eJournals Transforming cities 5/1

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0009
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Hamburgs neuestes Quartier gestaltet Gemeinschaft durch Stadtnatur

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Clara Grimes
Die Hansestadt Hamburg erfreut sich einer anhaltenden Beliebtheit und damit einhergehenden wachsenden Einwohnerzahlen. Wie viele Städte in Deutschland und Europa sieht sich die Stadt damit allerdings auch mit einer zunehmend angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert.
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21 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Für die Stadt Hamburg bedeutet der Zuzug vor allem, dass für die wachsende Bevölkerung auch zunehmend Wohnungen gebaut werden müssen - und das schnell. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, plant man in Hamburg deshalb nun drei neue Wohngebiete im Süd-Westen der Stadt: Vogelkamp Neugraben, Fischbeker Heidbrook und Fischbeker Reethen. Alle drei Gebiete liegen in dem grün geprägten Bezirk Hamburg-Harburg. Konkret heißt das für die Stadt, dass die bestehenden Siedlungskerne von Neugraben und Fischbek so erweitert werden müssen, dass die Natur- und EU-Vogelschutzgebiete von Moorgürtel und Fischbeker Heide geschont werden. Heute wohnen rund 31 000 Einwohner in Neugraben- Fischbek. Bis ins Jahr 2025/ 26 wird ein Bevölkerungszuwachs von rund 12 000 Menschen erwartet, für die sowohl die guten Verkehrsanbindungen in die Hamburger Innenstadt, als auch die Ruhe der umliegenden Natur und Schutzgebiete attraktiv sind. Einen Wandel dieser Größenordnung auf naturverträgliche Weise zu vollziehen, stellt eine Herausforderung für die städtische Planung dar. Über das EU finanzierte CLEVER Cities-Projekt sucht die Stadt nun nach innovativen Lösungen aus der Natur. Hamburgs neuestes Quartier gestaltet Gemeinschaft durch Stadtnatur Urbanisierung, Städtebau, Stadtökologie, Stadtgrün, Nachhaltigkeit Clara Grimes Die Hansestadt Hamburg erfreut sich einer anhaltenden Beliebtheit und damit einhergehenden wachsenden Einwohnerzahlen. Wie viele Städte in Deutschland und Europa sieht sich die Stadt damit allerdings auch mit einer zunehmend angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert. Bild 1: Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten für Anwohner und Besucher in Neugraben- Fischbek. © Josephine Vogelmann, steg Hamburg mbH 22 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Quartier im Wandel Noch im Frühsommer 2018 konnte man bei einem Spaziergang die kleinen, verschlafenen Dorfkerne von Neugraben und Fischbek durchqueren, vorbei an Schulen und Kirchen, offenen Feldern und einer Reihe temporärer Flüchtlingsunterkünfte. Diese sind heute neuen Straßenzügen mit bereits fertig bezogenen Häusern gewichen: Das Viertel befindet sich sichtbar im Wandel. Solch schnelle Zuwuchsraten durch vor allem junge, ortsfremde Bewohner machen die Gemeinschaft und den Zusammenhalt im Viertel zu einem wichtigen Thema. Die aktive Beteiligung neuer Gruppen an der Mitgestaltung des Stadtteils verspricht viel für die Zukunft der Region. Allerdings stellt das Zusammenwachsen neuer und alter Viertel sowie der aktive Austausch zwischen neu zugezogenen und alteingesessenen Mitbürgern immer auch eine Herausforderung dar. Dies gilt auch für eine ausreichende soziale Beteilung von Schülern und jungen Menschen, die künftig vielleicht selber einmal in Neugraben-Fischbek eigene Haushalte gründen könnten. Das Bezirksamt Harburg hat durch seine erfolgreiche Bewerbung für das EU-Projekt CLEVER Cities einen geeigneten Handlungsrahmen geschaffen, um wichtige Aspekte der zu bewältigenden Herausforderungen und Aufgaben für die Stadtentwicklung mit einem hamburgweiten Projektverbund zu bearbeiten. Teil des Teams sind sowohl relevante Abteilungen der Stadt Hamburg, als auch die Stadterneuerungs- und Stadtentwicklingsgesellschaft Hamburg (STEG), die Hafencity Universität Hamburg, das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) und die Technische Universität (TU) Hamburg. Gestaltung naturbasierter Lösungen Das ambitionierte Projekt soll bestehende Orte und Dorfkerne in Neugraben-Fischbek durch einen „Korridor“ in Form eines Leitsystems verbinden und dabei neue Erfahrungen der Einwohner mit der Natur ermöglichen. Zu diesem Zweck sollen entlang des Korridors naturbasierte Projekte implementiert und Regenwassermanagementlösungen ausprobiert werden. Dies umfasst auch naturbasierte Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten wie den geplanten Naturerlebnisplatz für Anwohner und Besucher. Teile des Leitsystems sollen gemeinsam mit Anwohnern und Bürgern mitentwickelt werden, wie etwa durch die Initiative „Made in Süderelbe“. Mithilfe neuer Techniken und Apps, wie der „Sensafety“-App der TU Berlin, soll vor allem das Vertrauen in öffentliche Grünflächen als sichere Aufenthaltsorte gestärkt werden. Darüberhinaus werden auch soziale Aspekte bedacht und aufgegriffen. So sollen vor allem sozial benachteiligte Gruppen durch gezielte Einladungen zu informellen Veranstaltungen und Picknicks aktiv eingebunden werden. Eine erste Aktion dieser Art fand bereits diesen Sommer statt - als ein Teil der Anwohner*innen der neuen Wohnhäuser Hochbeete gemeinsam neu bepflanzte. Entlang des CLEVER-Korridors und innerhalb des Projektgebietes ist geplant, in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Akteuren, Gründächer als sogenannte Trittsteine zu qualifizieren und damit die Verbindungen zwischen den umliegenden Naturschutzgebieten zu stärken. Beispielsweise kann die Einrichtung von Nisthilfen für lokale Vogelarten und das Anbringen von Totholzelementen für Wildbienen „Mit diesen neuen Wohnungsbauprojekten besteht eine große Chance, das Wachstum Hamburgs nachhaltig mitzugestalten sowie die lokale Infrastruktur in Neugraben-Fischbek bedarfsgerecht zu qualifizieren und zu erweitern. Herausforderung für Stadtplanung und -erneuerung ist es hierbei, die Eingriffe in den Naturhaushalt gering zu halten und mithilfe von naturbasierten Lösungen, die im Rahmen des CLEVER Cities-Projekts entwickelt werden, einen positiven Beitrag für Mensch und Natur zu leisten.“ JAN PASTOORS Projektleitung CLEVER Cities, Freie und Hansestadt Hamburg - Bezirksamt Harburg „Damit Grünflächen tatsächlich durch die Einwohner*innen mitbenutzt werden, müssen diese aktiv an der Planung und Gestaltung beteiligt werden. Im Sommer 2019 fand mit Bewohner*innen der öffentlich-rechtlichen Unterkunft ein mehrsprachiger Beteiligungsworkshop statt, in dessen Folge der Bau von Hochbeeten gemeinsam realisiert werden konnte. Die Aktionen haben allen Beteiligten viel Spaß gemacht. Die Bewohner*innen und auch Mitarbeiter*innen erfreuen sich der Kräuter und pflegen diese nun gemeinsam.“ FRAUKE RINSCH Projektleitung, steg Hamburg mbH Bild 2: Gemeinsam werden neue Hochbeete gebaut. © Josephine Vogelmann, steg Hamburg mbH 23 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum und Insekten einen Beitrag zu einer naturbasierten Dachgestaltung in der Siedlung leisten. Auch anhand unterschiedlicher Fassadenbegrünungsprojekte sollen die vielen positiven Effekte naturnaher Lösungen demonstriert und für die Stadtteile genutzt werden. Zudem werden Projekte für ein Regenwassermanagement wichtiger Bestandteil sein, um unter anderem das Thema Klimaanpassung zu veranschaulichen. So findet sich die Idee der Schwammstadt in den Projekten, womit ein praktischer Beitrag zum Schutz überschwemmungsgefährdeter Orte im Gebiet geleistet werden kann. Wissenschaftliche Projektpartner werden die Maßnahmen begleiten, dabei neue Baumethoden und -materialien testen, die Leistung der Regenwasserrückhaltung und die Auswirkungen von naturbasierten Lösungen auf das Wohlbefinden der Anwohner dokumentieren und auswerten. Im Projektgebiet Neugraben- Fischbek werden darüber hinaus Schulhöfe nachhaltig und im Einklang mit der Natur neugestaltet. Höfe die bisher außerhalb der Schulzeiten nicht zugänglich waren, werden zukünftig auch öffentlich begehbar sein. Ein wichtiger Teilaspekt dieser Neugestaltung ist die gezielte Einbeziehung der Schüler*innen. Neben der Beschaffenheit der Schulanlagen sind die Schulen selbst, aufgrund ihrer Rolle für Umwelt- und Nachhaltigkeitsbildung, ein wichtiges Element von CLEVER Cities. Zusätzlich zu den Gemeinschaftsgärten auf dem Schulhof werden deshalb Projekte zur Regenwasserbewirtschaftung einen weiteren, praktisch erlebbaren Zugang zum Thema ermöglichen. Die Schüler*innen haben dabei nicht nur die Gelegenheit, mehr über Umwelt und Nachhaltigkeit zu lernen, sondern das Erlernte auch an Freunde und Familie weitergeben zu können. Vision Multifunktionale, öffentlich mitgestaltete Grünflächen dienen nicht nur als Basis für eine sozial inklusive und dynamische Nachbarschaft, sondern können künftig potenziell Jobs schaffen. Im CLEVER Cities-Projekt werden die kommerziellen Potenziale der implementierten naturbasierten Maßnahmen ermittelt. Mit Hilfe des HWWI sollen innovative ökonomische Projekte mit wirtschaftlichen Chancen dann weiter unterstützt werden. Dies betrifft beispielsweise Firmen die Lösungen rund um das Thema Stadtnatur umsetzen und sich damit für eine Weitervermarktung qualifizieren. Um weitere Ideen der Bewohner des Projektgebiets im Rahmen des Projektes aufzugreifen wird im Laufe des Jahres 2020 das CLEVER-Mobil, ein mobiles Beteiligungstool, die Stadtteile aufsuchen, um naturbasierte Lösungen zur Stadtentwicklung zu kommunizieren und Anregungen entgegenzunehmen. Der Aspekt der engen Einbindung der Bürger*innnen und weiterer Stakeholder entspricht dabei dem nachhaltigen Grundgedanken von CLEVER Cities. Clara Grimes Officer at ICLEI ICLEI - Local Governments for Sustainability Kontakt: clara.grimes@iclei.org AUTORIN Funke Kunststoffe GmbH 59071 Hamm-Uentrop www.funkegruppe.de info@funkegruppe.de Tel.: 02388 3071-0 Funke Filterschacht ® DN 1000 mit DIBt-Zulassung Z-84.2-19 Niederschlagswasser reinigen auf kleinstem Raum! bel_filterschacht-78x252.indd 1 11.02.20 11: 20