eJournals Transforming cities 4/2

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0030
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Hilfe für freiwillige Helfer

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Laut Bundesgesundheitsministerium erleiden in Deutschland jedes Jahr mehr als 50 000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand und nur zehn Prozent der Betroffenen überleben [1]. Dabei sind oft Menschen in der Nähe, die mit Erster Hilfe spontan helfen und Leben retten könnten. Auch in anderen Krisenlagen, wie einer Sturmflut, gibt es viele engagierte Menschen, die bereit sind mit anzupacken. Das Problem: Die Freiwilligen müssen über die Situation schnell informiert werden. Das digitale Helfersystem KATRETTER schafft Abhilfe: Rettungsleitstellen können freiwillige Helfer per App blitzschnell aktivieren und koordinieren. In diesem Jahr startet KATRETTER in den ersten Landkreisen und Städten.
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30 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Gefahrenlagen erfordern einen schnellen Einsatz von Helfer*innen und viele Menschen wollen sich einbringen: Knapp 15 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland in verschiedenen Bereichen ehrenamtlich [2]. Und auch ohne festes Ehrenamt tun viele Freiwillige Gutes, zum Beispiel indem sie verunglückten Menschen mit Erste Hilfe-Maßnahmen zur Seite stehen oder sich für ihr Gemeinwesen einbringen, wenn die Zahl der professionellen Rettungskräfte an ihre Grenzen stößt. Um dieses Engagement zu stärken und die Rettungsorganisationen zu unterstützen, haben die öffentlichen Versicherer gemeinsam mit dem Fraunhofer FOKUS und der Berliner Feuerwehr das KATRETTER-System entwickelt. Damit können Leitstellen per Knopfdruck Freiwillige in der Nähe eines Einsatzes über eine Smartphone-App alarmieren, aktivieren und sich einen Überblick verschaffen, wie die personelle Lage vor Ort aussieht. „Das Besondere am KATRETTER- System ist, dass die Nutzer ganz individuell und nur für die passenden Einsätze informiert werden - je nach Vorkenntnissen und Fähigkeiten“, erklärt Fraunhofer-Mitarbeiter Michael Jendreck, Projektleiter bei Fraunhofer FOKUS. „Dafür müssen sich die freiwilligen Helfer einmalig registrieren, natürlich datenschutzkonform und rechtssicher.“ Welche Helfer*innen dann bei einem Einsatz alarmiert werden, entscheidet das KATRETTER-System anonym und nach registrierter Qualifikation, zum Beispiel für Wiederbelebungsmaßnahmen, schon bevor die Rettungskräfte eintreffen, oder für einfache Tätigkeiten, wie das Befüllen von Sandsäcken. Beispiel Herz-Kreislauf- Versagen Ein Mann bricht in einer ruhigen Seitenstraße mit einem Herz- Kreislauf-Stillstand zusammen. Eine ältere Dame eilt herbei und alarmiert den Notruf 112. Für Wiederbelebungsmaßnahmen fehlen ihr selbst jedoch die Kraft und der Mut. Da kommen zwei Personen angelaufen, ein Arzt und eine Sanitäterin, die sich privat in der Nähe aufhielten und über die KATRETTER-App auf ihrem Smartphone von der Notrufleitstelle informiert wurden. Sie beginnen sofort mit der Wiederbelebung und retten dem Mann das Leben. Wie wichtig oft gerade die schnelle Hilfe ist, weiß Dr. med. Stefan Poloczek aus seiner täglichen Arbeit als ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes in Berlin. „Diese Innovation ermöglicht es uns, die behandlungsfreie Zeit beim Herz-Kreislauf-Stillstand durch den Einsatz von Ersthelfern weiter zu verkürzen.“ Rund 10 000 Menschenleben könnten jedes Jahr zusätzlich gerettet Hilfe für freiwillige Helfer KATRETTER-System unterstützt freiwilliges Engagement in Notfällen und Krisen Laut Bundesgesundheitsministerium erleiden in Deutschland jedes Jahr mehr als 50 000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand und nur zehn Prozent der Betroffenen überleben [1]. Dabei sind oft Menschen in der Nähe, die mit Erster Hilfe spontan helfen und Leben retten könnten. Auch in anderen Krisenlagen, wie einer Sturmflut, gibt es viele engagierte Menschen, die bereit sind mit anzupacken. Das Problem: Die Freiwilligen müssen über die Situation schnell informiert werden. Das digitale Helfersystem KATRETTER schafft Abhilfe: Rettungsleitstellen können freiwillige Helfer per App blitzschnell aktivieren und koordinieren. In diesem Jahr startet KATRETTER in den ersten Landkreisen und Städten. Rund 10 000 Menschenleben könnten jedes Jahr zusätzlich gerettet werden, wenn mehr Anwesende in Notfällen eine sofortige Herzdruckmassage unternehmen würden. © O. Lang/ Fraunhofer FOKUS 31 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation werden, wenn mehr Anwesende in Notfällen eine sofortige Herzdruckmassage unternehmen würden. Denn nach nur wenigen Minuten beginnt das Gehirn ohne den wichtigen Blutfluss schweren Schaden zu nehmen. Eine sofortige Herzdruckmassage hingegen verdoppelt bis verdreifacht die Überlebenschancen der Betroffenen [1]. System für die Praxis Für die Praxis der Rettungsdienste spielt allerdings auch die Einbindung des Systems in die Leitstellentechnik und in die Arbeitsabläufe eine wichtige Rolle. Denn für zusätzlichen Organisationsaufwand fehlen den professionellen Rettern oft die Ressourcen. Daher setzen die Fraunhofer-Entwickler einerseits auf standardisierte Technologien für die Alarmierung. So basiert KATRETTER auf der etablierten Technologie des Warnsystems KATWARN, das mit rund drei Millionen Nutzer*innen sowie mehr als 15 Millionen versendeten Warnnachrichten pro Jahr in Deutschland sicher erprobt ist. Andererseits werden sowohl der Verwaltungsaufwand als auch die initialen Qualifikationsmaßnahmen für die Helfer deutlich reduziert, indem die lokalen Rettungsleitstellen individuell an das System angebunden werden. Jendreck: „Bereits aktive Ersthelfer können automatisch über die vorhandenen Systeme der Rettungsstellen in das KATRETTER-System eingebunden werden. So vermeiden wir zusätzliche Verwaltungsaufwände.“ Damit bei einem konkreten Einsatz alles schnell geht, nutzen die Leitstellenmitarbeiter entweder eine webbasierte Redaktionsoberfläche, über die sie mit wenigen Klicks die nötigen Einsatzinformationen für die KATRETTER-Nutzung erstellen und versenden, oder die Alarmierung erfolgt - insbesondere bei medizinischen Notfällen - direkt und automatisch aus dem Leitstellensystem der Rettungsstelle heraus. Neben den Erfahrungen mit dem Warnsystem KATWARN basieren die Vorgehensweisen und Technologien der Helferaktivierung und Rückmeldungserfassung im KATRETTER-System auf einem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Hier wurden in den Jahren 2013 - 2016 grundlegende Fragen untersucht, Lösungen vorbereitet und Einsatzszenarien praktisch erprobt. Teilnehmer des Projektes waren unter anderem die Berliner Feuerwehr und Fraunhofer FOKUS. Beispiel Sicherung der Deiche bei Sturmflut Stürmische Wintertage - für den kommenden Nachmittag ist eine Sturmflut angekündigt. Vorher müssen Deiche mit Sandsäcken befestigt werden. Bereits früh am Morgen treffen freiwillige Helfer an der Zufahrtsstraße zum Deich ein. Über KATRETTER wurden sie aufgefordert zu helfen. Durch die Bestätigung der Nachricht in der App weiß die Feuerwehr Bescheid, dass ausreichend Helfer kommen. Bereits am späten Vormittag sind die Deiche sicher. KATRETTER steht allen autorisierten Behörden und Organisationen in Deutschland einheitlich zur Verfügung und kann für die verschiedensten Krisenszenarien eigesetzt werden. „KATRETTER selbst nimmt natürlich auf Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Alarmierungen keinen Einfluss“, so Jendreck. „Das ist und bleibt Aufgabe der Rettungsdienste und Sicherheitsbehörden.“ Damit alle übermittelten Alarmierungen autorisiert sind, muss eine formelle Nutzungsvereinbarung abgeschlossen werden. Erst dann wird das System freigeschaltet. Einführung und Kosten KATRETTER steht allen freiwilligen Helfer*innen kostenfrei zur Verfügung. Für Auslösestellen, wie zum Beispiel Leitstellen der Feuerwehr oder Notrufzentralen von Rettungsdiensten, kostet die Einführung jeweils eine einmalige Gebühr von 15 000- EUR (zzgl. MwSt.). Dies umfasst Installation, lokale Anpassungen, Schulungen der Mitarbeiter und Marketingunterstützung bei der Systemeinführung. Weitere 3000- EUR im Jahr (zzgl. MwSt.) kostet der technische Support. In Gebietskörperschaften, die bereits das Bevölkerungswarnsystem KATWARN einsetzen, gibt es aufgrund des geringeren Implementierungsaufwandes einen Nachlass von 50 % (d. h. einmalig 7500 Euro/ jährlich 1500 Euro zzgl. MwSt.). System, technische Infrastruktur sowie Betrieb und Weiterentwicklung trägt die CombiRisk GmbH, eine Tochter der SV SparkassenVersicherung und der Versicherungskammer Bayern (VKB), als Beitrag zum Gemeinwohl. Der Alarmierungsprozess ist rechtssicher gestaltet - sowohl für freiwillige Helfende und Rettungskräfte als auch für die betroffenen Menschen - und entspricht allen rechtlichen Vorgaben, insbesondere den Datenschutzprinzipien aus Art. 5 DSGVO. QUELLEN [1] ht tps: / / w w w.bunde sge sund heitsminis terium.de/ ser vice/ begriffe-von-a-z/ h/ herz-kreislauf-stillstand.html, zugegriffen am 25.02.2019 [2] https: / / de.statista.com/ statistik / daten/ studie/ 173632 / umfrage/ verbreitungehrenamtlicher-arbeit/ , zugegriffen am 25.02.2019