorger. Der Aufbau des hessischen Solar-Katasters geht zurück auf einen gemeinsamen Beschluss der Hessischen Ministerien für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) und für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL). Die Erfinderin des Solar-Katasters SUN-AREA, Prof. Dr. Martina Klärle, geschäftsführende Direktorin des Frankfurter Forschungsinstituts für Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik (FFin) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS), stellte die Website www. solarkataster.hessen.de gemeinsam mit Hessens Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir und dem Präsidenten des Hessischen Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation (HLBG), Dr.-Ing. Hansgerd Terlinden, im Rahmen einer Landespressekonferenz in Wiesbaden vor. Für das landesweite Solar-Kataster Hessen wurden insgesamt rund 5 Mio. Dachflächen sowie Freiareale auf einer Fläche von 21 115 km 2 analysiert. Die Analyse basiert auf sehr hochaufgelösten Daten. Diese stammen aus dem amtlichen Liegenschaftskataster, aus 5600 digitalen Luftbildern und einem flächendeckenden Laserscan Hessens mit mindestens vier Aufnahmepunkten pro Quadratmeter, der durch eine Befliegung gewonnen wurde. Durch eine Verschneidung der 3D-Informationen mit den Katasterdaten sowie einer Simulation der Sonneneinstrahlung über den Tag und das Jahr hinweg kann für jede einzelne Fläche der zu erwartende Stromertrag exakt berechnet werden. Kleinste Strukturen auf Dachflächen (zum Beispiel Schornsteinen und Gauben) und deren Schattenwurf werden erfasst und bei der Berechnung berücksichtigt. Eine Internet-GIS-Karte mit integriertem Wirtschaftlichkeitsrechner zeigt an, ob und wo sich die Investition in eine Solaranlage lohnt. Die Kartenfunk- Landesweites Solar-Kataster für Hessen Erneuerbare Energien, Photovoltaik, Geoinformationssysteme (GIS), Solardachkataster, Hessen, Energiewende Martina Klärle, Ute Langendörfer Das Solar-Kataster Hessen ist der Baustein, um die Energiewende in Hessen voranzubringen. Als Online- Angebot erreicht es viele Menschen, informiert und motiviert zum Bau einer eigenen Solaranlage. Somit ist eines der größten existierenden Solarkataster entstanden, in einer Detailschärfe und mit besonderen Funktionen, wie es sie für ein Flächenbundesland bislang noch nicht gibt. Ein gutes Jahr nach seiner Freischaltung verzeichnete das Internet-Angebot bereits über 130 000 Aufrufe und ist beim eGovernment- Wettbewerb 2017 als bestes Digitalisierungsprojekt ausgezeichnet geworden. Bild 1: Hessens Wirtschafts- und Energieminister Tarek Al-Wazir (Mitte), Projektleiterin Prof. Dr. Martina Klärle (rechts) und Dr.-Ing. Hansgerd Terlinden (links), Präsident des Hessischen Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation, präsentieren das Solar-Kataster im Rahmen einer Landespressekonferenz in Wiesbaden. © HMEWVL 63 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten tion ist auch für mobile Endgeräte bestens geeignet. Dargestellt wird die Eignung für Solarthermie zur Wärmeerzeugung und Photovoltaik zur Stromerzeugung, letzteres sowohl für Dachflächen als auch für Freiflächen (zum Beispiel Parkplätze oder Böschungen). Die Flächen sind frei wählbar, eine individuelle Berechnung jeder Dach-Teilfläche ist möglich. Der Wirtschaftlichkeitsrechner für Photovoltaik trifft zudem Aussagen zur idealen Anlagengröße im Hinblick auf den Eigenverbrauch und berücksichtigt dabei auch Speicherkapazitäten und die Nutzung der gewonnenen Energie für E-Mobilität. Nach dem ersten Betriebsjahr des Online-Tools wurden Anregungen der Nutzer/ -innen in die Anwendung eingepflegt. Seit September 2017 steht eine Aktualisierung des Solar-Katasters mit zahlreichen Neuerungen zur Verfügung. So können etwa bei Flachdächern die Module nach zwei Seiten (beispielsweise Ost-West) aufgeständert werden, mit variabler Neigung und Ausrichtung. Der Solar-Kataster Hessen versteht sich in erster Linie als eine Dienstleistung für die hessischen Bürger/ -innen, um die Solarenergie in Hessen voranzubringen. Die im Jahr 2017 umgesetzten Neuerungen ermöglichen darüber hinaus noch besser anwendungsorientierte, zielgruppenspezifische Auswertungen, beispielsweise für Kommunen, Netzbetreiber und Energieversorger. Das Solar-Kataster Hessen gibt den Bürgerinnen und Bürgern unabhängige, neutrale Informationen, gibt Investitionsimpulse zur Stärkung der lokalen Wirtschaft, unterstützt Kommunen und Landkreise gezielt bei der Solarförderung, unterstützt die Energieversorger im Sinne einer nachhaltigen Investitionsplanung, ermöglicht diverse Auswertungen für kommunale und andere Verwaltungen. Bild 3: Ausschnitt aus dem Solar- Kataster Hessen - Auswahl mehrerer Dachflächen. © www.solarkataster.hessen.de Bild 2: Ertragsrechner für Photovoltaik: Eingabemaske. © www.solarkataster.hessen.de 64 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten Anwendung für Bürger/ -innen Bürgerinnen und Bürger haben ein großes Bedürfnis nach seriösen, unabhängigen Informationen zur solaren Eignung ihres Daches. Das Solar-Kataster Hessen liefert diese Informationen jederzeit online, kostenlos und individuell für jedes Dach. Es gibt Auskunft zu den wichtigsten Fragen: Welche Flächen sind besonders gut geeignet für eine solare Nutzung? Wie kann die hauseigene Solaranlage optimal dimensioniert werden? Wie kann die Solaranlage finanziert werden? Ist eine wirtschaftliche Nutzung zu erwarten? Wie hoch wird die Rendite der Anlage sein, wie hoch der Gewinn nach 20 Jahren? Das kostenfreie, neutrale Informationsportal schafft für Hausbesitzer den Anreiz, sich mit dem Thema einer eigenen Solaranlage auseinanderzusetzen. Die differenzierte farbige Darstellung ermöglicht eine schnelle Einschätzung des solaren Potenzials der Dachfläche. Sie erlaubt eine kleinräumige Beurteilung jeder Teilfläche des Daches. Bild 4: Ertragsrechner für Solarthermie: Eingabemaske. © www.solarkataster.hessen.de Bild 5: Nutzerspezifische Auswertung: Mehrfachauswahl von acht Doppelhäusern. © www.solarkataster.hessen.de 65 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten Die Nutzerinnen und Nutzer können die Transparenz der Solareinstrahlung mit einem Schieberegler individuell wählen, um den Grund für etwaige Verschattungen oder die Dachstruktur besser erkennen zu können. Auf dem darunter liegenden Luftbild sind beispielsweise Dachgauben oder benachbarte Bäume als Grund für Verschattungen sichtbar. Über das Navigationsmenü erfolgt der Wechsel zur Ansicht des Potenzials für solarthermische Anlagen. Hier stehen überwiegend die gleichen Funktionen zur Verfügung wie für Photovoltaik, allerdings wird die solare Eignung pauschalisiert angezeigt, da die Dimensionierung einer solarthermischen Anlage von individuellen Faktoren abhängig ist, wie Größe des Haushaltes (Personenzahl), Verbrauchsverhalten der Bewohner/ -innen, individueller Wärmebedarf des Gebäudes, Art der Nutzung der Solaranlage - nur Warmwasserbereitung oder auch Heizungsunterstützung? Anwendung für Kommunen, Energieversorger, Netzbetreiber Das Solar-Kataster ermöglicht zielgruppenspezifische Auswertungen, auch für Kommunen, Netzbetreiber und Energieversorger. Kommunen können gezielt nach großen geeigneten Dachflächen auf kommunalen Gebäuden suchen, um diese zu verpachten oder selbst Solaranlagen zu installieren. Für Kommunen sind außerdem die Informationen interessant, die das Solar- Kataster im Rahmen der Erstellung von Energie- und Klimaschutzkonzepten liefern kann. Energieberatende können Hausbesitzer/ -innen und Gewerbebetriebe mit besonders geeigneten Dächern oder angrenzenden Freiflächen gezielt ansprechen. Insbesondere große gewerbliche Gebäude mit Flachdächern bringen im Falle einer solaren Nutzung oft hohe Erträge. Energieversorger und Netzbetreiber können durch nutzerspezifische Auswertungen herausfinden, wo kleinräumig betrachtet wieviel dezentraler Strom erzeugt werden kann und wie stark sie perspektivisch ihr Netz- und Trafosystem anpassen müssen. Das Solar-Kataster unterstützt somit auch den Aufbau intelligenter Stromnetze (Smart Grids). Schlussbetrachtung Das Solar-Kataster Hessen hat sein Ziel, die Energiewende in Hessen voranzubringen, voll erfüllt. Bei der Präsentation der hessischen „Energie-Agenda“ am 17. April 2018 konnte der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir berichten, dass es beim Zubau von Photovoltaik-Anlagen auf Hessens Dächern zwischen 2015 und 2017 einen Anstieg von annähernd 80 Prozent gegeben habe. (Bundesweit lag der Anstieg im selben Zeitraum bei 27 Prozent.) Als wesentlicher Grund für diesen überdurchschnittlichen Anstieg wird in erster Linie das Solar-Kataster genannt. Das Solar-Kataster Hessen wurde außerdem im Rahmen eines eGovernment-Wettbewerbs als bestes Digitalisierungsprojekt 2017 ausgezeichnet. Die Auszeichnung bescheinigt dem Solar-Kataster, die Potenziale neuer technologischer Entwicklungen effektiv zu nutzen und Bürgerinnen und Bürgern einen deutlichen Mehrwert zu bieten. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass neben den Dachflächen auch Fassaden zur Solarstromerzeugung genutzt werden können. Seit Jahrtausenden prägen immer wieder neue Materialien die Baukultur, warum also nicht auch energieproduzierende Materialien und energieaktive Gebäudehüllen? Die Zukunft gehört Gebäuden und Quartieren, die nicht nur CO 2 -neutral sind, sondern in der Summe mehr Energie produzieren, als ihre Bewohner/ -innen verbrauchen. Weitere Informationen: www.solarkataster.hessen.de Prof. Dr. Martina Klärle Fachbereich Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: Martina.klaerle@fb1.fra-uas.de Ute Langendörfer Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Architektur • Bauingenieurwesen • Geomatik Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: Ute.langendoerfer@fb1.fra-uas.de AUTORINNEN
