Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2020-0082
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2020
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Nachhaltige Wärme- und Kältebewirtschaftung von Stadtquartieren
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2020
Corinna Schitthelm
Meinhard Ryba
Till Kugler
Roland Koenigsdorff
Detlef Kurth
Christian Moormann
Im Rahmen des Prozesses der „Energieleitplanung“ wird untersucht, wie Energieeffizienz und erneuerbare Energieversorgung in Stadtentwicklungskonzepte integriert werden können. Das Forschungsprojekt IWAES (www.iwaes.de) geht der Frage nach, wie durch die Nutzung thermisch aktivierter Abwasserkanäle und weiterer erneuerbarer Energiequellen ein ausgeglichener jährlicher Wärme- und Kältehaushalt auf Quartiersebene möglich ist. Ein Projektschwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure aus Stadtplanung, Bauingenieur- und Energieingenieurwesen sowie öffentlichen und privaten Partnern.
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52 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Klimaschutz und Klimaanpassung werden zunehmend zu zentralen Aufgaben für die Stadtplanung. Das Ziel sind Städte, die gleichermaßen an den Klimawandel angepasst sind und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wichtig dafür ist, Gebäude klimaneutral zu heizen und zu kühlen und die Wärme- und Kältebedarfe durch nutzungsbezogene Prozesse in den Gebäuden klimaneutral zu decken (zum Beispiel: Warmwasserbereitung, thermische Anwendungen und Prozesse etc.). Die Wärme- und Kältebedarfe für die Klimatisierung lassen sich gebäudeweise durch effiziente Gebäudehüllen reduzieren. In gewissem Umfang können auch die nutzungsbezogenen thermischen Prozesse in den Gebäuden im Hinblick auf ihre Bedarfe optimiert werden. Nachhaltige Wärme- und Kältebewirtschaftung von Stadtquartieren Integrierte Betrachtung im Stadtentwicklungsprozess Energiegerechte Stadtentwicklung, Energieleitplanung, Abwärmenutzung, Kaltes Nahwärmenetz, Wärme- und Kältenetz, thermisch aktivierter Hybridkanal Corinna Schittenhelm, Meinhard Ryba, Till Kugler, Roland Koenigsdorff, Detlef Kurth, Christian Moormann Im Rahmen des Prozesses der „Energieleitplanung“ wird untersucht, wie Energieeffizienz und erneuerbare Energieversorgung in Stadtentwicklungskonzepte integriert werden können. Das Forschungsprojekt IWAES (www.iwaes.de) geht der Frage nach, wie durch die Nutzung thermisch aktivierter Abwasserkanäle und weiterer erneuerbarer Energiequellen ein ausgeglichener jährlicher Wärme- und Kältehaushalt auf Quartiersebene möglich ist. Ein Projektschwerpunkt liegt in der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure aus Stadtplanung, Bauingenieur- und Energieingenieurwesen sowie öffentlichen und privaten Partnern. © Krisztián Gazsovics auf Pixabay 53 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Lokale, gebäudebezogene Einzeloptimierungen sind notwendig, um die Klimaschutzziele zu erreichen, aber im Sinne einer gebäudeübergreifenden Gesamtoptimierung nicht ausreichend. Erst in einer übergeordneten, quartiersorientierten Betrachtung lassen sich weitere Optimierungspotenziale erschließen. Hierzu zählen zum Beispiel eine aus energetischer Sicht optimierte Gebäudeausrichtung oder eine optimierte Nutzung von bedarfsnahen erneuerbaren Energiequellen. Die zentrale Betrachtungsebene ist hierfür das Stadtquartier. Hier sollen die unterschiedlichen Belange aus Städtebau, Energieingenieurwesen und Bauingenieurwesen in einem energetischen Quartierskonzept verknüpft werden. An dieser Stelle setzt das inter- und transdisziplinäre Verbundprojekt IWAES mit einer nachhaltigen Wärme- und Kältebewirtschaftung von Stadtquartieren an. Mit einem innovativen ganzheitlichen Ansatz wird das Ziel verfolgt, die Infrastruktursysteme der Siedlungswasserwirtschaft, konkret das bauliche Abwassersystem, auf Stadtquartiersebene so zu aktivieren, dass sie zum Transport sowie für die Ein- und Ausspeisung von Wärme und Kälte und zusätzlich als Wärmequellen und Wärmesenken genutzt werden können. Damit soll das Potenzial für einen Ausgleich des Wärmehaushalts in einem Stadtquartier erschlossen werden. Sich durch das System ergebende Puffer- und Speichermöglichkeiten können den Wärmeausgleich optimieren. Im Sinne einer „Energieleitplanung“ werden die Voraussetzungen geschaffen, thermische Verbrauchslastprofile von Gebäudenutzungen auszugleichen (siehe Bild 1). Im Rahmen des Forschungsvorhabens werden insbesondere die folgenden zentralen Fragestellungen bearbeitet: Kann durch eine technische und stadtplanerische Optimierung unter Einbeziehung von adaptierten und thermisch aktivierten Infrastruktursystemen der Siedlungswasserwirtschaft ein ausgeglichener Wärme-/ Kältehaushalt innerhalb eines Stadtquartiers erreicht werden? Wie sieht eine effiziente und technisch realisierbare Infrastruktur unter Nutzung der Konstruktionen des Siedlungswasserbaus zum Transport und zur Verteilung von Wärme für einen Wärmeausgleich aus? Wie lassen sich verbleibende Restbedarfe mit erneuerbaren Energiequellen im Stadtquartier decken? Bei der Bearbeitung dieser Fragestellungen arbeiten die Disziplinen Stadtplanung, Bauingenieur- und Energieingenieurwesen eng zusammen. Damit wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit selbst zum Forschungsobjekt, mit dem Ziel, die gesammelten Erfahrungen in der Praxis für die Entwicklung energetischer Quartierskonzepte zu nutzen. Im Projektverbund versammelt sind wissenschaftliche Vertreter aus Stadtplanung (TU Kaiserslautern), Bauingenieurwesen (Universität Stuttgart) und Energieingenieurwesen (Hochschule Biberach). Weitere Kooperationspartner sind Wirtschaftsunternehmen (die STEG, Klinger und Partner, Frank GmbH), die ihre spezifischen Fachexpertisen einbringen, und als kommunaler Partner die Stadt Stuttgart (Amt für Umweltschutz Stuttgart). Bild 1: Die relevanten Bausteine des Verbundprojekts. © Serena Oberecker, 2019 53 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES 54 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Gefördert wird das Verbundprojekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Maßnahme „Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft“ (RES: Z). Die oben genannten Forschungsfragen werden zum einen grundsätzlich wissenschaftlich untersucht, so dass die Ergebnisse auf andere Stadtquartiere übertragbar sind. Zum anderen werden die Ergebnisse auf ein konkretes Stadtquartier bezogen und unter realen Bedingungen untersucht und demonstriert. Als Untersuchungsgebiet dient das Rosensteinquartier in Stuttgart, das nach Fertigstellung des Tiefbahnhofs auf den ehemaligen Bahnflächen entstehen soll. Verschiedene Rahmenbedingungen wie beispielsweise die hohe Verdichtung, die Wohnungsnot, der hohe Industrieanteil, die Verkehrsbelastung und die Kessellage bedingen sich gegenseitig und erfordern es, hier ein nachhaltiges und dichtes neues Stadtquartier zu errichten (siehe Infobox 1). Im Rahmen ihrer Planungshoheit haben die Gemeinden die Zuständigkeit, nach § 1 Abs. 3 BauGB „… Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.“ [3] Bei der Aufstellung von Bauleitplänen soll „den Erfordernissen des Klimaschutzes … Rechnung getragen werden.“ [4] Zugleich sind „bei der Aufstellung der Bauleitpläne … die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.“ [5] Neben den verbindlichen Festsetzungen durch die formellen Planungsinstrumente ist eine strenge Selbstbindung der Beteiligten beim Einsatz informeller Planungsinstrumente anzustreben, wie zum Beispiel bei Quartierskonzepten, städtebaulichen Entwürfen, Fachkonzepten. Der Prozess der „Energieleitplanung“ verknüpft Energiekonzepte mit Bauleitplänen und Stadtentwicklungsplänen. Bei der Aufstellung eines Energiekonzepts werden die energetischen Optimierungspotenziale erfasst, um die Energiebedarfe zu senken und die Energieversorgung möglichst durch erneuerbare Energien zu gewährleisten. Bei Neubauprojekten bildet die Entwicklung und Bewertung von Planungsvarianten (Gebäudeausrichtung, Geschossigkeit, Versorgungsvarianten etc.) die Grundlage für das energetisches Gesamtkonzept. Bei Bestandsquartieren werden der Ist-Zustand der Gebäude und des bestehenden Versorgungskonzepts aufgenommen, Sanierungsoptionen zu einem energetischen Sanierungskonzept zusammengestellt und dazu Handlungsempfehlungen und Zielsetzungen formuliert. Für die Erarbeitung eines Energieleitplans muss die Stadtplanung den Energieingenieuren frühzeitig die Daten zu den Gebäudetypen und deren Nutzungen für die Berechnung der Wärme- und Kältebedarfe zur Verfügung stellen. Hierbei werden Variantenberechnungen in Abstimmung zwischen Stadtplanung und Energieplanung zu Optimierungsmöglichkeiten durchgeführt. Die Ergebnisse werden beispielsweise in Form von optimierter Gebäudeausrichtung oder angepasster Geschossigkeit zurückgespiegelt und sind bei der Weiterentwicklung des städtebaulichen Entwurfs zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden in diesem interdisziplinären, iterativen Planungsprozess die Potenzialflächen für Solarthermie und Photovoltaik ermittelt und unter Berücksichtigung von notwendigen Technik-, Funktions- und Gestaltungsflächen optimiert. Die Abstimmung zwischen Stadtplanung und Bauingenieurwesen bezieht sich vor allem auf das Leitungskonzept, das bei der Planung der Baufelder und Verkehrsflächen zu berücksichtigen ist. Durch den Bau des Stuttgarter Tiefbahnhofs wird ein großes innerstädtisches Areal frei. Der Stadt Stuttgart bietet sich dadurch die Chance, der Wohnungsnot zu begegnen und neue städtebauliche Qualitäten zu schaffen. Im Jahr 2018 wurde ein städtebaulicher Wettbewerb ausgelobt, den das Büro asp Architekten GmbH 2019 für sich entscheiden konnte [2]. Der Siegerentwurf dient als Grundlage für das Forschungsprojekt. Gemäß dem Entwurf (siehe Bild 2) soll ein stark durchgrüntes Stadtquartier entstehen. Zusätzlich soll das Stadtquartier möglichst autofrei gestaltet werden, Infrastruktureinrichtungen sollen in Quartiershubs untergebracht werden. Das Ziel ist ein durchmischtes, energetisch ausgeglichenes Quartier mit ansprechenden öffentlichen Räumen und einer qualitätvollen städtebaulichen Dichte. Infobox 1: DAS ROSENSTEINQUARTIER Bild 2: Internationaler Wettbewerb Rosenstein, Stuttgart: Siegerentwurf. © asp Architekten GmbH 2019 [1] 55 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Auf Grundlage des optimierten städtebaulichen Entwurfs können durch die Energieingenieure realistische Bedarfslastgänge der Gebäude ermittelt werden. Diese bilden die Basis für Untersuchungen zum möglichen gegenseitigen thermischen Ausgleich von Wärme- und Kältebedarfen, zum dafür erforderlichen Transportbedarf mit den Ein- und Ausspeisepunkten sowie zu den noch zu deckenden Restbedarfslastgängen für Wärme und Kälte. Hier liegt die Schnittstelle zwischen Energieingenieuren und Bauingenieuren (Siedlungswasserwirtschaft), deren Aufgabe es ist, den im Quartier erforderlichen Wärme- und Kältetransport und die Deckung der thermischen Restbedarfe mittels eines thermisch aktivierten Hybridkanalsystems soweit wie möglich zu realisieren (siehe Infobox 2). Die Umsetzung der thermischen Kanalaktivierung und der dafür erforderlichen Anlagentechnik erfolgt an der Schnittstelle zwischen Bauingenieuren (Geotechnik), Energieingenieuren (Anlagentechnik) und Praxispartnern, welche auf die Dimensionierung (Klinger und Partner) und die Herstellung und Aktivierung (Firma Frank) von Abwasserkanälen spezialisiert sind. Der Energieleitplan wird schließlich der Stadt Stuttgart übergeben, die bereits während des Erarbeitungsprozesses darauf achtet, ob alle Anforderungen und öffentlichen Belange erfüllt werden. Bilanzierung für einen ausgeglichenen Wärmehaushalt von Stadtquartieren Voraussetzung für eine nachhaltige Wärme- und Kältebewirtschaftung mit einem möglichst ausgeglichenen Wärmehaushalt in einem Stadtquartier ist es, die zeitlich aufgelösten Wärme- und Kältebedarfslastprofile der Nutzungen zu ermitteln. Hieraus ergibt sich, zu welchem Zeitpunkt eine Nutzung Wärme oder Kälte benötigt, und ob diese eine Wärmesenke oder Wärmequelle darstellt. Zur Ermittlung quantitativer Lastgänge ist es erforderlich, den Nutzungen räumliche Nutzungseinheiten in den Gebäuden im städtebaulichen Entwurf zuzuordnen. Von der Gebäudeebene bis zum Quartier sind Ebenen für eine schrittweise Bilanzierung des Wärmehaushaltes festzulegen. Diese Bilanzierungsebenen richten sich nach den räumlichen Transport- und Verteilmöglichkeiten entlang der baulichen Abwasserkanäle einerseits und der städtebaulichen Struktur andererseits. Von der Gebäudeebene beginnend ergeben sich die noch zu deckenden thermischen Restbedarfe, die dann entweder noch auf der jeweiligen Betrachtungsebene durch zur Verfügung stehende erneuerbare Energien gedeckt werden können oder in die nächste Bilanzierungsebene für einen Wärmeausgleich weitergegeben werden müssen oder sollen. Die zeitschrittweise Bilanzierung auf den verschiedenen Ebenen zeigt auf, inwieweit ein ausgeglichener Wärmehaushalt je Zeitschritt möglich ist, und welche Restbedarfslastgänge für Wärme oder Kälte noch an welcher Stelle im Quartier zu decken sind. Anhand der Ergebnisse lässt sich ferner ermitteln, ob, in welchem Umfang und wo eine thermische Pufferspeicherung zur zeitlichen Entkopplung der Wärme- und Kältebedarfslastgänge zu einem besser ausgeglichenen thermischen Haushalt beitragen kann. Abschließend lassen sich die Einsatzmöglichkeiten von im Quartier vorhandenen erneuerbaren Energiequellen im Umfeld der noch zu deckenden Restbedarfe überprüfen. Angewandt auf das Untersuchungsgebiet Stuttgart-Rosensteinquartier ergeben sich aus dem städtebaulichen Entwurf die folgenden Bilanzierungsebenen (siehe Bild 3): Bild 3: Dreistufiger thermischer Quartiersansatz mit Integration des thermisch aktivierten Abwassernetzes. © Schittenhelm et al. 55 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES Mit thermisch aktivierten Abwasserkanälen wird dem Abwasser und dem umgebenden Erdreich je nach Bedarf Wärme entzogen oder an dieses abgegeben. Die in Bild 4 dargestellten Kanalquerschnitte zeigen, welche Varianten zur Aktivierung möglich sind. Je näher die Absorberleitungen am Abwasser angebracht sind, desto mehr Wärme wird dem Abwasser entzogen, entsprechendes gilt bei erdreichnaher Lage. Ein „thermisch aktivierter Hybridkanal“ ist ein aktivierter Kanal, in den zusätzliche Leitungen für einen Wärme- und Kältetransport integriert sind. Infobox 2: THERMISCH AKTIVIERTER HYBRIDKANAL 56 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Erste Ebene: Gebäudeblock. Der städtebauliche Entwurf sieht überwiegend eine Blockbebauung vor. Solitärgebäude sind lediglich am südöstlichen Rand des Quartiers geplant (vgl. Bild 2). Zweite Ebene: Der städtebauliche Entwurf sieht sogenannte Quartiershubs als Versorgungszentren vor, in denen unter anderem Flächen für die Energieversorgung eingeplant sind. Diese Bilanzierungsebene umfasst die Gebäudeblöcke, die dem jeweiligen Hub zugeordnet sind. Für die Bilanzierung ergibt sich je Hub ein Hubareal. Dritte Ebene: Gesamtes Quartier. Auf dieser Ebene werden die Bedarfe der Hubareale bilanziert. Im Projekt ist angestrebt, spätestens auf dieser Ebene einen ausgeglichenen Wärmehaushalt zu erreichen. Mit diesen Bilanzierungsebenen ist das folgende Transport- und Verteilkonzept verknüpft: Auf Gebäudeblockebene erfolgen der Transport und die Verteilung von Wärme und Kälte zu den Verbrauchern. Der Unterschied zu einer klassischen Gebäudeverteilung liegt darin, dass im Sinne einer Wärmerückgewinnung die unterschiedlichen Verbraucher, die entweder Wärmesenken oder Wärmequellen darstellen, möglichst gegenseitig zum Ausgleich gebracht werden sollen. Zu diesem Zweck ist das Verteilnetz als Ring ausgeführt, in das Wärme ein- und ausgespeist werden kann, und in den zusätzlich erneuerbare thermische Quellen und Senken im Gebäudeumfeld als Erzeuger eingebunden werden können (Solarthermie, Außenluft, (direkte) Geothermie etc.). In gleicher Weise ist auf der Ebene der Hubareale je Hub ein Versorgungsring vorgesehen, der die Ringe der Gebäudeblockebene mit je einem Anschluss verbindet. Durch diesen wird ein Wärmeausgleich zwischen den Blöcken ermöglicht. Zusätzliche erneuerbare Wärme- und Kältequellen werden arealzentral über den Hub in den Versorgungsring eingekoppelt. Der derzeitige Ansatz sieht vor, dass Restbedarfe an Wärme und Kälte für das Hubareal zentral vom Hub aus mit einer Wärme-Kältemaschine gedeckt werden sollen (siehe Infobox 3). Auf der Quartiersebene sind die Hubs mit einem Primärring verbunden, der, abhängig vom Betriebszustand den Wärme-Kältemaschinen, in den Hubs als Wärmesenke oder Wärmequelle dient. Zur Versorgung des Primärrings erfolgt eine geothermische Aktivierung der das Quartier allseits umgebenden Grünflächen. In den Quartierhubs liegt die Schnittstelle zwischen dem Primärring und dem zweiten Ring der Hubareale. Damit liegt hier der geeignete Standort für eine längerfristige Speicherung zum Beispiel mit thermischen Eisspeichern. Temperaturniveau und Ausgleich von Wärmesenken und Wärmequellen Ein direkter Ausgleich von Wärmequellen und Wärmesenken ist nur dann möglich, wenn entsprechende korrespondierende Temperaturniveaus vorliegen. Das heißt, die Mindestanforderung für einen teilweisen Ausgleich ist, dass die Temperatur des Rücklaufs aus dem Wärmeabnehmer (Wärmesenke) kälter ist als die Temperatur des Rücklaufs aus dem Kälteabnehmer (Wärmequelle). Da dies meist nicht der Fall ist, ist eine Anpassung der Temperaturniveaus bis auf das jeweilige Nutztemperaturniveau notwendig. Im Versorgungskonzept ist vorgesehen, dies durch den Einsatz von Wärme-Kältemaschinen vorzunehmen, wobei folgende Fälle auftreten: Wärmepumpen und Kältemaschinen entziehen am Verdampfer Wärme auf einem niederen Temperaturniveau und geben Wärme auf einem höheren Temperaturniveau am Kondensator wieder ab. Die Bezeichnung Wärmepumpe bzw. Kältemaschine bezieht sich darauf, ob die Wärme oder die Kälte genutzt wird. Ein maximaler Nutzen liegt dann vor, wenn sowohl die abgegebene Wärme als auch die Kälte genutzt wird. Die treffende Bezeichnung wäre dann Wärme-Kältemaschine. Eine Anwendung dafür ist, Wärmesenken und Wärmequellen im Sinne eines Wärmeausgleichs zu verbinden, wenn deren unterschiedliches Temperaturniveau einen direkten Ausgleich nicht zulässt. Dafür sollen Wärme- Kältemaschinen zur Erlangung eines Wärmeausgleichs im Quartier eingesetzt werden. Bild 4: Variationen eines thermisch aktivierten Abwasserkanals. © Schittenhelm et al. Infobox 3: WÄRMEPUMPE, KÄLTEMASCHINE, WÄRME-KÄLTEMASCHINE 57 4 · 2020 TR ANSFORMING CITIES THEMA Städtische Ressourcen Corinna Schittenhelm, M. Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin TU Kaiserslautern, Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Lehrstuhl Stadtplanung Kontakt: corinna.schittenhelm@ru.uni-kl.de Dipl.-Ing. (FH) Meinhard Ryba, M.Sc. Akademischer Mitarbeiter Hochschule Biberach Institut für Gebäude- und Energiesysteme Kontakt: ryba@hochschule-bc.de Till Kugler, M. Sc. Akademischer Mitarbeiter Universität Stuttgart, Institut für Geotechnik Kontakt: till.kugler@igs.uni-stuttgart.de Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff Institutsleiter Institut für Gebäude- und Energiesysteme Kontakt: koenigsdorff@hochschule-bc.de Univ.-Prof. Dr.-Ing. Detlef Kurth Lehrstuhlinhaber TU Kaiserslautern, Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Lehrstuhl Stadtplanung Kontakt: detlef.kurth@ru.uni-kl.de Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Moormann Ordinarius und Direktor Institut für Geotechnik, Universität Stuttgart Kontakt: christian.moormann@igs.uni-stuttgart.de 1. Temperaturanhebung für die Wärmebereitstellung (Wärmepumpenbetrieb) 2. Temperaturabsenkung für die Kältebereitstellung (Kältemaschinenbetrieb) 3. gleichzeitige Temperaturanhebung und Temperaturabsenkung (Wärmepumpen- und Kältemaschinenbetrieb). Als Wärme-Kältemaschinen sollen Kompressionsmaschinen eingesetzt werden. Der Strombedarf für den Betrieb soll zu einem möglichst hohen Anteil durch PV-Anlagen an den Gebäuden des Stadtquartiers erzeugt werden. Fazit Ziel des Projekts IWAES ist es, einen ausgeglichenen Wärme- und Kältehaushalt auf Quartiersebene herzustellen. Die Innovation besteht darin, thermisch aktivierte Hybridkanäle für die Verteilung der Abwärme innerhalb des Quartiers zu nutzen. Der Prozess der Energieleitplanung bildet dabei die Grundlage, um ein energetisch, städtebaulich und technisch aufeinander abgestimmtes optimiertes Konzept zu entwickeln. Außerdem dient es dazu, die unterschiedlichen beteiligten Fachdisziplinen und Akteure in den Planungsprozess einzubinden. LITERATUR [1] asp Architekten GmbH (2019): Internationaler Wettbewerb Rosenstein, Stuttgart, https: / / www.aspstuttgart.de/ portfolio-items/ internationaler-wettbewerb-rosenstein-stuttgart/ , Zugriff am: 02.10.2020. [2] Landeshauptstadt Stuttgart: Auslobung Internationaler offener städtebaulicher Wettbewerb Rosenstein, Ideen für einen neuen Stadtteil, Stuttgart, 2018. [3] § 1 Abs. 3 S. 1 Baugesetzbuch/ BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist. [4] § 1a Abs. 5 S. 1 Baugesetzbuch/ BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist. [5] § 1 Abs. 7 Baugesetzbuch/ BauGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist. WEITERE QUELLEN • Bayrisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG), Bayrisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (StMWIVT), Oberste Baubehörde im Bayrischen Staatsministerium des Innern (OBB) (2011): Leitfaden Energienutzungsplan, München. • Grundgesetz/ GG für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist. • Pietruschka D., Kurth D., Eicker U. et al: Energetischer Stadtumbau. Energieleitplanung und Wärmenetze für neue Nachbarschaften in Ludwigsburg Grünbühl- Sonnenberg, Bonn, 2016: Fraunhofer IRB Verlag. • Malottki v. C., Koch T., Blees V.: ExWoSt-Information 48/ 1 Erweiterte Bilanzierung von Energieverbrauch und CO 2 -Emissionen auf Quartiersebene, Bonn: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 2016. AUTOR*INNEN