eJournals Transforming cities 5/4

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0072
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Grüne Welle in Schwäbisch Hall

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2020
Claire Mouchard
In Schwäbisch Hall stehen alle Zeichen auf Grün: Fernwärme, Windkraft, Sonnenenergie, LED-Beleuchtung, E-Busse, elektrische Lastenräder, der Ausbau von Radwegen: Die Klimaschutzmaßnahmen der Kommune gleichen den Etappen einer langen Reise in eine vorbildliche Zukunft. Alle städtischen Bediensteten und die Bürgerschaft sind dabei unterwegs. Beim European Energy Award 2020 wurde die Stadt mit der Auszeichnung in Gold belohnt.
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10 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Die Reise von Schwäbisch Hall mit dem Ziel „100 Prozent Erneuerbare Energie“ begann schon vor vielen Jahren mit dem frühzeitigen Ausbau des Fernwärmenetzes. 2010 erarbeiteten die Stadt Schwäbisch Hall und ihre Nachbargemeinden gemeinsam mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall eine Vision, wie dieser Weg für die Region aussehen könnte. „Der Kompass, der uns dabei bis heute den Weg weist, heißt Kommunale Lenkung“, erläutert Hermann- Josef Pelgrim, Oberbürgermeister der 41 000 Einwohner zählenden Stadt am Kocher. „Schritt um Schritt kommen wir seitdem unserem Ziel näher“. Bereits seit 2018 wird der Strom im Netzgebiet der Stadtwerke Schwäbisch Hall zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien erzeugt. Bis 2035 will die Stadt auch im Wärmesektor klimaneutral sein. Engagierte Mitstreiter setzen die ambitionierten Ziele um „Die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg hat uns in vielen Punkten geholfen, Wind in die Segel zu bekommen. So erstellte sie mit uns vor sieben Jahren ein integriertes Klimaschutzkonzept. Wenn man sich als Kommune aber auf so eine Reise begibt, braucht man in den eigenen Reihen auf jeden Fall qualifizierte Mitarbeiter*innen, die mit viel Fachwissen und Herzblut die Dinge vorantreiben“, so Pelgrim. „Inzwischen hat bei uns sogar ein Duo die Koordination in der Hand.“ Der Energiebeauftragte Heiner Schwarz-Leuser kümmert sich seit 2009 hauptsächlich um das kommunale Energiemanagement, also den effizienten Betrieb der Liegenschaften. 2015 kam eine Stelle für das Klimaschutzmanagement dazu. Hier ist Alina Berger seit 2020 zuständig für die Koordination und Umsetzung der städtischen Klimaschutzstrategie. Der Schlüssel liegt in der Wärmeplanung Den meisten Schub gibt auf einer solchen Reise das Großsegel. In Schwäbisch Hall hat die kommunale Wärmeplanung diese Funktion. Denn viele Haushalte der 17 Stadtteile und die meisten kommunalen Arbeitsplätze sind bereits an das Fernwärmenetz angeschlossen. Oberbürgermeister Grüne Welle in Schwäbisch Hall Eine Stadt auf dem Weg zu 100 Prozent erneuerbarer Energie. In Schwäbisch Hall stehen alle Zeichen auf Grün: Fernwärme, Windkraft, Sonnenenergie, LED-Beleuchtung, E-Busse, elektrische Lastenräder, der Ausbau von Radwegen: Die Klimaschutzmaßnahmen der Kommune gleichen den Etappen einer langen Reise in eine vorbildliche Zukunft. Alle städtischen Bediensteten und die Bürgerschaft sind dabei unterwegs. Beim European Energy Award 2020 wurde die Stadt mit der Auszeichnung in Gold belohnt. Bild 1: Auch Wind- und Solarenergie tragen ihren Teil zum Klimaschutzkonzept von Schwäbisch Hall bei. © Stadtwerke Schwäbisch Hall Bild 2: Strahlwirkung in den Landkreis: Die Neubaugebiete „Steinäcker“ und „Lange Äcker“ in Michelfeld wurden konsequent für Fernwärme erschlossen. © Stadtwerke Schwäbisch Hall 11 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Pelgrim erklärt den Zusammenhang: „Als Stadtverwaltung sehen wir uns in der Doppelrolle zwischen verantwortungsvoller Erzeugung und größtmöglicher Einsparung von Energie“, sagt er. Die Stadtwerke, zu 100 Prozent in kommunaler Hand, sind dabei ein wichtiger Akteur an Bord. Die Fernwärme wird fast ausschließlich aus Biomethan, Biogas und Erdgas in Kraft- Wärme-Kopplungsanlagen erzeugt. Neubaugebiete, die Kernstadt sowie Gewerbegebiete werden vorrangig an das städtische Wärmenetz angeschlossen. 120- Kilometer Trasse versorgen rund 15 000 Einwohner - und 80 Prozent der städtischen Arbeitsplätze. „Bei Neubauten und energetischen Sanierungen gilt sogar die Pflicht, das Fernwärmenetz zu nutzen“, bekräftigt Pelgrim. „Und die Vorschrift nimmt uns kaum jemand übel: Die Leute sind froh, wenn sie in den Wärmeverbund dürfen.“ Die Kommune agiert als Vorbild für die Bürger Die Stadt nimmt sich dabei auch selbst in Form eines kommunalen Energiemanagements in die Pflicht. Der Energie- und Wärmebedarf öffentlicher Gebäude und Liegenschaften wird konsequent beobachtet und optimiert. „Alleine die energetisch sanierte Straßenbeleuchtung spart rund 400 000 Euro pro Jahr ein“, betont der Energiebeauftragte Heiner Schwarz-Leuser. „Städtische Neubauten werden zudem, soweit möglich, über die aktuell gültigen Standards hinaus energetisch optimiert “, fügt er hinzu. Fördergelder von Bund und Land erweitern den Spielraum der Stadt für die kontinuierliche Umsetzung von Klimaschutzprojekten. Und die sind äußerst zahlreich. Das „Kocher-Muli“ zum Beispiel, ein elektrisch betriebenes Lastenfahrrad, erfreut sich bei den Bürgern großer Beliebtheit. Alle dürfen es kostenlos nutzen. Der wöchentliche Einkauf auf dem Markt wird dadurch zum sympathischen Einstieg in nachhaltige Mobilität. Zwei Mio. Euro wurden seit 2012 zudem in neue Radwege, Rampen und Stellplätze investiert. Wen die Fahrt durch Berg und Tal nicht lockt, der steigt in einen von drei E-Bussen, die regelmäßig im Nahverkehr pendeln. Die Bürger einbeziehen, sie also als Teil der Mannschaft an Bord verstehen, das ist eine der wichtigen Aufgaben für die Klimaschutzbeauftragte Alina Berger: „Mit einer begleitenden Informations- und Sensibilisierungskampagne nehmen wir die Bürgerinnen und Bürger konsequent auf dem Weg in die CO 2 -neutrale Zukunft mit.“ So stärken inzwischen auch zahlreiche Bürgerbeteiligungsprojekte die Akzeptanz von Wind- und Sonnenenergie in der Region. Mit anderen das „Große Ganze“ im Blick behalten „Wir sind davon überzeugt, dass man nicht nur das eigene Schiff auf Kurs halten, sondern auch über die Reling hinausschauen muss“, bekräftigt der Oberbürgermeister. „Darum unterstützen wir im Rahmen einer kommunalen Partnerschaft auch ein Klimaschutzprojekt mit Okahandja in Namibia.“ Ein Engagement, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird. Das Klimaschutz-Engagement aller Schwäbisch Haller Akteure zahlt sich aus. Anfang 2020 erhielt die Gemeinde den European Energy Award (eea) in Gold. Der eea ist das nicht nur in Deutschland am weitesten verbreitete Energiemanagement-Werkzeug für Kommunen. Während Brüssel mit dem European Green Deal die politische Großwetterlage zum Klimaschutz gestaltet, ist Schwäbisch Hall bereits zu einem echten Vorbild geworden. „Vor den Herausforderungen, denen sich Schwäbisch Hall immer wieder stellen musste, stehen auch die anderen Kommunen in Baden-Württemberg“, so Oberbürgermeister Pelgrim. „Darum sind die zahlreichen Informations- und Netzwerkangebote der KEA-BW besonders wertvoll, da Kommunen damit von Kommunen lernen können.“ Auch in Zeiten der Corona-Krise und ihrer Folgen will die Stadt an ihren Zielen festhalten. Sowohl das Klima als auch die Stadtkasse werden davon profitieren. LINKS UND INFORMATIONEN • Stadtrecht in Schwäbisch Hall/ Absatz Fernwärmeversorgung: www.schwaebischh a l l . d e / d e / r a t h a u s s e r v i c e / buergerservice/ stadtrecht • Stadtwerke Schwäbisch Hall: 100 % Ziel erreicht: Unser Strom ist regenerativ. stadtwerke-hall. de/ energievision/ • Best Practice: www.kea-bw. de/ kommunaler-klimaschutz / wissensportal/ best-practice KONTAKT Claire Mouchard KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH Mail: claire.mouchard@kea-bw.de Bild 3: OB Pelgrim gibt auf dem städtischen Leihfahrrad ein gutes Vorbild. © Stadt Schwäbisch Hall