Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2019-0078
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Basis für die Stadt der Zukunft
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Bernhard Kirchmair
Smart-City-Anwendungen verbessern die Lebensqualität in Städten, benötigen jedoch eine geeignete Kommunikationsinfrastruktur, um reibungslos zu funktionieren. Das Mittel der Wahl ist hier der Funkstandard LoRaWAN. Denn mit LoRaWAN können Daten störungsfrei und kabellos über weite Distanzen, in tiefe Keller und durch dicke Betonwände übertragen werden. Auch der Netzaufbau geht schnell und kostet nicht viel.
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32 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Im dicht besiedelten Deutschland leben 77,3 Prozent der Einwohner in Städten [1]. Doch je mehr Menschen in die Städte ziehen, desto mehr verschärfen sich auch Probleme durch die Verkehrs- und Umweltbelastung oder das Müllaufkommen. Dem wollen Smart-City-Initiativen entgegenwirken. Digitalisierung soll nicht bloßer Selbstzweck sein, neue Technologien und Vernetzung werden eingesetzt, um die Lebensqualität der Bürger zu verbessern. Aus Situation und Identität jeder Stadt lässt sich ableiten, wo Handlungsbedarf besteht. Doch für Smart City-Anwendungen muss zuerst eine Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut werden. Diese wird dann mit einer zentralen IoT-Plattform verbunden, welche die übertragenen Sensordaten auswertet und den smarten Apps bereitstellt. Die Datenübertragung muss über weite Strecken kabellos sowie durch Betonwände und Häuserblocks funktionieren. Sensoren, die an Parkplätzen, Laternenmasten, Müllcontainern oder Feinstaub-Messstationen installiert werden, sollen für das Erfassen und Senden von Messwerten wenig Strom verbrauchen. Die Messfühler laufen in der Regel im Batteriebetrieb. Ein Wechsel der Akkus ist aufwendig, was es zu vermeiden gilt. Darüber hinaus muss die Datenübertragung sicher sein und gewährleisten, dass die Daten authentisch sind. WLAN und Mobilfunk scheiden aus Welche Funktechnik - WLAN, Mobilfunk oder LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) - erfüllt die Kriterien für eine Kommunikationsinfrastruktur am besten? WLAN scheidet für Smart-City- Projekte schnell aus, auch wenn diese Technik wenig kostet und lizenzfrei ist. Denn die Nachteile wiegen schwerer: WLAN verbraucht viel Strom, reicht nicht weit und Probleme gibt es beim Durchdringen dicker Betonmauern oder tiefer Keller. Außerdem kann jeder, der will, die schmalen Frequenzbänder belegen. Aus diesem Grund ist eine künftige Überlastung anzunehmen. Im Gegensatz dazu kann Mobilfunk große Entfernungen überwinden. Allerdings verbraucht die Technik viel Energie - und ist teuer, denn für den Provider entstehen monatliche Kosten. Daneben zahlen Nutzer einen weiteren Preis: Die Datenhoheit liegt beim Mobilfunknetzbetreiber. Abgesehen davon liegt aber der große Vorteil darin, dass der aktuelle Mobilfunkstandard LTE größere Datenmengen schnell drahtlos über weite Distanzen transportiert. Er eignet sich also für Video-Streams oder Echtzeit- Datentransfers, bei denen viel Bandbreite gefragt ist und eine geringe Latenz entscheidend ist. Der neue Mobilfunkstandard 5G hingegen verspricht einen Leistungsschub, was ihn künftig prädestiniert, den Datentransfer für viele IoT-Anwendungen abzuwickeln, insbesondere für autonomes Fahren. Denn hierbei geht es um Sekundenbruchteile, um Sicherheit im Verkehr zu gewährleisten. Es wird jedoch noch ein wenig dauern, bis die 5G-Netze vollständig aufgebaut sind. LoRaWAN ist erste Wahl Auf 5G zu warten, ist jedoch nicht der einzige Weg, den vernetzte Städte gehen können: Bei Smart- City-Projekten fallen in erster Linie kleine Datenpakete an, die nicht latenzkritisch sind und keine kontinuierliche Kommunikation erfordern. Die Vorzüge des Mobilfunks kämen nicht zum Tragen. Im Vergleich zum Mobilfunk und WLAN ist LoRaWAN stromsparend, hat eine große Reichweite und kostet keine monatliche Gebühr. Seine geringe Datenrate von 50 KB/ s liegt noch Basis für die Stadt der Zukunft Die Technologie LoRaWAN wird sich zum Funkstandard für smarte Services in der Stadt etablieren Bernhard Kirchmair Smart-City-Anwendungen verbessern die Lebensqualität in Städten, benötigen jedoch eine geeignete Kommunikationsinfrastruktur, um reibungslos zu funktionieren. Das Mittel der Wahl ist hier der Funkstandard LoRaWAN. Denn mit LoRaWAN können Daten störungsfrei und kabellos über weite Distanzen, in tiefe Keller und durch dicke Betonwände übertragen werden. Auch der Netzaufbau geht schnell und kostet nicht viel. © Gerd Altmann auf Pixabay 33 4 · 2019 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation unter denen der 56K-Modems, die früher geräuschvoll den Internetzugang herstellten. In smarten Städten reicht LoRaWAN aus, um die dortigen kleinen Datenpakete sicher zu übertragen. Dazu bietet es weitere Vorteile: LoRaWAN ist technisch gesehen ein Low Power Wide Area Network (LPWAN), es zeichnet sich durch langlebigen Batteriebetrieb der einfachen Sensoren aus. Charakteristisch ist für solch ein Funknetz, dass es eine hohe Empfangsempfindlichkeit aufweist. Insgesamt ist der Netzaufbau einfach und kostengünstig herzustellen. Für eine Stadt mittlerer Größe reicht beispielsweise schon eine einzige Basisstation, solange diese in großer Höhe installiert wird und nur im Außenbereich funken soll. Sie deckt unter diesen Voraussetzungen maximal einen Umkreis von 15 Kilometern ab. Ihre Signale gehen mit TCP/ IP SSL-verschlüsselt an einen Netzwerk-Server, der mit dem Applikationsserver für Smart-City-Anwendungen verbunden ist, um beispielsweise den Status der Straßenbeleuchtung anzuzeigen. Genutzt wird für LoRaWAN in Europa das 868-Megaherz- Frequenzband - ein öffentliches Band, auf dem jeder Funkdienste lizenzfrei betreiben darf. Die Anbindung erfolgt über offene Schnittstellen (Apllication Programming Interfaces, APIs), sodass es schnell und einfach möglich ist, Sensoren hinzuzufügen. Daher kann eine Stadt ihr Netz, über das sie die Datenhoheit hat, einfach über weitere Basisstationen erweitern. Verkehr, Müll, Abwasser und das Ganze im Blick Das Einsatzfeld für LoRaWAN ist groß. Denn der Bedarf, lokal begrenzte Projekte umzusetzen, bei denen sensible Daten verarbeitet werden, besteht eigentlich überall. Je nach Situation vor Ort haben unterschiedliche Projekte Vorrang. Großstädte gewinnen viel, wenn sie den Verkehr flüssiger gestalten. In Winterthur lag der Bedarf zuerst in einer intelligenten Straßenbeleuchtung, während man sich in Heidelberg zunächst auf eine optimierte Müllentsorgung konzentrierte. Auch Freiburg praktiziert Smart-City-Technik. Die Stadt im Breisgau hat insgesamt 20 Gateways für ein flächendeckendes LoRaWAN installiert. Ein erstes Projekt ist die Überwachung des Abwassersystems [2]. Bisher mussten die Monteure tief in die Schächte klettern, um die Wasserzähler abzulesen. Eine mühsame Angelegenheit - zwei Arbeitskräfte schafften am Tag gerade einmal fünf Einheiten. Jetzt wurden in den Kanalschächten Sensoren angebracht, die die Wassermenge, den Druck, die Fließgeschwindigkeit und die Temperatur messen. Die Sensoren senden die Informationen ans nächste LoRaWAN-Gateway, das sie zur Auswertung an den Server des Abwassernetzbetreibers bnNetze weiterleitet. Die Funktechnik LoRaWAN bildet die Basis in einem Gesamtkonzept für eine Smart City, das mögliche Vorhaben auflistet und priorisiert, Verantwortlichkeiten benennt und Entscheidungsstrukturen schafft. Ein weiterer wichtiger Baustein ist eine Plattform, auf der Anwendungen entwickelt und betrieben, Daten ausgetauscht und die Identitäten von Bürgern sicher verwaltet werden. Diese Plattform benötigt offene APIs, um sie an die digitalen Verwaltungsprozesse, IT-Systeme sowie Operational Technologie (OT) wie Verkehrssteuerungen oder Wasserversorgung anzubinden. Zudem muss die Plattform skalieren können, um Projekte nach und nach umzusetzen. Smarte Services für die Bürger - und mit ihnen Mit LoRaWAN steht eine Funktechnik zur Verfügung, mit der Großstädte, kleinere Städte und Gemeinden Smart-City-Projekte schnell und kostengünstig realisieren können. Die Infrastruktur stellt sie nicht vor riesige Herausforderungen. Nicht zu unterschätzen ist hingegen, dass Stadtverantwortliche den Bürgern erklären müssen, wie und wo die smarten Services ihren Alltag verbessern. Bürgerbeteiligung ist daher ein wesentlicher Aspekt - sie lässt sich beispielsweise über eine Kommunikationsplattform herstellen. Auf der können sich Bürger mit ihren Ideen einbringen und am Entwicklungsprozess teilhaben. Das gelingt am besten, wenn eine Stadt mit einem kleinen Pilotprojekt in einem ausgewählten Stadtbezirk beginnt und dies dann von den Bürgern testen lässt. Im Gegenzug gibt es wertvolles Feedback, das die Entwickler aufgreifen sollten. Letztendlich steigt so die Akzeptanz gegenüber den digitalen Neurungen. QUELLEN [1] Urbanisierungsgrad: Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung in Deutschland, von 2000 bis 2017, statista, 19. 09. 2018. https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 662560/ umfrage/ urbanisierung-in-deutschland/ [2] LoRaWAN: Ein Netzwerk für die Smart City; Angela Schmid: Edison powered by Tagesspiegel, 30. 04. 2018; https: / / edison. h a n d e l s b l a t t . c o m / e r k l a e r e n / lorawanein-netz werk-fuer-diesmart-city/ 21212384.html Dr. Bernhard Kirchmair Chief Digital Officer VINCI Energies Europe East Kontakt: ved@akima.de AUTOR
