eJournals Transforming cities 4/1

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0014
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2019
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Reverse Innovation für eine nachhaltige Mobilität

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2019
Alina Ulrich
Geprägt von den Herausforderungen der Urbanisierung und des Klimawandels sind Städte weltweit auf effiziente und nachhaltige Verkehrslösungen angewiesen. In der Vergangenheit erfolgten Lernprozesse meist einseitig von hochindustrialisierten Ländern gen Schwellen- und Entwicklungsländer, wohingegen umgekehrt gerichtete Lernprozesse vernachlässigt wurden. Der Artikel greift das ursprünglich aus der Produktentwicklung stammende Konzept von Reverse Innovation auf und untersucht, inwieweit Schwellen- und Entwicklungsländer als Ideengeber für die Verkehrsplanung in deutschen Städten fungieren können.
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54 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt Reverse Innovation für eine nachhaltige Mobilität Innovative Verkehrs- und Mobilitätslösungen durch globale Lerneffekte Reverse Innovation, Mobilitätslösungen, Globale Lerneffekte, Nachhaltigkeit Alina Ulrich Geprägt von den Herausforderungen der Urbanisierung und des Klimawandels sind Städte weltweit auf effiziente und nachhaltige Verkehrslösungen angewiesen. In der Vergangenheit erfolgten Lernprozesse meist einseitig von hochindustrialisierten Ländern gen Schwellen- und Entwicklungsländer, wohingegen umgekehrt gerichtete Lernprozesse vernachlässigt wurden. Der Artikel greift das ursprünglich aus der Produktentwicklung stammende Konzept von Reverse Innovation auf und untersucht, inwieweit Schwellen- und Entwicklungsländer als Ideengeber für die Verkehrsplanung in deutschen Städten fungieren können. Die Erfordernisse von innovativen, nachhaltigen Verkehrslösungen Weltweit wachsen Städte und damit auch die Signifikanz effizienter, nachhaltiger Verkehrslösungen zur langfristigen Sicherung der damit verbundenen Lebensqualität. „Make cities inclusive, safe, resilient and sustainable“ appellieren die Vereinten Nationen im Ziel- 11 ihrer Agenda zur nachhaltigen Entwicklung. Derzeit lebt die Hälfte der Weltbevölkerung im urbanen Raum, mit dem Trend zu weiterhin zunehmender Urbanisierung. Bis 2030 wird sich der Anteil der Stadtbewohner, nach derzeitigen Prognosen, auf 60 % der Bevölkerung erhöhen. Obwohl Städte flächenmäßig nur einen Anteil von 3 % der Erdoberfläche ausmachen, sind sie für 60 - 80 % des weltweiten Energieverbrauchs und 75 % der CO 2 -Emissionen verantwortlich. [1] Um den Herausforderungen der fortschreitenden Urbanisierung und der wachsenden Verkehrsnachfrage gerecht zu werden, sind innovative und nachhaltige Verkehrslösungen gefragt. Bisher waren es meist hochentwickelte Industrienationen, die Impulse für die Weiterentwicklung von städtischen Verkehrssystemen generierten. Daneben bieten aber auch weniger entwickelte Nationen und sich im Wandel befindende Schwellenländer zunehmend Lösungen mit Vorbildcharakter. In Schwellen- und Entwicklungsländern vollzieht sich die Urbanisierung besonders dynamisch, sodass deren Metropolen bereits jetzt mit den Herausforderungen des rapiden Bevölkerungszuwachses zu kämpfen haben. Die zunehmende Bevölkerungsdichte führt dabei zu einer ebenfalls wachsenden Verkehrsnachfrage: Die Motorisierung nimmt zu und bestehende Verkehrssysteme können parallel der Dynamik des stetig steigenden Verkehrsaufkommens nicht mehr standhalten. Eine dauerhafte Überlastung dieser bestehenden Verkehrssysteme ist die Konsequenz. Die daraus resultierenden Folgen, wie Staus, hohe Unfallzahlen, Luftverschmutzung, Treibhausgasemissionen oder Lärm, schränken die Lebensqualität der Städte in erheblichem Maße ein. Der starke Handlungsdruck in Schwellen- und Entwicklungsländern treibt die Entwicklung von innovativen, nachhaltigen und möglichst preiswerten Verkehrslösungen voran. Ein geringer Grad gesetzlicher Regulierung bietet zudem Spielraum für die versuchsweise Implementierung neuer Ideen und begünstigt somit die Innovationstätigkeit. Die vielfältigen und teilweise grundverschiedenen lokalen Kontexte der Schwellen- und Entwicklungsländer führten in der Vergangenheit zur Entwicklung von unterschiedlichsten Verkehrsstrukturen. Diese Diversität kann Industrienationen neue, alternative Ansätze in der Verkehrsplanung offerieren. In einem weniger regulierten und ausgeformten Umfeld werden in Schwellen- und Entwicklungsländern Verkehrslösungen erprobt. Diese Länder bieten somit einen in vielerlei Hinsicht günstigen Entstehungs- 55 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt und Entwicklungsrahmen für Innovationen. Die Innovationslandschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern ist daher ein interessantes Betrachtungsfeld zur Ableitung von Verkehrslösungen für hochentwickelte Industriestaaten. „Reverse Innovation“ (RI) bezeichnet einen solchen Rücktransfer innovativer Technologien und Dienstleistungen aus eben diesen Schwellen- und Entwicklungsländern in Industrieländer. Reverse Innovation - eine Terminologie Der Begriff Reverse Innovation wurde 2009 vom Innovationsforscher und -experten Vijay Govindarajan im Bereich der Produkt- und Technologieentwicklung popularisiert. RI bezeichnet jede Innovation, die zuerst in einem Entwicklungsland angewendet wird, „bevor sie aufwärts, der Schwerkraft trotzend, gen industrialisierte Welt fließt“ [2, S. 4] 1 . Entgegen vorheriger Konzepte, werden RI zufolge Innovationen nicht in Industrieländern entwickelt und für Entwicklungs- und Schwellenmärkte modifiziert, sondern die Innovationen entstehen im lokalen Kontext der Entwicklungs- und Schwellenländer [3, S. 122]. Die Innovationen adressieren lokale Bedürfnisse, beispielsweise im Hinblick auf Preissegment, Funktionalitäten und Qualität, sprechen dadurch aber auch in entwickelten Märkten neue Marktsegmente an [4, S. 70; 5, S. 82 f.]. Sieht man das Konzept von RI als Möglichkeit, um innovative Verkehrslösungen ausfindig zu machen, so muss das ursprüngliche Konzept von RI jedoch erweitert werden. Dies ist vor allem durch konträre Betrachtungsgegenstände und Zielsetzungen der unterschiedlichen Anwendungsbereiche zu begründen. Während das ursprüngliche Konzept 1 „Reverse innovation is any innovation that is adopted first in the developing world. These innovations often defy gravity and flow uphill“ [2, S. 4]. auf die Entwicklung von Produkt- und Technologieinnovationen ausgerichtet ist, sind für Verkehrslösungen nicht nur herkömmliche materielle Produkte und Technologien von Bedeutung. Vielmehr tragen Dienstleistungen, Prozesse, Geschäftsmodelle, Strategien und Pläne zu einer zukunftsfähigen Verkehrsentwicklung bei [6, S. 2, 3, 13]. Beim Konzept von RI in der Produktentwicklung geht es vorrangig darum, neue Märkte zu erschließen, als Unternehmen zu expandieren und zusätzliche Profite zu erzielen [7] [8]. Das Auffinden von Verkehrslösungen ist hingegen weniger profitorientiert, sondern zielt auf eine nachhaltige Entwicklung von Städten ab. Verkehrslösungen sollen bestehende Systeme verbessern, Kapazitäten sichern, Umweltprobleme reduzieren, sozial gerecht und dabei möglichst kostendeckend sein. Die Notwendigkeit eines erweiterten Definitionsverständnisses Mit dem Ziel, innovative und nachhaltige Verkehrslösungen ausfindig zu machen, sollte das bisherige, auf Produkt- und Technologieinnovationen beschränkte Definitionsverständnis von RI auf Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Institutionen, Strategien, Pläne, Prozesse, Initiativen, Marketing oder auch Bauvorhaben erweitert werden [9, S. 5]. Mit dem Ziel, Lerneffekte zu nutzen, sollten nicht nur ganzheitliche Innovationen betrachtet werden, sondern auch innovative Teilaspekte von Verkehrslösungen, die einen Fortschritt in der Verkehrsentwicklung ermöglichen können. Darüber hinaus sind nicht nur jene Innovationen von Bedeutung, die bereits erfolgreich in ein Industrieland transferiert wurden oder die im Entwicklungsland erfolgreich waren. Vielmehr geht es um den Austausch von Erfahrungen, ob positiv oder negativ, die gemacht wurden und aus denen Lerneffekte resultieren. Bild 1: (links) BRT System in Buenos Aires. © F.Huber Bild 2: (rechts) Busschnellsystem, Essen. © Ruhrbahn GmbH 56 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt Eine angepasste und adäquate Definition von Reverse Innovation im Bereich städtischer Verkehrslösungen umfasst „jede neue Idee, die vom lokalen Kontext geprägt in einem Entwicklungs- oder Schwellenland entsteht, dort erstmalig angewendet wird und die inspirierend für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung industrialisierter Städte wirkt.“ [9, S. 4][10, S. 14]. Eine Analyse von RI-Beispielen Populäre und erfolgreiche RI-Beispiele im Verkehrsbereich sind schnell gefunden. 1974 wurde in Curitiba in Brasilien erstmalig ein flächendeckendes Busschnellsystem „BRT“ umgesetzt. Das effektive sowie schnell und relativ kostengünstig umsetzbare BRT-System wurde zum Erfolg und diente Städten auf der ganzen Welt als Vorbild. Heute sind in vielen Städten Südamerikas, Asiens oder auch Europas, wie Amsterdam, Göteborg oder Essen, BRT-Systeme zu finden [11. S. 12-15] (Bilder- 1 und- 2). Auch die in London und Stockholm etablierte Citymaut hat ihre Ursprünge in Fernost. Dort wurde 1975 in Singapur erstmalig eine Citymaut umgesetzt [12, S. 16]. Für eine wissenschaftliche Analyse von RI-Anwendungsfällen im Stadtverkehr wurde eine Datenbank mit 150 Innovationen aus Schwellen- und Entwicklungsländern sowie zehn detaillierten Fallstudien untersucht [9, S. 12-57] [10, S. 15-53]. Als Auswahlkriterium galt, dass die Innovationen aus einer Entwicklungsregion stammen, im lokalen Kontext eine Innovation darstellen und eine innovative nachhaltige Verkehrslösung für urbane Räume bieten [10, S. 15 f.]. Die Beispiele wurden im Hinblick auf Regionen, Anwendungsbereiche, Innovationsarten sowie ihre Relevanz für den deutschen Kontext analysiert. RI sind divers: Die Regulation von Personal Mobility Devices in Singapur, die kultursensible Mitfahrbörse Raye7 in Ägypten, die auf Data Crowdsourcing basierende Sicherheitsapp SafetiPin und die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Raahgiri Day in Indien, der Mobilitätsdienstleister Go-Jek aus Indonesien, die Regulation und Förderung von Permanent Parklets in Brasilien oder der Gogoro Smartscooter aus Taiwan geben einen ersten Eindruck von der Vielfältigkeit der Innovationen im Verkehrsbereich aus Schwellen- und Entwicklungsländern. Sie reichen von technologischen oder regulativen Innovationen, Dienstleistungsinnovationen, innovativen Geschäftsmodellen bis hin zu sozialen Innovationen. Allerdings sind nicht für alle Themenfelder in gleichem Maße Verkehrslösungen zu finden. In der Untersuchung kristallisierten sich die nachfolgenden acht wesentlichen Anwendungsbereiche heraus (Bild 3):  ÖPNV-Optimierung,  Aktive Mobilität,  Neue Mobilitätsdienstleistungen,  Management von motorisiertem Individualverkehr (MIV),  Fahrzeugtechnologien,  Digitalisierung,  Öffentliche Beteiligung sowie  Stadtplanung und -gestaltung. Besonders viele Innovationen sind den Bereichen neuer Mobilitätsdienstleistungen, Digitalisierung, Fahrzeugtechnologien und ÖPNV-Optimierung zuzuordnen. Während es zahlreiche Innovationen für den Personenverkehr gibt, konnten hingegen für den urbanen Wirtschafts- und Güterverkehr deutlich weniger Innovationen ausfindig gemacht Bild 3: Anwendungsbereiche. © A.Ulrich Bild 4: Bikesharing vom chinesischen Anbieter MoBike in Berlin. © A. Ulrich 57 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt werden. RI gibt es überall: Innovative Verkehrslösungen sind auf allen Kontinenten zu finden. Eine besonders dichte Innovationslandschaft mit zum Teil hochentwickelten Lösungen konnte für im Wandel stehende Schwellenländer, wie zum Beispiel Singapur, China oder Indien, festgestellt werden. In naheliegenden Regionen sind häufig ähnliche Innovationen zu erkennen. Beispiele, wie die vielfältigen Fahrradverleihsysteme aus Asien, zeigen, dass sich Innovationen vorerst in einem ähnlichen Umfeld verbreiten, bevor sie dann auch in andersartigen Kontexten erprobt werden. Exemplarisch dafür steht das Bikesharing-Unternehmen MoBike. Das chinesische Start-up etablierte sich zuerst in diversen Städten in China, bevor es nach Singapur expandierte. Als sich auch dort der Erfolg zeigte, wagte MoBike den Eintritt in den europäischen Markt in Manchester und später auch in Berlin (Bild 4). Der Kontext ist entscheidend: Der lokale Kontext spielt eine entscheidende Rolle für die Entstehung und Entwicklung von Innovation. Akuter Problemdruck ist eine begünstigende Ausgangssituation für Innovationsbestreben. Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich gleichermaßen den Herausforderungen einer rapiden Urbanisierung zu stellen. Dies macht insbesondere die Mega-Cities der Länder für innovative Lösungsansätze besonders empfänglich. Unterschiede in lokalen Kontexten führen hingegen zu der Entwicklung unterschiedlichster innovativer Verkehrslösungen. Die Relevanz für den deutschen Kontext Erfolgreiche RI-Beispiele, wie etwa der Gogoro Scooter, der seit 2016 auf den Straßen Berlins unterwegs ist, zeigen, dass Innovationen aus Schwellen- und Entwicklungsländern durchaus eine Relevanz für Industriestaaten haben. Die Untersuchung der Beispiele stellte heraus, dass weniger Innovationen als Ganzes relevant sind, sondern insbesondere innovative Teilaspekte eine Relevanz für den deutschen Kontext haben. Innovationen können dabei in unterschiedlicher Weise im Industriestaat angewendet werden. Die in Indien entwickelte Sicherheitsapp SafetiPin ermöglicht es über Crowdsourcing die Sicherheitslage an öffentlichen Plätzen selbst zu bewerten sowie gleichzeitig die Bewertung durch andere Nutzer abzurufen. Eine solche App könnte ein Impuls sein, ein ähnliches neues System in Deutschland zu entwickeln. Es könnte aber auch dazu dienen, die Grundidee auf einen anderen Anwendungsbereich zu übertragen und beispielsweise über Crowdsourcing nicht die Sicherheit von öffentlichen Plätzen, sondern die Qualität von ÖPNV-Angeboten zu bewerten und abzufragen. Der Gogoro Smartscooter wird in Taiwan überwiegend für den Endverbraucher angeboten. Aufgrund fehlender öffentlicher Ladeinfrastruktur wäre die Einführung mit der Zielgruppe der Endverbraucher in Deutschland (vorerst) schwierig. Entwickelt man die Idee aber weiter und integriert den Roller in einen Fuhrpark und löst das Problem des Ladens durch private Ladeinfrastruktur, so ist der Ansatz von Gogoro-Scootern durchaus möglich und für die städtische Logistik, Dienstfahrzeuge oder Sharingdienste durchaus lukrativ. Das Berliner Scootersharing-Unternehmen COUP setzte dieses Konzept erfolgreich um und integrierte den Gogoro-Elektroroller in ihre Sharing-Flotte (Bild 5). Die Umgestaltung von Parkplätzen in Parklets ist nichts Neues und wird bereits in vielen europäischen Städten, wie Wien oder Stuttgart, umgesetzt. Eine dauerhafte Nutzung durch klare Regulierung und Bürgerbeteiligung zur Akzeptanzsteigerung sind allerdings innovative Teilaspekte, die aus Brasilien gewonnen werden können, um die Regelung von deutschen Parklets zu optimieren und bestehende Konflikte zu reduzieren (Bild 6). Bild 5: Das Scootersharing- Unternehmen Coup nutzt die Gogoro Scooter aus Taiwan. © COUP Bild 6: Permanent Parklets in Brasilien. © IMV 58 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt Somit können die Innovationen ein Impuls zur Entwicklung neuer Systeme sein, bestehende Systeme zu optimieren, in einem neuen Anwendungsbereich eingesetzt oder in weiterentwickelter Gestalt umgesetzt zu werden. Vom Entwicklungs- und Schwellenland ins Industrieland - ein Prozess Der RI-Prozess lässt sich, in Anlehnung an bestehende Literatur 2 , in drei Phasen beschreiben: Die Innovationsentstehung, der Transfer und die Adoption. Die Innovationsentstehung beschreibt die Entstehung bzw. das Vorhandensein einer innovativen Verkehrslösung in einem Schwellen- oder Entwicklungsland, die auch gleichzeitig auf den dort vorherrschenden lokalen Bedürfnissen beruht. Der Transfer ist die Übertragung der Idee von einem Schwellen- oder Entwicklungsland in ein Industrieland. Ein geeigneter Selektionsmechanismus für relevante und übertragbare Innovationen sowie deren Anpassung zur Überwindung von auftretenden Barrieren ist essentiell für den Innovationstransfer. Die Adoption umfasst die Implementierung und (langfristige) Annahme der Idee im Kontext des Industrielandes (Bild 7). Besondere Achtsamkeit gilt den Phasen des Transfers sowie der Adoption. Durch Unterschiede im Entstehungs- und Adoptionskontext hinsichtlich 2 Zum Beispiel das Stage-Gate-Modell von Robert G. Cooper, der Innovationsprozess nach Christian Homburg, die Innovationsadoption nach Everett M. Rogers, die RI-Praxisphasen nach Jeffrey R. Immelt, Vijay Govindarajan und Chris Trimble oder der Technologietransfer nach Thomas Schulz. der Regulierung, den Politik- und Wirtschaftssystemen, unterschiedlich starkem Problemdruck sowie Transformationsdynamiken, der Historie, lokaler Gegebenheiten sowie Kultur und Mentalität wird der Transfer erschwert und bedarf einer gezielten Vorbereitung. Von Reverse Innovation zu globalem Lernen Städtische Mobilität ist ein vielversprechender Anwendungsbereich für das ehemals aus der Produktentwicklung stammende Konzept von Reverse Innovation. Die Betrachtung von RI-Beispielen verdeutlicht, dass Schwellen- und Entwicklungsländer ein in vielerlei Hinsicht interessantes Betrachtungsfeld für das Auffinden von innovativen Verkehrslösungen sind. Der - von bislang auf Industrieländer beschränkte - auf Schwellen- und Entwicklungsländer erweiterte Suchradius birgt innovative Lösungen und Lernpotenziale, die eine fortschrittliche und nachhaltige Mobilitätsentwicklung in deutschen Städten vorantreiben können. In einer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts werden Lernprozesse nicht mehr ausschließlich in eine Richtung erfolgen, sondern vielmehr dynamisch, entgegengesetzt (reverse), wechselseitig und global. Das Konzept von Reverse Innovation ist ein fundamentaler Schritt für deutsche Städte, den Fokus zu erweitern und in Zukunft von globalen Lernprozessen zu profitieren. Anmerkung Die Erkenntnisse resultieren aus einer Zusammenarbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) und des Umweltbundesamtes [9] sowie einer Begleitforschung der Bergischen Universität Wuppertal [10]. LITERATUR [1] UN (o.J.): Goal 11: Make cities inclusice, safe, resilien and sustainable. Online verfügbar unter: https: / / www.un.org/ sustainabledevelopment/ cities/ (17.01.2019). [2] Govindarajan, V., C. Trimble: Reverse Innovation: Create Far from Home, Win Everywhere. Boston, 2012. [3] Govindarajan, V.: A reverse-innovation playbook. In: Strategic Direction 28, 9 (2012). Online verfügbar unter: http: / / www.emeraldinsight.com/ doi/ 10.1108/ sd.2012.05628iaa.008 (11.01.2019). [4] Ostraszewska, Z., Tylec, A.: Reverse innovation - how it works. In: International Journal of Business and Management III, 1 (2015) S. 57-74. [5] Winter, A., Govindarajan, V.: Principles for creating successful products for emerging markets. In: Harvard Business Review ( July-August 2015): 11. [6] Adriaens, P., De Lange, D., Zielinski, S.: Reverse Innovation for the New Mobility. In: SSRN Electronic Journal (2013). Online verfügbar unter: http: / / www.ssrn. com/ abstract=2297912 (17.01.2019). Bild 7: Der RI-Prozess nach A.Ulrich. © A.Ulrich 59 1 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Leben und arbeiten in der Stadt [7] Govindarajan, V.: A reverse-innovation playbook. In: Strategic Direction 28, 9 (2012). Online verfügbar unter: http: / / www.emeraldinsight.com/ doi/ 10.1108/ sd.2012.05628iaa.008 (11.01.2019). [8] Immelt, J. R., Govindarajan, V., Trimble, C.: How GE Is Disrupting Itself. In: Harvard Business Review. (2009) S. 3-11. [9] UBA und GIZ: Reverse Innovation: Rethinking Urban Transport through Global Learning. Dessau-Roßlau, 2017. Online verfügbar unter: https: / / www.umweltbundesamt.de/ sites/ default/ files/ medien/ 376/ publikationen/ reverse_innovation_bf_0.pdf (11.01.2019). [10] Ulrich, A.: Reverse Innovation - Rethinking Urban Transport through Global Learning, 2017. Nicht veröffentlicht. [11] Nikitas, A., Karlsson, M.: A Worldwide State-of-the-Art Analysis for Bus Rapid Transit: Looking for the Success Formula. In: Journal of Public Transportation 18, 1 (2015) S. 1-33. [12] Trommler, S.: Auswirkungen einer City-Maut in Deutschland: Abschätzung von Parametern zur Übertragung in ein Verkehrsnachfragemodell. Hamburg, 2007. Alina Ulrich, M.Sc. Wissenschaftliche Mitartbeiterin Lehr- und Forschungsgebiet für umweltverträgliche Infrastrukturplanung, Stadtbauwesen im Fachzentrum Verkehr der Abteilung Bauingenieurwesen der Bergischen Universität Wuppertal; Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Kontakt: aulrich@uni-wuppertal.de; alina.ulrich@wupperinst.org WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten-Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu im Web unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn-Buhlbach, www.trialog-publishers.de AUTORIN