Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0074
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Intelligentes Laden muss zum Standard für Elektrofahrzeuge werden
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Robert Busch
Fanny Tausendteufel
Mit steigender Zahl an E-Fahrzeugen bietet die Elektromobilität perspektivisch ein erhebliches Flexibilitätspotenzial für die Energiewirtschaft: Unter den passenden regulatorischen Rahmenbedingungen können E-Fahrzeuge helfen, mehr erneuerbare Energien in das Energiesystem zu integrieren und bestehende Netzkapazitäten besser auszulasten. Die Kosten der Energiewende könnten so deutlich gesenkt werden.
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20 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität Im Jahr 2030 sollen sieben bis zehn Mio. E-Autos auf unseren Straßen unterwegs sein und an öffentlichen und privaten Ladesäulen Strom tanken [1]. Mittelfristig ist von einer erheblichen zusätzlichen Stromnachfrage durch E-Fahrzeuge von mehreren Gigawattstunden auszugehen [2]. Bis zum Markthochlauf muss das Laden von Elektrofahrzeugen noch einen Paradigmenwechsel vollziehen: Vom ungesteuerten zum intelligenten Laden. „Intelligent“ laden E-Autos, wenn sich der Ladevorgang nach dem Kundenbedürfnis, der Stromerzeugung und der Netzauslastung ausrichtet. Flexibilitätspotenzial von Elektrofahrzeugen Im Durchschnitt ist jeder Deutsche pro Tag rund 80- Minuten unterwegs [3]. Für die PKW-Flotte bedeutet das: Den größten Teil des Tages verbringen Autos parkend vor dem Büro, dem Supermarkt oder auf dem privaten Stellplatz. Durch ihre langen Standzeiten bieten E-Fahrzeuge ein erhebliches Flexibilitätspotenzial, denn innerhalb dieses Zeitraums kann bei Elektrofahrzeugen der Ladevorgang je nach Stromangebot (zum Beispiel hohe Stromeinspeisung aus Photovoltaikanlagen) und Netzauslastung verschoben und angepasst werden. Doch bisher wird dieses Potenzial nicht ausgeschöpft. Stattdessen laden Elektrofahrzeuge derzeit am Ladepunkt Strom - völlig unabhängig davon, wie lange das Parken dauern wird, ob die Stromnachfrage bereits besonders hoch ist oder wie viel Ökostrom in einem bestimmten Moment erzeugt wird [4]. Ungesteuertes Laden mag in der Pionierphase der Elektromobilität tolerierbar gewesen sein. Mit dem Markthochlauf von Elektrofahrzeugen muss sich nun aber intelligentes Laden zum Standard entwickeln - nur so kann die Einbindung der Elektromobilität in das Energiesystem gelingen. Damit „intelligent“ geladen wird, sind zwei Punkte notwendig: Erstens: eine marktbasierte Flexibilitätsbeschaffung im Verteilnetz. Zweitens: der freie Zugriff auf die jeweiligen Fahrzeugdaten. Mit steigender Zahl an E-Fahrzeugen bietet die Elektromobilität perspektivisch ein erhebliches Flexibilitätspotenzial für die Energiewirtschaft: Unter den passenden regulatorischen Rahmenbedingungen können E-Fahrzeuge helfen, mehr erneuerbare Energien in das Energiesystem zu integrieren und bestehende Netzkapazitäten besser auszulasten. Die Kosten der Energiewende könnten so deutlich gesenkt werden. Intelligentes Laden muss zum Standard für Elektrofahrzeuge werden Robert Busch, Fanny Tausendteufel 21 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität Intelligentes Laden über die Stromrechnung anreizen Eine ungesteuerte Einbindung einer Vielzahl von Elektrofahrzeugen in das Energiesystem würde enorme Investitionen für die Deckung des zusätzlichen Strom- und Transportbedarfs notwendig machen. Es besteht zum Beispiel die Gefahr, dass Elektroautomobilisten vor allem dann laden, wenn die Stromnachfrage bereits besonders hoch ist. Das erhöht mittelfristig die Spitzennachfrage und führt zu höheren Kosten für alle Stromkunden. Es muss also ein Anreizsystem geschaffen werden, das die Systemkosten in das Kalkül des Endverbrauchers einbringt und so eine Verhaltensänderung des Kunden bewirkt. Die Stromrechnung muss am günstigsten ausfallen, wenn beispielsweise entsprechend aktueller Stromverfügbarkeit und Netzauslastung geladen wird. Für die Stromverfügbarkeit existieren bereits Preissignale. Für die Netzauslastung fehlt allerdings ein variables Preissignal, das die tatsächliche Netzauslastung widerspiegelt. Die gesetzliche Grundlage dafür existiert bereits: Nach § 14a EnWG erhalten Verbraucher für eine netzdienliche Steuerung eine Reduktion der Netzentgelte. Bisher steht allerdings eine Konkretisierung des Paragrafen aus. Mittels einer Verordnung müssen wichtige Details geklärt werden. Hier ist es wichtig, eine marktbasierte Flexibilitätsbeschaffung im Verteilnetz festzulegen. In regionalen Flexmärkten, für die auch der bne ein Konzept entwickelt hat, kommunizieren Netzbetreiber ihren Flexibilitätsbedarf an teilnehmende Verbraucher. Erfüllen die Verbraucher diesen Bedarf, erhalten sie einen Flexibilitätsbonus bzw. eine Netzentgeltreduktion. Für die rechtzeitige Realisierung des großen Flexibilitätspotenzials der Elektromobilität ist eine zeitnahe Verabschiedung der Verordnung nach § 14a EnWG notwendig: Aktuell handhaben die über 800 Verteilnetzbetreiber in Deutschland die Anwendung des § 14a EnWG sehr unterschiedlich. Je nach Netzgebiet haben jeweils andere Verbraucher Anspruch auf die Nutzung des Paragrafen, muss unterschiedliche Steuerungstechnik installiert werden oder fällt die Höhe der Netzentgeltreduktion verschieden aus. Mit einer Verordnung nach § 14a EnWG muss hier notwendige Rechtsklarheit geschaffen und eine kosten- und zeitintensive Auseinandersetzung zwischen Netzbetreiber und Endkunde vermieden werden. Ohne Verordnung fehlt ein wichtiger Anreiz, intelligente Ladeinfrastruktur zu nutzen. Je länger die Verordnung ausbleibt, desto höher wächst die Zahl der „stranded investments“ in Form von nicht-steuerungsfähiger Ladeinfrastruktur. Für ein intelligentes Lademanagement ist der freie Zugang zu bestimmten Fahrzeugdaten notwendig Um das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen zu ermöglichen, werden die aktuellen Daten über den Ladezustand, die Kapazität der Fahrzeugbatterie sowie die Maximal- und Mindestladeleistung der Fahrzeugbatterie benötigt. Momentan ist der Fahrzeughalter nicht in der Lage, diese Daten standardisiert weiterzugeben, damit ein von ihm beauftragter Dienstleister den Ladevorgang optimal taktet. Um intelligentes Laden zu ermöglichen, ist daher für Fahrzeughalter der freie Zugang zu für den Ladevorgang notwendigen Daten erforderlich. Beide Faktoren - marktbasierte Flexibilitätsbeschaffung im Verteilnetz sowie die Verfügbarkeit der jeweiligen Fahrzeugdaten - sind Bedingungen für das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen. Nur so gelingt es, Elektromobilität systemdienlich in das bestehende Energiesystem einzubinden und die Verkehrswende zu fördern. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft hat in seinem Positionspapier „Flexibilität durch Elektromobilität“ vorgeschlagen, wie Flexibilitätspotenziale der Elektromobilität kosteneffizient und kundenfreundlich gehoben werden können. https: / / www.bne-online.de/ de/ presse/ positionspapiere/ QUELLEN: [1] bundesregierung.de: Verkehr. https: / / www.bundesregierung.de/ breg-de/ themen/ klimaschutz/ verkehr-1672896 (Abgerufen am 2.10.2019). [2] Agora Energiewende: „Stromspeicher in der Energiewende“. 2014. [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Mobilität in Deutschland. Kurzreport. Verkehrsaufkommen - Struktur - Trends. 2019. [4] Regulatory Assistance Project: Start with smart. 2019. Robert Busch Geschäftsführer bne - Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. Kontakt: robert.busch@bne-online.de Fanny Tausendteufel Referentin Energiewirtschaft bne - Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. Kontakt: fanny.tausendteufel@bne-online.de AUTOR*INNEN
