Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0014
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Schnittstelle Typologie
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Sandra Sieber
Energiewende und Klimawandel haben dem seit jeher komplexen „Organismus“ Stadt weitere Planungs- und Handlungsebenen hinzugefügt. Die Bewertung einzelner Faktoren und ihres Zusammenwirkens wird dadurch nicht einfacher. Stehen auf der Gebäudeebene – und ansatzweise auch in Bezug auf das Quartier – etablierte Bilanzierungsansätze und Softwarelösungen in den Bereichen Energie und Stadtklima zur Verfügung, bleibt „die Stadt“ eine pauschale Blackbox. Kann die „Typologie“ als klassisches Ordnungselement hier eine vermittelnde Stellung zwischen Pauschalisierung und Einzelfallbetrachtung einnehmen (Bild 1)? Kann sie helfen, Handlungsfelder wie Energieeffizienz, Biodiversität und Stadtklima besser zu verzahnen?
tc510039
39 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Klimawandel und Klimaanpassung Schnittstelle Typologie Wo Biodiversität und erneuerbare Energien aufeinandertreffen Typologie, erneuerbare Energien, Biodiversität, Stadtklima, Klimawandel Sandra Sieber Energiewende und Klimawandel haben dem seit jeher komplexen „Organismus“ Stadt weitere Planungs- und Handlungsebenen hinzugefügt. Die Bewertung einzelner Faktoren und ihres Zusammenwirkens wird dadurch nicht einfacher. Stehen auf der Gebäudeebene - und ansatzweise auch in Bezug auf das Quartier - etablierte Bilanzierungsansätze und Softwarelösungen in den Bereichen Energie und Stadtklima zur Verfügung, bleibt „die Stadt“ eine pauschale Blackbox. Kann die „Typologie“ als klassisches Ordnungselement hier eine vermittelnde Stellung zwischen Pauschalisierung und Einzelfallbetrachtung einnehmen (Bild 1)? Kann sie helfen, Handlungsfelder wie Energieeffizienz, Biodiversität und Stadtklima besser zu verzahnen? Die Stadt als Baukasten Architektur und Freiraumplanung kennen jeweils eigene Typologien und Klassifizierungen der baulichen und freiräumlichen Stadtstrukturen. Ausgehend von dieser Idee der Klassifizierbarkeit hat das Forschungsprojekt „UrbanReNet - Vernetzte regenerative Energiekonzepte im Siedlungs- und Landschaftsraum“ [1] nach einem Ansatz gesucht, die regenerativen Energiepotenziale und die energetischen Bedarfe typologischer Einheiten zu erfassen und damit eine Bilanzierungsmethode bereitzustellen, die eine energetische Bewertung ganzer Stadtquartiere erlauben sollte. Das Projekt hat dabei sowohl die baulichen Strukturen des Stadtraums wie die dazugehörigen bzw. für sich stehenden Freiraumanteile betrachtet. Mit „Freifläche“ oder „Grünfläche“ wurden in dem Projekt also tatsächlich nur Flächen im Sinne der HOAI und des Baugesetzbuches bezeichnet. Bild 1: Die Typologie als klassisches Ordnungselement zwischen der „Blackbox“ Stadt und dem individuellen Einzelgebäude. © Sandra Sieber, 2019 © Peter Linke auf Pixabay THEMA Klimawandel und Klimaanpassung Typologie Stadt Bei der typologischen Betrachtung des Stadtraums lassen sich grundsätzlich zwei Herangehensweisen unterscheiden: Typologien mit einer überschau- 40 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Klimawandel und Klimaanpassung baren Anzahl primärer Typen, die durch sekundäre Merkmale weiter spezifiziert/ differenziert werden können und so flexibel sind. Sowie Typologien mit einem weiten Spektrum detaillierter/ spezifizierter Typen, die durch Hinzufügen weiterer Typen flexibel bleiben. Im Projekt UrbanReNet wurde aufbauend auf den Arbeiten von Roth und Everding der erstgenannte Ansatz gewählt und eine eigene Typologie sogenannter „Energetischer Stadtraumtypen“ (kurz EST) daraus entwickelt, die auch für Fachfremde leicht erfassbar ist. Diese Typologie umfasst fünf Stadtraumtypen mit überwiegender Wohnnutzung, drei Stadtraumtypen mit überwiegender Mischnutzung und zwei Stadtraumtypen mit überwiegender Büro- und Gewerbenutzung. Ergänzt werden diese baulichen Typen durch reine Freiraumtypen (grünbestimmte Freiflächen) wie öffentliche Parkanlagen (siehe Kasten). Eine weitere Differenzierung der baulichen Strukturen kann durch die Zuordnung der Baualterklasse, der Geschossigkeit oder des Sanierungszustands erfolgen. So können die 13 Grundtypen entsprechend der örtlichen Gegebenheiten immer wieder durch eine überschaubare Anzahl von „Stellschrauben“ angepasst werden (Bild 2). Die gebäude-bezogenen Stadtraumtypen umfassen dabei immer auch den dazugehörigen Freiflächenanteil, also beispielsweise die Gartenflächen der Reihenhaus- oder Zeilenbebauung bzw. die Außenanlagen der Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebiete. Beiden - den baulichen wie den freiräumlichen Strukturen - wurden im Projekt energetische Bedarfe und Potenziale zugeordnet (Bild 3). Zur Ermittlung der energetischen Bedarfe und regenerativen Potenziale wurden im Projekt Urban- ReNet umfangreiche baustrukturelle Analysen bestehender (realer) Siedlungen durchgeführt (Ermittlung von Primärdaten) und mit Literaturwerten zu Verbrauchen und energetischen Potenzialen ergänzt, um so typenspezifische Kennwerte pro Stadtraumtyp (Sekundärdaten) bilden zu können. Zu diesen Kennwerten gehören zum Beispiel die Wohnfläche oder die Hüllfläche, solaraktive Dach- und Fassadenflächen (jeweils pro Hektar Nettobauland) oder das energetische Potenzial für Photovoltaik (pro Hektar Nettobauland). Energetische Bilanzierung in der Praxis Ziel des Projekts UrbanReNet war es, mit diesen „energetischen Stadtraumtypen“ schnell und unkompliziert erste valide Verbrauchs- und Potenzialdaten im Quartiersmaßstab ermitteln zu können. Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Planenden aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Freiraumplanung, sollten so eine schnell verfügbare Basis oder Diskussionsgrundlage für nachhaltige Quartierskonzepte und regenerative Entwicklungspotenziale im Quartier erhalten. Dieser Ansatz wurde seit Projektende in mehreren Kommunen angewendet und erprobt. Bereits während der Projektlaufzeit wurde der typologische Bilanzierungsansatz an mehreren kleinen Quar- Die Stadt als Baukasten Stadtstrukturelle Typologie (baulich und freiräumlich) Bildung typologischer Einheiten auf der Basis struktureller Untersuchungen und bestehenden Datengrundlagen Aufbereitung für Anwendung / als Entscheidungsgrundlage Energetische Potenziale (Gebäude/ Freiraum) Energetische Bedarfe (Gebäude/ Freiraum) Energetische Stadtraumtypen mit überwiegender Wohnnutzung EST1 - kleinteilige, freistehende Wohnbebauung niedriger bis mittlerer Geschossigkeit EST2 - Reihenhausbebauung EST3 - Zeilenbebauung niedriger bis mittlerer Geschossigkeit EST4 - großmaßstäbliche Wohnbebauung hoher Geschossigkeit EST5 - Blockrandbebauung Energetische Stadtraumtypen mit überwiegender Mischnutzung EST6 - dörfliche Bebauung EST7 - historische Altstadtbebauung EST8 - Innenstadtbebauung Energetische Stadtraumtypen mit überwiegender Büro- und gewerblicher Nutzung EST9 - Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebiet EST10 - Gewerbegebiet Grünbestimmte Freiflächen EST11 - Öffentliche Parkanlagen EST12 - Friedhofsanlagen EST13 - Kleingartenanlagen (Quelle: UrbanReNet, 2015) ENERGETISCHE STADTRAUMTYPEN (Projekt UrbanReNet) Bild 2: Die Stadt als Baukasten - Ableitung energetischer Bedarfe und Potenziale auf der Basis von Stadtraumtypen. © Sandra Sieber, 2019 Die Stadt als Baukasten 41 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Klimawandel und Klimaanpassung Solarthermie Fassade PV- Fassade PV-Dach Kühlung durch Verdunstung Kühlung durch Verschattung PV-Nebengebäude krautig Biomasse aus Reststoffen holzig Geothermie in der Biomasse aus der Stadtstrukturelle Typologie (baulich und freiräumlich) Bildung typologischer Einheiten auf der Basis struktureller Untersuchungen und bestehenden Datengrundlagen Ergänzung um stadtklimatische Kennwerte und Wirkfaktoren (Vulnerabilität und Anpassungsmaßnahmen) Ergänzung um Aussagen zur Biodivärsität (Ist-Zustand und Weiterentwicklung) tieren im Gebiet der „InnovationCity Ruhr“ mit ihrem Pilotgebiet in Bottrop erfolgreich getestet (2011 - 2014). Im Projekt „Gartenstadt der Zukunft - Handlungsleitfaden für die Transformation von Zechensiedlungen“ (2014 - 2016) wurden die Stadtbausteine genutzt, um die energetischen Potenziale des Gebäudebestands und der Freiräume von Zechensiedlungen zu ermitteln und darauf aufbauend weitere Entwicklungsszenarien abzuleiten. Das Projekt „Hamburg Lokstedt“ (2016 - 2017) hat den typologischen Bilanzierungsansatz genutzt, um für den Stadtteil „Lokstedt“ mit über 400 Hektar Umfang, erste Ideen zur CO 2 -neutralen Entwicklung zu konzipieren. Im „Forschungscampus Flexible Elektrische Netze“ (FEN) (2015 - 2018) konnte der Ansatz eingesetzt werden, um Aussagen über die Stromnetzentwicklung bei Quartieren mit einem hohen Anteil regenerativer Energieeinspeisung zu treffen [2]. Im Projekt „Gewerbegebiete im Wandel“ (2016 - 2019) wurde die Methodik erstmals in der energetischen Bewertung von Gewerbegebieten (inklusive Freiraumstruktur) angewendet und so für diesen Bereich weiterentwickelt [3]. Die typologische Herangehensweise bei der energetischen Bilanzierung von Stadtquartieren hat in der Praxis aktuell aber auch eine große Schwäche: Weder das EEG noch unsere Netzinfrastruktur sind auf solch einen energetischen Quartiersverbund ausgelegt. Dementsprechend fehlen auch mögliche Geschäftsmodelle in diesem Bereich. Die Methode der „energetischen Stadtraumtypen“ zeigt bestehende Flächenpotenziale zur Nutzung regenerativer Energien auf, die aktuell (ob der wirtschaftlichen bzw. politischen Rahmenbedingungen) nicht vollumfänglich genutzt werden können. Die bestehenden Flächenkonkurrenzen und Akzeptanzprobleme bei der Nutzung von erneuerbaren Energien im Außenbereich sind scheinbar noch nicht dringlich genug, um urbane Flächen stärker zu fokussieren. Die Methode der „energetischen Stadtraumtypen“ kann aber neue Perspektiven eröffnen und liefert damit die Basis für weitere Diskussionen, Visionen und mögliche Zielstellungen. Typologisch weitergedacht - Stadtklima und Biodiversität Parallel zur Anwendung des typologischen Bilanzierungsansatzes, wurde diese Methode auch weiterentwickelt (siehe Bild 4). Im Rahmen des Projekts „KuLaRuhr - Nachhaltige urbane Kulturlandschaft in der Metropole Ruhr“ [4] wurde die Typologie der Freiräume inhaltlich erweitert und die Stadtraumtypen hinsichtlich ihrer stadtklimatischen Vulnerabilität, aber auch möglicher Anpassungsstrategien, untersucht und beschrieben. Dabei konnte an typologische Arbeiten im Bereich der Stadtklimatologie angeknüpft werden, zum Beispiel an die Arbeit von Hobert bzw. Stewart und Oke. [5, 6] Wie im Projekt UrbanReNet, wurden die erarbeiteten Klima- Steckbriefe der Stadtraumtypen wieder möglichst anschaulich aufbereitet, um im Sinne einer zielgruppenorientierten Wissenschaftskommunikation auch Personen außerhalb der Stadtklimatologie zu erreichen (Bild 5). Bei der Ermittlung der stadtklimatischen Kennwerte wurde zwischen übertragbaren Aussagen/ Effekten/ Kennwerten und solchen unterschieden, die exemplarisch einen Sachverhalt beleuchten oder verdeutlichen. Die vom Projekt UrbanReNet übernommene Typologie erwies sich dabei als hoch anschlussfähig für die im Bereich der Stadtklimatologie verwendeten Typen, so dass eine Übertragung von Kennwerten bzw. Zuordnung von Effekten und Aussagen möglich war. Bild 3: Betrachtete energetische Bedarfe und Potenziale im Projekt Urban- ReNet sowie stadtklimatische Leistungen des Freiraums (kursiv). © Sandra Sieber, 2019 Bild 4: Die Stadt als Baukasten - Ableitung stadtklimatischer Defizite und möglicher Anpassungsstrategien sowie Aussagen zur urbanen Biodiversität auf der Basis von Stadtraumtypen. © Sandra Sieber, 2019 Die Stadt als Baukasten 42 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Klimawandel und Klimaanpassung Ermittelt wurden hier unter anderem Kennwerte wie die Ausprägung des Wärmeinseleffekts je Stadtraumtyp oder spezifische Anpassungsstrategien je Stadtraumtyp, zum Beispiel die Potenziale im Bereich der Gebäudekonditionierung, des Lärmschutzes oder der Verbesserung der Luftqualität. Andockpunkte für eine Weiterentwicklung der Typologie wären insbesondere im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft bzw. des dezentralen Regenwassermanagements denkbar. Stadtraumtypische Potenziale für die Dach-und Fassadenbegrünung lassen sich bereits jetzt aus den baustrukturellen Kennwerten ableiten. So besteht beispielsweise in der vom Wärmeinseleffekt meist stark betroffenen Blockrandbebauung ein Potenzial für Fassadenbegrünung von fast 14 000 m² Fassadenflächen pro Hektar Nettobauland und auch im Typ der großstädtischen Innenstadtbebauung können es noch bis zu 10 000 m² sein (jeweils abhängig von Geschossigkeit und baulicher Dichte). Die Einbeziehung stadtklimatischer Effekte und Anpassungspotenziale folgt dabei dem Grundgedanken, auch die freiräumlichen bzw. vegetativen Stadtstrukturen hinsichtlich ihrer energetischen Wirkung zu „aktivieren“ (siehe Bilder 3 und 5). Fragen der Energieeffizienz konzentrieren sich heute meist noch allein auf das Gebäude. Die Einwirkung des Stadtraumtyps auf das Gebäude bzw. die Wirkung der baulichen Typologie auf das Stadtklima wird noch zu wenig als Potenzial im Bereich der Klimaanpassung gesehen. Dabei bietet gerade die Anpassung des Freiraums bzw. der Einsatz vegetativer Strukturen fast immer positive Synergieeffekte im Bereich der Aufenthaltsqualität, des Immobilienwertes, aber auch der urbanen Biodiversität. Auch in Bezug auf die Bewertung der urbanen Biodiversität fanden sich Schnittstellen zur Siedlungstypologie: Das „Handbuch Siedlungsökologie“ betrachtet ein breites Spektrum von Stadtraumtypen hinsichtlich ihres Biodiversitätswertes, beschreibt deren Strukturvielfalt (so vorhanden) und gibt Hinweise zum Erhalt oder zur Weiterentwicklung dieser Strukturvielfalt [7]. Die dem „Handbuch Siedlungsökologie“ zugrundeliegenden Untersuchungen konnten nachweisen, dass ältere Einfamilienhausgebiete, aber auch ältere Industriegebiete - durch Nebengebäude, bestimmte Dachformen, altes Mauerwert und vor allem einem eingewachsenen Gehölzbestand - einen hohen Wert für die urbane Arten- und Lebensraumvielfalt (Biodiversität) aufweisen. Hier lassen sich für die Praxis (im Bestand wie bei der Neuplanung) zahlreiche stadtraumtypbezogene Anregungen für die Erhaltung oder Steigerung der urbanen Biodiversität ableiten. Dachbegrünung • • • • Fassadenbegrünung • • Begrünung • Lokaler Regenrückhalt • durch Entsiegelung • • durch Mulden, Rigolen • als Teil der Gestaltung der Außenanlagen • Nutzung des Regenwassers in Außenanlagen oder im Gebäude Windreduktion • • Emissionsschutz (Luftschadstoffe) • Lärmschutz • • durch geschlossene Blockrandbebauung, Lärm- • • • durch Stellung der Bäume und Gebäude zur wechselnden Besonnung und Verschattung im Bereich der Innenhöfe Fig.: Stadtklimatische Bewertung des EST3 Abgas Abgas Wind Luftfeuchte thermische Belastung geringe thermische Belastung Lärm Wind Bild 5: Beispiel eines „Klimasteckbriefs“ auf der Basis von Stadtraumtypen, hier die Zeilenbebauung (EST3). © Sandra Sieber, 2019 43 1 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Klimawandel und Klimaanpassung Die Typologie als Schnittstelle und Entscheidungshilfe Das Projekt UrbanReNet wollte mit seiner Typologie der „energetischen Stadtraumtypen“ eine Methode bereitstellen, die es auch Fachfremden erlauben soll, den Stadtraum energetisch zu bilanzieren und zu bewerten. Kritisch ließe sich sagen: Dieser Ansatz ist gescheitert - nicht methodisch, sondern mangels Bedarf. Die Nutzung der Typologie in anderen Projekten, unter anderem für die Einordnung stadtklimatischer Effekte oder die Bewertung der urbanen Biodiversität, hat allerdings auch die Stärke des Ansatzes demonstriert: Die Ebene der Typologie ist inter- und transdisziplinär. Sie kann als verbindendes Element zwischen unterschiedlichen Fachdisziplinen fungieren und als bildhaftes Kommunikationsmittel in Diskussions- und Beteiligungsprozessen genutzt werden. Die Ebene der Typologie ist abstrakt genug, um auch größere Stadtgebiete erfassbar und bilanzierbar zu machen. Gleichzeitig ist sie konkret genug, um auch valide Aussagen zu ermöglichen. Die Ebene der Typologie ist in unterschiedliche Richtungen anschlussfähig. Sie ist ein verbindendes Grundgerüst, das mit unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden kann. Inhalte (die dann auch in Wechselbeziehung zueinander stehen können) ermöglichen es, Konflikte zwischen Themenbereichen zu benennen (zum Beispiel zwischen Freiraumgestaltung und der Nutzung regenerativer Energien) oder Synergien zu identifizieren (zum Beispiel zwischen der Erhöhung der Biodiversität und dem dezentralen Niederschlagsmanagement). Die Ebene der Typologie kann damit die Stärken der fachlichen Spezialisierung (hohe Detailschärfe) nutzen und ihre Nachteile (fehlende Inter- und Transdisziplinarität) ausgleichen. Sie ersetzt damit keine konkrete Planung, bietet aber Diskussionsgrundlagen und Entscheidungshilfen. Als solch eine Grundlage versteht sich auch das aktuell erschiene Buch „Energetische Stadtraumtypologie - Strukturelle und energetische Kennwerte von Stadträumen“ [8]. Das Buch fasst die stadtstrukturellen und energetischen Kennwerte des Projekts UrbanReNet zusammen und erweitert sie um stadtklimatische und technische Aspekte. Damit stehen für die klassischen Stadtraumtypen Steckbriefe zur Verfügung, die energetische Bedarfe und Potenziale, Bau- und Freiraumstruktur sowie Stadtklima und Biodiversität plakativ und übersichtlich zusammenfassen. Ergänzt werden diese Kennwerte und Übersichten durch Technik- und Dipl.-Ing. (FH) Sandra Sieber Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachgebiet Entwerfen+Freiraumplanung an der TU Darmstadt Kontakt: sieber@freiraum.tu-darmstadt.de AUTORIN Biomasse-Steckbriefe. Diese bieten eine Übersicht der wichtigsten (regenerativen) Energietechniken im Stadtraum und erläutern die Potenziale (und Grenzen) der urbanen Biomassenutzung. Das Buch verfolgt damit die Zielstellung des typologischen Ansatzes: Ausgehend vom fachlichen Schwerpunkt der Lesenden sollen Schnittstellen zu neuen Themenfeldern geschaffen werden. Das Buch möchte damit einen Beitrag in Richtung einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten. Denn Nachhaltigkeit ist immer ein Schnittstellenthema, bedeutet immer Dinge zusammendenken, die so selten oder noch gar nicht zusammengedacht wurden. Das Buch möchte aber auch dazu einladen, den typologischen Ansatz auf andere Themenfelder auszuweiten und damit weitere Schnittstellen zu schaffen. LITERATUR [1] TU Darmstadt, Fachbereich Architektur, Leitung Prof. M. Hegger und Prof. J. Dettmar, gefördert im Rahmen der Initiative Eneff: Stadt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Laufzeit 2009 bis 2015. [2] Casper, B., Sieber, S.: Vom Baum zum Rhizom. Die Flexibilisierung der Netze durch Gleichstrom. Transforming Cities 2, Nr. 2 (2017), S. 34 - 37. [3] Sieber, S.: Gewerbegebiete im Wandel. Wie Gewerbegebiete in Marl, Remscheid und Frankfurt Biodiversität und Klimaschutz verbinden. Transforming Cities, 4 Nr. 3 (2019), S. 70 - 75. [4] Verbundprojekt im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes „Nachhaltiges Landmanagement“, Laufzeit 2011 bis 2014, Teilprojekt TP01, Maßnahme 1. [5] Horbert, M.: Klimatologische Aspekte der Stadt- und Landschaftsplanung. Landschaftsentwicklung und Umweltforschung, Nr. 113. Berlin, 2000. [6] Stewart, I., Oke, T., Krayenhoff, S.: Evaluation of the ›local climate zone‹ scheme using temperature observations and model simulations. 2013. [7] ERR Raumplaner ESU, Eigenmann, T., Weiss, A.: Handbuch Siedlungsökologie. Praxisorientierter Beitrag zur ökologischen Aufwertung des Siedlungsraums. Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2003. [8] Dettmar, J., Drebes, C., Sieber, S. (Hrsg.): Energetische Stadtraumtypologie - Strukturelle und energetische Kennwerte von Stadträumen. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2020.
