eJournals Transforming cities 4/3

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0062
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Cool durch grüne Infrastruktur

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Stephan Pauleit
Teresa Zölch
Astrid Reischl
Mohammad Rahman
Thomas Rötzer
Grünflächen können die Lebensqualität in Städten verbessern und ihre Klimaresilienz erhöhen. Als „grüne Infrastruktur“ geplant, kommt ihnen daher eine Schlüsselrolle für die Entwicklung zukunftsfähiger Städte zu. Gleichzeitig steht das Grün in Städten durch die bauliche Verdichtung der Innenstädte unter Druck. Wieviel Grün ist erforderlich und wie ist es zu gestalten, um seine vielfältigen ökologischen und sozialen Funktionen erfüllen zu können? Mit diesen Fragen hat sich eine Forschungsgruppe an der TU München in verschiedenen Untersuchungen eingehend beschäftigt.
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60 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Cool durch grüne Infrastruktur Die Potenziale des Stadtgrüns zur städtischen Klimawandelanpassung Klimawandel, grüne Infrastruktur, Ökosystemleistung, Stadtbaum, Kühlung, Modellierung Stephan Pauleit, Teresa Zölch, Astrid Reischl, Mohammad Rahman, Thomas Rötzer Grünflächen können die Lebensqualität in Städten verbessern und ihre Klimaresilienz erhöhen. Als „grüne Infrastruktur“ geplant, kommt ihnen daher eine Schlüsselrolle für die Entwicklung zukunftsfähiger Städte zu. Gleichzeitig steht das Grün in Städten durch die bauliche Verdichtung der Innenstädte unter Druck. Wieviel Grün ist erforderlich und wie ist es zu gestalten, um seine vielfältigen ökologischen und sozialen Funktionen erfüllen zu können? Mit diesen Fragen hat sich eine Forschungsgruppe an der TU München in verschiedenen Untersuchungen eingehend beschäftigt. Grün als Lösungsansatz für klimaangepasste Städte? Städtische Lebensräume sind eine wesentliche Ursache des globalen Klimawandels. Etwa 80 % der Treibhausgasemissionen werden Städten zugerechnet. Gleichzeitig werden Städte aber auch immer stärker vom Klimawandel betroffen. Der Meeresspiegelanstieg, zunehmende Flussüberschwemmungen und Wirbelstürme bedrohen viele Städte weltweit. Durch ihre dichte Bebauung, die Hitze speichert, und die hohe Flächenversiegelung wirken sich in Städten auch der Temperaturanstieg sowie die zunehmende Zahl und Stärke von Hitzewellen insbesondere auf die Lebensqualität und Gesundheit der Bevölkerung aus. Betroffen sind vor allem ältere Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen. Nicht zuletzt führen Starkregen zur Überlastung der Kanalisation mit lokalen Überschwemmungen als Folge. Städtische Grünflächen wie Parkanlagen, Gärten, Straßenbäume und Gewässer können wesentlich zur Lösung dieser Probleme durch die Bereitstellung von sogenannten Ökosystemleistungen wie Verdunstungskühlung, Verschattung, Luftverbesserung und Regenwasserversickerung beitragen. Sie werden daher auch als „grüne Infrastruktur“ bezeichnet, die genauso wichtig für das Funktionieren und die Lebensqualität in Städten ist wie soziale und technische Infrastrukturen. Wie viele Grünflächen werden aber in Städten benötigt? Wie können sie in bereits dicht bebaute Stadtquartiere integriert werden? Und wie müssen sie in der klimaangepassten Stadt der Zukunft aussehen, um die Luft zu kühlen, Regenwasser zurückzuhalten und gleichzeitig für Mensch, Pflanze und Tier attraktive Aufenthalts- und Lebensräume zu schaffen? 61 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau Das Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK, www.zsk.tum.de) an der Technischen Universität München hat mit Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in mehreren Projekten die Potenziale der grünen Infrastruktur zur Kühlung der Städte untersucht. Sie haben zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse geführt und zeigen den Kommunen Handlungsmöglichkeiten für die Klimawandelanpassung auf. Klimakomfort und Lebensqualität im Stadtquartier der Zukunft Für Stadtplaner ist es trotz der allgemein anerkannten Wirksamkeit von Begrünung schwierig zu entscheiden, welche Option unter welchen lokalen Bedingungen einzusetzen ist, um einen größtmöglichen Nutzen für die Anpassung an den Klimawandel zu erzielen. Das Projekt „Klimaschutz und grüne Infrastruktur in der Stadt“ (2013-2018) des ZSK hat daher untersucht, welche Maßnahme welches Kühlpotenzial in verschiedenen Bebauungssituationen hat: der innerstädtischen Blockbebauung, der Zeilenbebauung und dem historischen Stadtkern [1]. Als Maß für das Kühlpotenzial des Stadtgrüns wurde der thermische Komfort im Außenraum verwendet. Die „Physiologisch Äquivalente Temperatur“, in °C, kurz: PET, fasst die Wirkung der meteorologischen Parameter Lufttemperatur, Wind, Luftfeuchte und Strahlungstemperatur auf den Menschen im Außenraum in einem Wert zusammen und lässt sich in Klassen von thermischem Empfinden untergliedern (18 - 23 °C Behaglichkeit, über 23 °C Wärmebelastung, über 41 °C extreme Wärmebelastung). Die Auswertung erfolgte für einen sommerlichen Hitzetag (maximale Lufttemperatur über 30 °C) um 15 Uhr in 1,4 m Höhe, dem Zentrum des menschlichen Körpers. Berechnet wurde der PET für die verschiedenen Begrünungsszenarien durch das dreidimensionale Mikroklimamodell ENVI-met V4 [2]. Aus Luftbildern und Ortsbegehungen wurde die existierende Vegetation für das aktuelle Begrünungsszenario (Bestand) aller Gebiete erhoben. Zusätzlich dazu wurde ein Null-Szenario untersucht, bei dem alle Vegetation entfernt wurde. Für eine Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen in bestehenden, dicht bebauten Siedlungsgebieten eignen sich Bäume wie etwa der Spitzahorn, Dach- und Fassadenbegrünung (extensive Dachbegrünung bzw. bodengebundene Fassadenbegrünung mit wildem Wein). Diese wurden in „realistischen“ Begrünungsszenarien auf technisch und räumlich möglichen und thermisch besonders belasteten Flächen (zum Beispiel stark besonnte Bereiche, Süd-Westfassade), und in „Maximalszenarien“ auf allen verfügbaren Flächen eingesetzt. In den Bestandsszenarien zeigen die Modellierungen durchschnittliche PET-Werte über 41 °C auf, dies entspricht extremem Hitzestress (Bild 1). Die heißesten Bereiche mit Werten bis zu 60 °C PET finden sich in allen Siedlungsstrukturen in den besonnten Bereichen, insbesondere vor Süd-West orientierten Fassaden, die zusätzlich Wärme abstrahlen. Die kühlsten Bereiche sind die verschatteten Flächen, sowohl im Baumals auch im Gebäudeschatten. Hier liegt der PET an einem sommerlichen Hitzetag bei etwa 35 °C. In den Null-Szenarien ohne jegliche Vegetation erhöht sich der Hitzestress Bild 1: Die thermische Situation an einem Hitzetag am Beispiel der Blockbebauung. Die Karten zeigen die thermischen Verhältnisse bei den maximalen Begrünungsszenarien durch Bäume, Dach- und Fassadenbegrünung und Hitzeregulation gegenüber dem Istzustand (s. a. Tabelle 1). © Pauleit et al. Tabelle 1: Durchschnittlicher Wert der physiologisch äquivalenten Temperatur (PET ) an einem Hitzetag um 15 Uhr in 1,4 m Höhe für die Untersuchungsgebiete der Block- und Zeilenbebauung und des historischen Stadtkerns sowie die Kühlwirkung verschiedener Begrünungsszenarien, ausgedrückt als relative Änderung der PET zwischen Bestand und Begrünungsszenario. © Pauleit et al. Blockbebauung Zeilenbebauung Historischer Stadtkern PET im Bestand in °C 41,1 43,3 42,0 PET Reduktion in % durch: Null-Szenario (Entfernung vorh. Vegetation) +4,3 +11,1 +2,7 Bäume (max/ realistisch) -13,0/ -10,3 -18,0/ 0 -17,5/ -10,4 Fassadenbegrünung (max/ realistisch) -10,0/ -5,1 -2,1/ 1,3 -14,0/ -7,3 Dachbegrünung (max/ realistisch) -0,5/ 0 -0,5/ -0,2 -0,9/ -0,1 62 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau erwartungsgemäß weiter, da Verschattungs- und Verdunstungsleistungen der bestehenden Begrünung fehlen. Die vorhandene Vegetation erfüllt also bereits heute eine wichtige Funktion für die Kühlung der Städte, sogar bei geringen Flächenanteilen wie in der Blockbebauung mit 9 % Grünanteil oder dem historischen Stadtkern mit 11 % Grünanteil. Die gezielte Umsetzung der Begrünungsmaßnahmen bewirkt in allen Szenarien eine Verbesserung der thermischen Verhältnisse (Tabelle 1). Ihre Wirkung unterscheidet sich jedoch nach Art der Begrünung und ihrer Quantität in der Umsetzung. Zur Hitzeregulation sind vor allem Verschattung und Verdunstung sowie der Standort des Grüns entscheidend. Besonders geeignet sind Baumpflanzungen, die die verschattete Fläche vergrößern und die Umgebungsluft durch Verdunstung kühlen (vgl. Bild 1 am Beispiel der Blockbebauung). Die physiologisch äquivalente Temperatur würde durch die „realistische“ Begrünung mit Bäumen immerhin um 10 % in der dichten Blockbebauung gesenkt. Auch die Fassadenbegrünung erhöht durch Verdunstung die Luftfeuchtigkeit und kühlt damit. Durch die Verschattung der Gebäudewände sinkt zudem die Wärmerückstrahlung, was die thermische Belastung vermindert. Die Wirkung der Fassadenbegrünung beschränkt sich jedoch auf wenige Meter vor den Fassaden, im Vergleich zu Bäumen, die durch ausladende Kronen einen räumlich größeren Kühleffekt erwirken. Dagegen erbringt die Dachbegrünung eine geringere Kühlleistung. Ihre Wirkung auf den thermischen Komfort im Freiraum (analysiert auf 1,4 m Höhe) beschränkt sich auf die niedrigen Gebäude in den Innenhöfen. Nicht untersucht wurde die Kühlwirkung der Dachbegrünung auf Dachhöhe, zum Beispiel in einem intensiv begrünten Dachgarten. Die Studie belegt, dass Klimaanpassungsmaßnahmen in dicht bebauten Stadtquartieren dringend notwendig sind, um Hitzestress in der Stadt zu verringern. Um die heutigen thermischen Verhältnisse zu bewahren, ist die Erhöhung des Grünflächenanteils von unter 10 % auf mindestens 20 % erforderlich. Dies sollte prioritär durch Baumpflanzungen geschehen, wenngleich auch Fassaden- und Dachbegrünungen effektive Maßnahmen darstellen. Um bestmögliche Kühlwirkungen zu erzielen, sollten Begrünungsmaßnahmen vor allem in stark sonnenexponierten Bereichen umgesetzt werden. Diese prioritären Standorte lassen sich aus den Bestandsszenarien für die Siedlungstypen ableiten. Zusammen bieten die drei Begrünungsformen auch wertvolle Synergiepotenziale zur Förderung von Biodiversität und Freiraumqualität und können Stadtplaner bei der Entwicklung klimaangepasster Quartiere unterstützen. Dazu hat die vorgestellte Studie Entwürfe für die untersuchten Siedlungsstrukturen entwickelt, die die Umsetzung der Begrünungsmaßnahmen in verschiedenen Bereichen der Quartiere vorschlagen. So könnten über eine gezielte Aufwertung der unterschiedlichen Freiräume und eine Reorganisation der Verkehrsflächen unterschiedlichste Räume für vielfältige Bedürfnisse und Nutzungen entstehen: belebte Straßen, begrünte Hinterhöfe Bilder 2a und b: Die Kühlleistung der Linden auf dem gut begrünten Bordeauplatz in München (rechts) liegt um 20 % über den Linden auf dem benachbarten und stark versiegelten Pariser Platz (unten). © Pauleit et al. 63 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau und öffentliche Grünflächen. Im Straßenraum steigern Bäume, Fassadenbegrünung und Tiefbeete als Versickerungsflächen die räumliche und ökologische Qualität. Zwischen der dichten Bebauung entstehen Räume für Fußgänger und Radfahrer. Die Kombination aus Gehölzpflanzungen und begrünten Dächern oder Fassaden schafft in den Höfen Rückzugsorte. Bei der Umsetzung sind die jeweiligen Eigenschaften der Begrünungsarten wie Wuchshöhe, Blattflächendichte und Verdunstungsleistung zu berücksichtigen. Coole Bäume für coole Städte: die Kühlleistung von Bäumen - was passiert bei Klimawandel? In Untersuchungen in München und Würzburg haben wir in den letzten Jahren in umfassenden Messkampagnen das Wachstum und die Kühlleistungen von unterschiedlichen Baumarten auf Stadtplätzen und in Straßenräumen erfasst. Solche Messungen erfordern einen hohen Aufwand, etwa für die Ermittlung des Wasserdurchflusses im Stammholz durch spezielle Sonden oder die Messungen des Dickenwachstums von Bäumen mit elektronischen Dendrometern, die im Genauigkeitsbereich von Mikromilimetern das tägliche Wachsen aber auch das Schrumpfen des Holzes registrieren. Entsprechende Zahlen zu den Wuchs- und Ökosystemleistungen von Stadtbäumen sind bisher selten. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass eine etwa sechzig Jahre alte Linde auf einem gut begrünten Platz in München an einem heißen Sommertag die Lufttemperaturen unter der Krone immerhin um etwa 1 °C senken kann, während in der Krone die Temperaturen sogar 3 - 4 °C unter der Umgebungstemperatur liegen (Bild 2). Diese Effekte sind auch der Verdunstung von Wasser durch die Bäume geschuldet, die der Umgebung Energie entzieht und so kühlt. Die genannte Linde verbraucht zwischen 60 und 80 Liter Wasser täglich und ihre maximale Kühlleistung liegt dabei bei 2,3 kWh, entsprechend der Leistungsaufnahme eines Kühlschranks [3]. Besonders durch die Verschattung empfinden Menschen, die sich im Baumschatten aufhalten, die thermischen Verhältnisse als wesentlich angenehmer als im besonnten Straßenraum. Die bereits genannte physiologisch äquivalente Temperatur lag bei den Untersuchungen in Würzburg im Schatten von acht Linden durchschnittlich um 3 °C niedriger als in der Sonne [4]. Linden sind dichtbelaubte Bäume mit starkem Schattenwurf. Darunterliegende Flächen können sich daher tagsüber weniger stark erwärmen als bei der ebenfalls untersuchten Robinie, die eine sehr lichte Krone aufweist (Bild 3). Die beiden Baumarten unterscheiden sich auch markant in Bezug auf die Verdunstung von Wasser. In Würzburg wiesen die Linden im heißen Sommer 2017 eine 4,4-fach höhere Verdunstungsleistung auf [4]. Allerdings hat diese hohe Wasserverdunstung auch ihren Preis, denn Linden können als Baumarten mit zerstreutporigem Holz bei Wassermangel ihren Wasserverbrauch weniger gut regulieren als ringporige Robinien. Letztere vermag ihre Verdunstung und damit ihr Wachstum auch anschließend schneller wieder „hochzufahren“. Die Robinie nutzt damit vorhandenes Wasser wesentlich effektiver für ihr Wachstum [5]. Die Ökosystemleistungen von Stadtbäumen, wie etwa die Abkühlungswirkung durch Beschattung und Verdunstung, sind von vielfältigen äußeren Faktoren abhängig. Eine bayernweite Studie zum Wachstum und den Ökosystemleistungen hat gezeigt, dass insbesondere der Bodenversiegelungsgrad und die Wasserversorgung einen starken Einfluss auf das Wachstum und die Ökosystemleistungen haben [6]. Für die Untersuchung wurden mehr als zweitausend Individuen von vier Baumarten vermessen. In einem neuen Simulationsmodell konnten mit diesen Daten Ökosystemleistungen wie die Kohlenstoffspeicherung und die Verdunstungsleistung berechnet werden. Dabei zeigt sich, dass die Verdunstung je nach Baumart stark schwankt und Kastanien die geringste Verdunstungsleistung über alle Altersklassen zeigen. Eine 80-jährige Kastanie verdunstet bei einem mittleren Versiegelungsgrad demnach etwa 30- m 3 Wasser in der Vegetationsperiode. Dagegen weisen Platanen die höchste Verdunstung mit über Bild 3: Robinien haben einen lichten Schatten. © Pauleit et al. 64 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau 90- m 3 auf. Die Verdunstung von Robinien erhöht sich stetig über das Alter. Auch Winterlinden nehmen im höheren Alter stark in ihrer Leistung zu. Die farbigen Linien in den Graphiken aller Arten geben darüber hinaus an, welchen Einfluss der Versiegelungsgrad des Bodens auf die Verdunstungsleistung hat (Bild-4, oben). Mit einer maximalen Versiegelung von 90 % sinkt die Verdunstung einiger Arten um bis zu 50 % ab. So reagieren insbesondere Platanen und Winterlinden sensibel auf hohe Versiegelungsgrade. Schließlich werden sich Klimaveränderungen auch auf die Bereitstellung von Leistungen von Stadtbäumen auswirken. Exemplarisch wird erneut die Verdunstungsleistung der vier Baumarten Winterlinde, Robinie, Rosskastanie und Platane in Bayern gezeigt (Bild- 4, oben). Für die Simulationen wurden Klimaszenarien des Modells WETTReg für die nahe Zukunft (2026 - 2050) verwendet, die eine Erhöhung der Lufttemperaturen und eine Verschiebung der Niederschlagsmengen mit mehr Niederschlägen im Winterhalbjahr und verminderten Niederschlägen im Sommerhalbjahr voraussagen. Durch diese veränderten Klimabedingungen ändert sich die Verdunstungsleistung der vier Stadtbaumarten geringfügig, zumeist steigt die Verdunstung leicht an. In der Studie wurden auch die Auswirkungen von kleinräumigen Veränderungen wie der Bodenwasserspeicherungskapazität des unmittelbaren Wurzelraums auf das Wachstum und die Ökosystemleistungen berechnet. Insbesondere bei der Winterlinde und der Rosskastanie bedingt ein geringes verfügbares Wasserangebot eine deutliche Reduzierung der Biomasseproduktion. Robinien und Platanen sind hier viel weniger betroffen. Allerdings zeigen alle Arten eine verminderte Verdunstungsleistung bei weniger verfügbarem Wasser, wobei die Robinie am wenigsten sensibel auf Trockenstress reagiert. Perspektiven: die „Grüne Stadt der Zukunft“ Unsere Studien haben gezeigt, dass grüne Infrastruktur in der Lage ist, durch ihre Kühlwirkung der weiteren Verschlechterung der klimatischen Verhältnisse in Städten durch den Klimawandel erfolgreich entgegenzuwirken. Bäume spielen dabei durch ihre Verschattungswirkung und die Verdunstungskühlung eine besondere Rolle. Eine besonders große Herausforderung für die grüne und klimaangepasste Stadt der Zukunft besteht darin, mehr Platz für Stadtgrün und vor allem Bäume in dicht bebauten Innenstadtquartieren zu finden. Wie lässt sich der flächige Baumanteil in solchen Quartieren von knapp 10 % auf über 20 % Bild 4: Verdunstungsleistung (m³/ Jahr) über das Alter (von 0-100 Jahre) von Winterlinden Tilia cordata, Robinien Robinia pseudoacacia, Rosskastanien Aesculus hippocastanum und Platanen Platanus x acerifolia gemessen und modelliert für Bayern gemittelt aus den Ergebnissen für die Städte (Hof, Würzburg, Bayreuth, Nürnberg, München und Kempten) für das derzeitige Klima (1965-2015) (Bild oben) für das zukünftige Klima (2026-2050) (Bild unten) und sandigen Lehm als Bodenart sowie Angabe der Auswirkung von Versiegelung auf die Verdunstung. © Pauleit et al. 65 3 · 2019 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtisches Grün - städtisches Blau erhöhen? Dies mag als eine fast unlösbare Aufgabe erscheinen. Dabei ist zu bedenken, dass der Bebauungsgrad auch in Innenstädten selten über 50 % der Oberfläche liegt, der Rest sind Straßenräume, Plätze und Innenhöfe. Diese meist versiegelten Flächen werden aber intensiv genutzt, etwa für den Autoverkehr und Parkplätze, als Trassen für unterirdisch verlaufende Kanäle, Strom-, Fiberglas- und Gasleitungen. Mehr Grün in die Stadt zu bringen, bedeutet, Platz zu schaffen, etwa durch neue Mobilitätskonzepte, die zu weniger fahrenden und parkenden Autos in der Stadt führen. Für die Anpassung von Städten durch grüne Infrastruktur sind daher integrierte Planungen und Lösungsansätze zu entwickeln und umzusetzen, die etwa umweltfreundliche Mobilitätskonzepte, Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen wie Regenwassermanagement zur lokalen Rückhaltung und Versickerung des Regenwassers mit der grüner Infrastruktur kombinieren. Durch solche Konzepte könnte auch der - wie gezeigt - erhebliche Wasserbedarf der Bäume gesichert werden. Schließlich deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Grün selbst an den Klimawandel angepasst werden muss, besonders durch eine verstärkte Wahl trockenheitsangepasster Baumarten. Insgesamt ist die Vielfalt an Baumarten zu erhöhen, um für die Unwägbarkeiten des Klimawandels und immer häufigere Schädigungen durch Pilze und Insekten gerüstet zu sein. Auch dies ist eine der großen Herausforderungen für die Transformation unserer Städte. Klimasensitive Modelle können bei der Wahl der Baumarten für eine Stadt oder sogar für einen speziellen Standort helfen, Ökosystemleistungen zu quantifizieren. Zudem können künftige Veränderungen des Baumwachstums und der Ökosystemleistungen abgeschätzt und so in die Planung mit einbezogen werden. LITERATUR [1] Zölch T., Maderspacher J., Wamsler C., Pauleit S.,: Using green infrastructure for urban climate-proofing: An evaluation of heat mitigation measures at the microscale. Urban Forestry & Urban Greening 20, 1 (2016), S. 305-316. [2] Bruse, M.: Environmental Modelling Group, ENVI-met. Institute of Geography at University of Mainz, 2015. Retrieved from http: / / envi-met.info/ [3] Rahman, M. A., Moser, A., Rötzer, T., Pauleit, S.: Microclimatic differences and their influence on transpirational cooling of Tilia cordata in two contrasting street canyons in Munich, Germany. Agricultural and Forest Meteorology 232 (2017), S. 443-456. [4] Rahman et al.: Tree cooling effects and human thermal comfort under contrasting species and sites. In Vorbereitung, unveröff. Manuskript. [5] Moser-Reischl A., Rahman M. A., Pauleit S., Pretzsch H., Rötzer T.: Growth patterns and effects of urban micro-climate on two physiologically contrasting urban tree species. Landscape and Urban Planning 183 (2019), S. 88-99. [6] Rötzer, T., Rahman, M. A., Moser-Reischl, A., Pauleit, S., Pretzsch, H.: Process based simulation of tree growth and ecosystem services of urban trees under present and future climate conditions. Science of the Total Environment 676 (2019), S. 651-664. Prof. Dr. Stephan Pauleit Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung TU München Kontakt: pauleit@tum.de Dr. Teresa Zölch Landeshauptstadt München Referat für Gesundheit und Umwelt Kontakt: teresa.zoelch@muenchen.de Dr. Astrid Reischl Lehrstuhl für Waldwachstumskunde TU München Kontakt: astrid.reischl@tum.de Dr. Mohammad Rahmann Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung TU München Kontakt: asrafifescu@googlemail.com Prof. Dr. Thomas Rötzer Lehrstuhl für Waldwachstumskunde TU München Kontakt: Thomas.Roetzer@lrz.tu-muenchen.de AUTOR*INNEN