Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0076
124
2020
54
Kriterien für die erfolgreiche praktische Umsetzung von Glasfaserausbau-Projekten
124
2020
Hans-Günther Claußen
Beim Glasfaserausbau bietet sich derzeit ein widersprüchliches Bild: Die Fördermittel sind da, werden von den kommunalen Erschließungsträgern aber nur selten abgerufen. Ein wesentlicher Grund für diese Zurückhaltung sind auch die mangelnden Ausbaukapazitäten. Tatsächlich sind die planungs- und baupraktischen Herausforderungen bei der Umsetzung von Glasfaserausbau-Projekten komplex – aber lösbar.
tc540024
24 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur In puncto Digitalisierung hat Deutschland bekanntermaßen Nachholbedarf: Laut Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) rangiert die Bundesrepublik in Sachen „schnelles Internet“ international auf den hinteren Rängen. Am Geld kann es eigentlich nicht liegen, hat doch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen des „Bundesförderprogramms für den Breitbandausbau“ 11- Mrd. Euro Fördermittel bewilligt. Davon wurde jedoch erst ein Bruchteil abgerufen. Ein Grund seien, so Verantwortliche in den Kommunen, die hohen bürokratischen Hürden für die Bewilligung von Fördergeldern. Ein weiterer wesentlicher Grund sind jedoch auch die mangelnden Ausbaukapazitäten. Vor Planung und Ausschreibung sollte zudem darauf geachtet werden, dass ein neues Glasfasernetz kostenoptimiert, termingerecht und langfristig funktionsfähig in Betrieb gehen kann. Zentraler Ansprechpartner Unternehmen, die im öffentlichen Auftrag aktiv sind, sollten gewisse Mindeststandards erfüllen. Sie sollten Referenzen vorweisen können oder über Zertifizierungen wie ISO 9001: 2015 oder ISO 45001: 2018 verfügen. Eine Lösung ist hier die Beauftragung eines zertifizierten Generalunternehmers (GU), der die einzelnen Beteiligten und insbesondere seine Nachunternehmer nicht nur koordiniert, sondern auch kontrolliert - und der im Fall der Fälle für sie haftet. Außerdem ist der GU der zentrale Ansprechpartner des Auftraggebers an der Schnittstelle zwischen Kommune und Energieversorger bzw. Telekommunikationsanbieter. So genannte Komplett- oder Komplexdienstleister gehen dabei noch einen Schritt weiter: Sie überwachen alle Maßnahmen sowie die Einhaltung der definierten Qualitätsstandards durch eigene Bauleiter. Zudem gewährleisten sie ein hohes Niveau in technischen wie auch in Fragen der Arbeitssicherheit, indem sie ihre Nachunternehmer konsequent schulen und weiterqualifizieren. Und sie ermöglichen Ihnen den direkten Zugriff auf Spezialmaschinen und benötigtes Baumaterial. Enge Verzahnung von Planung und Ausführung Wie bei allen Bauprojekten ist die Planung Grundlage für das gesamte Bauvorhaben. Arbeiten Planer und Tiefbauer Hand in Hand, ergeben sich wertvolle Synergien, etwa bei der Trassenführung. Diese sollte nicht nur nach Kennzahlen wie etwa den erreichbaren Hausanschlüssen gewählt werden, sondern auch nach Tiefbaukriterien: Mit welchen Oberflächen und welcher Bodenbeschaffenheit habe ich es entlang der späteren Trasse zu tun? Wo liegen bereits Gas- und Wasserleitungen im Boden, die berücksichtigt werden müssen? Wo lässt sich die Trasse trotz möglicherweise längerer Streckenlänge leichter realisieren? Die Förderprogramme des Bundes verlangen eine getrennte Ausschreibung. Dennoch kann und sollte man als öffentlicher Auftraggeber darauf achten bzw. dringen, dass sich Ingenieurbüro und ausführendes Tiefbauunternehmen vor allem während der Planungsphase eng abstimmen. Kriterien für die erfolgreiche praktische Umsetzung von Glasfaserausbau-Projekten Hans-Günter Claußen Beim Glasfaserausbau bietet sich derzeit ein widersprüchliches Bild: Die Fördermittel sind da, werden von den kommunalen Erschließungsträgern aber nur selten abgerufen. Ein wesentlicher Grund für diese Zurückhaltung sind auch die mangelnden Ausbaukapazitäten. Tatsächlich sind die planungs- und baupraktischen Herausforderungen bei der Umsetzung von Glasfaserausbau-Projekten komplex - aber lösbar. Bild 1: Hohe Qualität, aber auch größere Tagesleistungen und dementsprechend geringere Kosten durch anwendungsspezifische Tiefbautechnik. © Ditch Witch 25 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Optimale Trassenplanung Eine Voraussetzung für optimale Trassenplanung ist eine genaue Vorvermessung - und zwar real vor Ort, nicht nur aufgrund von Plänen. Das ist allerdings keineswegs immer üblich, was angesichts des bisher notwendigen Aufwands nicht überrascht: Ein klassischer Vermessungstechniker schafft nur etwa fünf Trassenkilometer pro Tag. Ein Kamerafahrzeug bringt nicht die notwendige Detailtiefe. Eine technisch wie preislich deutlich überlegene Alternative schafft dagegen eine neue Technologie: die GPS-gestützte Bestandsaufnahme per Video-Drohne. Mit einem solchen System lassen sich bis zu 20 km täglich vermessen und das in zentimetergenauer Auflösung. Die Kamera erkennt beispielweise auch Bauschäden im Vorfeld wie fehlerhafte Bordsteine. Die Planung wird dadurch günstiger und schneller. Perspektivisch wird der technische Fortschritt auch beim Blick unter die Erde Einzug halten. Wo bisher zur Analyse der Bodenbeschaffenheit noch Druck- oder Rammsonden eingesetzt werden, wird dies in absehbarer Zeit auch sehr viel einfacher per Geo-Radar (Ultraschall und Wärmekamera) möglich sein. Spezialisierung im Glasfaser-Tiefbau Glasfaser-Ausbauprojekte sind anspruchsvoll und komplex. Das zeigt schon ein Blick auf die zu erfüllenden Richtlinien und Vorgaben, allen voran die des Bundesverkehrsministeriums (vertreten durch den Projektträger atene KOM), aber auch die von nationalen technischen Regelsetzern wie dem Deutschen Asphaltverband (DAV) oder dem Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Die fachgerechte Ausführung erfordert deshalb ein spezialisiertes Unternehmen mit entsprechender Erfahrung im Rohr- und Kabelleitungsbau, beginnend bei der Planung über Tiefbau, Montage und Oberflächenwiederherstellung bis hin zu Einmessung und Dokumentation. Ein Aspekt ist dabei besonders wichtig: Die Qualität der Bauausführung muss nachhaltig gegeben sein, denn das Netz soll ja über Jahre zuverlässig funktionieren. Es nutzt schließlich nichts, wenn der Netzbetreiber im späteren Betrieb ständig Störungen beheben muss oder die montierten Leitungen schon nach wenigen Jahren wieder repariert oder gar ausgetauscht werden müssen, weil beispielsweise Steine auf die Leitung drücken. Das gilt umso mehr, wenn die ursprünglich ausführende Firma nicht mehr greifbar ist. Spezialmaschinen, innovative Verfahren und nachhaltiges Materialmanagement Die Basis für die geforderte hohe Qualität, aber auch für größere Tagesleistungen und dementsprechend geringere Kosten legen zum einen anwendungsspezifische Tiefbautechnik und zum anderen innovative Prozesse und Verfahren. Werden etwa statt eines einfachen Baggers Spezialmaschinen wie Asphaltfräse, Grabenfräse und steuerbare Bohranlage kombiniert eingesetzt, lässt sich der Vortrieb bei deutlich geringerer Erdbewegung um ein Vielfaches beschleunigen. Ein weiteres Beispiel für ein ebenso innovatives wie praxiserprobtes Verfahren ist die Verlegung ohne Einsanden. Dabei werden die Leitungen ohne Verdichten der Rohrleitungszone quasi frei schwingend in einer Röhre fixiert. Das geht nicht nur schneller, die Kabel bleiben auch dauerhaft zugänglich für Wartungsarbeiten. Und noch etwas ist enorm wichtig für die nachhaltige Qualität der Glasfaser-Installation: hochwertige Materialien. Es lohnt sich deshalb, diese auch auszuschreiben. Gerade die coronabedingten Unterbrechungen von internationalen Lieferketten haben in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes gezeigt: die Notwendigkeit eines nachhaltigen Materialmanagements. Denn ohne (Spezial-)Material gibt es keinen Baufortschritt. Hier liegt - nicht erst jetzt - die Ursache für viele Bauverzögerungen und oft problematische Fristüberschreitungen. Deshalb ist eine vorausschauende Lagerhaltung, am besten kombiniert mit einer eigenen Beschaffung und Logistik, insbesondere für spezielle, schwer zu beschaffende Materialien dringend zu empfehlen. Das gibt es allerdings nicht umsonst, denn der Bauunternehmer muss dabei erheblich in die Vorleistung gehen. Fazit Die praktische Umsetzung von Glasfaserausbau-Projekten ist an vielfältige Voraussetzungen gebunden. Sie ist aber auch kein „Hexenwerk“, soweit schon vor Beginn der Planungen und Ausschreibungen einige wichtige Kriterien berücksichtigt werden. Bild 2: Die GPS-gestützte Bestandsaufnahme per Video-Drohne ermöglicht die zentimetergenaue Vorvermessung von bis zu 20 Trassen-Kilometern pro Tag. © KronoBau GmbH Dipl.-Ing. Hans-Günter Claußen Geschäftsführer KronoBau GmbH Kontakt: info@kronobaugmbh.de AUTOR
