Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0063
93
2018
33
Rettet den Vorgarten!
93
2018
Peter Menke
Vor Gebäuden – Banken, Büros und anderen Geschäftshäusern ebenso wie vor Eigenheimen – entdeckt man immer öfter eine Gartenform, die sich dadurch auszeichnet, dass sie das ganze Jahr über gleich aussieht. Statt lebendigem Grün und Blütenzauber in abwechslungsreicher Gestaltung liegen hier vor allem Steine als Kies- oder Schotterbelag. Insbesondere in Neubaugebieten verbreiten sich solche Steinwüsten vor den Häusern geradezu inflationär. Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. beschloss deshalb, sich des Themas offensiv und gezielt anzunehmen: Mit seiner Initiative „Rettet den Vorgarten“ ist der BGL nun schon im zweiten Jahr engagiert unterwegs, um sich für begrünte, artenreiche Vorgärten stark zu machen.
tc330032
32 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum und deren Nachbarn, aber auch dem Stadtklima und nicht zuletzt der Natur zugutekommen. Erfreulich ist aus Sicht des BGL, dass auch in der repräsentativen Marktforschung eine deutliche Mehrheit von fast drei Viertel (71 Prozent) der Befragten begrünte Vorgärten den versteinerten Varianten vorgezogen haben. Interessant ist dabei vor allem, dass auch Kiesgartenbesitzer mit Pflanzen gestaltete Vorgärten als schöner bewerten. Viele Nachteile Weil der einzelne Vorgarten in der Regel nur eine eher kleine Fläche hat, ist es den Besitzern oft gar nicht bewusst, dass ihr einzelner Vorgarten schon Auswirkungen auf das Stadtklima hat. Das ist jedoch der Fall, denn die Summe der Vorgärten ist in der Stadt oder in einer Wohnsiedlung schließlich auch eine ernst zu nehmende Größe mit direkter Auswirkung auf das Lokalklima. Nicht nur, dass sich die mit Steinen bedeckten Flächen an sonnigen Tagen stark aufheizen und bis in den späten Abend noch Wärme abgeben - vor allem, dass diese Flächen dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen sind, macht ihre negative Wirkung auf das Kleinklima so gravierend. Im Unterschied zu bepflanzten Vorgärten kann der Boden kein Wasser aufnehmen und später durch Verdunstung wieder abgeben. Das führt zu verstärktem Abfluss und entsprechendem Druck auf die Kanalisation; insbesondere bei den immer häufiger auftretenden Starkregen verursacht dies erhebliche Probleme. Außerdem ist die Luft über den Steinflächen wärmer und trockener, beides ist für Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen im Sommer nicht zuträglich. Ein weiterer Nachteil liegt in der Tatsache, dass nur bepflanzte und Rettet den Vorgarten! Initiative nicht nur für Sommer wie diesen Peter Menke Vor Gebäuden - Banken, Büros und anderen Geschäftshäusern ebenso wie vor Eigenheimen - entdeckt man immer öfter eine Gartenform, die sich dadurch auszeichnet, dass sie das ganze Jahr über gleich aussieht. Statt lebendigem Grün und Blütenzauber in abwechslungsreicher Gestaltung liegen hier vor allem Steine als Kies- oder Schotterbelag. Insbesondere in Neubaugebieten verbreiten sich solche Steinwüsten vor den Häusern geradezu inflationär. Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V. beschloss deshalb, sich des Themas offensiv und gezielt anzunehmen: Mit seiner Initiative „Rettet den Vorgarten“ ist der BGL nun schon im zweiten Jahr engagiert unterwegs, um sich für begrünte, artenreiche Vorgärten stark zu machen. Startschuss für die BGL-Initiative war eine repräsentative Marktforschung der GfK, die die Motive der Menschen für die unterschiedliche Vorgartengestaltung entweder mit Steinen und Schotter oder mit einer vielseitigen Bepflanzung untersuchte. Das Ziel des Verbandsengagements: mit guten Argumenten der Ausbreitung von leblosen Steinschüttungen und der Versiegelung von Vorgärten entschieden entgegen zu wirken. Der Irrglaube von der Pflegeleichtigkeit Als Hauptmotiv für die Anlage solcher Vorgärten gaben in der GfK-Marktforschung 80 Prozent aller befragten Kiesgartenbesitzer an, dass sie sich damit einen pflegeleichten Vorgarten erhoffen. Besonders Männer (88 Prozent) sind der Meinung, dass mit Schotter oder Kies abgedeckte Flächen eine dauerhafte Lösung ohne großen Arbeitsaufwand wären. In Fachkreisen ist längst bekannt, dass das Gegenteil der Fall ist - unisono berichten Landschaftsgärtner wie auch Vertreter von Naturschutzverbänden, dass die zu Beginn oftmals klinisch rein aussehenden Flächen sich bereits nach kurzer Zeit verändern: Zwischen den Steinen zeigen sich Moose und Unkräuter sowie allerlei zugeflogener kleinteiliger Unrat, den die Haus- und Gartenbesitzer ganz sicher nicht erwartet haben und den zu entfernen sich als mühsam herausstellt. Wesentlich einfacher und im Ergebnis wirksamer ist dagegen eine standortgerechte Bepflanzung. Es gibt eine umfangreiche Auswahl an Gehölzen und Stauden, die als Bodendecker sicherstellen, dass Unkräuter keine Chance haben. Darüber hinaus aber haben bepflanzte Vorgärten eine Reihe von Vorteilen, die den Hausbesitzern bzw. -bewohnern Bild 1: Bepflanzte Vorgärten sorgen das ganze Jahr über für Abwechslung im Straßenbild. © BGL Bild 2: Die Fläche vor dem Haus ist sozusagen „halböffentlich“ , und von jedem einsehbar. Eine Straße mit begrünten Vorgärten wirkt sympathisch und freundlich. © BGL 33 3 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum ... weil Bodendecker und Stauden sich ausbreiten und Unkräutern keinen Platz lassen. ... weil sie mit den Jahren immer schöner werden und immer weniger Arbeit machen - anders als bei Kies und Schotter setzen sich bei ihnen mit den Jahren kein Laub und keine Moose fest. ... für Vögel und Insekten, wie Schmetterlinge oder Bienen, denn sie bieten ihnen lebenswichtige Nahrung und Lebensraum. ... für ein herzliches Willkommen, denn sie empfangen uns mit lebendigen Pflanzen, fröhlichen Farben und einem herrlichen Duft. ... für die Privatsphäre, denn kleinkronige Bäume oder hohe Gräser schirmen den Eingangsbereich oder die Fenster vor neugierigen Blicken ab. ... für eine Überraschung, denn zu jeder Jahreszeit zeigen sie sich von einer anderen, beeindruckenden Seite. ... für uns, denn sie binden Feinstaub, reinigen die Luft und produzieren Sauerstoff. ... für das Klima, denn sie kühlen an heißen Sommertagen die Luft, indem sie über ihre Blätter Wasser verdunsten. (BGL) BEPFLANZTE (VOR-)GÄRTEN SIND GUT … Peter Menke Vorstand Stiftung DIE GRÜNE STADT Kontakt: peter.menke@die gruene-stadt.de AUTOR Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ eingerichtet. Dieses wurde mit zunächst 50 Mio. EUR pro Jahr ausgestattet, wobei die Bundesfinanzhilfe an die Länder auf der Grundlage der gemeinsamen jährlichen Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung zwischen Bund und Ländern erfolgt. Über die Co-Finanzierung von je einem weiteren Drittel durch das Land und die Kommune stehen so schließlich jährlich 150 Mio. EUR für Investitionen in die grüne Infrastruktur von Städten und Gemeinden zur Verfügung. Großes Echo in der Öffentlichkeit Die Initiative „Rettet den Vorgarten“ hat in weniger als zwei Jahren sowohl eine große Innenals auch Außenwirkung erreicht. Mehr und mehr stellen Menschen die naturfeindliche Gestaltung von Flächen in Frage. Auf der Facebook-Seite der Initiative https: / / www.facebook.com/ Rettet.den.Vorgarten/ werden regelmäßig neue Inhalte und vor allem gute Beispiele eingestellt, die zu intensiver Diskussion und Meinungsaustausch anregen. Auch viele Naturschutzinitiativen haben das Thema aufgegriffen, viele Lokalmedien haben ihre Leser aufgerufen, sich an Fotowettbewerben zu abwechslungsreichen Vorgärten zu beteiligen. Es gibt TV-Sendungen und Radiobeiträge zum Thema, zahlreiche Blogs und Diskussionsforen im Internet beschäftigen sich mit dem Phänomen. Der BGL hat bereits 2017 einen Journalistenwettbewerb ausgelobt, in dem Redaktionen aller Mediengattungen eingeladen waren, ihre Beiträge einzureichen. Aufgrund der großen Akzeptanz wurde der Wettbewerb auch für 2018 wieder ausgerufen - mehr Informationen stehen unter https: / / www.galabau.de/ rettet-den-vorgarten-2018.aspx. vor allem blühende Vorgärten Lebensraum bieten für Insekten und Schmetterlinge, Vögel und andere Kleintiere, die heute mehr denn je auf diese Flächen angewiesen sind. Gerade in den dicht bebauten Wohngebieten kommt es auf jeden Quadratmeter an. Kommunen werden aktiv Inzwischen werden immer mehr Kommunen aktiv und regeln die Gestaltung von Vorgärten offiziell, indem sie eine Begrünung vorschreiben. Dies geschieht üblicherweise über Gestaltungssatzungen oder Bebauungspläne. So hat die Stadt Dortmund im Frühsommer 2018 den Steinwüsten in Vorgärten den Kampf angesagt: In Bebauungsplänen für neue Wohngebiete soll die Gartengestaltung mit Schotter, Split oder Kies ausgeschlossen werden. Zugleich hat die Stadt eine Informations-Kampagne für ihr Dachbegrünungsprogramm gestartet. Denn in bestimmten Bereichen - vor allem den hochverdichteten Innenstadtlagen - ist die Begrünung von Flachdächern nun Pflicht. Die Pflicht bezieht sich nicht nur auf neue Bebauungspläne, sondern soll auch für Neu- und Umbauten von Gebäuden mit Flachdächern gelten, wenn sie im Bereich sogenannter „Hitzeinseln“ liegen. Ähnliche Festlegungen finden sich inzwischen in vielen anderen Städten. Wesentlich ist aber auch, dass Kommunen auf eigenen Liegenschaften und Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen - mehr und mehr Kreisverkehre und Straßenrandbereiche werden beispielsweise begrünt. Hilfreich sind auch Signale vom Bund: Mit dem Weißbuch Stadtgrün hatte das Bundesumweltministerium bereits im Mai 2017 ein klares Statement für die Bedeutung des Grüns in Städten herausgegeben. Gleichzeitig wurde ein neues Triste Steinwüste im Vorgarten. © Menke
