Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0012
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Grünes Wohnen in Städten
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Tassilo Soltkahn
Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Für die daraus entstehenden Herausforderungen, wie zunehmendem Flächenverbrauch, dichter werdendem Verkehr und wachsenden Umweltbelastungen, müssen Städtebauer Lösungen finden. Um nachhaltige Lösungen für mehr urbane Lebensqualität zu erarbeiten, ist die fachübergreifende Zusammenarbeit von Experten aus den Bereichen Architektur, Verkehrsplanung, Sozioökonomie, Raumplanung und Politik notwendig.
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31 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Immer mehr Menschen leben in Städten - Tendenz steigend. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan nannte unsere Zeit einmal „das Jahrtausend der Städte“. Die Menschheit hat sich also gegen das Leben auf dem Land entschieden und das Wohnen in Städten bietet durchaus Vorteile. Ökonomisch betrachtet sehen Zukunftsforscher zum Beispiel Chancen durch höhere Produktivität, Innovationskraft und sinkende Allgemeinkosten pro Einwohner. Für einzelne Bürger bedeutet Leben in der Stadt insgesamt kürzere Wege, die Nähe zu Arbeitsplätzen, Schulen und Kindergärten, eine gute medizinische Versorgung, praktische Einkaufsmöglichkeiten sowie vielfältige kulturelle Angebote vor Ort. Dem gegenüber stehen jedoch hoher Flächenverbrauch in den Ballungsräumen, knapper Wohnraum, dichter werdender Verkehr und zunehmende Umweltbelastungen - Auswirkungen, die die Urbanisierung mit sich bringt. Damit die Lebensqualität für die Einwohner von Städten nicht sinkt, gilt es also, moderne Städte flexibel und funktional zu entwickeln. Experten aus den Bereichen Architektur, Verkehrsplanung, Sozioökonomie, Raumplanung und Politik müssen deshalb zusammenarbeiten, um zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten. Vor allem auch unter Berücksichtigung des Klimawandels. Begrünung für gesunde Lebensumgebungen Viele urbane Gebiete stehen durch Bevölkerungswachstum, begrenzte Ressourcen und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels verstärkt unter Druck. Städte sind zumeist wärmer als umliegende ländliche Gebiete, etwa durch die Wärmespeicherung in Stein und Beton Grünes Wohnen in Städten Wohnanlage in Teltow bietet Wohnraum im Einklang mit der Natur Urbanisierung, Wohnungsbau, Begrünung, Stadtbäume, Stadtklima Tassilo Soltkahn Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Für die daraus entstehenden Herausforderungen, wie zunehmendem Flächenverbrauch, dichter werdendem Verkehr und wachsenden Umweltbelastungen, müssen Städtebauer Lösungen finden. Um nachhaltige Lösungen für mehr urbane Lebensqualität zu erarbeiten, ist die fachübergreifende Zusammenarbeit von Experten aus den Bereichen Architektur, Verkehrsplanung, Sozioökonomie, Raumplanung und Politik notwendig. Bild 1: Bauprojekt Wohnanlage Teltow: grüner Innenhof mit Schatten spendenden Bäumen. © Soltkahn AG 32 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum oder die Abwärme aus Industrie und Wohnungen. Ebenso kommen Luft- und Lärmbelastung hinzu, die die gesundheitlichen Auswirkungen von Hitzewellen verstärken können. Grün- und Wasserflächen beeinflussen hingegen das Klima in Städten positiv. Bäume und Grünflächen sorgen nicht nur für Abkühlung, - der Übergang von flüssigem Wasser zu Wasserdampf verbraucht Wärmeenergie - sondern dämpfen auch den Lärm, reinigen die Luft und speichern bei Starkregen Versickerungswasser und dienen so als Puffer. Auch begrünte Dächer und Fassaden wirken aufgrund von Verschattung und Verdunstung kühlend auf die nähere Umgebung. Diese Begrünungsmöglichkeiten sowie Parks, städtische Wiesen und Spielplätze oder Freizeit- und Kleingartenanlagen bieten somit Möglichkeiten, gesunde und nachhaltige Lebensumgebungen zu schaffen. Wohnungsbau für Jung und Alt Für die Entwicklung neuer Wohngebiete spielt die Integrierung von Grünflächen also eine wichtige Rolle. Suchen Menschen heutzutage neuen Wohnraum, beschäftigen sie sich zunehmend mit Themen wie Nachhaltigkeit, moderne Ausstattungen und kurze Wege. Gleichzeitig wollen sie aber einen Blick ins Grüne haben und an einem Ort leben, der zum Erholen einlädt. Wohnfläche schaffen und gleichzeitig die Natur zu erhalten stand deshalb auch bei der Bebauung eines Grundstücks in Teltow im Mittelpunkt. Teltow im Landkreis Potsdam-Mittelmark gehört aufgrund seiner Kombination aus guter Infrastruktur und Natur zu einer der einwohnerstärksten Kommunen in diesem Landkreis. Die Stadt hat einen großen Bestand an kleineren Häusern und ist ein gewachsener Ort. Aufgrund der Nähe zu Berlin und der guten Anbindung ließen sich in den letzten Jahren viele Menschen in Teltow nieder, was auch zu einer hohen Nachfrage nach Wohnraum führt. Die Herausforderung für die Bebauung des Grundstücks lag darin, einerseits den familiären und „kleinstädtischen“ Charakter des Ortes zu erhalten - also auf dem Grundstück keine großen Wohnblöcke zu errichten, gleichzeitig jedoch möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Andererseits galt es, die Belange der Stadt mit den Interessen des Umweltschutzes zu vereinen. Städte benötigen nämlich kreative Lösungen für einen Geschosswohnungsbau, der auch für junge Familien mit Kindern sowie gleichzeitig für ältere Menschen attraktiv ist. Bewohner brauchen direkt in ihrem Wohnumfeld Gelegenheiten, um sich im Grünen aufhalten zu können - sei es, um sich zu bewegen und spazieren zu gehen oder als Platz zum Spielen. Zudem spielen vor allem in Quartieren mit mehrgeschossigen Häusern Grünflächen bei der Abkühlung eine bedeutende Rolle, da sich die Wohnungen in einer mehrtägigen Hitzephase nur langsam von selbst wieder abkühlen. Grüner Innenhof mit altem Baumbestand Auf dem Grundstück in Teltow befand sich in der Vergangenheit eine Villa, die über eine etwa 100 Meter lange Allee zu erreichen war. Das Gebäude wurde vor mehreren Jahren abgerissen, doch die Allee blieb erhalten. Nach dem Wunsch des Bauherren sollte der Baumbestand auch mit dem geplanten Wohnquartier in Einklang gebracht werden. Drei Wohngebäude in dem neuen Quartier im Herzen der Stadt wurden deshalb so angeordnet, dass der Großteil des alten Baumbestandes erhalten blieb. Zudem wurden Neupflanzungen vorgenommen. Die ehemalige Allee befindet sich nun mitten auf dem Grundstück und verbindet die drei Gebäude räumlich miteinander. Umgeben von Grün entstanden die Mehrfamilienhäuser im Jahr 2019 mit insgesamt 44 Wohnungen, vier Ladengeschäften und mehreren Kellergaragen. Um den Charakter der Umgebung zu erhalten, wurde mit Rücksprüngen und Laternengeschossen gearbeitet, sodass sich die Gebäude durch eine ansprechende Gestaltung in die Natur integrieren. Steile, hoch hinausragende Fassaden sind nicht mehr zeitgemäß - Versprünge geben Gebäuden Bild 2: Bauprojekt Wohnanlage Teltow: Wohnfläche schaffen und gleichzeitig die Natur erhalten. © Soltkahn AG 33 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum nicht nur Individualität, sondern sorgen auch für mehr Privatsphäre der Anwohner. Bei den Häusern lassen sich deshalb viele Versprünge finden. Diese sind dabei jedoch keine reinen Wiederholungen, sondern lehnen sich an das jeweilige Raumkonzept an und fügen sich an den abtreppenden Fassaden zusammen. Der grüne Innenhof lässt sich so von nahezu jeder Wohnung einsehen und verschafft Luft zum Atmen. Zudem befinden sich auf dem Grundstück, umgeben von Pflanzen, drei Spielplätze für unterschiedliche Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen, sodass insgesamt naturnahes Bauen in der Stadt verwirklicht werden konnte. Moderne und ansprechende Wohngebäude Das erste Haus verfügt über zehn Wohnungen auf drei Etagen sowie mehrere Kellerräume im Untergeschoss. Das Erdgeschoss bietet Platz für vier Ladengeschäfte für die Nahversorgung. Sie sind Teil des modernen Wohnkonzeptes, da reine Wohngebiete nicht mehr zeitgemäß sind. Gibt es für Bewohner die Möglichkeit, beispielsweise Lebensmittel in der Nähe einzukaufen oder ortsnah ihr Fahrrad reparieren zu lassen, sind sie seltener auf Autos angewiesen, was wiederum Emissionen einspart. Zudem beleben Geschäfte das Stadtbild und stellen zugleich auch Treffpunkte für die Bewohner des Quartiers dar. Die Wohnungen haben zwei bis vier Zimmer und Wohnflächen von 30 bis 100 Quadratmeter. Damit bieten sie Platz für alle Generationen. Haus zwei liegt in der Mitte des Grundstücks und öffnet auf einer Seite den Blick auf einen der Spielplätze und auf der anderen Seite die entspannende Sicht auf ein angrenzendes Waldstück. Der Wohnkomplex beherbergt 18 Wohnungen, drei von ihnen erstrecken sich als Maisonette über zwei Etagen. Das dritte Haus verfügt über insgesamt 16 Wohneinheiten. Im Untergeschoss befinden sich darüber hinaus 12 PKW-Stellplätze sowie 16 Kellerräume. Alle einzelnen Etagen der drei Häuser liegen dabei treppenförmig versetzt übereinander und auch die Balkone stehen hervor und bieten so einen interessanten Anblick. Die Terrassengeländer stellen dabei eine Besonderheit dar. Für die Terrassen wurden Betonplatten verlegt, sodass eine ebenmäßige Fläche entsteht. Die Pfosten der Geländer wurden lediglich auf die Platten montiert und das Geländer an der Hauswand verankert. Durch das Aufstellen um die Terrasse herum ist die Konstruktion sehr stabil und eine Verankerung im Dach nicht notwendig. Diese Maßnahme ist sehr einfach, dabei aber wirtschaftlich und funktional. Große Fenster, grau abgesetzte Treppenhausvorsprünge und Säulen durchbrechen zudem die weiße Fassade. Die jeweils oberste, dritte Etage der Wohnhäuser entspricht einem Laternengeschoss und lenkt durch die ansprechende graue Steinfassade den Blick auf sich. Die Fenster mit Dreifachverglasung wie auch die Terrassen und Balkone der Wohnungen ermöglichen einen idealen Lichteinfluss und lassen die Bewohner das Grün des Baumbestandes sowie teilweise die Sicht auf das angrenzende Waldstück genießen. Gründächer als nachhaltiges Konzept Um in Städten Grünflächen zu schaffen, setzen Architekten bei der Planung von Gebäuden auch immer öfter auf Gründächer. Diese bieten nicht nur ökologische, sondern auch bauphysikalische Vorzüge. Zum einen speichern die Pflanzen einen großen Teil des Regenwassers und lassen es anschließend verdunsten. Außerdem filtern sie Staub sowie Schadstoffe und verbessern somit die Luftqualität. Zum anderen funktionieren Gründächer im Winter als Wärmedämmung und schützen Wohnungen im Sommer vor hohen Temperaturen, sodass sich Energiekosten reduzieren lassen und bei hohen Temperaturen ein Kühleffekt entsteht. Mit Asphaltpappe gedeckte Dächer erhitzen sich im Sommer auf 80 bis 100 Grad Celsius, Gründächer hingegen nur auf 25 bis 40 Grad Celsius. Gleichzeitig vermindern die bepflanzten Dächer Schallreflexionen um bis zu drei Dezibel. Die Schalldämmung im Inneren kann um bis zu acht Dezibel verbessert werden. Zudem wirken die Pflanzen als natürlicher Schutzschild für die Dachabdichtung: Die so reduzierte Belastung der Dichtung macht deutlich seltener Dachsanierungen notwendig. Bei dem Projekt in Teltow wurden aufgrund dieser Vorteile mehrere Dachbereiche als Gründächer eingeplant. Bei Haus eins entstanden in allen Geschossen verschieden große Flächen mit Pflanzen, in Haus zwei wurden die bepflanzten Flächen ins dritte Obergeschoss integriert, in Haus drei ins erste sowie ins dritte Obergeschoss. AUTOR Tassilo Soltkahn Architekt und Vorstand Soltkahn AG Kontakt: kontakt@soltkahn.de