eJournals Transforming cities 5/2

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0029
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Wie Drohnen das Notrufwesen verändern können

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Markus Bornheim
Im Bereich der öffentlichen Sicherheit und der Notfalldienste besteht ein wachsendes Interesse am Einsatz von Drohnen zur Unterstützung einer effektiven Notfallreaktion. Werden Drohnen vorab zu Verkehrsunfallstellen ausgesendet, können sich die Ersthelfer vor oder beim Ausrücken bereits ein Bild der Lage machen und effektiver vorgehen. Auch beim Szenario eines Industrieunfalls können Bilder, Videos und weitere von der Drohne in Echtzeit übermittelte Daten der Kommandozentrale wertvolle Kontextinformationen zur Lage liefern.
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18 2 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation In den letzten Jahren hat das Interesse an Drohnen deutlich zugenommen. Die kleinen unbemannten Flugobjekte sind nicht nur eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung für Hobbypiloten und -landschaftsfotografen, sondern haben auch das Potenzial, zahlreiche Branchen zu verändern. Für den Einsatz von Drohnen ist der Bereich öffentliche Sicherheit besonders interessant, speziell bei Notfalleinsätzen. Die European Emergency Number Association (EENA) hat vor einigen Jahren ein Community-Netzwerk „Emergency Services & Drones Network“ ins Leben gerufen, das bereits erfolgreiche Praktikabilitätsstudien und Tests zu einem möglichen operativen Einsatz von Drohnen durchgeführt hat. Drohnen allein sind natürlich nur ein Teil der Lösung. Wichtig ist darüber hinaus auch eine geeignete Netzwerkanbindung sowie Einbindung in Kommunikationssysteme, um die Bildsignale zu übertragen. Zwei Szenarien werden in diesem Kontext genauer beleuchtet: zum einen vor Ort von Hand ferngesteuerte Drohnen, zum anderen zentral geplante und automatisierte Drohneneinsätze. Stream global, fly local Am Einsatzort können als Drohnenpilot ausgebildete Einsatzkräfte eine Drohne sofort starten und über die zugehörige Fernsteuerung, den Controller, lenken. In der Regel ist es bei semi- und vollprofessionellen Drohnen möglich, den Controller via HDMI- Kabel an einen Bildschirm anzuschließen und das Videosignal in hoher Qualität zu übertragen. Die Einsatzkräfte können sich so einen Überblick verschaffen - gerade an schwer zugänglichen Unfallstellen. Weitere am Einsatz beteiligte Personen, die nicht vor Ort sind, bleiben dabei allerdings außen vor. Um auch diesen einen Zugang zum Videostream in Echtzeit zu ermöglichen, gibt es unterschiedliche Ansätze. Eine Möglichkeit ist die Kopplung zwischen einem Controller und einem damit verbundenen Smartphone. Mit einer App, üblicherweise vom Drohnenanbieter selbst, kann der Livestream direkt „live“ an kommerzielle Videodienste wie Facebook oder YouTube übermittelt werden. In der Praxis zeigt sich aber, dass dabei Verzögerungen von 30 Sekunden bis zu mehreren Minuten entstehen. Für eine unmittelbare Lageeinschätzung aus der Ferne ist diese Methode also nicht hilfreich. Die Alternative dazu ist, das Signal der Drohne direkt über einen Video-Codec in eine Videokonferenz zu übertragen. So können alle Konferenzteilnehmer den Videostream in Echtzeit betrachten. Die Einsatzkräfte vor Ort treten ebenfalls der Konferenz bei und können mit den anderen Teilnehmern kommunizieren. Diese Variante hat auch Sicherheitsvorteile, da die Übertragung Ende-zu-Ende verschlüsselt ist und der Organisator der Konferenz den Zugang auf ausgewählte Gruppen und Personen beschränken kann. Weitere Möglichkeiten, mit der Personen abseits der Einsatzstelle Zugriff auf die Videodaten erhalten können, bietet das zweite Szenario. Dieses geht über den lokal gesteuerten Drohnenein- Wie Drohnen das Notrufwesen verändern können Notrufwesen, Drohnen, Automatisierung, Cloud, Video, Echtzeit Markus Bornheim Im Bereich der öffentlichen Sicherheit und der Notfalldienste besteht ein wachsendes Interesse am Einsatz von Drohnen zur Unterstützung einer effektiven Notfallreaktion. Werden Drohnen vorab zu Verkehrsunfallstellen ausgesendet, können sich die Ersthelfer vor oder beim Ausrücken bereits ein Bild der Lage machen und effektiver vorgehen. Auch beim Szenario eines Industrieunfalls können Bilder, Videos und weitere von der Drohne in Echtzeit übermittelte Daten der Kommandozentrale wertvolle Kontextinformationen zur Lage liefern. © AnaPilar auf Pixabay 19 2 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation satz hinaus, indem die Drohne in einem automatisierten BVLOS- Flugmodus (Beyond Visual Line of Sight) über eine zentrale Drohnenmanagement-Plattform koordiniert und gelenkt wird. Drohne, übernehmen Sie! Anders als im manuell durchgeführten Drohnenflug wird bei automatisierter Steuerung die Drohne mittels einer eingebauten Kommunikationseinheit mit SIM-Karte direkt in ein LTE- oder zukünftig auch 5G-Mobilfunknetz eingebunden. Damit kann eine Drohne weitgehend ortsunabhängig auf Datendienste und das Internet zugreifen. Zudem benötigt die Drohne Schnittstellen, über die sie von externen Applikationen angesprochen werden kann. Damit kann der gesamte Drohneneinsatz automatisiert geplant, durchgeführt und kontinuierlich kontrolliert werden. Professionelle und teilweise auch semiprofessionelle Drohnen verfügen über solche Schnittstellen, die aus diversen APIs (Application Programming Interface) sowie vorgefertigten Modulen aus herstellerspezifischen SDKs (Software Development Kit) bestehen. Mittels einer Drohnenmanagement-Plattform werden die Drohnenmissionen in Echtzeit geplant, ausgeführt und begleitet. Die Drohnen fliegen einen zuvor genau festgelegten Punkt an, um dort bestimmte Aufgaben auszuführen. Beispielsweise könnte eine Drohne mittels Onboard- Kamera die Situation an einer schwer erreichbaren Stelle aus der Vogelperspektive aufzeichnen und wichtige Informationen über den Ort liefern. In einer vollständig Ende-zu- Ende digitalisierten Umgebung lassen sich auf diese Weise teil- oder auch vollautomatisierte Prozessketten umsetzen. Setzt etwa ein Fahrzeug nach einem Unfall einen eCall ab und überträgt im Rahmen dieses 112-Notrufs Fahrzeugdaten und -position, kann der Disponent in der Leitstelle neben den klassischen Einsatzmitteln zukünftig auch aus seiner Einsatzleitsoftware eine Drohne auf den Weg schicken. In diesem Fall wird der Drohnenmanagement-Plattform die Anforderung mit Zielkoordinate übermittelt. Ein Algorithmus in der Plattform wählt unter Berücksichtigung aller bekannten Parameter die passende Drohne aus und berechnet eine adäquate Route zum Einsatzort. Dabei bezieht der Algorithmus vorliegende Rahmenbedingungen wie Flugverbotszonen und aktuelle Daten wie Wettereinflüsse mit ein. Im nächsten Schritt wird die Drohnenbasis, in der sich die ausgewählte Drohne befindet, aktiviert, dise mit ihren Missionsdaten versorgt und gestartet. Eine solche Drohnenbasis kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. Wichtig ist eine eigenständige Netzwerkanbindung zur Steuerung und Kontrolle der Infrastruktur. Je nach Anforderung kann die Drohnenbasis darüber hinaus mit Heizung und Wetterstation sowie weiteren Robotik-Elementen zum Austausch von Batterien, Kameras oder unterschiedlichen Sensoren ausgestattet sein, um die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten möglichst breit zu gestalten. Die Drohnenmission wird beim Start an die anfordernde Stelle bestätigt. Zusätzlich werden die Zugangsdaten zur Verfolgung und eventuellen Einflussnahme auf die aktuelle Drohnenmission kommuniziert. Die Drohnenmanagement-Plattform ihrerseits ist über Software-Schnittstellen mit einer Kommunikations- und Kollaborationsplattform verbunden, sodass die in Echtzeit empfangenen Videodaten und weitere Missionsdaten wie Telemetrie- und Sensordaten ohne Verzögerung allen an der Mission beteiligten Personen zur Verfügung gestellt werden kann. In diesem Fall kann die Einsatzleitung mit der Planung drohnenbasierter Dienste im Vorfeld sicherstellen, dass Drohnen bereits einen Videostream übermitteln, noch bevor die Einsatzkräfte mit ihren Fahrzeugen vor Ort eintreffen. Damit profitieren nicht nur die unmittelbar am Einsatz beteiligten Personen von der Drohnentechnologie, sondern auch die Verstärkung unterwegs sowie die Koordinatoren in der Leitstelle. Letztere gewinnen frühzeitig einen ersten Eindruck von der Lage und können entsprechend besser auf die Gegebenheiten vor Ort reagieren. Die Reichweite der Drohne ist in diesem Szenario lediglich durch die Kapazität der Flugbatterie begrenzt. Da davon auszugehen ist, dass Batteriekapazitäten und Energieverbrauch der Drohnen durch deren Hersteller zukünftig kontinuierlich optimiert werden, ergeben sich absehbar immer größere Reichweiten im Umfeld der Drohnenbasis, respektive bei konstant bleibenden Reichweiten längere Flugzeiten und damit Einsatzdauern. In Praxistests konnten bereits sehr gute Erfolge erzielt werden. Angesichts des großen Potenzials drohnenbasierter Notfallanalysen liegt die Erwartung nahe, dass diese zwei Szenarien in Zukunft verstärkt eingesetzt werden. AUTOR Markus Bornheim Practice Lead Public Safety and Emergency Services Avaya International Kontakt: bornheim@avaya.com