eJournals Transforming cities 4/3

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0047
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Die Stadt wird zur Bühne für globalen Tanz

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Anette Mack
An Flussufern, Stränden, Seen und in städtischen Parks konnte man am 15. und 16. Juni 2019 tänzerische Szenen beobachten, in denen Menschen Verdursten und Wassermangel verkörpern oder mit Wasser spielen. Sie stehen still und zittern am ganzen Körper wie pralle Wolken vor dem Niederschlag oder bedrohen sich gegenseitig im Kampf um die Ressource Wasser. Zu sehen war, wie die Körper Erde und Himmel verbinden, freudvolle Sprünge vollführen und das Wasser mit rituellen Handlungen ehren.
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6 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Rund 70 % der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt, aber über 97 % davon sind Salzwasser. Nur ungefähr 2,5 % des gesamten Wassers sind Süßwasser. Jeder achte Mensch auf der Erde hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und darüber hinaus ist der Zugang weltweit nicht gerecht verteilt. Die Vereinten Nationen haben bereits vor vielen Jahren den Zugang zu sauberem Wasser zu einem Menschenrecht erklärt. Dennoch leiden Millionen Menschen unter Wasserknappheit und mangelnder Hygiene. Rund 2,1 Mrd. Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 884 Mio. Menschen haben nicht einmal eine Grundversorgung mit Wasser. Wasser ist unsere wichtigste Ressource. Auch unser Körper besteht zu etwa 70 % aus Wasser, ohne das es weder Blut, Gelenke, Gehirn noch Nervensystem gäbe. Wasser, das Leben auf der Erde und unser Körper, dies alles ist auf Engste miteinander verbunden. Auf diese Problematik machen seit 2011 die Global Water Dances aufmerksam, die dieses Jahr zum fünften Mal stattfanden. In Deutschland wurde unter anderem in Berlin, Potsdam, Halle, Kassel, Hildesheim, Aachen, Frankfurt, Stuttgart, Heidelberg und Landau in der Pfalz getanzt. Die weltweiten Performances vereinen die Geographie eines bestimmten Ortes, einen Aufruf zum Umweltschutz und die kreative Kunst. Lokale Choreographen kreieren ortsspezifische Tänze und laden das Publikum am Ende ein, am Tanz teilzunehmen. „Die diesjährigen Global Water Dances sind mit über 180 Orten die größten, seit wir 2011 begonnen haben.“ sagte Vannia Ibarguen, die künstlerische Leiterin von Global Water Dances und Choreografin von VIDA (Vannia Ibarguen Dance Arts) in Kalifornien. „Die zuverlässige Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist eine der großen globalen Herausforderungen unserer Zeit. In diesem Jahr steht Global Water Dances im Einklang mit dem Motto der Vereinten Nationen „Wasser für alle“ und dem Ziel Nr.-6 der nachhaltigen Entwicklung, das darauf abzielt, die Verfügbarkeit und den nachhaltigen Umgang mit Wasser bis 2030 für alle Menschen sicherzustellen“. In Heidelberg traf sich eine kleine Gruppe von acht Laientänzerinnen auf der Neckarwiese. Im Vorfeld hatten die Frauen ein lokales Stück entwickelt und die globale gemeinsame Choreographie einstudiert, die weltweit parallel aufgeführt wird und die Gruppen verbindet. Die Laientänzerinen aus dem Raum Rhein-Neckar haben sich zusammengefunden, um sich mit diesem künstlerischen und zugleich gesellschaftskritischen Netzwerk zu verbinden, zu solidarisieren und auf lokale Themen der Wasserproblematik hinzuweisen. Die Stadt wird zur Bühne für globalen Tanz Juni 2019: Tanz für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser an über 180 Orten weltweit Anette Mack An Flussufern, Stränden, Seen und in städtischen Parks konnte man am 15. und 16. Juni 2019 tänzerische Szenen beobachten, in denen Menschen Verdursten und Wassermangel verkörpern oder mit Wasser spielen. Sie stehen still und zittern am ganzen Körper wie pralle Wolken vor dem Niederschlag oder bedrohen sich gegenseitig im Kampf um die Ressource Wasser. Zu sehen war, wie die Körper Erde und Himmel verbinden, freudvolle Sprünge vollführen und das Wasser mit rituellen Handlungen ehren. Bild 1 (links): Tanzprojekt Liquid City in Berlin mit den Schüler*innen des Horts Bunte Wille und der Clara Grunwald Grundschule. © Margit Rosenberger Bild 2 (rechts): Tänzer*innen der Clay Dance Company in ZKampala, Uganda. © Margaret Pribyl 7 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Veranstaltungen Auch in Heidelberg konnte man im vergangenen Jahr erleben, wie es sich anfühlt, wenn es monatelang nicht mehr regnet oder wenn das Trinkwasser plötzlich verunreinigt ist. Gemeinsam zu tanzen ist eine wunderbare Chance, um andere Menschen zu inspirieren und zum Nachdenken anzuregen, findet die Gruppe. Mit dem Körper kann man sehr schnell fühlen, wie begrenzt und wie wichtig unsere natürlichen Ressourcen für unser Überleben sind. In Berlin wurde die Performance gleich von zwei unterschiedlichen Choreographen aufgeführt. Heike Kuhlmann vom Global Water Dance Performance Kollektiv Berlin hat bereits am 22.- März anlässlich des Weltwassertages mit einer künstlerischen Aktion begonnen und vom 13. - 6. Juni wurde ein kleines Festival an mehreren Orten veranstaltet. In Berlin war es gelungen, auch Schulen und politische Gruppierungen mit ins Boot zu holen. So wirkten bei der Aufführung „Liquid City“ am 14.-Juni auf dem Gelände des Technik Museums Berlin auch die Clara Grunwald Grundschule, die Fanny Hensel Grundschule und der Hort Bunte Wille sowie Tanz & Theater im Phynix e. V. mit. Heike Kuhlmann und Anja Schäplitz hatten über ein Schuljahr lang zum Thema Wasser gearbeitet. Die Schüler*innen besuchten beispielsweise das Berliner Aquarium und lernten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven kennen. Am 14. Juni hatten die Berliner*innen in einer öffentlichen Runde zum Thema „Die Welt im Wassermangel“ über die Hintergründe von Global Water Dances informiert. Mit dabei waren Johanna Erdmann vom Berliner Wassertisch, Stefanie Hess, Weltfriedensdienst e. V., Antja Kennedy vom Global Water Dances - Steering Committee/ EUROLAB und Michael Bender von der GRÜNEN LIGA e. V. In der Diskussion ging es unter anderem um die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, um den Wasserraub, der durch große Konzerne verursacht wird und um Strategien für sparsame Bewässerung in der Landwirtschaft in trockenen Gebieten. Während in Berlin über Trockenheit geredet wird, gibt es Städte die klimatisch bedingt sehr viel stärker mit Bedrohungen konfrontiert sind. Wasserverunreinigung ist ein Problem in Kampala, Uganda am Viktoriasee. Hier thematisierte die Choreografin Jill Pribyl gemeinsam mit dem Umweltminister Dr.- Callist Tindimugaya die Verunreinigung des Viktoriasees durch Müll. Der See ist das größte Wasserreservoir für die Menschen in Uganda, Kenia und Tansania. Ebenso thematisiert wurden die Gefahren von Krankheiten und Seuchen durch die häufigen Überschwemmungen durch Starkregen, mit denen die Menschen in der Region immer wieder konfrontiert sind. Auch in Rom, Göteborg, New York, Long Beach Kalifornien, Tel Aviv, Bangladesh und in Supe bei Lima in Peru wurde getanzt, um nur einige der vielen Städte und Orte zu nennen. In Long Island und in Peru machten die Tänzer*innen auf den Plastikmüll in den Meeren aufmerksam und vernetzten sich mit lokalen Umweltorganisationen wie der Algalita Marine Research Foundation in Long Island und mit Vida - Institute for the Protection of the Environment in Peru. Die Global Water Dances sind im Laban/ Bartenieff Institute of Movement Studies (LIMS) in New York City angegliedert. Das internationale Netzwerk von Tänzern und Choreographen von LIMS ist bestrebt, eine neue Generation von sozial bewussten Künstlern zu fördern, die den Tanz nutzen, um sich aktiv um unseren Planeten und die Menschen zu kümmern. Der Tanz ist ein mächtiger Kanal, der die Menschen verbindet und das Unsichtbare sichtbar macht. Die nächsten Aufführungen sind für Juni 2021 geplant. Weitere Informationen: www.globalwaterdances.org Bild 3 (links): Aufführung auf der Neckarwiese in Heidelberg am 15. Juni 2019. © Nora Rahman Bild 4 (rechts): In Peru wurde am 15. Juni 2019 am Strand von Caleta Vidal, in Supe, in der Nähe von Lima getanzt. © Vida Instituto para la Protección del Medio Ambiente