Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0004
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Wasserrecycling auf hohem Niveau
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Klaus W. König
Der Neubau in Kaarst, einer Stadt im linken Niederrheingebiet, ist das weltweit nachhaltigste IKEA Einrichtungshaus. Unter anderem wird das Wasser, das nach dem Händewaschen anfällt, ein zweites Mal genutzt. Als sogenanntes Grauwasser wird es gesammelt, im Gebäude mit einfachen Mitteln aufbereitet und zusammen mit Regenwasser für die Toilettenspülung verwendet. Diese Art von Wasserrecycling vermeidet Abwasser, spart Ressourcen und Kosten. Ein Pilotprojekt zukunftsfähiger Stoffkreisläufe, das im Mai 2018 anlässlich der Berliner Energietage mit dem Deutschen TGA-Award ausgezeichnet wurde.
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10 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen Mehr als 100 Mio. EUR hat IKEA in den neuen Vorzeigebau investiert. „More Sustainable Store“ nennt die Bauherrschaft ihr Flaggschiff. Es ist mit 25 000 m² fast dreimal so groß wie das bisherige Haus in Kaarst, das mit rund 9000 m² Verkaufsfläche das kleinste IKEA-Einrichtungshaus in Deutschland war. „In der Produktausstellung legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf unsere nachhaltigen Produkte, denn wir möchten auch unsere Kunden zu einem nachhaltigeren Leben zuhause inspirieren“, sagte Einrichtungshauschef Stephan Laufenberg bei der Eröffnung am 12. Oktober 2017. Das Ziel sei, bei diesem internationalen Pilotprojekt die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales bestmöglich in Einklang zu bringen. Zum ganzheitlichen Ansatz des Einrichtungshauses zählt ein spezielles Architekturkonzept: Die einzelnen Gebäudeteile sind durch begrünte Terrassen miteinander verbunden, große Fensterflächen lassen viel Wasserrecycling auf hohem Niveau IKEA in Kaarst bezieht Grau- und Regenwasser in die Sanitärtechnik ein Klaus W. König Der Neubau in Kaarst, einer Stadt im linken Niederrheingebiet, ist das weltweit nachhaltigste IKEA Einrichtungshaus. Unter anderem wird das Wasser, das nach dem Händewaschen anfällt, ein zweites Mal genutzt. Als sogenanntes Grauwasser wird es gesammelt, im Gebäude mit einfachen Mitteln aufbereitet und zusammen mit Regenwasser für die Toilettenspülung verwendet. Diese Art von Wasserrecycling vermeidet Abwasser, spart Ressourcen und Kosten. Ein Pilotprojekt zukunftsfähiger Stoffkreisläufe, das im Mai 2018 anlässlich der Berliner Energietage mit dem Deutschen TGA-Award ausgezeichnet wurde. Bild 1: „More Sustainable Store“ - das im Oktober 2017 eröffnete IKEA- Einrichtungshaus in Kaarst. © IKEA Deutschland 11 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen Tageslicht ins Haus. Die Holzfassade sowie die Gestaltung der Außenbereiche sorgen für ein Wohlfühlklima. Zahlreiche Sport- und Freizeitmöglichkeiten sind ein Angebot an Kunden, Mitarbeiter und an die Bevölkerung von Kaarst - auch außerhalb der Öffnungszeiten. In Kooperation mit dem NABU wurde außerdem ein Outdoor-Konzept mit vielen Grünflächen entwickelt. Beim Energiekonzept für das neue Einrichtungshaus setzt IKEA auf eine Kombination aus effizienten und Ressourcen schonenden Technologien - vom Blockheizkraftwerk über eine Solarthermie- und Photovoltaikanlage, besonders gute Dämmung, tageslichtabhängig gesteuerte LED-Beleuchtung bis hin zur Wiederverwendung von Regen- und Abwasser. Wasserrecycling Abwasser, das nach dem Händewaschen in den Sanitärräumen auf drei Geschossen des Einrichtungshauses anfällt, wird als Grauwasser gesammelt, über die Reinigungsanlage zu wiederverwendbarem Betriebswasser aufbereitet und für die Bewässerung der Außenanlagen sowie für Urinale und WC-Spülkästen genutzt. „Sollte der Bedarf an Betriebswasser die Menge anfallenden Grauwassers übersteigen, wird gereinigtes Regenwasser aus der Zisterne, die ein Fassungsvermögen von 188 m³ hat, nachgespeist. Ist das aufgebraucht, wird die Versorgungssicherheit über einen vorgehaltenen Trinkwasseranschluss gewährleistet“, erklärt Franz Epping, kaufmännischer Geschäftsführer für Vertrieb und Einkauf bei Zilisch in Ahaus. „Wir hatten unter anderem den Auftrag zum Einbau der Regenwasseranlage im Technikraum EG und der Grauwasserzentrale im 1. UG des Einrichtungshauses“. Zilisch ist für die Realisierung dieses Wasser-Recycling-Systems im Mai 2018 mit dem Deutschen TGA-Award ausgezeichnet worden. Die hier eingesetzte Technik zur Aufbereitung und Nutzung Regenwasserzisterne V= 188 m³ Technikzentale EG Achse Ed/ 22 Regenwasserfilter Regenwasser von Haupthaus Str. G/ H/ D Q = 78,40 l/ s Regenwasserfilter (RWA 1) Hersteller: Wilo-GEP Typ: C 0,5 Überlauf Regenwasser und Zisterne Q = 78,40 l/ s Rückspül- Filter (F5) Trinkwassernachspeisung über freien Einlauf DN 300 DN 300 DN 300 DN 40 DN 300 DN 32 Liefer -und Leistungsgrenze AN Robau DN: 32 DN: 50 9.1 9.0 DN: 40 DN 15 Trockenlaufschutz DEA Kompressor externe Filtersteuerung Hersteller: Wilo-GEP Netzanschluss: 400 V Vorsicherung: 10 A FI-Schutz: 30 mA Grauwasser Grauwasserzentrale 1.UG Achse U/ 15 Rückspül- Filter (F6) Liefer -und Leistungsgrenze AN Robau siehe Schema: 494-9-TG-XX-GS-ME_ -SA-106-StrangschGW-_ Überlauf Grauwasseraufbereitung siehe Schema: 494-9-TG-XX-GS-ME_ -SA-104-StrangschSW-_ DN: 32 DN: 125 DU: 21,00 l/ s Qtot: 3.21 l/ s 9.0 DN: 50 VS: 2,66 l/ s M Trockenlaufschutz DEA Steuerung Grauwasseraufbereitung Hersteller: iWater Netzanschluss: 230 V / 50 Hz max. Leistungsaufnahme: 1,0 kW Vorlagebehälter (GWA 3) V= 1 m³ DN: 32 Rückschlagklappe SW mit Handverstellung (mechanisch) Bild 2: Regenwasseranlage mit 188 m³ fassender Zisterne im Technikraum/ EG des „More Sustainable Store“ in Kaarst. © emutec Bild 3: Grauwasserzentrale im 1.UG mit etwa 160 m langem Leitungssystem. © emutec 12 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen von Grauwasser funktioniert nach einem bereits bewährten Verfahren. Mehrere Wohn- und Geschäftsgebäude in Mönchengladbach und verschiedene Studentenwohnheime in Düsseldorf wurden in den letzten Jahren damit ausgestattet. Danach folgten für den Hersteller iWater aus Troisdorf weitere Aufträge in ganz Deutschland und Europa. Auch eine Forschungsstation in der Antarktis und ein Krankenhaus in Afghanistan zählen zu den Referenzen. Grauwasseraufbereitung Der Abfluss von 35 Waschbecken aus EG, 1. und 2. OG des Einrichtungshauses wird in einem separaten Abwassernetz zur Aufbereitung in der Grauwasserzentrale gesammelt. Sie besteht aus drei Kunststoffbehältern mit je 3000- l Fassungsvermögen. In den ersten Tank fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall - das benötigt keine Energie. „Herzstück“ der Aufbereitung ist die Membranfiltertechnik im mittleren Behälter. Dieses Verfahren hat je nach Filterfeinheit unterschiedliche Bezeichnungen. Die bei IKEA verwendete Ultrafiltration hält zurück, was größer als 0,00005 mm ist, und wird unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen Luft in den unteren Teil des Grauwassertanks drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mitten drin. Permanent blubbert die Luft am hauchdünnen Membrangewebe entlang und befreit es von Ablagerungen. Das herausgefilterte Material wird automatisch als Feinschlamm abgesaugt. Kleine, automatisch gesteuerte Pumpen fördern das Wasser vom ersten in den zweiten und, nach Passage der Membranen, in den dritten Tank, der als Vorratsbehälter das klare und geruchsfreie Betriebswasser enthält. Die nachgeschaltete Druckerhöhungsanlage sorgt für gleichmäßige Druckverhältnisse im Verteilnetz. In dieser Hinsicht gibt es für die Nutzer keinen spürbaren Unterschied zu einem Anschluss der Bewässerung oder der Toilettenspülung an das Trinkwassernetz. Qualität und Sicherheit „Eine Grauwasseranlage muss störungsfrei und wartungsarm funktionieren“, betont Timo Will vom Hersteller iWater Wassertechnik. „Wir optimieren die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung, als auch den Pumpenbetrieb so Strom sparend wie möglich konzipieren“. Vorrangiges Ziel sei allerdings die Wasserqualität, meint Will. Auch darf es laut Trinkwasserverordnung keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit gewährleistet eine nach DIN EN 1717 genormte Übergabeeinrichtung. Sie ist Teil der bei iWater im Werk vorgefertigten Anlage - eine Entlastung für das ausführende Unternehmen. Es muss sich nicht darum kümmern. Laut Will ist die Art der Aufbereitung bei diesem Projekt für die Behandlung von Grauwasser aus den Waschbecken in den Sanitäranlagen ausgelegt. „Unsere Technologie garantiert durch die Barriere-Wirkung der Ultrafiltrationsmembran einen nahezu vollständigen Bakterienrückhalt“, beteuert er und ergänzt: „Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten“. Die Besucher des IKEA Einrichtungshauses sollen allerdings nicht baden in diesem Wasser - es dient schließlich zur Toilettenspülung und Bewässerung - und ist in dieser Hinsicht mit gefiltertem Regenwasser vergleichbar. Ökonomisch statt autark Geplant wurde das Wasserrecycling, wie die übrige Haustechnik, von der bundesweit agierenden emutec GmbH aus Norderstedt. Deren Projektleiter Markus Tüpker (heute mit dem Ingenieurbüro KiT GmbH selbstständig) weist darauf hin, dass für Sammlung und Verteilung von Grauwasser grundsätzlich ein separates Leitungsnetz erforderlich ist - bei IKEA in Kaarst rund 160 m lang. In Kaarst, einer Stadt im linken Niederrheingebiet, werden für das 25 000 m² große IKEA Einrichtungshaus „More Sustainable Store“ sowohl Solarthermie als auch Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Beheizung und Kühlung verwendet. Die Kombination aus BHKW, Solarthermie und Photovoltaik ermöglicht am Standort in Kaarst eine CO 2 -Ersparnis von rund 700 t pro Jahr. Die 4000 m² Solarzellen auf dem Dach erzeugen rund 273 000 kWh Strom pro Jahr. Außerdem wird der im Einrichtungshaus entstehende Abfall in über 20 einzelne Fraktionen getrennt, um eine besonders hohe Recyclingquote zu erreichen. Die Regen- und Grauwassernutzung spart Trinkwasser und reduziert Abwasser. Der nachhaltige Ansatz schlägt sich im Gastronomie-Bereich vor allem in der Kühltechnik nieder, da hier CO 2 als Kältemittel Verwendung findet. Mit Eröffnung des Hauses wurde IKEA Kaarst Teil der „KlimaExpo.NRW“, einer Initiative der NRW-Landesregierung, die sich für den Klimaschutz engagiert und zukunftsweisende Projekte auszeichnet. WELTWEIT NACHHALTIGSTES IKEA EINRICHTUNGSHAUS Bild 4: Ansicht Power- Clear MC 5000 Grauwasseranlage. © iWater 13 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Ressourcen Tüpker hat die Aufbereitung auf eine Leistung von 4500 Liter pro Tag ausgelegt. „Das genügt bei Spitzenbedarf für das Spülen der 57 Toiletten“, stellt er fest. „Die 27 Urinale funktionieren ohne Wasser. Durch eine übergeordnete Regelungstechnik und Motor- Kugelventile erfolgen ab und zu automatische Hygienespülungen mit Betriebswasser.“ Die Balance von Ertrag und Bedarf ist bei der Nutzung von Grauwasser prinzipiell gegeben. Kommen viele Besucher, steigt der Bedarf an Spülwasser. Gleichzeitig fällt durch das Händewaschen entsprechend mehr Grauwasser an. Besteht an Spitzentagen zusätzlich Bewässerungsbedarf, wird auf die Regenwasserzisterne zugegriffen. Und an einigen Tagen im Jahr, wenn auch diese Vorräte aufgebraucht sind, sorgt ein automatisch öffnender Trinkwasseranschluss übergangsweise für Abhilfe. Fällt zu viel Ertrag an, geht der Überlauf des Regenwassers in die Versickerungsrigole, der Überlauf des Grauwassers in den öffentlichen Kanal. Aus ökonomischer Sicht ist es ratsam, nicht den allergrößten Regenspeicher einzubauen, um bei Starkregen den letzten Tropfen fassen und ganz auf Trinkwassernachspeisung verzichten zu können. Ebenso verhält es sich bei der Bemessung einer Grauwasseranlage. Ein gelegentlicher Überlauf bei zu hohem Grauwasseranfall und Trinkwasser- „Zukauf“ bei Grauwassermangel werden bewusst in Kauf genommen. Das Ziel ökologischer Projektplanung ist nicht die Autarkie, also Unabhängigkeit von den Ver- und Entsorgungssystemen, sondern eine effiziente Ressourcen schonende Technik, die auch wirtschaftlich so interessant ist, dass sie viele Nachahmer findet. QUELLEN • www.IKEA.de • www.zilisch.de • www.ewu-aqua.de LITERATUR • König, K. W.: Grauwassernutzung - ökologisch notwendig, ökonomisch sinnvoll. Fachbuch mit farbigen Abbildungen, 1.- Auflage, 130 Seiten. Verlag: iWater Wassertechnik, Troisdorf, 2013. STADTKLIMA-RETTER PLANEN GRÜNDÄCHER Urbaner Klimaschutz mit OPTIGRÜN Systemlösungen Begegnen Sie überhitztem Stadtklima und Starkregenereignissen mit zukunftsfähigen Gründachlösungen. 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