Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0086
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Ein Ort für die Stadt der Zukunft
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Markus Bosch
Städte waren und sind Sehnsuchtsorte. Seit jeher stehen sie sinnbildlich für den Wunsch nach Freiheit und den offenen Austausch zwischen den Menschen. Sie sind die Epizentren, in denen die Ideen entstehen, die der Menschheit Fortschritt und Wohlstand brachten und sie so in die Moderne katapultierten. Zahlreiche Beispiele – von Berlin über Istanbul nach Jerusalem – zeigen immer wieder eindrucksvoll, dass Städte zentrale Schauplätze gesellschaftlicher Konflikte und Ungleichheit sind und führen uns vor Augen, wie fragil unser politisches, soziales aber auch ökologisches Gefüge ist.
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34 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Urbanisierung läuft auf „Hochtouren“ In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts lebten erstmalig mehr als 50 Prozent der Menschen in Städten. Und die Prognosen sprechen eine klare Sprache: Ein Ort für die Stadt der Zukunft Munich Urban Colab Markus Bosch Städte waren und sind Sehnsuchtsorte. Seit jeher stehen sie sinnbildlich für den Wunsch nach Freiheit und den offenen Austausch zwischen den Menschen. Sie sind die Epizentren, in denen die Ideen entstehen, die der Menschheit Fortschritt und Wohlstand brachten und sie so in die Moderne katapultierten. Zahlreiche Beispiele - von Berlin über Istanbul nach Jerusalem - zeigen immer wieder eindrucksvoll, dass Städte zentrale Schauplätze gesellschaftlicher Konflikte und Ungleichheit sind und führen uns vor Augen, wie fragil unser politisches, soziales aber auch ökologisches Gefüge ist. Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Im Jahr 2050, so prognostizieren die Vereinten Nationen, leben fast 70 Prozent der Weltbevölkerung im urbanisierten Lebensraum. Während der Urbanisierungsprozess in den westlichen Ländern bereits weitestgehend abgeschlossen ist und global betrachtet eher schleichend voranschreitet - 2012 lebten bereits knapp 75 Prozent der Deutschen in Städten -, läuft er in den Schwellen- und Drittwelt- Munich Urban Colab. © steidle Architekten / UnternehmerTUM GmbH 35 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum ländern weiterhin „auf Hochtouren“: Hier wachsen Städte rasant zu Multi-Millionen-Metropolen heran und bringen den urbanen Raum an den Rand seiner infrastrukturellen Kapazitäten. Wirtschaftliche Entwicklung und Urbanisierung gehen typischerweise Hand in Hand - resultieren aber auch in schwindenden Ressourcen oder Umweltverschmutzung. So ist die Wohnungsnot beispielsweise in Hongkong inzwischen so groß, dass Menschen dort in zwei Quadratmeter große Wohnboxen ziehen, während andernorts - beispielsweise in Bangkok - die Luftwerte regelmäßig das Level „höchst ungesund“ erreichen. Von solchen Ausmaßen sind deutsche Großstädte zwar weit entfernt, doch auch hier bleibt die fortschreitende Urbanisierung, gepaart mit dem demografischen Wandel, nicht ohne Folgen. Ländliche Gebiete im Osten Deutschlands bluten aus und die beliebtesten Städte wie Hamburg oder Frankfurt am Main platzen aus allen Nähten. Wohnungsknappheit, Staus und immer weniger Grün in den Ballungszentren sind die ungewünschten Konsequenzen. Technologie und nachhaltiges Unternehmertum: Antworten auf zentrale Herausforderungen der Stadt der Zukunft Bei der nachhaltigen Lösung der Herausforderungen hinsichtlich Vernetzung, Mobilität, erneuerbarer Energien und Energieversorgung oder auch bei der Gestaltung des öffentlichen Raums in Städten werden in hohem Maße neue Technologien erforderlich sein. Das eröffnet vor allem innovativen Gründern und Start-ups ungeahnte Chancen. Facebook, Google und weitere Internetgiganten zeigen, dass die Geschäftsmodelle der Zukunft in der digitalen Plattform-Ökonomie zu finden sind - und datenbasiertes Wissen macht Städte berechenbar und smart. Kenntnisse zu Bewegungsströmen, Energieverbrauch, Infrastrukturauslastung und Nutzungsverhalten ermöglichen eine wesentlich bessere Steuerung des Systems Stadt. Die fortschreitende Digitalisierung legt eine weitere, unsichtbare Schicht über die Städte. Vor allem die Entwicklung im Bereich von Augmented Reality bietet hier eine neue „digitale Ebene“. Informationen können mitten in der Stadt abgerufen werden: Ob bei der Suche nach einem Parkplatz oder nach nützlichen Fakten zu historischen Gebäuden - dem Potenzial einer „Smart City“ scheinen dank der Digitalisierung kaum Grenzen gesetzt. Damit dieses Potenzial genutzt werden kann, braucht es einen Ort, an dem neue Ideen nicht nur entstehen, sondern auch langfristig gefördert und im kreativen Austausch optimiert werden. Einen solchen möchte München - die Stadt Deutschlands, die mit am stärksten von den massiven Folgen der Urbanisierung betroffen ist - nun schaffen. Das Munich Urban Colab: Hotsport für Smart City- Lösungen Um aus Ideen anwendbare Technologien und Lösungen für die Stadt der Zukunft werden zu lassen, planen die Stadt München und das von der Unternehmerin Susanne Klatten gegründete UnternehmerTUM, Europas führendem Gründerzentrum an der TU München, ein neues Innovationszentrum im Herzen der Stadt: Das Munich Urban Colab. Das Colab, welches sich derzeit in Bau befindet und voraussichtlich 2020 fertig gestellt wird, hat den Anspruch, eine internationale Vorreiterrolle bei der Entwicklung von Smart City- Lösungen einzunehmen. Dieser Ort fügt sich ideal in die bestehende Infrastruktur: Zwar spricht man meist vom Silicon Valley als dem internationalen Mekka für junge Gründer und Start-ups, doch auch München bietet alles, was visionäre Technologie- Start-ups für das Wachstum und die Entwicklung ihrer Ideen brauchen. Dazu zählen sechs Dax-Konzerne, ein starker Mittelstand, Branchenvielfalt, Nähe zu zahlreichen Hochschulen und Forschungsinstituten, eine ausgeprägte Investorenszene, qualifizierte Arbeitskräfte und die umsatzstärkste Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschlands. Auf über 11 000 Quadratmeter Nutzfläche umfasst das Munich Urban Colab Büroräume, Co-Working Spaces, Veranstaltungs- und Seminarräume, Living Labs und eine High-Tech-Prototypenwerkstatt. Ein Café, zwei Wintergärten und ein Sport- und Fitnessraum sollen für Ausgleich neben der Arbeit sorgen und die UnternehmerTUM bietet Start-ups einen Rundum- Service von der ersten Idee bis zum Börsengang. Ein Team aus 240 erfahrenen Mitarbeitern, darunter Unternehmer, Wissenschaftler und Investoren, unterstützt Gründer aktiv beim Aufbau des Unternehmens, beim Markteintritt und bei der Finanzierung - auch mit Venture Capital. Für etablierte Unternehmen ist UnternehmerTUM eine einzigartige Plattform für die Zusammenarbeit mit Start-ups und den Ausbau ihrer Innovationskraft. UnternehmerTUM berät zur Innovationsstrategie, Corporate Venturing, Corporate Incubation und Company Buildung und begleitet bei der Umsetzung. Die 2002 von der Unternehmerin Susanne Klatten gegründete UnternehmerTUM ist mit jährlich mehr als 50 wachstumsstarken High-Tech Start-ups wie zum Beispiel FlixBus, Celonis und Konux sowie ihrem einmaligen Angebot das führende Gründerzentrum in Europa. ÜBER U NTERNEHMER T UM 36 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Akteure zusätzlich miteinander vernetzen. Die zentrale Lage im Kreativquartier bietet ein ideales Umfeld für die Entwicklung und Erprobung von Smart City-Lösungen: In unmittelbarer Nähe befinden sich etwa die TU München, die Hochschule München, die Hochschule für Design, die Hochschule für Film- und Fernsehen oder das Goethe-Institut. Auch die Architektur unterstützt den Anspruch des neuen Gebäudes. Helle und offene Raumstrukturen sollen zur Kommunikation einladen und ein Höchstmaß an Transparenz und Freiraum bieten. Dadurch werden ideale Voraussetzungen geschaffen, um das Entstehen von Innovationen zu unterstützen. Interdisziplinärer Ansatz Die Stadt München und UnternehmerTUM sind sich einig, dass es Start-ups, etablierte Unternehmen, Wissenschaftler und Kreative aus verschiedenen Branchen und Disziplinen - von Umweltingenieuren über Soziologen hin zu Künstlern - braucht, um aus Smart City-Visionen tatsächlich auch reale Lösungen werden zu lassen. Ziel ist es, den kommunikativen Austausch zu fördern, möglichst viele unterschiedliche Perspektiven einzuholen und gemeinsam unter einem Dach Innovationen zu entwickeln und zu testen. Dieser Ansatz ist in dieser Art und Weise einzigartig. Alle Akteure profitieren zudem von der langjährigen Gründungs- und Technologie-Expertise von UnternehmerTUM. Erfolgreiche Angebote wie die „Digital Product School“ oder die Initiative für angewandte künstliche Intelligenz „appliedAI“ sollen langfristig im Munich Urban Colab angesiedelt sein. Das Ökosystem der UnternehmerTUM umfasst insgesamt über hundert Industrie-Unternehmen, Deutschlands führende Technologie-Startups, Investoren, Stiftungspartner und einen Talentpool von über 40 000 Alumni. Gleichzeitig ermöglicht das Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München den Zugang zur städtischen Infrastruktur und den schnellen Austausch mit städtischen Partnern, dem Baureferat, den Stadtwerken München oder auch der Münchner Verkehrsgesellschaft. Faktor Lebensqualität entscheidend Für Gründerin Susanne Klatten ist der Faktor Lebensqualität essentieller Bestandteil des Munich Urban Colab: „Es geht nicht nur darum, was technisch möglich ist. Es geht auch um den Einsatz und die Einbindung der Technologien in bestehende und neue Systeme und die kritische Reflexion: Was ist sinnvoll? Was menschlich? Schlaue Städte sind nicht automatisch lebenswerte Städte. Eine smarte Stadt ist nach meinem Verständnis nicht nur eine vernetzte Stadt. Es ist eine Stadt, die Menschen eine hohe Lebensqualität bietet und dabei ökologisch verantwortungsvoll ist. Für die Entwicklung dieser lebenswerten und intelligenten Städte brauchen wir individuelle Konzepte, die alle Bürger zur Mitwirkung einladen,“ so Susanne Klatten. Der Faktor Lebensqualität entwickelt sich zum globalen Ziel - er entscheidet über die politische, ökonomische und soziale Stabilität künftiger Stadtlandschaften. Die jeweilige Definition des Begriffs Lebensqualität mag in den einzelnen Städten stark auseinandergehen, doch innovative, nachhaltige Technologien, gepaart mit einem veränderten ökologischen Verständnis und politischen Maßnahmen zur sozialen Integration werden maßgeblich dazu beitragen, dass sich auch Städte in den heutigen Schwellenländern sukzessive zu lebenswerten Orten transformieren lassen. Diese Technologien zu entwickeln, zu testen und kontinuierlich weiterzuentwickeln wird künftig die zentrale Aufgabe des Munich Urban Colabs sein. Markus Bosch Communication & Development UnternehmerTUM GmbH Kontakt: bosch@unternehmertum.de AUTOR Munich Urban Colab, Halle. © steidle Architekten / UnternehmerTUM GmbH Munich Urban Colab, Büros. © steidle Architekten / UnternehmerTUM GmbH
