Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0047
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Klimafreundliche Wohnbauten mit Gleichstrom
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Gonca Gürses-Tran
Christian Haag
Es besteht eine Notwendigkeit für neue Geschäftsmodelle im Kontext der Energiewende, insbesondere mit Fokus auf die Technologieentwicklung bei Erneuerbaren Energien und Speichern. Hier entstehen neue Chancen und Möglichkeiten durch die Transformation des elektrischen Netzes. Der Beitrag zeigt Geschäftsmodelle auf, die Gleichstromtechnologie als zentralen Bestandteil haben und Varianten eines Full-Electric-Hauses präsentieren. Schließlich werden relevante Akteure und innovative Lösungen (beispielsweise H2 -Tankstellen) im Zusammenhang zu den Geschäftsmodellen für Siedlungen aufgezeigt.
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82 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten Im Jahr 2030 soll, nach den derzeitig andauernden Bestrebungen der Bundesregierung, der Anteil erneuerbarer Energien (im Folgenden mit EE bezeichnet) bereits 50 % der Bruttostromerzeugung betragen. Gleichzeitig wird bis Ende 2022 der vollständige Ausstieg aus der Kernenergie gefordert, die rund 13,1 % der Stromerzeugung ausmacht (Stand 2016). Diese Energiemenge wird bis Ende 2019 noch aus insgesamt sieben Kernreaktoren in das elektrische Netz eingespeist, darunter eines der fünf weltweit größten Kernkraftwerke in Niederbayern an der Isar. Allein der Rückbau eines Reaktorblocks wird durchschnittlich 15 bis 25 Jahren andauern. Die vorliegenden Daten unterstreichen die hohe Relevanz langfristiger Planung im investitionsreichen Energiesektor, um eine sichere Energieversorgung gewährleisten zu können. Durch die bereits langjährige Förderung des Zubaus und Betriebs von EE- Anlagen blicken wir heute auf eine breite Landschaft von dezentralen Anlagen, die die Bevölkerung und Industrie in Deutschland bis hin zu den Nachbarländern mit Strom versorgen. Dies erfolgt bekanntermaßen zu einem Großteil wetterabhängig und ist daher auch stark saisonal geprägt. Aus dieser Entwicklung entstehen wiederum neue Strukturen: Smart Grid, private Stromspeicher, Energieeffizienz- Klimafreundliche Wohnbauten mit Gleichstrom Bewertung exemplarischer Lösungen für die elektrische Versorgung von zukünftigen Siedlungen Wechselstrom (AC), Gleichstrom (DC), Photovoltaik, Energieeffizienz, zuverlässige Energieversorgung, Mieterstrom Gonca Gürses-Tran, Christian Haag Es besteht eine Notwendigkeit für neue Geschäftsmodelle im Kontext der Energiewende, insbesondere mit Fokus auf die Technologieentwicklung bei Erneuerbaren Energien und Speichern. Hier entstehen neue Chancen und Möglichkeiten durch die Transformation des elektrischen Netzes. Der Beitrag zeigt Geschäftsmodelle auf, die Gleichstromtechnologie als zentralen Bestandteil haben und Varianten eines Full-Electric-Hauses präsentieren. Schließlich werden relevante Akteure und innovative Lösungen (beispielsweise H 2 -Tankstellen) im Zusammenhang zu den Geschäftsmodellen für Siedlungen aufgezeigt. Bild 1: Beispielhafte, untertägige, durch PV erzeugte und im Haushalt verbrauchte Energie im Sommer (links) und Winter (rechts) © Gürses-Tran/ FEN GmbH 83 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten bauten sowie flexible Stromtarife prägen in der Folge die deutsche Energiewende. Kostengünstig ist dieser Übergang in eine sichere und saubere Energieerzeugung und -verteilung jedoch nicht. Gerade im Übertragungsnetz aber auch in den Verteilnetzen ist ein massiver Ausbau von Leitungen und weiterer Netzkomponenten notwendig. Diese Kosten werden vor allem von den Bürgern über die Netzentgelte getragen, sie sind aber ebenso relevant für die energieintensive Industrie. Der Forschungscampus Flexible Elektrische Netze (FEN) setzt genau an dieser Stelle mit einem prinzipiell neuen Energieübertragungskonzept an. Die Forschung bei FEN in Aachen fokussiert sich auf die Gleichstromtechnologie im Verteilnetz. Von der Erzeugung über die Transformation und Verteilung bis hin zu den Verbrauchern werden Gleichstromlösungen betrachtet und getestet. Neben der Konzeptionierung, Errichtung und Erprobung einer Gleichstrom-Mittelspannungs-Strecke (MVDC) am Campus Melaten, die mit zehn Millionen Euro aus der Förderinitiative „Forschungscampus-öffentlichprivate Partnerschaft für Innovationen“ des BMBF gefördert wird, unterstützt die FEN GmbH Kurzstudien zum Potenzial der Gleichstrom-Übertragung (DC) in den unterschiedlichsten Bereichen. Ein vielversprechender Bereich wird dabei zukünftig in der Städte- und Quartiersplanung gesehen. Dabei sollen Gesamtlösungen entstehen, die die energieeffiziente und effektive Integration von PV, Wind, aber auch Elektromobilität ermöglichen. FEN analysierte hierfür mögliche Geschäftsmodelle und die jeweiligen Stakeholder und kommuniziert die Ergebnisse in der Region zur Motivation von effizienten Bauvorhaben. Als kleinster Baustein der Quartiersplanung wird beispielweise ein sogenanntes „All-Electric-Haus“ angenommen, welches bei der Wasser- und Raumbeheizung direkt auf elektrische Energie setzt und dabei auf die gängige Öl- und Gasbefeuerung bewusst verzichtet. In einem „Grüne-Wiese“-Ansatz betrachtet die Studie einen Zusammenschluss mehrerer Einfamilienhäuser eines Neubaugebiets, bestehend aus rund zehn rein elektrischen Gebäuden. Zur besseren Abschätzung des Energieverbrauchsprofils besteht die Annahme, dass jedes Haus mit einer vier-köpfigen Familie bewohnt ist. Des Weiteren wird jedes Haus mit je einer 7,8 kWp PV-Anlage und 9 kWh Lithium-Ionen Batterie ausgestattet. Bild 1 zeigt Messwerte der untertägig erzeugten und verbrauchten elektrischen Energie eines Haushalts an exemplarischen Winter- und Sommertagen. Die Grafiken verdeutlichen, wie bereits bekannt, dass die erzeugte Leistung speziell an Sommertagen zu einem Großteil nicht direkt verbraucht wird (grünes Segment), während auch Zeitbereiche auftreten mit höherem Stromverbrauch, gerade wenn keine Sonne scheint (rotes Segment). Ein erster Schritt, um die Nutzung der EE zu erhöhen, ist daher der Zusammenschluss der Häuser und somit der Austausch von gegenwärtigen Überschussmengen. Hierbei spielt der Gleichzeitigkeitsfaktor eine entscheidende Rolle. Je heterogener der Tagesablauf und somit der Energiebezug der einzelnen Verbraucher ausfällt, desto ausgeglichener präsentiert sich die gesamte zu übertragende Leistung in dem jeweiligen Gebiet. Im Gegensatz zu den teilweise bereits etablierten Energie-Community-Ansätzen, würde auch 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 500L H O H 2 H Bild 2: Mit überschüssiger elektrischer Energie kann mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und für den späteren Bedarf gespeichert werden. © Volkmann/ FEN GmbH 84 2 · 2018 TR ANSFORMING CITIES THEMA Versorgung von Städten physikalisch eine Versorgung von der PV-Anlage des Nachbarn im eigenen Haus möglich werden. Der Einsatz von DC-DC Wandlern im Gegensatz zu AC-DC-Wandlern, um bei einer konstanten Spannung beispielweise den Heimbatteriespeicher aus der PV-Anlage zu speisen, bringt zum einen Kostenaber vor allem auch Effizienzvorteile. Generell kann eine DC/ DC-Übertragung gegenüber einer AC-DC-Übertragung rund 2,5 % bis 10 % Verluste einsparen, was in Abhängigkeit des Spannungslevels sowie der Bauteilgüte variiert. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten für noch effizientere Bauteile im oberen Marktsegment rangieren. Neben monetär geprägten Anreizen, kann die Gleichstromtechnologie aber auch neue Topologien hervorbringen und so je nach Anwendung schnellere, sicherere und innovativere Lösungen möglich machen. Auf diesem Grundmodell bauen in einem nächsten Schritt Geschäftsmodelle mit unterschiedlichem Fokus auf. Wie bereits beschrieben, bildet das „All- Electric-Haus“ die kleinste Einheit. Der Zusammenschluss in eine Energie-Community mittels einer physikalischen Niederspannungs-DC-Leitung kann beispielsweise in Form der Straßenbeleuchtungsverkabelung erfolgen oder allenfalls parallel zu dieser. Ob die Energie-Community im Inselbetrieb arbeitet oder über einen konventionellen Netzanschlusspunkt Energie veräußert, wird dabei in den jeweiligen Geschäftsmodellen analysiert. Ebenso könnten die DC-Siedlungsbewohner als Gemeinschaft in eine Kleinwindkraftanlage investieren, um die Versorgung aus EE auch an Wintertagen zu sichern, was sich bei einem Inselbetrieb empfehlen würde. Auch die Elektrolyse aus überschüssiger elektrischer Energie zu Wasserstoff, um das Gas innerhalb einer Mobilitätsstation speichern und verwenden zu können, spielt in einem energieeffizienten Quartier durchaus eine Rolle (siehe Bild 2). AUTOR I NNEN Gonca Gürses-Tran, M. Sc. Wissenschaftliche Angestellte Flexible Elektrische Netze FEN GmbH Kontakt: gguerses@FENaachen.net Dr.- Ing. Christian Haag, MBA Geschäftsführer Flexible Elektrische Netze FEN GmbH Kontakt: info@FENaachen.net Die Studie stellt bis zu sieben Varianten einer DC- Siedlung vor und schätzt das Geschäftspotenzial im Hinblick auf die Faktoren: Wirtschaftlichkeit, Akzeptanz, Skalierbarkeit, Vermarktbarkeit, Reifegrad, Förderungspotenzial und technische Robustheit ab. Die identifizierten, relevanten Stakeholder für die vorgestellt DC-Siedlung sind Hausbesitzer mit hohem Interesse an Eigenstromversorgung, Dienstleister, die EE-Anlagen vermieten oder verpachten, Flächenvermarkter, Siedlungsentwickler und andere. Je nach Blickwinkel kann daher die Attraktivität eines Quartiervorhabens variieren. Insgesamt kann aus der Studie festgehalten werden, dass der Einsatz einer zentralen Batterieeinheit für eine Siedlung als besonders empfehlenswert gilt. Die gesamte Studie zum Download: https: / / fenaachen.net/ blog/ 2017/ 10/ 26/ fen-untersucht-machbarkeit-einer-dc-siedlung/ Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Lebensmittel und Naturelement Daseinsvorsorge | Hochwasserschutz | Smarte Infrastrukturen | Regenwassermanagement 2 · 2016 Wasser in der Stadt URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Verbrauchen · Sparen · Erzeugen · Verteilen Energiewende = Wärmewende | Speicher | Geothermie | Tarifmodelle | Flexible Netze | Elektromobilität 2 · 2017 2 · 2017 Stadt und Energie ISSN 2366 7281 g URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Erlebnisraum - oder Ort zum Anbau von Obst und Gemüse Urban Farming | Dach- und Fassadenbegrünung | Grüne Gleise | Parkgewässer im Klimawandel 3 · 2016 Urbanes Grün URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN UUR Die Lebensadern der Stadt - t für die Zukunft? Rohrnetze: von Bestandserhaltung bis Digitalisierung | Funktionen von Bahnhöfen | Kritische Infrastrukturen 4 · 2016 Städtische Infrastrukturen URBANE SYSTEME IM WANDEL. 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