eJournals Transforming cities 6/1

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0013
35
2021
61

Corona und neue Arbeitswelten

35
2021
Rahild Neuburger
Es besteht kein Zweifel und wird oft thematisiert: Corona verändert unsere Arbeitswelt. Dabei ist die Pandemie weniger als Auslöser als vielmehr als Brennglas zu verstehen – denn letztlich setzt sich ein Trend durch, der in der Literatur schon lange diskutiert und in Unternehmen teilweise schon praktiziert wurde: die Flexibilisierung der Arbeit. Ausgelöst durch die Pandemie wurde die Arbeit soweit möglich vom Büro aufs heimische Umfeld verlagert. „Home-Office“ oder „smart working“, wie diese Entwicklung mitunter auch bezeichnet wird, entwickelte sich zum „new normal“. Setzt sich diese Tendenz auch in einer Zeit nach oder mit Corona langfristig durch, werden sich urbane Strukturen verändern (müssen), um attraktiv bleiben zu können.
tc610044
44 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Virtuelles Arbeiten: neu und doch nicht neu Bedingt durch Corona musste der Übergang von einer vormals primär physisch geprägten Arbeitswelt in eine jetzt primär digitale Arbeitswelt schnell gehen - von heute auf morgen mussten Arbeit und Zusammenarbeit in vielen Bereichen flexibel neu und anders organisiert werden. Dies betraf mehrere Dimensionen:  Örtlich durch Verlagerung der Tätigkeiten soweit möglich in das heimische Umfeld - Home-Office etablierte sich als neue Arbeitsform. Corona und neue Arbeitswelten Nachhaltige Veränderungen für urbane Strukturen? Arbeitswelt, Corona, Digitalisierung, Home-Office, Urbane Strukturen Rahild Neuburger Es besteht kein Zweifel und wird oft thematisiert: Corona verändert unsere Arbeitswelt. Dabei ist die Pandemie weniger als Auslöser als vielmehr als Brennglas zu verstehen - denn letztlich setzt sich ein Trend durch, der in der Literatur schon lange diskutiert und in Unternehmen teilweise schon praktiziert wurde: die Flexibilisierung der Arbeit. Ausgelöst durch die Pandemie wurde die Arbeit soweit möglich vom Büro aufs heimische Umfeld verlagert. „Home-Office“ oder „smart working“, wie diese Entwicklung mitunter auch bezeichnet wird, entwickelte sich zum „new normal“. Setzt sich diese Tendenz auch in einer Zeit nach oder mit Corona langfristig durch, werden sich urbane Strukturen verändern (müssen), um attraktiv bleiben zu können.  Zeitlich durch die häufig zu beobachtende Notwendigkeit, berufliche Anforderungen mit einem zusätzlichen Betreuungs- und Home-Schooling- Aufwand vereinbaren zu müssen. Die klassische Normalarbeitszeit oder Kernarbeitszeit verlor an Bedeutung; die beruflichen Anforderungen wurden frühmorgens, am Abend, am Wochenende und häufig im elterlichen Schichtbetrieb erfüllt.  Methodisch-instrumentell, indem Kommunikationsprozesse in den digitalen Raum verlagert wurden und Tools für digitale Arbeit und Zusammen- © Dillon Shook on Unsplash 45 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie arbeit vormals primär physische Formen abgelöst haben. Oft führte die Nutzung all dieser Tools auch zu einer Verdichtung der Arbeitsprozesse: die Anzahl der Besprechungen erhöhte sich; dank fehlender dazwischenliegender Reise- und Fortbewegungszeiten konnten sich virtuelle Sitzungen nahtlos aneinanderreihen. All diese Konzepte wurden in Wissenschaft und Praxis schon lange diskutiert und ausprobiert [1]. Insbesondere mit dem Aufkommen des Internet begann Mitte der neunziger Jahre eine intensive Auseinandersetzung mit den Potenzialen eines zeitlich und örtlich flexiblen Arbeitens und Zusammenarbeitens - damals bezeichnet als „any time/ any placeworking“ [2]. Schlagworte waren schon damals Teleheimarbeit, remote working, home-work, virtuelle Teams oder virtuelle communities. Das zugrunde liegende Prinzip war dabei immer dasselbe: Arbeits- und Kommunikationsprozesse werden im digitalen Raum abgewickelt; der physische Standort ist häufig nicht mehr entscheidend. In vielen Fällen ist Arbeit personen- und nicht ortsgebunden. [3] Digitale Arbeitswelt: Experiment hat funktioniert Im ersten Corona-bedingten Lockdown zeigte sich dies deutlich: waren die Arbeitsprozesse personengebunden, ließen sie sich ins Home-Office verlagern; waren sie ortsgebunden, waren polarisierende Effekte die Folge. Entweder durften sie gar nicht mehr stattfinden (zum Beispiel: nicht systemrelevanter Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus) oder es kam zur Gefahr von Überforderung (zum Beispiel: systemrelevante Bereiche wie Lebensmittelhandel oder Gesundheitsbereich). Deutlich wurde aber auch: Die Verlagerung ins Home-Office musste organisatorisch und technisch schnell umgesetzt werden. Und - es hat weitgehend funktioniert. Die meisten haben sich schnell eingefunden in die veränderten Arbeits- und Kommunikationsstrukturen. Es wurde mit den Tools und den neuen digitalen Kommunikationsformen experimentiert, man hat sich über und in so manchen Videokonferenzen amüsiert, man hat viel gelernt - von virtuellen Kommunikations- und Meetingkompetenzen über Selbstorganisation bis hin zu virtuellen Führungskompetenzen und man hat durchaus Gefallen an dieser neuen Form der Arbeit gefunden. So zeigen mittlerweile viele Studien nicht nur eine hohe Akzeptanz für das veränderte Arbeiten; viele wünschen sich auch in einer Nach- Corona-Zeit die Möglichkeit zu mehr Home-Office. Dies gilt für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber in gleicher Weise. Home-Office: Voraussetzungen und Vertrauen als Erfolgsfaktor Heißt dies nun, dass klassische Büros zukünftig gänzlich verschwinden und sich Home-Office zum „new normal“ entwickeln wird? Davon ist eher nicht auszugehen, denn die Pandemie hat nicht nur gezeigt, dass sich Home-Office technisch, personell und organisatorisch realisieren lässt und in großem Umfang möglich ist und akzeptiert wird. Letztlich hat die Pandemie auch die Grenzen des Home-Office deutlich gemacht: Home-Office funktioniert, wenn  technische Endgeräte zur Verfügung stehen, die technischen Infrastrukturen reibungslos funktionieren, Kommunikationstools, wie vor allem Video-Tools, eingesetzt werden können und gewährleistet werden kann, dass der erforderliche Informations- und Datenaustausch innerhalb der Teams bzw. zwischen zentralem Office und dezentralen Home-Office-Plätzen sicher und geschützt erfolgen kann,  der Aufgabenzuschnitt es strukturell und inhaltlich zulässt und die Aufgaben von zu Hause aus digital ausgeführt werden können,  die räumlichen Gegebenheiten ein möglichst stressfreies Arbeiten im heimischen Umfeld erlauben,  die Mitarbeiter für ein eigenverantwortliches Arbeiten im Home-Office befähigt sind bzw. werden. Notwendig sind vor allem persönliche Kompetenzen wie Selbstverantwortung und Selbstmanagement, Resilienz, Grenzziehungskompetenzen oder auch Beurteilungsfähigkeit, zum Beispiel in Bezug auf die Frage, welches Kommunikationsmittel in welcher Arbeitssituation zielführend ist,  seitens der Führung Ergebnisorientierung an die Stelle einer Forderung nach Präsenz und der damit oft verbundenen Tätigkeitskontrolle treten,  Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sowie Vertrauen innerhalb der Abteilungen und Teams vorherrscht. Dass der Corona-bedingte Umstieg von einer physischen in eine virtuelle Arbeitswelt so reibungslos funktionierte, lag sicherlich besonders daran, dass dieses Vertrauen in der vormals physischen Arbeitswelt aufgebaut werden konnte. Dieses Vertrauen - von Niklas Luhmann [4] als riskante Vorleistung definiert - hat den erforderlichen schnellen Switch in die virtuelle Arbeitswelt sicherlich erleichtert, wenn nicht sogar ermöglicht [5]. Je mehr und je länger nun in virtuellen Arbeitsumgebungen gearbeitet und kommuniziert wird, desto deutlicher zeigen sich jetzt die Grenzen: Virtuell gelingt der Aufbau von Vertrauen nicht in gleicher Weise wie physisch. 46 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Dies wundert nicht. Eine maßgebliche Rolle für den Aufbau von Vertrauen stellt Kommunikation dar. Kommunikation wiederum ist vielschichtig und bedient sich verbaler, nonverbaler und paraverbaler Elemente, wobei das Funktionieren von Kommunikation und damit tatsächliche Verständigung vor allem durch die non- und paraverbalen Elemente beeinflusst werden. [6] Genau diese Elemente fließen hauptsächlich in physischen Interaktionen ein, so dass sich Vertrauen vor allem in Präsenz und im physischen Austausch aufbauen und pflegen lässt. Genau die für den Aufbau von Vertrauen erforderliche Präsenz und der physische Austausch fehlen jedoch im virtuellen Kontext. Dieses „Vertrauensdilemma“ [7] wurde schon Mitte der neunziger Jahre im Kontext von virtuellen Unternehmen diskutiert. Vertrauen ist für das Funktionieren virtueller Unternehmen einerseits erforderlich; andererseits lässt sich dieses Vertrauen gerade in virtuellen Unternehmen auf Grund des fehlenden physischen Austauschs so gut wie nicht aufbauen. Für die Anfangszeiten des Lockdowns galt dies zunächst nicht: In den Vor-Corona-Zeiten wurde durch Präsenz im Arbeitsumfeld, auf Kongressen, in Sitzungen oder auch in der Kantine oder in der Cafeteria Vertrauen aufgebaut. Dieses Vertrauen könnte ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür gewesen sein, dass die Umstellung auf Home-Office so schnell funktioniert hat [5]. Die Mitarbeiter kannten sich ohnehin, die Teams funktionierten auch davor und auf virtuellen Kongressen hat man sich gefreut, Kollegen virtuell zu treffen und einen kurzen Chat auszutauschen. Schwieriger wurde es, wenn Teams neu zusammengestellt wurden oder man sich das erste Mal in der Videokonferenz traf. Der im physischen Prozess bewährte Aufbau von Vertrauen ließ sich nicht eins zu eins auf den virtuellen Arbeitskontext übertragen. Dies zeigt sich noch deutlicher, je mehr und je länger die virtuellen Arbeitsphasen nun dauern: Virtuell gelingt der Aufbau von Vertrauen nicht in gleicher Weise; physische Zusammentreffen und Kommunikation werden immer mehr vermisst und die Bereitschaft für Home-Office im zweiten Lockdown scheint zu sinken. Seitens der Führungskräfte, denen die Bedeutung von Präsenztreffen für ein reibungsloses Funktionieren der Zusammenarbeit durchaus bewusst ist und seitens der Mitarbeiter, für die physische Treffen im Büro mittlerweile oft die einzige Möglichkeit überhaupt ist, überhaupt noch physische Kontakte pflegen zu können. Digitale Arbeitswelt: Erkennbare Grenzen In der zweiten Welle verdeutlicht Corona daher die Grenzen rein virtueller Zusammenarbeit. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Kommunikation. Gleichzeitig - und auch das wird offensichtlich - lässt sich ein reines Arbeiten im Home-Office für viele räumlich und organisatorisch gar nicht realisieren, da © Rahul Top auf Pixabay 47 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie zum Beispiel Platz und Ruhe fehlen und die Möglichkeit, sich ungestört auf ein Projekt oder eine Videokonferenz zu konzentrieren, gar nicht gegeben ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn größere Familien gezwungen sind, zu Hause eine Kombination aus Home-Office und Home-Schooling zu organisieren. Innerhalb eines Jahres ist es dank der Pandemie somit gelungen, jahrelange Überlegungen und theoretische Forschungsergebnisse in einem großflächigen Experiment zu bestätigen: Virtuelle Arbeitsformen sind möglich, sinnvoll und weitgehend akzeptiert, wenn bestimmte technische, organisatorische und insbesondere personelle Voraussetzungen gegeben sind. Sie haben aber auch ihre Grenzen, wenn Arbeitsprozesse ausschließlich virtuell abgewickelt werden. Was heißt dies nun für die zukünftige Entwicklung und Gestaltung der Arbeitsstrukturen: Wird Home-Office tatsächlich zum „new normal“, wie es gegenwärtig oft diskutiert wird? Werden physische Büroräume zukünftig nicht mehr erforderlich sein? Hybride Arbeitsformen: Neue Rolle des Büros Davon ist derzeit eher nicht auszugehen. Zu erwarten sind hybride Arbeitsformen, bei denen physische und virtuelle Arbeitsformen aufgaben- und kontextorientiert verknüpft werden. Dabei wird auch das Büro zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Denn es ist und bleibt ein wichtiger Ort für Kommunikation und für den sozialen Austausch. Viele Ideen für neue Bürokonzepte konzentrieren sich gegenwärtig genau auf diesen Aspekt und gehen explizit oder implizit von einem Szenario aus, in dem Stillarbeit zu Hause und kommunikative Arbeit im Büro durchgeführt wird. Vor diesem Hintergrund werden auch architektonisch ganz neue Bürokonzepte diskutiert, in denen an die Stelle der klassischen Einzel- und Großraumbüros vor allem Kommunikationskonzepte ganz unterschiedlicher Art treten. Möglicherweise wird dies der zukünftigen Rolle des Büros jedoch nicht ganz gerecht. Denn gerade der Rückzug zum Büro, um sich dort auf konzentriertes Arbeiten fokussieren zu können, stellt für viele eine interessante Alternative zum Home-Office dar. Dies gilt insbesonders dann, wenn ein konzentriertes Arbeiten im Home-Office auf Grund der räumlichen Gegebenheiten oder der sonstigen Verpflichtungen nur schwer möglich ist. Insofern entspricht die häufig erkennbare Betonung der zukünftigen Büros als sozialer Treffpunkt nicht unbedingt der Realität; das Büro als physischer Rückzugsort vom Home-Office wird sicherlich zukünftig genauso relevant. Büros werden somit nicht verschwinden; sie sind als Ort für Kommunikation und Rückzug in hybride Arbeitswelten zu integrieren. Daneben werden sich andere Konzepte immer mehr durchsetzen: Co-Working-Räume, Satellitenbüros an dezentralen Standorten oder auch mobile Formen der Arbeit wie sie schon vor der Pandemie existierten: im Kaffee, beim Kunden, am Flughafen, auf Berghütten oder auch in der Ferienwohnung am Strand. Aber auch diese mobilen Formen der Arbeit werden sich durch Corona verändern. Verlieren - wie zukünftig zu erwarten ist - physische Geschäftsreisen an Relevanz, wird auch das begleitende, mobile Arbeiten während der Reise am Flughafen, im Zuge etc. oder auch beim Kunden weniger. Dahingegen wird vielleicht ein zeitweises oder dauerhaft praktiziertes, dezentrales, mobiles Arbeiten an Wunsch-Standorten beliebter. Corona hat gezeigt, dass es prinzipiell funktioniert. Dass rund 21 % der Berufstätigen umziehen würde, wenn Home-Office zukünftig möglich wäre, zeigt eine aktuelle BITKOM-Studie [8]. Als ein ganz konkretes Beispiel lässt sich hier „South Working - Lavorare dal Sud“ nennen [9]. Hier handelt es sich um eine Initiative sehr gut ausgebildeter meist sizilianischer Staatsbürger, die im Zuge der Pandemie und des damit verbundenen remote working nach Sizilien zurückkehrten, um von dort aus für verschiedene Standorte im In- und Ausland zu arbeiten und diese Form der Arbeit nun stärker in ihrer Heimat forcieren möchten. Insofern lässt sich auch bzgl. mobiler Arbeit ein durch CoVid-19 induzierter Wandel erkennen: Das begleitende mobile Arbeiten während Geschäftsreisen wird weniger; die dauerhafte Verlagerung des Arbeitsplatzes an dezentrale, mobile Wunsch-Standorte wird zunehmen. All dies zeigt letztlich einen klaren Trend: Flexible, hybride Arbeitsmodelle werden das „new normal“ in einer Zeit nach der Pandemie prägen; eine Rückkehr zum klassischen, industriellen Arbeitsmodell, das geprägt ist von einem Normalarbeitsverhältnis in Büros oder Fabriken, ist kaum mehr vorstellbar. Die hiermit verbundene Zentralisierung von Arbeit löst sich zumindest in Bezug auf Bürogebäude auf; es wird sich ein Nebeneinander von zentralen und dezentralen Arbeitsstrukturen etablieren. Urbane Strukturen: Abwandern von Arbeit? Was bedeutet dies nun für Städte? Auch wenn Büros - wie gezeigt - wichtig bleiben, werden sie nur mehr eine Komponente flexibler Arbeitsmodelle darstellen. Daher ist zu vermuten, dass der Bedarf an Büroraum in Städten abnehmen wird; obgleich sich andere Arbeitsorte wie Co-Working-Plätze etablieren werden. Diese Tendenz ist jetzt schon 48 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie erkennbar. Die Nachfrage nach Büro-Immobilien nimmt im Zuge der Pandemie ab; die Nachfrage nach Wohnmöglichkeiten im regionalen Umfeld einschließlich geeigneter Räumlichkeiten für ein Home- Office steigt angeblich. Dezentrale hybride Arbeitswelten können somit dazu führen, dass Arbeit und damit auch die Menschen, die diese Arbeit durchführen, aus Städten „abwandern“. Initiativen wie das schon erwähnte „south working“ unterstützen diesen Trend. Was dies für Städte bedeuten kann, zeigen historische Beispiele wie die ehemalige Goldgräberstadt Goldfield in Nevada oder Detroit, die bis Mitte des 20.- Jahrhunderts eine der bedeutendsten Industriestädte der Welt war. Zusätzlich forciert werden derartige Szenarien durch eine andere Entwicklung, bei der letztlich auch Corona als Brennglas zu sehen ist: die Intensivierung von Online- oder Electronic Commerce. Auch hier sehen wir einen Trend, der sich schon lange abzeichnete, der aber durch Corona richtig an Dynamik gewann und der letztlich dazu führt, dass physische Läden schließen (müssen) und sich im Zuge dessen die Stadtbilder wandeln. Städte: Wichtige Elemente im zukünftigen Arbeitskontext Aber all dies muss nicht zwangsläufig dazu führen, dass Städte menschenleer werden und sich ähnliche Szenarien wie früher abzeichnen. Vielmehr werden Städte auch in einer Arbeits-Lebenswelt, in der sich virtuelles Arbeiten und Online-Einkaufen als normal etabliert, weiterhin wichtig bleiben. Allerdings wird sich ihre Rolle ändern. Möglicherweise lassen sich hier parallele Entwicklungen zur zukünftigen Bedeutung des Büros erkennen. Wie diese könnten Städte zukünftig vor allem zwei wichtige Funktionen übernehmen: zum einen die Rolle als Kommunikationsplattform, um den ansonsten fehlenden sozialen Austausch bewusst zu forcieren und zu pflegen. Je virtueller Arbeiten, Einkaufen und Leben werden, desto wichtiger sind Plätze für den sozialen Austausch, den Städte vielfältig bieten können. Zum anderen können Städte - analog wie Büros - zukünftig einen physischen Rückzugsort anbieten. Einen Ort, an dem man sich bewusst aus der von zu Haus aus gesteuerten virtuellen Lebenswelt zurückziehen kann, um beispielsweise in Museen, Ausstellungen, Theater, Kino, Veranstaltungen etc. in eine physische Umgebung eintauchen zu können. All diese Plätze stellen physische Lebenswelten ohne zeitlichen Druck und zeitliche Verdichtung zur Verfügung und bieten somit einen attraktiven Gegenpart zu einer ansonsten primär virtuell und zeitlich verdichteten Arbeitswelt. Insofern geht es in einer Zeit nach oder mit Corona nicht nur darum, sinnvolle hybride Arbeitskonzepte zu entwickeln und zu initiieren. Wichtig ist vielmehr, auch darüber nachzudenken, wie derartige hybride Arbeitsmodelle in ganzheitliche zukünftige Konzepte für die Städteentwicklung eingebettet werden können. Dies schließt Fragen wie die zukünftige Rolle und Gestaltung von Büros und Co-Working- Plätzen, aber auch die sich dadurch verändernde Rolle von Städten und ihren physischen Angeboten für Kommunikation und Rückzug mit ein. Hier sind ganzheitliche Ideen und Perspektiven wichtig, wie sie sich ja auch in Diskussionen rund um „smart cities“ wiederfinden. LITERATUR: [1] Picot, A., Neuburger, R.: Der Beitrag virtueller Unternehmen zur Marktorientierung. In: Bruhn, M., Steffenhagen, H. (Hrsg.): Marktorientierte Unternehmensführung - Reflexionen, Denkanstöße, Perspektiven, S. 119-140. Wiesbaden 1997. [2] O‘Hara-Devereaux, M., Johansen, R.: Globalwork. Bridging distance, culture, and time, San Francisco, 1994. [3] Picot, A., Reichwald, R., Wigand, R.T., Möslein, K.M., Neuburger, R., Neyer, A.-K.: Die grenzenlose Unternehmung - Information, Organisation & Führung, 6. Auflage, Wiesbaden 2020. [4] Luhmann, N.: Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 4. Aufl., Stuttgart, 2000. [5] Neuburger, R.: Zukunft des Home-Office: das rechte Maß finden; Corporate Digital Responsibility, Juni 2020. https: / / corporate-digital-responsibility.de/ article/ zukunft-des-home-office-rahild-neuburger/ [6] Watzlawick, P., Beavin, J. H., Jackson, D. D.: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien (8. Aufl.). Bern 1990. [7] Sydow, J.: Die virtuelle Unternehmung - eine Vertrauensorganisation. In: Office Management, 44, (1996) S. 10 - 13. [8] BITKOM: Homeoffice statt Büro: jeder Fünfte würde umziehen. https: / / www.bitkom.org/ Presse/ Presseinformation/ Homeoffice-statt-Buero-Jeder-Fuenftewuerde-umziehen [9] https: / / www.southworking.org/ Dr. Rahild Neuburger LMU Munich School of Management, Geschäftsführerin MÜNCHNER KREIS e. V., Mitglied des Vorstandes des Charta Digitale Vernetzung e. V. Kontakt: neuburger@lmu.de AUTORIN