eJournals Transforming cities 4/2

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0035
65
2019
42

Sicherheit und Vielfalt berücksichtigen und planen

65
2019
Julia Gundlach
Melanie Verhovnik
Der öffentliche Raum ist auf Langfristigkeit ausgelegt, wohingegen Stadtquartiere strukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt sind. Damit zusammenhängende veränderte Nutzungsanforderungen berühren nicht nur die Frage nach Wohnraumversorgung, sondern auch das individuelle Sicherheitsempfinden von Bewohnern. Im Fokus des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts DIVERCITY steht die Problematik, wie der öffentliche Raum auf Veränderungen vorbereitet werden soll und welchen Beitrag Polizei, Kommunen und Wohnungswirtschaft leisten können.
tc420050
50 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? Räumliche, städtebauliche und soziale Indikatoren beeinflussen Kriminalität In der kriminologischen Forschung ist insbesondere seit den wegweisenden stadtsoziologischen Arbeiten der Chicago School zu Beginn des 20.-Jahrhunderts bekannt, dass Kriminalität räumlich nicht gleich verteilt ist, sondern auf vielen Ebenen (zum Beispiel in Landkreisen, Gemeinden, Nachbarschaften, Quartieren, etc.) Schwankungen im Sinne von Häufungen aufweist [1 - 5]. Mit der Berücksichtigung von Merkmalen des Sozialraums - im Gegensatz zu den täterzentrierten Ansätzen, die in der Kriminologie lange dominierten - wurde ein neuer Blickwinkel auf potenziell kriminogene Faktoren gerichtet. So belegen Studien unter anderem, dass insbesondere Nachbarschaften und Stadtquartiere, die durch ein hohes Maß an kultureller und ethnischer Heterogenität, residentieller Mobilität bzw. Fluktuation sowie eine ökonomisch und sozial benachteiligte Bewohnerschaft gekennzeichnet sind, eine höhere Kriminalitätsbelastung aufweisen. Dies wird insbesondere mit dem Fehlen sozialer Kohäsion und kollektivem Verantwortungsbewusstsein und - dadurch bedingt - mangelnder informeller Sozialkontrolle durch die ansässige Bevölkerung innerhalb der Quartiere begründet [6, 7]. Auch das Sicherheit und Vielfalt berücksichtigen und planen Die Bedeutung polizeilichen Wissens für die Stadtentwicklung - das Projekt DIVERCITY Kriminalprävention im Städtebau, urbane Sicherheit, subjektive und objektive Sicherheit, Sicherheitsempfinden, Tatgelegenheiten, Forschung Julia Gundlach, Melanie Verhovnik Der öffentliche Raum ist auf Langfristigkeit ausgelegt, wohingegen Stadtquartiere strukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen ausgesetzt sind. Damit zusammenhängende veränderte Nutzungsanforderungen berühren nicht nur die Frage nach Wohnraumversorgung, sondern auch das individuelle Sicherheitsempfinden von Bewohnern. Im Fokus des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts DIVERCITY steht die Problematik, wie der öffentliche Raum auf Veränderungen vorbereitet werden soll und welchen Beitrag Polizei, Kommunen und Wohnungswirtschaft leisten können. Bild 1 (links): Gebaute Umwelt hat einen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Fehlen Fenster zur Straße, senkt das die Möglichkeiten sozialer Kontrolle. © LKA Bild 2 (rechts): Herumliegender Müll und unordentliche Sammelstellen sind oft ein Hinweis auf fehlende Zuständigkeiten. © LKA 51 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? gehäufte Auftreten von Anzeichen physischer und sozialer Unordnung bzw. (baulicher) Verfallserscheinungen wie verlassene bzw. heruntergekommene Gebäude, Grafitti, Müll auf den Straßen oder antisoziales Verhalten in der Öffentlichkeit können fehlende Zuständig- und Verantwortlichkeiten und einen mangelnden nachbarschaftlichen Zusammenhalt signalisieren und potenzielle Täter anlocken bzw. günstige Tatgelegenheiten bieten. Raum ist hierbei generell als sozialer Raum zu verstehen, der eine Art Bühne für die Aktivitäten und das Handeln von Menschen bietet. Dabei wird der soziale Raum durch Nutzungsarten und natürlich auch durch die dort lebenden Menschen geprägt. Auch der gebaute Raum kann so gestaltet sein, dass er sowohl Schutz bieten als auch andererseits Kriminalität begünstigen kann. Daher trägt neben dem sozialen Gefüge auch die Gestaltung eines Raumes zur Kriminalprävention bei. Ferner ist aus der Forschung bekannt, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen physischen und sozialen Verfallserscheinungen (physische und/ oder soziale Incivilities) und so genannter Kriminalitätsfurcht beziehungsweise dem subjektiven Sicherheitsempfinden besteht. Sich sicher oder unsicher fühlen: Angsträume und Gefahrenorte Das individuelle Sicherheitsgefühl ist eine komplexe Kombination aus sozialen und personalen Dimensionen der Kriminalitätsfurcht. Während soziale Kriminalitätsfurcht vor allem von gesellschaftlichen Aspekten beeinflusst wird (Medienberichterstattung, politische Entscheidungen), lässt sich personale Kriminalitätsfurcht auf drei Ebenen individueller Betroffenheit zurückführen: der eigenen Befürchtung, Opfer zu werden, der eingeschätzten Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden und ein damit zusammenhängendes Schutz- und Vermeidungsverhalten [8]. Der bereits benannte empirisch bestätigte Zusammenhang von gebautem und sozialem Raum und Kriminalitätsfurcht kann auf zwei Phänomene zurückgeführt werden: einen Mangel an sicherheitsrelevanten baulich-räumlichen Merkmalen sowie ein gehäuftes Auftreten von sozialen und physischen Unordnungszuständen. Dazu gehören das Herumliegen von Müll, zerstörte Gebäudefassaden oder auch herumlungernde oder alkoholisierte Personen bzw. öffentlich gezeigtes deviantes Verhalten. Als allgemeine Merkmale solcher „Angsträume“ werden zudem schlechte Beleuchtung, fehlende Ausweichmöglichkeiten, Unbelebtheit von Straßen und Plätzen, Unübersichtlichkeit bzw. schlechte Einsehbarkeit, die mangelnde Gepflegtheit von Gebäuden und Grünflächen sowie deviantes Verhalten in der Öffentlichkeit, insbesondere unter Alkoholeinfluss, genannt [9 - 12]. Furcht wird außerdem von weiteren dynamischen Faktoren wie beispielsweise der Tageszeit sowie dem eigenen Vulnerabilitätsempfinden beeinflusst, das sowohl alters-, geschlechtsund/ oder herkunftsbedingt bestimmt sein kann [13]. Hinzu kommt, dass Angsträume in der Regel eher als diffus empfundene Bereiche angegeben werden, die sich nicht unmittelbar an konkreten Orten festmachen lassen - im Gegensatz zu „Gefahrenorten“, an denen tatsächlich ein gehäuftes Auftreten von Kriminalitätsdelikten sowie Ordnungsstörungen festzustellen ist [14, 15]. Kriminalprävention im Städtebau als gesamtgesellschaftliche Aufgabe Der soziale Raum bzw. dessen Gestaltung kann somit einen direkten Einfluss sowohl auf das tatsächliche Kriminalitätsaufkommen als auch auf das Sicherheitsempfinden und die individuelle Kriminalitätsfurcht haben. Gefühlte Sicherheit im Wohnumfeld wird dabei von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, wobei ein Blick auf die Variabilität der Bild 3 (links): Falsch abgestellter Sperrmüll ist oft ein Zeichen für mangelnde Verantwortungsübernahme der Bewohnerschaft. © LKA Bild 4 (rechts): Schlechte Einsehbarkeit, keine Beleuchtung: Unterführungen sind häufig „Angsträume“. © LKA 52 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? Vielschichtigkeit und Multikausalität der beiden verschränkten Phänomene Kriminalitätsaufkommen und Sicherheitsempfinden, Lösungsansätze aus unterschiedlichen Disziplinen und Blickwinkeln beizusteuern, um diese gesellschaftlichen Herausforderungen - auch unter Berücksichtigung aktueller gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen und Dynamiken - in ihrer Gänze zu erfassen. Die Kriminalprävention im Städtebau sowie auch die kriminologische Befassung mit räumlichen Einflussfaktoren auf die Kriminalitätsbelastung und -furcht legen ihren Fokus auf die möglichen kleinräumigen Ursachen der benannten Phänomene und vermeiden eine starke Betonung repressiver Maßnahmen bzw. täterorientierter Erklärungen [18, 19]. Der Mehrwert dieser ursachenorientierten kleinräumigen Betrachtungsweise liegt hierbei unbestritten auch in dem Potenzial, die benannten Zusammenhänge empirisch beleuchten zu können. Die Analyse qualitativer und quantitativer Daten auf Ebene des Quartiers und der Nachbarschaft kann zur Erklärung von Kriminalitätsbelastung und Sicherheitsempfinden im urbanen Raum beitragen, die Notwendigkeit kriminalpräventiver Maßnahmen im Städtebau bestätigen und diese kontinuierlich weiterentwickeln. Das Projekt „Sicherheit und Vielfalt im Quartier - DIVERCITY“: Vielfalt berücksichtigen Die kleinräumige Betrachtungsebene im Kontext der Kriminalprävention ermöglicht es anhand von Fallbeispielen anwendungsorientiert zu forschen, mit validen Daten und evaluierten Erkenntnissen. Vielfalt im weitesten Sinne muss dabei konsequent Berücksichtigung finden, da Kriminalprävention im Städtebau die Beteiligung einer Vielzahl von Akteuren erfordert. DIVERCITY ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das diesem Ansatz folgt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für den Zeitraum von drei Jahren gefördert wird. In diesem Projekt wird das Thema Wohnumfeld und Sicherheit aus drei Perspektiven betrachtet: aus der Perspektive der Polizei, der Kommunen und der Wohnungswirtschaft. Im Forschungsverbund sollen Antworten auf Fragen gefunden werden, welchen Handlungsspielraum die Wohnungswirtschaft auf die Sicherheitsbedürfnisse der Bewohnerschaft und die Gestaltung des Raumes hat, damit das Wohnumfeld sicherer wird, was Kommunen hierzu beitragen können und welche gelungenen Integrationsbeispiele es bereits gibt. Aus polizeilicher Sicht geht es vor allem darum herauszuarbeiten, wie polizeiliches Wissen bereits in Planungsprozesse einfließen kann. Aus diesem potenziellen Einflussfaktoren deutlich macht, dass Kriminalprävention im Städtebau keinem einzelnen Akteur zugeschrieben werden kann [7]. Aspekte der urbanen Sicherheit und des Sicherheitsempfindens sollten nicht nur auf sicherheitstechnische Maßnahmen wie beispielsweise den Ausbau von Videoüberwachungssystemen oder Ähnliches reduziert werden, sondern es müssen zwingend auch die (bauliche) Gestaltung und Planung öffentlicher Räume unter Einbezug unterschiedlicher und ggf. veränderter Nutzungsanforderungen unterschiedlicher Gruppen Berücksichtigung finden [17]. Vor diesem Hintergrund ist es nötig, urbane Sicherheit und städtebauliche Kriminalprävention als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Wie bereits dargelegt, erfordert es die Bild 5: Bei der Neugestaltung berücksichtigen: Fahrradständer mit Rahmensicherung wirken präventiv. © LKA Bild 6: Begehungen als wichtiges Erhebungsinstrument: Gemeinsam werden sicherheitsrelevante Kriterien im Quartier identifiziert. © LKA 53 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? Grund liegt der Fokus in DIVERCITY auf der Betrachtung von Quartieren im Bestand und im Neubau und auf der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure. Konkret geht es im Neubau darum, polizeiliche Empfehlungen und die unterschiedlichen Planungsebenen zu harmonisieren. Dazu soll untersucht werden, ob es Grundlagen für Prognosen im gebauten Raum geben kann. Aufgrund der komplexen Fragestellungen arbeiten alle Verbundpartner, das Landeskriminalamt Niedersachsen, das Deutsche Institut für Urbanistik sowie der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen mit Mehrmethodendesigns, wobei verschiedene quantitative und qualitative Verfahren (zum Beispiel: Befragung, Begehung, Beobachtung) miteinander kombiniert werden. Polizeiliches Wissen für die Stadtentwicklung nutzen: Sicherheit planen Als zentrale Akteurin im Bereich der inneren Sicherheit ist die Polizei für Gefahrenabwehr, die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie für den Schutz von Opfern zuständig. Diese Aufgabenzuschreibung enthält auch eine präventive Komponente, da es aus polizeilicher Sicht sinnvoll und notwendig ist, präventive Maßnahmen gegen Kriminalität zu entwickeln. Im Projekt DIVERCITY geht es für die Polizei daher darum, bei der notwendigen Weiterentwicklung bestehender Sicherheitsstrategien im Wohnumfeld mitzuwirken und die empirische Basis für das polizeiliche Wissen um Zusammenhänge von städtebaulichen Vorhaben mit Sicherheitsrisiken zu stärken. In zwei Fallstudienstädten erfolgt derzeit eine detaillierte Gegenüberstellung von raumbezogener Kriminalität bzw. Ordnungsstörungen und gefühlter Sicherheitswahrnehmung. Die Auswahl der Gebiete erfolgte in Absprache mit beteiligten Akteuren, unter anderem den Städten und der örtlichen Polizei im Hinblick auf vorhandenes Risikopotenzial in Bezug auf florierende oder negative Entwicklungen. Erfahrungsgemäß sind immer dann Veränderungen zu erwarten - im Hinblick auf das Sicherheitsempfinden der Bewohnerschaft, Kriminalitätsaufkommen und Ordnungsstörungen -, wenn sich Quartiere im Wandel befinden, beispielsweise durch Druck auf den Wohnungs- oder Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt. Empirische Datengrundlage In den Bestandsgebieten wird ein kleinräumiges Kriminalitätslagebild erstellt. Dabei werden alle Ereignisse, die das nachbarschaftliche Miteinander stören und das Sicherheitsempfinden direkt beeinträchtigen können, einbezogen. Dazu gehören Gewaltdelikte, Einbruch und Diebstahl, aber auch Ruhestörungen, Sachbeschädigungen und zum Beispiel Drogen- und Alkoholkonsum. Die Daten zur raumbezogenen Lagedarstellung sollen mit Daten zu sicherheitsrelevanten baulichen Merkmalen kombiniert werden. Hierfür wurde ein standardisiertes Analyseinstrument entwickelt, das bauliche Merkmale sowohl hausnummerngenau als auch auf Quartiersebene erfasst, und in zwei Pretests ausführlich getestet. Grundlage hierfür war der im Vorgängerprojekt TRANSIT (Kriminalprävention für ein sicheres Wohnumfeld - Transdisziplinäre Sicherheitsstrategien für Polizei, Wohnungsunternehmen und Kommunen) entwickelte Kriterienkatalog sicherheitsrelevanter Aspekte, worunter beispielsweise Orientierung, Abstellmöglichkeiten, Wegehierarchien, Einsehbarkeit, Nutzungsangebote sowie bauliche Merkmale zur Art der Bebauung selbst fallen. Akteure der Sicherheit im Wohnumfeld und in der Nachbarschaft ANLASSBE ZOGEN WEITERE AKTEURE KOMPETEN ZTEAM Kunst- und Kulturschaffende Quartiersmanagement Ver- und Entsorgungsunternehmen Soziale Institutionen Vereine Streetwork Kinder- und Jugendarbeit Interessensverbände Freizeiteinrichtungen Bürgervertreterinnen und -vertreter Investoren Planungsbüros Nachbarinnen und Nachbarn Einzelhandel Schulen Freie Träger Veranstalter Stadtreinigung Kommunalpolitik Polizei Wohnungsunternehmen Kommune Soziales, Jugend, räumliche Planung und Ordnung Kriminalpräventive Gremien Bewohnerinnen und Bewohner Gleichstellungs-/ Integrationsbeauftragte Grafik: tabasco.media.com, in Anlehnung an Schubert, Herbert, Technische Hochschule Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Forschungsschwerpunkt Sozial • Raum • Management Bild 7: Grafik: tabasco. media.com, in Anlehnung an Schubert, Herbert, Technische Hochschule Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften, Forschungsschwerpunkt Sozial • Raum • Management 54 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? Mit zusätzlichen sozialstatistischen Angaben zum Quartier (zum Beispiel: Altersstruktur, Flächenverhältnisse, Freizeitangebote, Gesundheitsversorgung usw.) sollen mögliche Zusammenhänge von Sozialraumindikatoren und raumbezogenen Lagedarstellungen ermittelt sowie Grundlagen für Prognosen geschaffen werden. Die Verknüpfung städtebaulicher Vorhaben mit Sicherheitsrisiken soll in der weiteren Projektlaufzeit in den Bestandsgebieten Maßnahmen auf den Ebenen der sekundären und tertiären Prävention ermöglichen. Bestehende städtebauliche und freiraumplanerische oder stadtgestalterische Missstände sollen erfasst und der Raum so gestaltet werden, dass kriminalpräventiv wirksame Aspekte umgesetzt und aus polizeilicher Sicht raumbezogene objektive Kriminalität und Tatgelegenheiten reduziert werden. Mit der Methode der aufsuchenden Beteiligung sollen Bewohner*innen befragt werden, deren Perspektive sich über andere Methoden meist nicht erfassen lassen. Damit, sowie mit Begehungen nach sicherheitsrelevanten Kriterien, soll die Nutzungsperspektive der Bewohner*innen einbezogen werden. In zwei weiteren Gebieten in den Fallstudienstädten finden im Rahmen primärer Prävention Analysen statt. Hierbei handelt es sich um Neubaugebiete in unterschiedlichen Planungsstadien, anhand derer aus polizeilicher Perspektive das aufgearbeitete Wissen überprüft und vor allem festgestellt werden soll, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Form es in Planungsprozessen eingebracht werden und bereits auf Ebene der Bauleitplanung und im Wohnungsneubau einfließen kann. Beide Herangehensweisen, die Projektarbeit im Bestand und im Neubau, haben zum Ziel, vor die Lage zu kommen und die Anzahl späterer polizeilicher Einsätze zu verringern. LITERATUR [1] Brantingham, P. L., Brangtingham, P. J.: Environment, Routine, and Situation. Toward a Pattern Theory of Crime. In R. V. Clarke & M. Felson (Hrsg.). Routine Activity and Rational Choice, (1993) S. 259-294. New Brunswick/ NJ: Transaction Publishers. [2] Cohen, L. E, Felson, M.: Social Change and Crime Rate Trends: A Routine Activity Approach. American Sociological Review, 44 (4), (1979) S. 588-608. [3] Shaw, C. R., McKay, H. D.: Juvenile Delinquency in Urban Areas. Chicago: University of Chicago Press, 1942. [4] Shaw, C. R., Zorbaugh, H., McKay, H. D., Cottrell, L. S.: Delinquency Areas. Chicago: University of Chicago Press, 1929. [5] Wilson, J. Q., Kelling, G. L: Broken Windows. The police and Neighborhood Safety. The Atlantic Monthly. März 1982. Online verfügbar unter https: / / www. theatlantic.com/ magazine/ archive/ 1982/ 03/ brokenwindows/ 304465/ , Zugriff am 2.4.2019. Bild 8: Präventive Maßnahmen am besten schon bei der Planung berücksichtigen und polizeiliches Wissen für die Stadtplanung nutzen. © LKA Bild 9: Ein zentrales Element im Projekt DIVERCIT Y sind Sicherheitsbegehungen mit Akteuren vor Ort. © LKA Bild 10: Klare Einsehbarkeit des Hauseingangs, Beleuchtung und Auffindbarkeit ermöglichen eine leichte Orientierung. © tabasco media Bild 11: Klare Sichtbeziehungen und Wegeführung sowie ansprechende Aufenthaltsqualitäten erhöhen die informelle soziale Kontrolle und das nachbarschaftliche Miteinander. © LKA Bild 12: Ordnungsstörungen signalisieren fehlende Zuständigkeiten und Sozialkontrolle und beeinflussen das Unsicherheitsempfinden. © LKA 55 2 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städte im Krisenmodus? [6] Sampson, R. J., Raudenbusch, S. W., Earls, F.: Neighborhoods and Violent Crime. A Multilevel Study of Collective Efficacy. Science, 277, (1997) S. 918-924. [7] Shaw, McKay, Cottrell, (1929), a.a.O. [8] Boers, K.: Kriminalitätsfurcht. Über den Entstehungszusammenhang und die Folgen eines sozialen Problems. Centaurus-Verl.-Ges., Pfaffenweiler,1991. [9] Behrmann, D., Schröder, A.: Und plötzlich ist die Angst ganz nah! Sicherheit gestalten - Neue Analyseinstrumente für die Kriminalprävention im Städtebau. RaumPlanung, 194 (6), (2017) S. 28-35 (hier S. 29f). [10] Häußermann, H., Siebel, W.: Stadtsoziologie. Frankfurt/ New York: Campus Verlag, 2004, S. 58. [11] Ruhne, R.: Raum Macht Geschlecht. Zur Soziologie eines Wirkungsgefüges am Beispiel von (Un)Sicherheiten im öffentlichen Raum. Leske + Budrich, Opladen, 2003, S. 18. [12] Sailer, K.: Raum beißt nicht. Neue Perspektiven zur Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum. Beiträge zur Planungs- und Architektursoziologie, Band 2, Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M., 2004, S.72. [13] Landeskriminalamt Niedersachsen (LKA): Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Niedersachsen. Berichte zu Kernbefunden der Studie, 2016. Online verfügbar unter: http: / / www.lka.polizei-nds.de/ forschung/ dunkelfeldstudie/ dunkelfeldstudie-befragung-zu-sicherheit-und-kriminalitaet-inniedersachsen-109236.html, Zugriff am 2.4.2019. [14] Behrmann, D., Schröder, A. (2017), a.a.O. [15] Schröder, A.: Sicherheit im Wohnumfeld - Gegenüberstellung von Angsträumen und Gefahrenorten, Verbundprojekt transit / Landeskriminalamt Niedersachsen (Hrsg.). Hannover, 2015. Online verfügbar unter: https: / / www.transit-online.info/ fileadmin/ transit/ Materialien/ Berichte/ Gegenueberstellung _ von_ Angstraeumen_und_Gefahrenorten.pdf, Zugriff am 2.4.2019. PROJEKT DIVERCITY Bekanntmachung: BMBF, Zukünftige Sicherheit in urbanen Räumen Projektzeitraum: 1/ 18 - 12/ 20 Fördersumme: 1,4 Mio. Euro Verbundpartner: Landeskriminalamt Niedersachsen, Kompetenzzentrum Urbane Sicherheit Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen unterstützt durch Praxispartner und wissenschaftlichen Beirat weiterführender Link: www.div-city.de [16] Abt, J., Floeting, H., Schröder, A.: Sicherheit in Wohnumfeld und Nachbarschaft. Impulse für die Zusammenarbeit von Polizei, Wohnungsunternehmen und Kommunen, Forum Kriminalprävention 2, (2017) S. 2, 29, 34, hier S. 29. [17] Behrmann, Schröder (2017), a.a.O. [18] Oberwittler, D., Wikström, P.-O.: Why small is better? Advancing the study of the role of behavioral contexts in crime causation. In: Weisburd, D., Bernasco, W., Bruinsma, G. (Hrsg.): , Putting Crime in its Place. Units of Analysis in Geographical Criminology, S. 35- 59, Springer Verlag, New York, 2009. [19] Weisburd, D., Hinkle, J. C., Famega, C., Ready, J.: Legitimacy, Fear and Collective Efficacy in Crime Hot Spots. National Institute of Justice, Washington, DC, 2012 . Bild 13: Gut gestaltete und zugeordnete Abstellmöglichkeiten für Müll tragen zu einem gepflegten Gesamtbild bei. © LKA Dipl.-Soz. Julia Gundlach Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kriminologischen Forschung und Statistik sowie im Kompetenzzentrum Urbane Sicherheit Landeskriminalamt Niedersachsen Kontakt: julia.gundlach@polizei.niedersachsen.de Dr. Melanie Verhovnik Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kriminologischen Forschung und Statistik sowie im Kompetenzzentrum Urbane Sicherheit Landeskriminalamt Niedersachsen Kontakt: melanie.verhovnik@polizei.niedersachsen.de AUTORINNEN