Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0023
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Lebensqualität und Sicherheit in der Smart City
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Thomas Römer
Smart Cities stecken noch in den Kinderschuhen, doch ihr Potenzial ist riesig. Eine Kombination aus Sensoren, Künstlicher Intelligenz (KI), Internet-of-Things (IoT)-Plattformen und Omnichannel-Kommunikation ermöglicht schnellere Reaktionszeiten bei kritischen Ereignissen und datengestützte Entscheidungen. So könnte die Lebensqualität und Sicherheit der Bevölkerung in der smarten Stadt der Zukunft nachhaltig erhöht werden.
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10 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Lebensqualität und Sicherheit in der Smart City Digitale Transformation ermöglicht Echtzeit-Situationsbewusstsein und schnellere Entscheidungen Internet of Things, Vernetzung, Automatisierung, Multichannel-Kommunikation, Sicherheit, Lebensqualität Thomas Römer Smart Cities stecken noch in den Kinderschuhen, doch ihr Potenzial ist riesig. Eine Kombination aus Sensoren, Künstlicher Intelligenz (KI), Internet-of-Things (IoT)-Plattformen und Omnichannel-Kommunikation ermöglicht schnellere Reaktionszeiten bei kritischen Ereignissen und datengestützte Entscheidungen. So könnte die Lebensqualität und Sicherheit der Bevölkerung in der smarten Stadt der Zukunft nachhaltig erhöht werden. Smart City - alle Welt spricht bereits davon, doch in Wirklichkeit ist sie noch eine Zukunftsvision. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen, ein riesiges Puzzle, von dem wir bislang nur einige Teile zusammengefügt haben, das große Bild jedoch noch nicht erkennen können. Einzelne Smart- City-Projekte gibt es bereits in vielen Städten und Gemeinden, doch insgesamt steht die Entwicklung noch am Anfang. Eine Studie des Innovator Clubs des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des TÜV Rheinland 1 kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass staatliche Fördermöglichkeiten zur Unterstützung der Digitalisierung, etwa zum Breitbandausbau, nicht genug genutzt werden. Zudem fehlt es häufig an personellen Ressour- 1 Innovators Club des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, TÜV Rheinland: Smart City Readiness Check (2019). cen und Know-how, um Projekte voranzutreiben und Vorhaben kurzfristig in die Tat umzusetzen. Dennoch hat die Entwicklung von Smart Cities Fahrt aufgenommen. Digitalisierungsprojekte in diesem Bereich haben stark zugenommen und sich weltweit zu einem zentralen Aspekt in der Städteplanung entwickelt. Laut einer Analyse von IoT Analytics 2 , in der 2018 weltweit 1600 IoT- Projekte untersucht wurden, war die Smart City mit 23 Prozent mit Abstand der wichtigste Anwendungsbereich - noch vor Industrie 4.0 oder autonomem Fahren. Allein die European Innovation Partnership for Smart Cities and Communities, eine von der EU- Kommission unterstützte Initiative, wird bis Ende 2019 bis zu eine Milliarde Euro investieren, um 300 Smart Cities in Europa zu verwirklichen. Mit den Bürgern Schritt halten Ziele bei vernetzten Städten sind der einfachere Zugang zu personifizierten und effizienteren öffentlichen Diensten, eine verbesserte Lebensqualität und höhere Sicherheit für alle Bürger. Diese sind meist schon sehr viel mehr in der digitalen Welt angekommen als die Gemeinden, in denen sie leben. Sie nutzen Smart-Home Lösungen, Sprachassistenten wie Siri oder Alexa und kommunizieren über eine Vielzahl unterschiedlicher Kanäle. Und sie erwarten von der Kommunalverwaltung, dass diese ebenfalls am Puls der Zeit ist. Egal ob es nur um einfache Dinge geht, die die Lebensqualität verbessern oder um Notsituationen: Sie möchten auf die Art und Weise mit Behörden kommunizieren und Anliegen komfortabel erledigen, wie es in den unterschiedlichsten 2 IoT Analytics: IoT Project List Of Enterprise IoT Projects 2018 (2018). © iStock 11 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Situationen am sinnvollsten und komfortabelsten für den einzelnen Bürger ist. Um ihre Bürger zu erreichen und attraktiv zu bleiben, müssen Städte und Gemeinden deshalb ein Kommunikationsangebot mit einer Vielzahl von Kanälen anbieten und das Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz (KI) und Analytics stärker nutzen. Diese digitalen Tools ermöglichen es Behörden, ihre Arbeitsprozesse zu automatisieren und Services effizienter zu gestalten. Smart City-Lösungen kombinieren und automatisieren diese Bausteine, um unter Berücksichtigung des situativen Kontexts intelligente Verbindungen zwischen Menschen und Maschinen zu schaffen und die richtigen Informationen zur richtigen Zeit bereitzustellen. Sensoren und IoT-Plattformen sind für die Entwicklung von Smart Cities unumgänglich. Sensoren nehmen beispielsweise Geschehnisse oder kritische Ereignisse wahr und melden die Daten an IoT-Plattformen, die diese analysieren, daraus handlungsrelevante Informationen ableiten und automatisierte Prozesse anstoßen. Über Omnichannel-Kommunikationsmöglichkeiten können Einwohner oder Mitarbeiter in Echtzeit informiert werden und so wesentlich schneller auf Ereignisse reagieren sowie datengestützte Entscheidungen treffen als bei zeitaufwendigen manuellen Prozessen. Integriert man zudem Funktionen auf Basis von künstlicher Intelligenz (maschinellem Lernen), lernt die Lösung selbstständig aus jeder Interaktion hinzu und macht das System mit der Zeit noch effizienter. In vielen Fällen lassen sich die Lebensqualität und die Sicherheit der Bürger durch solche Anwendungen deutlich steigern: Smart Parking Viele Innenstädte sind chronisch überfüllt und wer nicht aufs Auto verzichten kann, schlägt sich häufig mit einer nerven- und zeitraubenden Parkplatzsuche herum. Eine Smart-Parking-Lösung kann mithilfe von Sensoren in Echtzeit verfügbare Parkplätze erfassen und diese Information Parkplatzsuchenden über eine IoT-Plattform auf verschiedene Arten zur Verfügung stellen, beispielsweise über klassische Textnachrichten oder digitale Kommunikationskanäle wie zum Beispiel per Webportal oder App. Ein Fahrer auf dem Weg ins Stadtzentrum könnte so vorab via bevorzugtem Kommunikationskanal den nächstgelegenen Parkplatz finden und reservieren - dank Übersetzungstechnologien ganz gleich in welcher Sprache oder welcher Wortwahl - sodass er für andere Nutzer als belegt gekennzeichnet wäre. Mit einem vollständig automatisierten Prozess könnte der Fahrer sogar automatisch für den Parkplatz zahlen. Diese Information ließe sich direkt an die Mobilgeräte von Mitarbeitern des Ordnungsamtes übermitteln, sodass diese auf ihren Rundgängen genau wüssten, ob ein Autofahrer ein gültiges Parkticket besitzt, selbst wenn kein Zettel hinter der Windschutzscheibe liegt. Zudem könnte der Fahrer eine Benachrichtigung erhalten, bevor die bezahlte Parkzeit abläuft und sie gegebenenfalls über den bevorzugten Kommunikationskanal verlängern, ohne dafür zum Auto zurückkehren zu müssen. Verbesserung der Luftqualität Auch die schlechte Luftqualität ist in vielen Großstädten ein beständiges Problem. Hier können Smart City-Lösungen die Stadtverwaltung unterstützen. Nehmen Sensoren beispielsweise die Überschreitung bestimmter Grenzwerte wahr, könnten diese Informationen über eine IoT- Plattform gesammelt, analysiert und der Stadtverwaltung in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden. Somit könnte die betroffene Bevölkerung über verschiedenste Kommunikationskanäle, wie zum Beispiel Social Media, Text/ Push- Nachrichten oder Digital Signage, direkt informiert werden und notwendige Maßnahmen können sofort eingeleitet werden, um dem anstehenden Problem entgegenzusteuern. Werden die Grenzwerte bei der Luftqualität überschritten, könnte die Stadt ihre Bürger über verschiedene Kommunikationskanäle ermutigen, auf öffentliche Verkehrsmittel oder Elektrofahrzeuge umzusteigen oder Fahrverbote für bestimmte Fahrzeuge verhängen. Automatische Alarmierung bei Gaslecks Die Verkürzung der Reaktionszeit und die effiziente Koordination ist bei Angelegenheiten der öffentlichen Sicherheit von zentraler Bedeutung, beispielsweise bei Gaslecks in Wohnhäusern. Auch hier können automatisierte Prozesse einen entscheidenden Beitrag leisten. Sobald ein Gasleck von einem IoT-Sensor registriert wird, ist es möglich, die Hausbewohner und den Gasversorgerautomatisch zu benachrichtigen. Der Sensor übermittelt dann sowohl Informationen zu seinem Standort als auch weitere relevante Daten, etwa den Zeitpunkt des Gasaustritts, die Lage des Gebäudes, des zentralen Gashahns oder zur Anzahl der Parteien oder potenziell im Haus anwesenden Personen. Auf Basis dieser Informationen können kritische Entscheidungen schneller getroffen werden, um 12 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation den Schaden zu beheben und die Gefahr für die Anwohner zu minimieren. Die Protokolle von Vorfällen können auch dazu verwendet werden, den gesamten Prozessablauf zu analysieren und anschließend zu dokumentieren, was auch für die Versicherungswirtschaft interessant wäre. Anleitung in Notsituationen In außergewöhnlichen Situationen und Notfällen wird die Stärke von automatisierten Prozessen und vernetzten Geräten besonders deutlich - beispielsweise wenn sie dabei helfen, Leben zu retten. Wenn eine Person unterwegs plötzlich lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen oder gar einen Herzstillstand erleidet, könnten Begleiter oder Passanten mit einem „intelligenten“ externen Defibrillator helfen. Defibrillatoren, die mit den Anwendern sprechen und ihnen Anweisungen geben, gibt es bereits, sogenannte automatisierte externe Defibrillatoren (AEDs). Würde man diese Geräte über Sensoren direkt mit dem entsprechenden Notdienst vernetzen, könnte dies bei der Rettung von Leben einen bedeutenden Unterschied machen. Aktuell gibt es Apps, die Nutzer zum nächstgelegenen Defibrillator navigieren. Wenn die Geräte jedoch nicht vernetzt sind, können sie vorab keine Information darüber abgeben, ob sie auch tatsächlich einsatzbereit sind. Außerdem wissen viele Menschen, die sich urplötzlich in einer derartigen Situation befinden und unter großem Stress stehen, nicht um die richtige Handhabung eines solchen Gerätes. Mit einer Verbindung zu lokalen Notfall- Kommunikationss ystemen könnten Status-Updates zur Akkulaufzeit oder zu anstehenden Routineüberprüfungen an Notdienste übermittelt werden. Auch wenn ein Gerät gerade aktiv genutzt, könnte es Informationen zum aktuellen Nutzungsstadium an den Notdienst weiterleiten, wie „AED-Gehäuse geöffnet“ oder „Panels geladen“. Dort hätten die Mitarbeiter einen schnelleren und vollständigen Überblick über die Lage, könnten unerfahrene Nutzer durch die Bedienung leiten und schneller eingreifen. Um diese neue Generation lebensrettender Geräte Wirklichkeit werden zu lassen und um Kooperationsmöglichkeiten zu erkunden, sucht Avaya aktuell Anwendungsentwickler, Regierungsorganisationen und AED- Hersteller. Voraussetzungen schaffen Es gibt noch etliche Anwendungsszenarien für automatisierte Prozesse in den intelligenten Städten der Zukunft - etwa smarte Abfallcontainer, automatisierte Wasserwerke oder intelligente Beleuchtung. Das Internet der Dinge bietet ein großes Potenzial, alltägliche Vorgänge durch vernetzte Sensoren und Automatisierungslösungen smarter, effizienter und interaktiver zu machen. Nun liegt es an den Städten, diese Chancen zu nutzen, um ihren Bürgern mehr Sicherheit und eine höhere Lebensqualität zu bieten und somit auch die eigene Attraktivität als Wohnort zu steigern oder zu erhalten. Robuste IoT-Plattformen zur Analyse und Aufbereitung von Daten sind die Basis für die Automatisierung von Arbeitsprozessen und für die Bereitstellung handlungsrelevanter Informationen über klassische und digitale Kommunikationskanäle. Moderne Omnichannel-Kommunikationslösungen tragen außerdem dazu bei, Städte und Gemeinden besser mit ihren Einwohnern zu vernetzen. So können das Situationsbewusstsein von Bürgern und Behörden auf Echtzeit-Niveau gebracht und Entscheidungen schneller getroffen werden, was besonders in kritischen Situationen einen wichtigen Vorteil bietet und den Alltag auf vielfältige Weise erleichtern kann. Voraussetzungen für die Entwicklung zur Smart City sind sicherlich eine flächendeckende Infrastruktur und Personal mit entsprechendem Know-How. Hier ist die Politik gefragt, auch um eventuelle Hürden bei Förderungsmöglichkeiten für Städte abzubauen. Andererseits müssen Städte und Gemeinden durch Weiterbildungsmöglichkeiten in ihre Mitarbeiter investieren sowie Beratungsangebote zu Kommunikations- und Smart City-Lösungen nutzen, um ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen zu können. Weiterführende Informationen sind in einem Whitepaper zusammengestellt unter: https: / / www.avaya.com/ de/ smartcity/ Thomas Roemer Corporate Solutions Technologist Director Avaya Deutschland GmbH Kontakt: throemer@avaya.com AUTOR Defibrillator. © iStock