Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0077
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Mobilfunk im Wandel
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Andreas H. Schmidt
Heute ist fast jeder Mensch rund um die Uhr mobil erreichbar. Mit seinem Smartphone surft er zudem im Internet, streamt Musik und lädt Filme in HD-Qualität herunter. Im Bereich der Maschinen, Anlagen und dezentralen Stationen fehlt oft eine solch durchgängige Vernetzung. Doch um Prozesse noch flexibler und effizienter zu gestalten, wird eine umfassende Konnektivität benötigt. Der neue Kommunikationsstandard 5G eröffnet hier wichtige Perspektiven.
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29 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Als erstes deutsches „Mobilfunknetz“ ging das A-Netz 1958 in Betrieb. Seinerzeit wurden Gespräche manuell vermittelt. Auch die Mobilität war sehr eingeschränkt, da die erforderliche voluminöse Röhrenfunkanlage in den Kofferraum eines großen Autos eingebaut werden musste. Aufgrund der deshalb lediglich knapp 11 000 Teilnehmer erwies sich das A-Netz nicht als massentaugliche Technologie. Das analoge B-Netz - immerhin bereits für Selbstwähler konzipiert - sollte ebenfalls kein Massenprodukt werden. Es funkte von 1972 bis 1994 und ersetzte das 1977 eingestellte A-Netz. Die Übertragung zwischen Feststation und Mobiltelefon erfolgte analog und unverschlüsselt, sodass jeder, der ein Funkgerät mit entsprechendem Empfangsbereich besaß, die Gespräche mithören konnte. 1985 wurde das B-Netz dann vom C-Netz abgelöst. Analoges C-Netz mit ersten Mobiltelefonen Mit dem analogen C-Netz reduzierten sich die Größe und der Preis der Autotelefone. Erste tragbare Mobiltelefone kamen auf den Markt und der uns jetzt bekannte Mobilfunk begann. Das auf dem C-450-Standard basierende C-Netz war die letzte analoge Generation des Mobilfunks. Es wurde von 1985 bis 2000 auf den Frequenzen um 450 MHz betrieben und bot den Nutzern einige heute selbstverständliche Vorteile: den zellularen Aufbau sowie eine unterbrechungsfreie Verbindungsübergabe zwischen den Funkzellen. Damals gab es die einheitliche Vorwahl 0161, Mobilfunk im Wandel Umfassende Konnektivität als Ziel Andreas H. Schmidt Heute ist fast jeder Mensch rund um die Uhr mobil erreichbar. Mit seinem Smartphone surft er zudem im Internet, streamt Musik und lädt Filme in HD-Qualität herunter. Im Bereich der Maschinen, Anlagen und dezentralen Stationen fehlt oft eine solch durchgängige Vernetzung. Doch um Prozesse noch flexibler und effizienter zu gestalten, wird eine umfassende Konnektivität benötigt. Der neue Kommunikationsstandard 5G eröffnet hier wichtige Perspektiven. © Phoenix Contact 30 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation unter der bis zu 850 000 Teilnehmer erreicht werden konnten. Ab 1990 wurde das C-Netz um eine automatische Rufweiterleitung und den netzgestützten Anrufbeantworter ergänzt. Eine Verschleierung des Funksignals erschwerte das unberechtigte Abhören der Kommunikation. Weitere europäische Länder setzten allerdings andere, nicht miteinander kompatible Standards wie NMT (NMT-450) oder TACS ein. Das verhinderte ein internationales Roaming der Nutzer und war einer der wesentlichen Gründe für die Entwicklung von GSM (Global System for Mobile Communications). Digitales GSM-Netz (2G) für die grenzüberschreitende Nutzung Anfang der 1990er Jahre wurde das digitale GSM-Mobilfunknetz erst in Europa und später weltweit aufgebaut. Schon 1987 einigten sich die europäischen Länder auf die erste GSM-Spezifikation. Parallel sorgte die EU-Kommission für die Harmonisierung des Spektrums auf 900- MHz. Der weltweit erste Anruf über GSM fand 1991 im Netz des finnischen Anbieters Radiolinja statt. In Deutschland funkten 1992 die ersten D-Netze als zellulares, digitales Mobilfunksystem im GSM-900-Frequenzbereich im Regelbetrieb. 2005 wurde der GSM-Standard bereits von mehr als 200 Staaten weltweit unterstützt. Durch das Roaming-Abkommen war es möglich, Mobiltelefone grenzüberschreitend zu verwenden. Seinerzeit sollte per GSM Sprache übertragen werden. Die heute bekannte Datenkommunikation war zu diesem Zeitpunkt nicht relevant. Die SMS, die eigentlich für Störungsmeldungen geplant war, startete ihren Siegeszug als Messaging-Dienst ab Mitte der 1990er Jahre (Bild- 1). Mit seinen 160 Zeichen erfreute sich der Dienst so großer Beliebtheit, dass die Netzbetreiber einen hohen Umsatz erwirtschafteten. Erst durch den Boom der New Economy an den Börsen stieg Ende der 1990er Jahre der Bedarf, Daten über das bestehende Mobilfunknetz zu senden. Aus diesem Grund wurden die GSM-Mobilfunknetze zunächst um GPRS (General Packet Radio Service) und danach um EDGE (Enhanced Data Rates for GSM Evolution) erweitert. Die entsprechend modernisierten GSM- Netze werden auch als Generation- 2.5 bezeichnet. Selbst wenn die technischen Unterschiede nicht sofort ersichtlich sind, erweisen sie sich als gravierend: Bei GSM ist der Datenaustausch leitungsvermittelnd, bei GPRS/ EDGE paketorientiert, will heißen die Kommunikation erfolgt per IP-Adresse mit einer Datenrate bis 64 kBit/ s. Schnelleres UMTS- Netz (3G) zur stärkeren Berücksichtigung der Datenübertragung Rund acht Jahre nach der Einführung von GSM wurden 2000 die Mobilfunknetze der dritten Generation (3G) auf der Grundlage von UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) aufgebaut. Das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) hatte UMTS ursprünglich standardisiert. Heute wird der Standard durch das 3rd Generation Partnership Project (3GPP) weitergepflegt. Anders als bei GSM fand die Datenübertragung im Vergleich zur Telefonie nun eine wesentlich stärkere Berücksichtigung. Neue Technologien innerhalb der 3G-Netze ermöglichen deutlich höhere Datenraten als bei GSM, GPRS oder EDGE: bis zu 42 MBit/ s mit HSPA+ respektive maximal 384 kBit/ s bei UMTS. Mit den 3G-Netzen haben das mobile Internet, Multimedia- Streaming und Global Roaming Einzug in den Alltag gehalten. Im August 2000 zahlten die deutschen Netzbetreiber rund 100 Milliarden Deutsche Mark für das 3G-Spektrum im 2,1-GHz-Band. Dies war der höchste Betrag, der Bild 1: Mit dem Gerät der Produktfamilie TC Mobile IO werden die Mitarbeiter per SMS beispielsweise über eine Störung informiert. © Phoenix Contact Bild 2: Phoenix Contact stellt verschiedene Geräte für den Mobilfunkstandard 4G zur Verfügung. © Phoenix Contact Bild 3: ZVEI und Telekommunikationsbranche haben die Initiative 5G-ACIA gegründet, in der Phoenix Contact von Beginn an mitarbeitet. © Phoenix Contact 31 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation weltweit für die Frequenzen erlöst wurde. Aus den hohen Kosten resultierte unter anderem der schleppende Durchbruch von UMTS im Massenmarkt. Latenzoptimiertes LTE-A- Netz (4G) für High-Speed Internet und Multimedia- Streaming 4G steht für den Mobilfunkstandard der vierten Generation. Im August 2010 nahm die Deutsche Telekom den ersten LTE-Mast (Long Term Evolution) in Deutschland in Betrieb. Streng genommen erfüllte die erste LTE-Generation mit einer Datenrate von 150 MBit/ s noch nicht die Kriterien, welche die 3GPP für 4G formuliert hatte. Daher handelt es sich bei LTE aus technischer Sicht nur um 3.9G. Erst bei LTE Advanced (LTE-A), das mit Trägerbündelung und MIMO-Antennentechnik (Multiple Input Multiple Output) Bitraten von mehr als 1 GBit/ s erreicht, kann von 4G gesprochen werden. Die Architektur von LTE ist rein paketorientiert und im Evolved Packet System (EPV) beschrieben. Aufgrund der geringen Latenzzeit von LTE lassen sich Sprachdienste (VoIP) und Videotelefonie über das IP-Protokoll sowie mobiles High-Speed Internet und Multimedia-Streaming in HD übertragen (Bild 2). Ultraschnelles 5G-Netz als Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation Anfang 2017 begann die 3GPP mit den Spezifikationsarbeiten zu 5G. Laut Bundesregierung stellt 5G die „Schlüsseltechnologie der digitalen Transformation“ dar. Sicher ist, dass der Funkstandard die digitale Zukunft Deutschlands prägen wird. Mit ihm lassen sich Daten wesentlich schneller - mit bis zu 10 GBit/ s - drahtlos weiterleiten. Große Fortschritte bringt 5G zudem hinsichtlich der Latenz, die unter einer Millisekunde betragen kann (Bild 3). Darüber hinaus können 5G- Netze so aufgebaut werden, dass sie hunderttausende in smarten Städten und Industrieanlagen installierte Sensoren miteinander vernetzen. Möglich wird dies durch das sogenannte Network Slicing. Die zugrunde liegende Technologie erlaubt, in einem physischen 5G-Netz mehrere virtuelle Netze aufzuspannen. Diese Slices können dann unterschiedliche Merkmale aufweisen, zum Beispiel geringe Latenz, eine besonders hohe Datenrate oder die Fähigkeit, Daten von sehr vielen Geräten gleichzeitig zu kommunizieren. Auf diese Weise wird das Mobilfunknetz gleichzeitig den Bedürfnissen verschiedener Benutzergruppen gerecht. Ab dem zweiten Halbjahr 2019 vergibt die Bundesnetzagentur über ein Antragsverfahren weitere für 5G geeignete Frequenzen im Bereich von 3,7 bis 3,8 GHz. Diese Frequenzen sollen beispielsweise Industrieunternehmen lokal nutzen können, um eigene, nicht-öffentliche 5G-Industrienetze zum Datenaustausch in ihren Fabriken zu errichten und privat zu betreiben. So lassen sich anspruchsvolle Anwendungen realisieren, wie die Steuerung und Vernetzung von Robotern, Maschinen und anderen Geräten, in der Warenlogistik sowie beim autonomen Fahren, da 5G höchste Anforderungen an die Verfügbarkeit und Latenz erfüllt. Doch selbst wenn private schneller als öffentliche 5G-Netze installiert sein werden, müssen entsprechende Geräte erhältlich sein. Bis die notwendigen Chips entwickelt sind und in die Geräte eingebaut werden können, wird noch einige Zeit vergehen. Es ist also ein wenig Geduld beim Anwender gefragt (Bild 4). 1. Verbessertes mobiles Broadband Enhanced Mobile Broadband (eMBB) steht für eine hohe Verfügbarkeit des Netzes sowie hohe Kapazität und Datenraten. Hierzu führt das Anwenderprofil technische Neuerungen ein: zusätzliche Frequenzen und weiterentwickelte Gruppenantennen, die Massive MIMO und Beamforming - ein Verfahren zur Positionsbestimmung von Quellen - erlauben. 2. Massive Maschine-zu-Maschine- Kommunikation Mit Massive Machine Type Communications (mMTC) sollen kosteneffiziente und robuste Verbindungen zwischen Milliarden von Geräten ermöglicht werden, ohne das Netzwerk zu überlasten. Wichtig dabei sind ein geringer Energieverbrauch, langfristige Verfügbarkeit, niedrige Wartungskosten sowie eine sehr gute Netzabdeckung. 3. Ultrazuverlässige, verzögerungsfreie Kommunikation Ultra-Reliable Low Latency Communications (URLLC) erschließt eine völlig neue Klasse von Anwendungsfällen. Es werden neue Anforderungen verschiedener Branchen unterstützt, zum Beispiel autonomes Fahren, selbstlenkende Gabelstapler, intelligente Roboter in der Produktion sowie weitere Industrie 4.0-Anwendungen. VERSCHIEDENE ANWENDUNGSFELDER VON 5G Andreas H. Schmidt Senior Specialist Mobile Networks Phoenix Contact Electronics GmbH Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR Bild 4: Der 4G-Standard wird integraler Bestandteil von 5G bleiben. © Phoenix Contact Mehr Informationen: phoe.co/ industrial-communication-standards