eJournals Transforming cities 4/2

Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0031
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Aktivierung der Bevölkerung in Krisensituationen

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Patrick Drews
Spontanhelfende werden als Helfer außerhalb formaler Strukturen im Bevölkerungsschutz definiert. In der Vergangenheit haben sie erheblich zur Bewältigung kleinerer oder größerer Krisenlagen beigetragen. Für Verantwortliche im Krisenmanagement ist diese Gruppe allerdings eine Größe, die aufgrund fehlender Vorbereitung nicht selten ignoriert oder als störend empfunden wird. Mit dem Airport-Approach wird eine Methode vorgestellt, die es Krisenmanagern ermöglichen soll, im Vorfeld eine Einbindemöglichkeit von Spontanhelfenden zu identifizieren und in Einsatzplänen festzuhalten.
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32 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? Ausgangssituation Spontanhelfenden sind keine neue, sondern eine eher unterschätzte Herausforderung für Krisenmanager. Einerseits kann dieses Engagement ein Gewinn für das Krisenmanagement sein. Die letzten größeren Ereignisse in Deutschland - das Hochwasser 2013 und die Aufnahme geflüchteter Menschen 2015 - haben gezeigt, welche Leistung durch bürgerschaftliches Engagement entstehen kann. Andererseits können Spontanhelfende aber auch zu Risiken werden, nämlich dann, wenn die Hilfeleistungen völlig losgelöst von den Bemühungen des Krisenmanagements stattfinden. Krisenmanager müssen sich der Herausforderung stellen, dass sie neben der eigentlichen Einsatzbewältigung mit eingespielten Prozessen und Strukturen zusätzlich meist Helfer einbinden müssen, die in Krisensituationen unerfahren sind. Oftmals sind die Strukturen nicht für die Aufnahme von Spontanhelfenden geeignet. Krisenmanager müssen vor allem dann, wenn keine Konzepte vorhanden sind, sehr flexibel reagieren [1]. Dabei müssen Sie sich mehreren Fragen stellen: 1. Ist die Lage geeignet, um Spontanhelfende einzusetzen? 2. Welche Tätigkeiten bei den Einsatzmaßnahmen sind für Spontanhelfende geeignet? 3. Wie ist die Organisationsform, in der Spontanhelfende in Einsatz gebracht und betreut werden? Die Antwort auf die zentrale Frage, nämlich welche Tätigkeiten für Spontanhelfende geeignet sind, ist Kern dieses Artikels. Der Airport-Approach, eine methodische Herangehensweise an Tätigkeiten, wird hierbei vorgestellt. Am Ende werden weitere Anwendungsfälle angesprochen. Tätigkeiten für Spontanhelfende Einsatzkräfte unterscheiden sich von Spontanhelfenden dadurch, dass sie eine auf den Einsatzzweck zugeschnittene Ausbildung genossen haben. Diese Ausbildung befähigt Einsatzkräfte in Krisensituationen bedarfsgerecht auf die Einsatzlage zu reagieren. Dabei steht die Schnelligkeit der Maßnahmen im Vordergrund, so dass vor allem Tätigkeiten eingeübt werden, die dann im Einsatz ohne Überlegung abgerufen werden können. Die einzelnen, erforderlichen Tätigkeiten sind den Einsatzkräften bekannt. Ein Auftrag kann daher nur eine bestimmte Aufgabe enthalten - beispielsweise, wenn der Feuerwehrkommandant den Auftrag erteilt, eine Löschwasserversorgung aus einem Hydranten aufzubauen. Die Einsatzkräfte wissen in diesem Fall, welche Tätigkeiten sie wie erledigen müssen. Auf der Ebene der Einsatzleitung oder im Krisenstab werden die Aufträge noch abstrakter formuliert. Die Führungskräfte vor Ort müssen selbstständig einen Plan entwickeln, wie sie die Ziele umsetzen werden. Spontanhelfende besitzen dieses spezifische Vorwissen nicht. Im Einsatz muss ihnen dieses Wissen im Sinne eines „training on the job“ beigebracht werden. Für manche Tätigkeiten reicht eine direkte Unterweisung allerdings nicht aus. Im Feuerwehrbeispiel könnte dies ein Einsatz unter Atemschutz sein, für den eine ärztliche Eignungsuntersuchung vorausgesetzt wird. Die bisherige Sichtweise von Krisenmanagern, nur die Aufgaben- und Prozess- Ebene auf die Eignung für Spontanhelfende zu untersuchen, birgt die Gefahr vorschnell Potenzial zu verschenken. Der Aiport-Approach - eine Vorgehensweise zur Ermittlung von Tätigkeiten Ziel des Airport-Approaches ist die Beschäftigung mit der Ausführungsebene im Krisenmanagement und damit die Identifizierung der Tätigkeiten für Spontanhelfende. Krisenmanager und fachliche Experten aus den verschiedenen Disziplinen gleiten dabei - bildlich gesprochen - wie ein Flugzeug im Landeanflug, von der Reiseflughöhe, auf der ein Aktivierung der Bevölkerung in Krisensituationen Der Airport-Approach zur Identifikation von Tätigkeiten für Spontanhelfende Spontanhelfende, Freiwilligenmanagement, Krisenbewältigung Patrick Drews Spontanhelfende werden als Helfer außerhalb formaler Strukturen im Bevölkerungsschutz definiert. In der Vergangenheit haben sie erheblich zur Bewältigung kleinerer oder größerer Krisenlagen beigetragen. Für Verantwortliche im Krisenmanagement ist diese Gruppe allerdings eine Größe, die aufgrund fehlender Vorbereitung nicht selten ignoriert oder als störend empfunden wird. Mit dem Airport- Approach wird eine Methode vorgestellt, die es Krisenmanagern ermöglichen soll, im Vorfeld eine Einbindemöglichkeit von Spontanhelfenden zu identifizieren und in Einsatzplänen festzuhalten. 33 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? schnelles Fortkommen ermöglicht wird, aber keine Details am Boden zu erkennen sind, bis zum Rollfeld des Flughafens, auf dem jedes Detail zu sehen ist. In einem dreistündigen Workshop entsteht so eine Struktur aus mehreren Aufgaben, deren Prozessen sowie den dazugehörigen Tätigkeiten. Diese werden in einem letzten Schritt innerhalb des Workshops durch die Fachexperten bewertet. Einsatzoptionen ermöglichen die grobe Einordnung der Möglichkeiten bestimmter Leistungsträger. Beispiele sind Brandbekämpfung, Beseitigung von Trümmern, Patientenbehandlung oder Rettung aus unwegsamen Gelände. Im Airport-Approach stellen Einsatzoptionen die Ausgangspunkte für die Identifizierung der Tätigkeiten dar. Sie können bereits im Vorfeld zur Vorbereitung der Teilnehmenden kommuniziert werden. Krisenmanager planen Einsätze anhand von Aufgaben. Aufgaben haben die nötige Detailtiefe, sind aber abstrakt genug, um daraus schnell Strategien entwickeln zu können, wie die Lage zu beherrschen ist. Aus der Einsatzoption Patientenbehandlung ergibt sich je nach Schwerpunkt die Aufgabe, Behandlungsplätze einzurichten oder Patienten zu transportieren. Die operative Ausführung besteht aus Prozessen. Der Unterschied zwischen Aufgaben und Prozessen liegt in der Detaillierung. Zur Einrichtung eines Behandlungsplatzes werden die Prozesse Erkundung, Aufbau der Infrastruktur und der Betriebsprozess, also die Aufnahme der Patienten, die eigentliche Behandlung und die Übergabe zum Transport benötigt. Diese Prozesse bestehen aus mehreren Schritten, den Tätigkeiten, die wiederum noch weiter detailliert darstellbar sind. Dies kann beispielsweise das Ausrollen von Schläuchen oder der Transport von Zeltstangen vom Einsatzfahrzeug zur Einsatzstelle sein. Tätigkeiten sind in der Regel eindeutig und in sich abgeschlossen. Wesentlicher Bestandteil des Airport-Approaches ist die Konsensbildung. Die Fachexperten und Krisenmanager müssen sich einigen, wie die einzelne Tätigkeit zu bewerten ist. Die Unterscheidung erfolgt über die Kenntnisse, die zur Ausführung der Tätigkeit notwendig sind. Einfache Tätigkeiten sind ohne weiteres durch Spontanhelfende durchführbar. Sie erfordern nur eine kurze Unterweisung und können danach mehr oder weniger selbstständig ausgeführt werden. Sobald eine Fachausbildung notwendig ist, können Tätigkeiten nur noch von einem bestimmten Personenkreis erledigt werden. Dies kann rechtliche Ursachen haben. Ein Beispiel ist die notwendige Unterweisung gem. § 43 IfSG [2], die für die Ausgabe von Lebensmitteln notwendig ist. Die dritte Gruppe besteht aus Tätigkeiten, die Einsatzkräften vorbehalten sind, da sie beispielsweise in gefährdeten Bereichen ausgeführt werden müssen. Anwendbarkeit für andere Bereiche des Krisenmanagements Um sich auf die Folgen eines Ereignisses auf die eigene Organisation vorzubereiten, enthält beispielsweise der BSI-Standard 100-4 [3] zum Business Continuity Management (BCM) Vorgaben zur Durchführung einer Business Impact-Analyse. Auf deren Basis kann im Rahmen einer Risikoabwägung entschieden werden, bestimmte Tätigkeiten von anderen Abteilungen oder von unternehmensfremden Personen erledigen zu lassen. Mit Hilfe des Aiport- Approaches ist eine weitere Detaillierungsebene für die Wiederanlaufpläne möglich. Hierbei können die einzelnen Tätigkeiten betrachtet und genau festgelegt werden. So lässt sich festlegen, welches Schlüsselpersonal für welche Tätigkeit benötigt wird und welche Tätigkeit durch andere Personenkreise erledigt werden kann. Danksagung: Die grundlegenden Arbeiten für diesen Beitrag wurden im Projekt Resilienz von Einsatzkräften bei eigener Betroffenheit in Krisenlagen (REBEKA) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Bekanntmachung „Zivile Sicherheit - Erhöhung der Resilienz im Krisen- und Katastrophenfall - FKZ 13N13906“ gefördert. Weiterführende Links http: / / s.fhg.de/ Spontanhelfende http: / / www.rebeka-projekt.de LITERATUR: [1] Skar, M., Sydnes, M., Sydnes, A. K.: Integrating unorganized volunteers in emergency response management: a case study. In: Intl Jnl of Emergency Services (2016), S. 53-64. [2] Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) i.d.F. v. 11.12.2018 [3] BSI-Standard 100-4: 2008. Notfallmanagement. AUTOR Patrick Drews, MPA Research Fellow Fraunhofer IAO Kontakt: patrick.drews@iao.fraunhofer.de