Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0055
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Skalierbarkeit urbaner Projekte
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Jana Helder
Alexander Schmidt
Johnny Alexander Gunneng
Es gibt vielseitige Ansätze und Lösungen, um die Wasserversorgung im urbanen Raum nachhaltiger und intelligenter zu gestalten. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Implementierung eines solchen Projekts ist die intelligente Wasserversorgung in Stavanger. InfoTiles, eine junge Firma aus Norwegen und Lösungsanbieter bei diesem Projekt, gewann für ihre innovative Lösung den Smart City Implementation Award auf der Nordic Edge 2018. Trotz erfolgreicher Pilotprojekte stellen Folgeprojekte jedoch häufig eine der größten Herausforderungen dar. Die Gründe hierfür sowie Möglichkeiten, Smart City-Lösungen zukünftig schneller und effizienter zu replizieren, werden im Folgenden aus Unternehmenssicht von InfoTiles und BABLE diskutiert. BABLE ist ein deutsches Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Implementierung und Skalierung von Smart City-Projekten voranzutreiben.
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26 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Skalierbarkeit urbaner Projekte Intelligente Wasserversorgung in Stavanger (Norwegen) und die Herausforderungen bei der Replikation von Smart City-Projekten Smart City, Digitalisierung, Wasserwirtschaft, Projektmanagement Jana Helder, Alexander Schmidt, Johnny Alexander Gunneng Es gibt vielseitige Ansätze und Lösungen, um die Wasserversorgung im urbanen Raum nachhaltiger und intelligenter zu gestalten. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Implementierung eines solchen Projekts ist die intelligente Wasserversorgung in Stavanger. InfoTiles, eine junge Firma aus Norwegen und Lösungsanbieter bei diesem Projekt, gewann für ihre innovative Lösung den Smart City Implementation Award auf der Nordic Edge 2018. Trotz erfolgreicher Pilotprojekte stellen Folgeprojekte jedoch häufig eine der größten Herausforderungen dar. Die Gründe hierfür sowie Möglichkeiten, Smart City-Lösungen zukünftig schneller und effizienter zu replizieren, werden im Folgenden aus Unternehmenssicht von InfoTiles und BABLE diskutiert. BABLE ist ein deutsches Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Implementierung und Skalierung von Smart City-Projekten voranzutreiben. Der Smart City-Markt ist ein stetig wachsender Markt. Laut einer Studie von Grand View Research wird der globale Markt für intelligente Städte bis 2025 voraussichtlich einen Umfang von 2,57 Billionen US-Dollar erreichen [1]. © Erich Westendarp auf Pixabay Auch der Wassermarkt ist laut Global Water Intelligence ein stetig wachsender Markt, der bis 2023 auf einen globalen Wert von 914,9 Milliarden US-Dollar ansteigen wird [2]. Die stetig wachsenden Marktpotenziale zeigen die Relevanz von intelligenten Lösungen zur Wasserversorgung im urbanen Raum. Die europäische Investmentbank - der bisher größte Kreditgeber des globalen Wassersektors - hat bisher fast 64 Milliarden Euro in rund 27 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Supervisory control and data acquisition (SCADA) Systeme sind Systeme zur Überwachung, Kontrolle und Datenerfassung mit Soft- und Hardware-Elementen, die es ermöglichen Prozesse vor Ort oder an entfernten Standorten zu steuern, Echtzeitdaten zu überwachen, zu sammeln und zu verarbeiten, direkt mit Geräten wie Sensoren, Ventilen, Pumpen, Motoren und mehr über die HMI-Software (Human Machine Interface) zu interagieren, und Ereignisse in einer Protokolldatei aufzuzeichnen. SCADA-Systeme können in Organisationen dazu beitragen, die Effizienz zu steigern, Daten für intelligentere Entscheidungen zu verarbeiten und Systemprobleme zu kommunizieren, um Ausfallzeiten zu minimieren [7]. 1400- Projekte investiert [3]. Die steigenden Investitionen (2,4-Milliarden Euro im Jahr 2018 [3]) zeigen die zunehmende Bedeutung der Wassersicherheit für das Wirtschaftswachstum [3]. Die Relevanz intelligenter und ressourcenschonender Wasserversorgung und Abwasserbehandlung steigt stetig - bis 2025 werden rund 800- Millionen Menschen weltweit in Ländern oder Regionen mit absoluter Wasserknappheit leben und zwei Drittel der Weltbevölkerung werden zu diesem Zeitpunkt die Auswirkungen abnehmender Wasserressourcen zu spüren bekommen [3]. Trotzdem nimmt die Anzahl erfolgreich implementierter Projekte nur langsam zu. Am Beispiel eines mit Erfolg umgesetzten Projekts, das sich vor allem mit der für Europa typischen Problematik von alternden Infrastrukturen beschäftigt, werden im Folgenden die Chancen und Hindernisse beschrieben, die die Skalierung solcher Projekte mit sich bringt. Intelligente Lösung für die Wasserversorgung in Stavanger In der norwegischen Gemeinde Stavanger gibt es tausende Sandfänge, die der mechanischen Reinigung des Regenwasserkanalsystems dienen und somit dessen Kapazität aufrechterhalten. Um eine Überfüllung der Sandfänge zu vermeiden, werden diese von der Gemeinde manuell überprüft. Dies ist sehr zeitaufwendig, ressourcenintensiv und führt zu einer Erhöhung des CO 2 - Fußabdrucks der Stadt [4]. Um intelligenter arbeiten zu können sowie eine vorbeugende Wartung zu ermöglichen, wurde in Stavanger ein Projekt für intelligentes Wassermanagement initiiert. Dabei werden Betrieb und Wartung der Wasser- und Abwasserleitungen auf der Basis von Datenanalysen optimiert. Daten aus unterschiedlichen Quellen werden auf der im Rahmen des Projekts implementierten Plattform verknüpft und ausgewertet. Unter den verwendeten Daten befinden sich Sensordaten, Wetterdaten und Daten eines SCADA-Systems, die gestreamt und verarbeitet werden, um die Korrelation zwischen den Datenquellen in Echtzeit darzustellen. Basierend auf Algorithmen kann so vorhergesagt werden, wann und wo die Stadt die Instandhaltung und Entleerung eines Kanalabschnitts durchführen muss. Da es sich in Stavanger um eines der ersten Projekte des jungen Unternehmens InfoTiles [5] handelte, tauchten während der Durchführung zahlreiche Hindernisse und Herausforderungen auf, die es zu überwinden galt. Eine der spannendsten und anspruchsvollsten Herausforderungen bestand darin, dass die zu verwendenden Sensoren von Grund auf neu entwickelt und prototypisch hergestellt werden mussten. Der in diesem Projekt verwendete Sensor Vicotee Aurora Drainage-Sensor [5] wurde von Fredrik Sudmann gebaut, einem Erdölingenieur und IoT-Spezialisten, der für das norwegische IT- Infrastrukturunternehmen Atea arbeitet. Das Funktionsprinzip des Sensors wurde aus dem Wissen um ähnliche Messungen aus Bohrungen in der Offshore-Öl- und Gasindustrie entwickelt. Der Sensor kann verschiedene Elemente wie Sand, Luft, Wasser und Schlamm erkennen. Im Ergebnis war das Pilotprojekt in Stavanger für InfoTiles und die weiteren Projektpartner sehr erfolgreich. Unter anderem gewann das Team dafür den SMA- VARD auf der Nordic Edge 2018 [6]. Ein weiterer Preis wurde vom Morgenstadt Netzwerk in Kooperation mit BABLE vergeben, einem Spinn-off von Fraunhofer, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Implementierung und Skalierung von Smart City-Projekten voranzutreiben. Die Lösung für ein intelligentes Wassermanagement wird aktuell in einer weiteren norwegischen Gemeinde, in Skedsmo, implementiert. Zusätzlich werden hier Daten aus dem Auftragsmanagement, hydrologische Modelle und Daten der Wasser- und Abwassersysteme mit eingebunden. Bild 1: Der Vicotee Aurora Drainage Sensor wie er in Stavanger eingesetzt wird [8]. © InfoTiles WAS IST SCADA? 28 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Skalierung intelligenter Lösungen zur Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Aus Sicht der Projektmanager ist das Replizieren von Smart City- Projekten derzeit noch schwierig. Die größte Herausforderung besteht demnach im Stakeholder- Management. Denn alle Akteure müssen sich sowohl dazu bereit erklären, ihre Daten zum Wohle der Gemeinde zu teilen, als auch verschiedene technische Voraussetzungen erfüllen. So war es für die beteiligten Unternehmen bei bisherigen Projekten meist sehr aufwändig, all diese Grundlagen zu schaffen. Bei einem Großprojekt wie etwa in Skedsmo werden typischerweise viele verschiedene Daten von diversen Firmen oder Institutionen erhoben, wie etwa Streamingdaten von SCADA-Systemen (zum Beispiel bereitgestellt von Siemens, ABB, Citect etc.), Daten von IoT-Sensoren (zum Beispiel bereitgestellt von Vicotee, Leapcraft, Decentlab etc.), Daten aus Domain-Systemen, wie beispielsweise Daten zu Infrastrukturen, sowie offene Daten und Informationen bezüglich des täglichen Betriebs und der Wartung in der Gemeinde. Der offene Datenaustausch zwischen den verschiedenen Stakeholdern von Smart City- Projekten ist technisch fast immer möglich, allerdings ist es nicht unproblematisch, Vereinbarungen über die Nutzungs- und Vermarktungsrechte zu treffen. Bei der geringen Erfahrung, die Marktteilnehmer derzeit noch bei Smart City-Projekten haben, versuchen die Partner oft, auf der sicheren Seite zu bleiben und so viel Kontrolle wie möglich zu behalten. Damit begrenzen sie aber auch die Möglichkeiten der Skalierung von Anfang an. Daher ist es wichtig, aus den Erfahrungen anderer bei derartigen Projekten zu lernen. Um einen solchen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, stellt BABLE eine Kommunikationsplattform zur Verfügung. Über diese Plattform teilen die verschiedenen Akteure des Marktes aktuelle Informationen und Erfahrungen zu über 200 in Europa implementierten Projekten [9]. Aus der Beobachtung bei InfoTiles-Projekten ist der Mangel an guten Domain-Datenmodellen als weiterer limitierender Faktor anzuführen, der zu selten angesprochen wird. Mit zunehmender Anzahl von Messungen, Sensoren und Registrierungen aus verschiedenen Quellen wird der Bedarf an praktikablen Modellen zur Aggregation der Daten größer. Es ist essenziell, relevante verwertbare Informationen herauszufiltern und zu vermeiden, dass sie in einem Meer unwichtiger Informationen versinken. Neben den neuesten Analysewerkzeugen sind dazu außerdem Fachwissen und ein tiefes Verständnis der Problematik notwendig. Unter anderem geht es darum zu verstehen, wie sich verschiedene Parameter gegenseitig beeinflussen, wie eine optimale Funktion aussieht, in welcher Weise Störungen Messdaten beeinflussen und welche Überwachungsdichte notwendig ist, um Störungen zu identifizieren und zu lokalisieren. Dies wird durch eine enge Zusammenarbeit über Fachgebiete und verschiedene Stakeholder hinweg erreicht - von der IT (Integration, Streaming, Security und Kommunikation) bis hin zu den Versorgungsunternehmen (Planung und Betrieb). Hierfür besteht Bedarf an guten, effizienten und nutzerfreundlichen Datenmodellen. Diese sind notwendig, um Daten für Innovatoren in ganz Europa allgemein zugänglich zu machen. Für Smart City-Projekte sind Daten der Rohstoff, der veredelt werden muss, um wertvolle und aussagekräftige Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Dafür ist eine aktive Unterstützung mithilfe entsprechender Werkzeuge und eine zielgerichtete Moderation erforderlich. Bild 2: Vergabe des SMAVARD auf der Nordic Edge 2018, v.l. Alexander Schmidt (BABLE), Alanus von Radecki (BABLE), Pedja Bihor (InfoTiles), Johnny Alexander Gunneng (Info- Tiles), Christine Sagen Helgø (Bürgermeisterin von Stavanger) [6]. © Marie von Krogh 29 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Mit interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Akteure könnten sich die bevorstehenden Aufgaben lösen lassen. Vor allem Informationen aus bereits implementierten Projekten sowie daraus gewonnene Erfahrungen und Sichtweisen könnten die Umsetzung von Folgeprojekten erleichtern - die offene Plattform von BABLE stellt eine Möglichkeit für einen solchen Austausch dar. Fazit Zusammenarbeit und der Austausch von Wissen über Smart City-Projekte kann beizeiten dabei helfen, Fehler zu vermeiden, gelungene Beispiele können durch frühzeitige Kooperationen auf die speziellen Bedürfnisse und Gegebenheiten einer Stadt angepasst werden. Eine offene und effiziente Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren des Smart City-Marktes ermöglicht damit einen ersten Schritt hin zu einer erfolgreichen Skalierung von Smart City-Projekten. QUELLEN: [1] Grand View Research. Smart Cities Market Analysis Report By Application (Governance, Buildings, Utilities, Transportation, Healthcare, Environmental Solution), By Region, And Segment Forecasts, 2019 - 2025. 2019. Report-ID: 978-1-68038-270-9. [2] Global Water Intelligence. Market Insight: Global Water Market in 2018. The transition to smarter spending in water & wastewater. 2018. [3] European Investment Bank. Water and wastewater management, 2019. Online: https: / / w w w.eib.org / en/ projects/ sectors/ waterand was te watermanagement/ index.htm. [4] Stavanger Municipality. Smartcity projects. Online: https: / / w w w.stavanger.kommune.no/ samfunnsutvikling/ smartbyens t avanger/ lorawan - - s ensornettverk/ [5] The Explorer. Real-time operating system for cities and utilities, 2018. Online: https: / / www. theexplorer.no/ solutions/ realtime-operating-system-forcities-and-utilities/ . [6] Nordic Edge. Infotiles wins top Prize. The German network Morgenstadt with partner Bable, has awarded cluster member Infotiles with the main prize for innovative solutions. Online: https: / / w w w.nordicedge clus ter.org / post/ infotiles-wins-top-prize. [7] inductive.automation. What is SCADA? 2018. Online: https: / / induc tiveautomation.com/ re sources/ article/ what-is-scada. [8] Vicotee. Aurora Waterlevel 2019. Online: https: / / vicoteed o c u m e n t s . s 3 . e u c e n t r a l -1. a m a z o n a w s . c o m / p u b l i c / d a t asheet s / AUROR A+X DL SN3+ - +Waterlevel.pdf [9] Smart CIty-Projekte, 2019. Online: https: / / www.bable-smartcities.eu/ de/ entdecken/ anwendungsfaelle.html. All you can read Alles zusammen zum Superpreis: Die Papierausgabe in hochwertigem Druck, das ePaper zum Blättern am Bildschirm und auf dem Smartphone, dazu alle bisher erschienenen Ausgaben im elektronischen Archiv - so haben Sie Ihre Fachzeitschrift für den urbanen Wandel immer und überall griffbereit. AboPlus: Print + ePaper + Archiv www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren d im Ihr imm AAbboo www.tra AUTOR*INNEN M. Sc. Jana Helder Fraunhofer Spinn-off BABLE Kontakt: jana@bable-smartcities.eu M. Sc. Johnny Alexander Gunneng InfoTiles Kontakt: johnny.gunneng@infotiles.no M. Sc. Alexander Schmidt Fraunhofer Spinn-off BABLE Kontakt: alex@bable-smartcities.eu