Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2018-0090
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Mobilitätsherausforderungen annehmen
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Antonia McGrane
Uri Schtalheim
Sebastian Ropers
Staus, Zeitverlust und Stress – das sind längst nicht mehr reine Phänomene des Straßenverkehrs. Durch konstantes Bevölkerungswachstum und zunehmende Mobilität steigen Jahr für Jahr die Pendlerzahlen im öffentlichem Verkehr. Weltweit stehen Betreiber und Planer von Bahnhöfen, Tram-, Bus- und Metrostationen vor der großen Herausforderung, Lösungen für akute Kapazitätsengpässe zu finden. Unterstützung bieten technologische Entwicklungen rund um die Digitalisierung von Gebäuden: „Pedestrian Analytics“ heißt ein vielversprechendes Verfahren, das präzise Prognosen erlaubt und Investitionen erheblich vermindern kann.
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46 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Alle kennen es: Hektik, wenn es gilt, einen knappen Anschlusszug zu erreichen und dazu den Bahnsteig zu wechseln. Gedränge vor der Wagentür - Vorbereitung auf einen kurzen Sprint zum nächsten Gleis. Doch genau dann ist der Zugang zur Unterführung voller Menschen und kein schnelles Durchkommen möglich. Für den einzelnen Pendler sind Zeitverluste ärgerlich. Kommt dies oft vor, müssen Bahnbetreiber mit schwindender Kundenzufriedenheit rechnen - im schlimmsten Fall jedoch führen sie zu einem volkswirtschaftlichen Schaden. Auch müssen Bahnbetreiber regelmäßig entscheiden, ob sie auf die Umsteiger warten oder den Fahrplan einhalten wollen. In beiden Fällen gibt es „Verlierer“. Überfüllte Bahnsteige bergen zudem Gefahrenpotenzial: Um Personenschäden zu verhindern, muss die Geschwindigkeit der Züge bei der Ab- oder Einfahrt erheblich reduziert werden. Auch das führt zu Verspätungen. Mobilitätsherausforderungen annehmen Pedestrian Analytics, entwickelt von der Schweizer ASE AG: Verfahren zur nachhaltigen, sicheren und funktionalen Gestaltung von Transport Hubs Pedestrian Analytics, Innovation, Big Data, Passenger Experience, Transport Hubs, Sicherheit Antonia McGrane, Uri Schtalheim, Sebastian Ropers Staus, Zeitverlust und Stress - das sind längst nicht mehr reine Phänomene des Straßenverkehrs. Durch konstantes Bevölkerungswachstum und zunehmende Mobilität steigen Jahr für Jahr die Pendlerzahlen im öffentlichem Verkehr. Weltweit stehen Betreiber und Planer von Bahnhöfen, Tram-, Bus- und Metrostationen vor der großen Herausforderung, Lösungen für akute Kapazitätsengpässe zu finden. Unterstützung bieten technologische Entwicklungen rund um die Digitalisierung von Gebäuden: „Pedestrian Analytics“ heißt ein vielversprechendes Verfahren, das präzise Prognosen erlaubt und Investitionen erheblich vermindern kann. Bild 1: Der Pendlerverkehr in Zürich beim Bahnhof Hardbrücke. © ASE AG 47 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Nachhaltige Lösungen mit Pedestrian Analytics Probleme dieser Art sind der Tatsache geschuldet, dass man viele Transporthubs nicht für dieses Wachstum konzipiert hat und die Belastung (zu) spät erkannt wurde. Zugegeben: Vor zwanzig Jahren gab es noch nicht so viele Pendler wie heute. Erst mit dem Wachstum der Bevölkerung und einer allgemeinen Zunahme der Mobilität stoßen Transporthubs, darunter auch Bahnhöfe in der Schweiz, zunehmend an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Auch gab es früher nicht die Möglichkeit, präzise Daten zu Passagieraufkommen und -verhalten zu erheben. In den letzten zwanzig Jahren ist jedoch die Digitalisierung vorangeschritten und hat Pedestrian Analytics möglich gemacht. Aber was tut Pedestrian Analytics? Einfach gesagt: Pedestrian Analytics ist ein Oberbegriff für Aktivitäten im Zusammenhang mit der präzisen Erhebung sowie Modellierung von Fussgängerbewegungen. Darunter fällt das Zählen von Fußgängern, Messen von Laufgeschwindigkeit und Menschendichte sowie Erfassen und Messen von Warteschlangen und Wartezeiten. Pedestrian Analytics umfasst Analysen wie Wachstumsprognosen und macht Modellierungen und Simulationen möglich, die eine neue Infrastruktur virtuell bezüglich Kapazität und Bewegungsfreiheit prüfen. Dabei werden drei Ziele verfolgt: Erstens sollen mithilfe der gewonnenen Daten Fußgängerströme möglichst so gelenkt werden, dass der einzelne Fußgänger sicher, schnell und mit einem möglichst angenehmen Gefühl an sein Ziel kommt. Potenzielle Flaschenhälse in Bahnhöfen werden frühzeitig erkannt und Gefahrensituationen gemanaged. Zweitens helfen die mit Pedestrian Analytics erhobenen Daten und die damit ermöglichten Simulationen, Transporthubs nachhaltig zu konzipieren und zu bauen - und Fehlinvestitionen in großem Ausmaß zu vermeiden. Drittens dient Pedestrian Analytics der permanenten Erhebung von Passagieraufkommen und Fußgängerverhalten in bereits gebauten Transporthubs, um frühzeitig potenzielle Interventionen - zum Beispiel in Form von baulichen Maßnahmen - vorauszusehen und zu planen. Planungsphase: Transporthubs nachhaltig konzipieren Mit Pedestrian Analytics lassen sich relativ genaue Vorhersagen machen. Nicht nur Passagiermengen werden gezählt, sondern es wird auch erhoben, wie schnell sich die Pendler bewegen, an welchen Punkten eines Transporthubs welche Menschendichte herrscht und zu welchem Zeitpunkt besonders viele Pendler an einem Ort durchkommen. Mit Daten, die in der Vergangenheit erhoben wurden, kann man auch extrapolieren, wie groß das künftige Passagieraufkommen in einem Transporthub sein wird. Entsprechend lassen sich mit Pedestrian Analytics Simulationen in 3D durchführen und Prognosemodelle erstellen. Diese Simulationen und Prognosen sind wichtig für Architekten, die mit dem Bau eines Bahnhofs betraut sind, oder auch für Stadtplaner. Denn solche Modelle machen ein nachhaltiges Konzipieren von Transporthubs wie Bahnhöfen überhaupt erst möglich. Damit lässt sich verhindern, dass Kapazitäten bereits nach wenigen Jahren wieder an die Grenzen stoßen - was immer zu Folgeinvestitionen führt. Denn Bahnhöfe und andere Transporthubs müssen durchgängig und sicher gestaltet werden. Die Zürcher Firma ASE spürt ein wachsendes Interesse an ihrem Verfahren und bietet ihre Dienstleistungen international erfolgreich an. In Ländern wie Holland, Deutschland, Frankreich und Singapur hat sich Pedestrian Analytics inzwischen zu dem Standardverfahren bei der Planung von Ausschreibungen für den Bau und Umbau von Bahnhöfen entwickelt. Frequenzmessung • 98% Genauigkeit • Prognosen • Füllstandsberechnungen • Personenbelegung • Dichte Sensoren Warteschlangenanalyse • Warteschlangenlänge • Wartezeit Verhaltensanalyse • Aufenthaltsdauer • Verweildauer • Heatmaps • Laufwege • Konversionen ein aus Weg Warteschlange Bild 2: Sensoren messen Fußgängerbewegungen. © ASE AG 48 4 · 2018 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Der Bau eines Transporthubs ist immer mit einer hohen Investition in die Zukunft verbunden. Mit Hilfe von Wachstumsprognosen und Simulation kann die Konzeption des Bahnhofs virtuell für verschiedene Szenarien getestet werden, bevor er gebaut ist. So können potenzielle Fehler und Engstellen bereits in der Planungsphase behoben werden - was zu einer nachhaltigen Nutzung führt. Betriebsphase: Fußgängerströme intelligent lenken Aber was, wenn der Bahnhof schon gebaut ist und tatsächlich Engpässe bestehen? Auch hier kann Pedestrian Analytics helfen und identifizieren, an welchem Punkt in einem Bahnhof eine Intervention, sprich ein Umbau, notwendig ist, und wie zusätzlich Kapazitäten erreicht werden, ohne den laufenden Betrieb des Transporthubs zu stören. Andererseits sind bauliche Maßnahmen nicht immer nötig - man kann auch für einen sicheren Bahnhof und ein positives Kundenerlebnis sorgen, indem man Fußgängerströme misst und intelligent lenkt. Dazu entwickelte ASE ein operatives System, das Fussgängerbewegungen auf Plattformen und bei Ein und Ausgängen mittels moderner Sensoren misst. Basierend auf den gewonnenen Daten bewerten dann die System-Algorithmen in Echtzeit, ob eine Situation potenziell gefährlich ist. Wenn ja, wird das Sicherheitspersonal über ein Dashboard alarmiert und es kann sofort eingreifen - indem es zum Beispiel die Personen im Bahnhof besser verteilt, Zugänge sperrt und im Extremfall einen Zug vor der Einfahrt in einen Bahnhof halten lässt, wenn zu viele Leute zu nahe am Gleis stehen. Permanente Erhebung von Pendlerdaten Selbst wenn man für die Konzeption eines Transporthubs Pedestrian Analytics eingesetzt und entsprechende Simulationen und Prognosemodelle erstellt hat, empfiehlt es sich, auch nach dem Bau Passagieraufkommen und Pendlerverhalten permanent zu erheben und zu monitoren - denn mit Pedestrian Analytics lassen sich Prognosen mit den tatsächlichen Entwicklungen vergleichen und allfällige Interventionen voraussehen. So kann man erkennen, ob ein Wachstum - zum Beispiel bei den Passagierzahlen - 1 % bis 2 % im Jahr beträgt oder doch eher 4 %. Das ist ein riesiger Unterschied, wenn man Kapazitäten plant, die auch noch in 20 bis 50 Jahren ausreichen sollen. Ein 2 %iges jährliches Wachstum bedeutet für einen Zeitraum von 20 Jahren eine Steigerung der Passagierzahlen um 49 %, während ein 4 %iges jährliches Wachstum bedeutet, dass man in 20 Jahren bereits 119 % mehr Menschen durch einen Transporthub schleusen muss. Pedestrian Analytics kann so helfen, Kapazitäten vorausschauend zu steuern und Kosten möglichst tief zu halten. Uri Schtalheim, Managing Director bei ASE (Analysis Simulation Engineering), sagt: „Wir glauben an den öffentlichen Verkehr als eine nachhaltige Lösung für die Mobilität - nicht zuletzt, weil wir damit die Straßen entlasten und unsere Umwelt schonen. Unsere Vision ist es, diese Entwicklung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zu unterstützen.“ Bild 3: Ein Sicherheitsbeauftragter nutzt den Crowd-Monitor von ASE um die Fußgängerbewegungen auf den Bahnsteigen zu analysieren und bei Bedarf zu intervenieren. © ASE AG AUTOR*INNEN Antonia McGrane Design Management ASE AG, Switzerland Kontakt: am@ase.ch Dipl.-Ing. (FH) Uri Schtalheim CEO ASE AG, Switzerland Kontakt: us@ase.ch Sebastian Ropers Business Development ASE AG, Switzerland Kontakt: sr@ase.ch