Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0075
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Zukunftstechnologie Power-to-Fuel
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Jonathan Paul
E-Mobility gilt vielerorts als Allheilmittel zur CO2 -Reduzierung. Doch die geringe Reichweite und mehrstündige Ladezeiten stellen ein Problem für privatwirtschaftliche Unternehmen dar. Eine sinnvolle Alternative besteht in der Nutzung von Wasserstoff (H2 ) als Treibstoff bei Fahrzeugen mit Brennstoffzellen. Damit erreichen Kraftfahrzeuge ähnliche Reichweiten wie mittels herkömmlichem Treibstoff und sie lassen sich innerhalb weniger Minuten betanken. Doch um Wasserstoff effizient nutzen zu können, ist ein flächendeckendes Tankstellennetzwerk notwendig. Dass das keine unlösbare Aufgabe ist, zeigt das Vorbild Schweiz. Dort hat sich ein Förderverein, bestehend aus mehreren Unternehmen – darunter der Handelskonzern Coop –, zum Ziel gesetzt, die Wasserstofftankstellen-Infrastruktur sukzessive auszubauen. Parallel haben die teilnehmenden Betriebe bereits angefangen, ihre Fuhrparks auf H2 -betriebene Fahrzeuge umzustellen, damit von Anfang an die Rentabilität der Tankstellen sichergestellt werden kann. Produziert wird der CO2 -neutrale Wasserstoff in einem Wasserkraftwerk. Das Ingenieurbüro Haas Engineering aus dem baden-württembergischen Gundelfingen war von Anfang an in dieses Vorhaben involviert und erbrachte alle zur Wasserstoff-Produktion notwendigen Ingenieurdienstleistungen.
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22 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität „Viele Betriebe haben erkannt, dass Wasserstoff großes Potenzial für eine klimafreundliche Produktion bietet“, erklärt Friedrich Haas, Geschäftsführer der Haas Engineering GmbH & Co. KG. „So wird der Energieträger etwa in der Stahl- und Metallindustrie, bei der Glasherstellung oder bei der Siliziumproduktion genutzt.“ Während der Einsatz in der Industrie bereits zum Alltag gehört, Zukunftstechnologie Power-to-Fuel CO 2 -Reduktion im Verkehr: Schweizer Unternehmen bauen rentable Tankstellen- Infrastruktur auf Basis von grünem Wasserstoff auf. Zusammenarbeit mit deutschem Ingenieurbüro bei Planung der Elektrolyseanlagen. Jonathan Paul E-Mobility gilt vielerorts als Allheilmittel zur CO 2 -Reduzierung. Doch die geringe Reichweite und mehrstündige Ladezeiten stellen ein Problem für privatwirtschaftliche Unternehmen dar. Eine sinnvolle Alternative besteht in der Nutzung von Wasserstoff (H 2 ) als Treibstoff bei Fahrzeugen mit Brennstoffzellen. Damit erreichen Kraftfahrzeuge ähnliche Reichweiten wie mittels herkömmlichem Treibstoff und sie lassen sich innerhalb weniger Minuten betanken. Doch um Wasserstoff effizient nutzen zu können, ist ein flächendeckendes Tankstellennetzwerk notwendig. Dass das keine unlösbare Aufgabe ist, zeigt das Vorbild Schweiz. Dort hat sich ein Förderverein, bestehend aus mehreren Unternehmen - darunter der Handelskonzern Coop -, zum Ziel gesetzt, die Wasserstofftankstellen-Infrastruktur sukzessive auszubauen. Parallel haben die teilnehmenden Betriebe bereits angefangen, ihre Fuhrparks auf H 2 -betriebene Fahrzeuge umzustellen, damit von Anfang an die Rentabilität der Tankstellen sichergestellt werden kann. Produziert wird der CO 2 -neutrale Wasserstoff in einem Wasserkraftwerk. Das Ingenieurbüro Haas Engineering aus dem baden-württembergischen Gundelfingen war von Anfang an in dieses Vorhaben involviert und erbrachte alle zur Wasserstoff-Produktion notwendigen Ingenieurdienstleistungen. Bild 1: Die aktuell 17 Mitgliedsunternehmen betreiben bis jetzt zusammen insgesamt 2 000 konventionelle Tankstellen und einen Fuhrpark mit rund 4 000 schweren Nutzfahrzeugen. © Coop Genossenschaft 23 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität wird er im Bereich der Mobilität noch skeptisch betrachtet. Ein Grund dafür ist unter anderem das lückenhafte Tankstellennetz, aufgrund dessen bisher noch keine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff gewährleistet ist. Ein weiteres, finanzielles Hindernis stellt die sogenannte EEG-Umlage dar, die nach dem Erneuerbare - Energien - Geset z (EEG) bei der Herstellung von H 2 anfällt. Im Gegensatz dazu wird die batteriebetriebene Elektromobilität durch Kaufprämien subventioniert. Der erste Schritt zu einem flächendeckenden Netzwerk Auch in der Schweiz spielte die Nutzung von Wasserstoff in der Mobilität nur eine unbedeutende Rolle, bis die Coop Genossenschaft, ein dort ansässiger, europaweit tätiger Handelskonzern, im Jahr 2008 beschloss, bis spätestens 2023 CO 2 -neutral zu werden. Das Unternehmen integrierte zunächst sechs Lastkraftwagen mit Batterieantrieb in die betriebseigene Flotte. „Die Anforderungen an unsere Fahrzeuge waren sehr hoch: Sie mussten in der Lage sein, einen Diesel-LKW mit Anhängerbetrieb der 34-Tonnen-Klasse und identischem Leistungsvermögen zu ersetzen, sprich: in erster Linie eine ähnliche Reichweite generieren“, erklärt Jörg Ackermann, der bei Coop für den energietechnischen Wandel mit verantwortlich ist. „Dies konnten gewöhnliche Elektrofahrzeuge bisher nicht leisten.“ Bei der Suche nach einer Alternative stieß Ackermann 2013 auf die Wasserstofftechnologie, die in der Schweiz bis dato kaum praxiserprobt war. Um gemeinsam den Aufbau eines flächendeckenden Wasserstoffnetzes voranzutreiben sowie in Kooperation mit den zuständigen Behörden die notwendigen regulatorischen Grundlagen zu erarbeiten, führte Coop verschiedene Partner und Forschungsanstalten zusammen. Aus diesen Bemühungen heraus entstand im November 2016 die erste Wasserstofftankstelle in der Schweiz, die von einem nahen, CO 2 -neutralen und schadstofffreien Wasserkraftwerk versorgt wird. 2018 folgte die Gründung des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz mit heute 17 Mitgliedsunternehmen, dem Ackermann als Präsident vorsteht. Zu den am Projekt beteiligten Unternehmen zählt auch Haas Engineering, das bereits vor 20 Jahren erste Pläne für H 2 -betriebene Industrie- und Mobilitätsanlagen erfolgreich umsetzte. „Wir unterstützen Coop und Unternehmen im Umfeld des neu gegründeten Fördervereins seit 2015 durch umfangreiche Ingenieursdienstleistungen“, erklärt Haas. „Dazu zählt zum Beispiel die Planung von Wasserstoffproduktionsanlagen. Die Herausforderung liegt hier vor allem darin, die Projektziele bereits zu Beginn klar zu definieren, um spätere Änderungen möglichst gering halten zu können.“ Das Schweizer Projekt nimmt auch für die erfahrenen Ingenieure von Haas Engineering eine Sonderrolle ein, da eine ungewohnte Ausgangslage vorliegt. Dies betrifft insbesondere die gesetzlichen Richtlinien und Genehmigungsverfahren für die Elektrolyseanlagen und Tankstellen. Neu gegründeter Förderverein beschließt Aufbau eines flächendeckenden Tankstellennetzes Mit der Inbetriebnahme einer einzigen Tankstelle gab sich der Schweizer Förderverein jedoch nicht zufrieden: „Die Umrüstung des Fuhrparks auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge lohnt sich nur, wenn die Infrastruktur flächendeckend vorhanden ist“, erläutert Ackermann. „Damit sich ein solches Tankstellennetz jedoch rentiert und ausgelastet ist, müssen wiederum genügend Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein, die mit Wasserstoff betrieben werden.“ Der Förderverein hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2023 ein flächendeckendes Wasserstofftankstellennetz in der Schweiz aufzubauen. Die aktuell 17 Mitgliedsunternehmen betreiben bis Bild 3: Die Coop Genossenschaft, ein europaweit tätiger Handelskonzern aus der Schweiz, eröffnete im Jahr 2016 die erste Wasserstofftankstelle in der Schweiz. © Coop Genossenschaft Bild 2: Betankung eines Fahrzeugs mit Wasserstoff. © Coop Genossenschaft 24 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität jetzt zusammen insgesamt 2000 konventionelle Tankstellen und einen Fuhrpark mit rund 4000 schweren Nutzfahrzeugen. Dadurch ist der Verein in der Lage, die notwendige Infrastruktur mit einem vergleichsweise moderaten Aufwand selbst zu etablieren und diese durch einen eigenen Fuhrpark auch wirtschaftlich zu nutzen. Auf diese Weise entsteht wiederum ein Anreiz für andere Unternehmen und Privatpersonen, ebenfalls auf mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge umzusteigen. Eine Hürde, die der Förderverein zu meistern hatte, war ein Mangel an Lastkraftwagen, die den Leistungsanforderungen der Unternehmen entsprachen. Dafür arbeitete der Verein eng mit der H2 Energy AG zusammen, welche wiederum eine Kooperation mit Hyundai Motor einging. Im Rahmen dieser Kooperation wird der südkoreanische Automobilhersteller bis 2023 etwa 1000 wasserstoffbetriebene Lastkraftwagen der 34-Tonnen-Klasse an die Mitgliedsunternehmen in der Schweiz liefern. Durch diese Vorgehensweise schließt sich ein CO 2 -neutraler, für alle beteiligten Unternehmen wirtschaftlicher Wasserstoffkreislauf von der Herstellung des Energieträgers am Wasserkraftwerk über den Transport zur Tankstelle mittels b r e n n s tof f z e l l e n b e tr i e b e n e r Fahrzeuge bis zur schadstofffreien Nutzung im betriebseigenen Fuhrpark. Auch ein Modell für Deutschland? Während Unternehmen in der Schweiz bereits einen wichtigen Schritt in Richtung CO 2 -Neutralität im Verkehr gemacht haben, steht Deutschland erst am Anfang der Entwicklung. „Deutschland und die Schweiz unterscheiden sich vor allem in steuerlicher Der Förderverein H2 Mobilität Schweiz wurde im Mai 2018 von den Unternehmen Agrola AG, AVIA Vereinigung, Coop, Coop Mineraloel AG, fenaco Genossenschaft, Migrol AG und Migros-Genossenschafts-Bund als gemeinsame Plattform gegründet, um den Aufbau der Wasserstoffmobilität in der Schweiz konkret zu fördern und zu beschleunigen. Ziel des Vereins ist es, in der Schweiz ein flächendeckendes Netz an Wasserstofftankstellen aufzubauen. Zwischenzeitlich haben sich auch die SOCAR Energy Switzerland GmbH, Shell, die Emil Frey Group, Galliker Transport & Logistics, Camion Transport, G. Leclerc Transport, F. Murpf, Tamoil, Chr. Cavegn und die Emmi Schweiz angeschlossen. Sie vereinen über 4000 schwere Nutzfahrzeuge und über 2000 Tankstellen in der Schweiz. Die Vereinsmitglieder wollen durch die Unterstützung dieser nachhaltigen Form der Elektromobilität einen Beitrag zur Erreichung der CO 2 -Ziele im Straßenverkehr leisten. FÖRDERVEREIN H2 MOBILITÄT SCHWEIZ Haas Engineering GmbH & Co. KG ist ein verfahrenstechnisches Ingenieurbüro mit mehr als 30-jähriger Erfahrung. Das Unternehmen bietet die gesamte Bandbreite an Ingenieurdienstleistungen für die pharmazeutische und chemische Industrie sowie für den Bereich der erneuerbaren Energien an. Das Portfolio umfasst unter anderem die Durchführung von Machbarkeitsstudien, Vorstudien, Basic Engineering, Detail Engineering sowie die Überwachung und Inbetriebnahme aller Projektphasen. HAAS ENGINEERING GMBH & CO. KG Bild 4: Produziert wird der Wasserstoff CO 2 -neutral und ohne Schadstoffe in einem nahen Wasserkraftwerk mit Hilfe von Elektrolyseuren. © Haas Engineering GmbH & Co. KG 25 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität SMARTE IDEEN SMARTE LÖSUNGEN SMART ENERGY GEMEINSAM ZUKUNFTS- TECHNOLOGIEN ERLEBEN. EUROPAS FÜHRENDE ENERGIEFACHMESSE E-WORLD ENERGY & WATER 11. - 13. FEBRUAR 2020 ESSEN | GERMANY #Eworld2020 www.e-world-essen.com und wirtschaftlicher Hinsicht“, berichtet Haas von seinen Erfahrungen. „Die CO 2 -freie Mobilität wird in der Schweiz vorteilhafter behandelt als hierzulande. Außerdem sind die Genehmigungsverfahren für die notwendigen Anlagen kürzer, was die Umsetzung der Projekte vereinfacht.“ In den vergangenen Monaten ist jedoch ein zunehmendes Interesse der Öffentlichkeit an der Brennstoffzellenthematik und der CO 2 -Freiheit zu bemerken. So wurden erst kürzlich beim vom Bundeswirtschaftsministerium ausgelobten Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ zahlreiche Projekte ausgezeichnet, die sich im industriellen Maßstab mit Wasserstofftechnologien befassen. „Wenn diese Stimmung anhält und langfristig die politischen Rahmenbedingungen verbessert werden, stehen die Chancen für ein Projekt wie in der Schweiz durchaus gut. Dies setzt aber voraus, dass sich einerseits Investoren finden, um die notwendigen Technologien voranzutreiben, und andererseits Unternehmen bereit stehen, die gewillt sind, solche Projekte zu unterstützen und mitzutragen“, so Haas. Ackermann ist mit dem bisherigen Projektverlauf in der Schweiz sehr zufrieden: „Aus meiner Sicht hat das System dann dauerhaft Erfolg, wenn ausschließlich grüner Wasserstoff eingesetzt, ein privatwirtschaftlicher Ansatz verfolgt und die Wirtschaftlichkeit für alle Beteiligten sichergestellt wird.“ Weitere Informationen im Internet unter: https: / / h2mobilitaet.ch und www.haasengineering.de Dipl.-Ing. Jonathan Paul Projektleiter Haas Engineering GmbH & Co. KG Kontakt: info@haasengineering.de AUTOR
