Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0014
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Wie Krisenkommunikation via Soziale Medien in Zeiten der Corona-Pandemie gelingen kann
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Fatma Cetin
Rebecca Nell
Alina Schofer
Krisenkommunikation via Soziale Medien ist nur eine mögliche Form, Bürger*innen zu erreichen. Sofern diese Medien strategisch eingeplant und moderiert verwendet werden, bieten sie für (kommunale) Behörden eine große Chance. Im Projekt POSITIV (Auftraggeber: vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. stellt der allgemeine, krisenunabhängige Einsatz sozialer Medien durch öffentliche Verwaltungen den zentralen Untersuchungsgegenstand dar. Inwiefern Soziale Medien in der Krisenkommunikation eingesetzt werden und was es zu beachten gilt, umreißt der vorliegende Artikel. Zu beachten ist, dass der alleinige Einsatz von Sozialen Medien während einer Krise nicht empfohlen wird.
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50 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Wie Krisenkommunikation via Soziale Medien in Zeiten der Corona-Pandemie gelingen kann Hinweise und Handlungsempfehlungen für Kommunen, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) aus dem Projekt POSITIV Soziale Medien, Krisenkommunikation, Bevölkerungsschutz Fatma Cetin, Rebecca Nell, Alisa Schofer Krisenkommunikation via Soziale Medien ist nur eine mögliche Form, Bürger*innen zu erreichen. Sofern diese Medien strategisch eingeplant und moderiert verwendet werden, bieten sie für (kommunale) Behörden eine große Chance. Im Projekt POSITIV (Auftraggeber: vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. stellt der allgemeine, krisenunabhängige Einsatz sozialer Medien durch öffentliche Verwaltungen den zentralen Untersuchungsgegenstand dar. Inwiefern Soziale Medien in der Krisenkommunikation eingesetzt werden und was es zu beachten gilt, umreißt der vorliegende Artikel. Zu beachten ist, dass der alleinige Einsatz von Sozialen Medien während einer Krise nicht empfohlen wird. © Daria Nepriakhina on Unsplash 51 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie „Wer heute über Krisenkommunikation spricht, kommt nicht umhin, den Einfluss und die Auswirkungen der Sozialen Medien genauer zu betrachten“ [1]. Nicht nur veränderte Kommunikationsformen stellen die Kommunen, Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (kurz: BOS) bei der Bewältigung von Krisen vor neue Herausforderungen [2]. Auch die Art (zum Beispiel: Pandemien) und die Häufigkeiten von Krisenereignissen (zum Beispiel: Naturkatastrophen, Anschläge) haben sich in den letzten Jahren dynamisch verändert [2, 3, 4]. Daraus resultiert verändertes Informationsverhalten und Aufklärungsbedürfnis der Bevölkerung [2]. In diesem Kontext bietet Social Media Kommunen und BOS die Möglichkeit, ihrer Informationspflicht gegenüber den Bürger*innen während einer Krise schnellstmöglich nachzukommen [5, 6]. Zudem haben Organisationen die Option, Social- Media-Kommunikation in die operative Arbeit zu integrieren [7]. Neben operativen Aspekten, wie der Mobilisierung und Information der Bevölkerung, haben die Organisationen auch außerhalb einer Krise die Möglichkeit, einen Dialog mit der Bevölkerung einzugehen [8]. Basierend auf den neuen Herausforderungen und den veränderten Rahmenbedingungen, mit denen der Bevölkerungsschutz und auch Kommunen konfrontiert sind [6], stellt sich die Frage, inwiefern Soziale Medien im Kontext der externen Krisenkommunikation von Behörden herangezogen werden können. Zur Einbettung des Themas und Beantwortung der Frage werden zunächst die Begriffe Krise und Katastrophe sowie das System des deutschen Bevölkerungsschutzes näher erläutert. Ziel des Artikels ist es, sowohl die Chancen als auch Herausforderungen von Social Media für kommunale Akteure und BOS gerade in Krisenzeiten aufzuzeigen. Krise und Bevölkerungsschutz im Kontext der Krisenkommunikation Unter dem Begriff „Krise“ wird eine Situation verstanden, die von der Normalität abweicht und im Rahmen derer unter anderem Schutzgüter beschädigt werden können [9]. Schutzgüter bezeichnen grundsätzlich Faktoren, die es aufgrund von immateriellen oder materiellen Aspekten zu schützen gilt [9]. Beispielsweise stellt der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ein Schutzgut dar [10]. Des Weiteren kann während einer Krise die Infrastruktur gefährdet sein. Ist dies der Fall, ist die Versorgung der Bevölkerung entweder eingeschränkt oder gar nicht möglich [11]. Zur Bewältigung einer solchen Schadenslage müssen spezielle Organisationen herangezogen werden [9], wie beispielsweise Berufsfeuerwehren. Prinzipiell können Krisen unterschiedliche Situationen bezeichnen und aus verschiedenen Gegebenheiten heraus entstehen. Neben natürlichen Gefahren (zum Beispiel: Extremwetterlagen) können technisches oder menschliches Versagen (zum Beispiel: Systemversagen oder Fahrlässigkeit) zu einer Krise führen. Eine Katastrophe weist im Vergleich zu einer Krise ein größeres Ausmaß an betroffenen bzw. gefährdeten materiellen und/ oder immateriellen Gütern auf. Krisenkommunikation beschreibt die Kommunikation während einer Krise, die das Ziel verfolgt, durch Informations- und Meinungsaustausch den Schaden an den oben beschriebenen Schutzgütern einzugrenzen oder möglicherweise zu verhindern [9, 10]. Somit befasst sie sich, im Gegensatz zur Risikokommunikation, mit einem speziellen und bereits eingetretenen Ereignis. Krisenkommunikation lässt sich folglich dem Krisenmanagement zuordnen [1]. Grundsätzlich setzt sich der Bevölkerungsschutz aus dem Katastrophen- und dem Zivilschutz zusammen, wobei in beiden Fällen der Fokus auf dem Schutz der Bevölkerung liegt [3]. Der deutsche Bevölkerungsschutz Die heutige Struktur des deutschen Bevölkerungsschutzes hat sich neben verschiedenen individuellen und kommunalen Entwicklungen durch die Kriege des 20. Jahrhunderts ergeben. Ende des 20.- Jahrhunderts erfolgte die Festlegung der gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen von Organisationen des Bevölkerungsschutzes [3]. „Maßgebliche Akteure {des Katastrophenschutzes} sind bis heute die im 19. und 20. Jahrhundert gegründeten Feuerwehren, die Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter-Unfall- Hilfe ( JUH), der Malteser Hilfsdienst (MHD) und die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW)“ [3]. Die verschiedenen genannten Organisationen sind in ein Gesamtsystem eingegliedert, das sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene agiert [3]. Um die verschiedenen Organisationen und deren nationale Einsätze zu koordinieren, existieren unterschiedliche Ebenen. Angefangen mit den Gemeinden, Landkreisen und kreisfreien Städten und den dazugehörigen Katastrophenschutzbehörden bestehen auf Landesebene administrativ-organisatorische Stäbe. Der Schutz der Bevölkerung im Verteidigungsfall wird vom Bund übernommen [12]. 52 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Krisenkommunikation bei Organisationen des deutschen Bevölkerungsschutzes Soziale Medien können auf unterschiedliche Art und Weise im Kontext der Krisenkommunikation genutzt werden. Unter anderem besteht für Organisationen die Möglichkeit, Angehörige von Betroffenen zu informieren oder allgemeine Informationen über die betreffende Krise weiterzugeben. Des Weiteren können über Social-Media-Helfer*innen aus der Bevölkerung generiert und koordiniert werden [13]. Außerdem können Verhaltenstipps an Betroffene weitergegeben werden [14]. Es gilt zu beachten, dass zwei grundlegende Formen der Nutzung in Bezug auf Informationen bestehen: Einerseits kann eine Organisation Informationen verbreiten und andererseits Informationen generieren, um eine Krise zu bewältigen [15]. Worauf der Fokus liegt bzw. nach welchen Informationen gefiltert (Monitoring) wird, hängt von der Art der Schadenslage ab [16]. Die Entwicklung erfolgt hin zum Einsatz von Sozialen Medien als Bestandteil der operativen Arbeit [7]. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bzw. die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit zur Gewährleistung einer einheitlichen und stringenten Informationsweitergabe, stellt eine Herausforderung der externen Krisenkommunikation von Behörden dar [14]. Außerdem wird bei der Analyse der externen Krisenkommunikation deutlich, dass die Verwendung von Social Media (vor allem Facebook) von verschiedenen Akteuren des Bevölkerungsschutzes (zum Beispiel: Feuerwehren, Polizei und Hilfsorganisationen) zunimmt [13]. Jedoch fehlt es in Deutschland bisher an Struktur und personellen Ressourcen, um einen Einsatz von Social Media im Bereich externer Krisenkommunikation bundesweit gewährleisten zu können [17]. POSITIV - Potenziale von Sozialen Medien in der öffentlichen Verwaltung Das Projekt POSITIV, das in Zusammenarbeit und unter Beauftragung des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. (vhw) gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Universität Stuttgart entstanden ist, untersucht den Einsatz Sozialer Medien durch öffentliche Verwaltungen und ihre Interaktion sowie Kommunikation mit Bürger*innen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit Bürger*innen als „Freunde“ der öffentlichen Verwaltung gewonnen werden können. POSITIV verfolgt das übergeordnete Ziel, sowohl die Potenziale als auch Herausforderungen von digitalen Medien als „neue“ Kommunikationsform, unter den Gesichtspunkten von Transparenz und Dialog, herauszuarbeiten. Krisenkommunikation stellte hierbei einen Aspekt dar, der im Verlauf des Projektes, unter anderem bedingt durch die Pandemie, an Bedeutung gewonnen hat. Ein Fokus des vorliegenden Artikels liegt auf der Krisenkommunikation während der Corona-Pandemie bei denen Social Media eingesetzt wurde oder wird. Erfahrungswerte deutscher Kommunen - Organisationsstrukturen, Social-Media- Kommunikation und Ziele Neben der Social-Media-Nutzung zur Krisenkommunikation durch BOS, findet diese auch vermehrt durch öffentliche Verwaltungen statt, wie aus den nachfolgend dargelegten Ergebnissen hervorgeht. Der erste empirische Zugang hierzu erfolgte über leitfadengestützte Interviews. Dabei wurden Vertreter*innen aus Verwaltung und Wissenschaft, kommunalen Spitzen- und Interessenverbänden sowie intermediären Organisationen im Rahmen des Projektes POSITIV als Expert*innen befragt. Durch diese Bereichsvielfalt konnten vielversprechende Ergebnisse generiert werden, die im Folgenden zusammengefasst für die Risiko- und Krisenkommunikation dargestellt werden. Weiterführende Ergebnisse dazu sind in der im ersten Quartal 2021 durch den vhw (e. V.) veröffentlichten Studie POSITIV nachzulesen [18]. Auch in POSITIV hat sich gezeigt, dass sich Dynamik und Schnelllebigkeit als beispielhafte Merkmale der Social-Media-Nutzung zur Informationsverbreitung und Bürger*innenkommunikation für öffentliche Verwaltungen eignen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risiko- oder Gefahrenabwehr. Grundsätzlich haben die untersuchten öffentlichen Verwaltungen positive Erfahrungen beim Einsatz von Sozialen Medien gesammelt. Die Informationsverbreitung erfolgt den berichteten Erfahrungen zufolge schnell, Themen bzw. Inhalte werden größtenteils an der Community ausgerichtet und auch unmittelbares Feedback seitens der User*innen können direkt ausgewertet werden. Auch Empfindungen oder Stimmungen der Bürger*innen sind via Facebook, Twitter und Instagram über Emojis oder Hashtags zu annotieren im Gegensatz zu anderen, nicht interaktiven (klassischen) Medien (zum Beispiel: TV, städtische Website, Pressemitteilungen etc.). Darüber hinaus kann über Soziale Medien eine große Reichweite (24/ 7) innerhalb einer Kommune erzielt werden, sodass die Mehrheit der Einwohner*innen insbesondere in Krisensituationen, wie der COVID-19-Pandemie, erreicht werden. So könnten die jeweiligen Social-Media-Nutzenden 53 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie seriöse Informationen, die aus erster Hand von ihrer Stadt oder Gemeinde kommen, schnell und einfach im eigenen Familien- oder Bekanntenkreis verbreiten. Gleichzeitig sind den Erfahrungen der untersuchten öffentlichen Verwaltungen zufolge Social-Media-Kanäle zur Bürger*innenkommunikation geeignet, das heißt, es besteht die Möglichkeit, dezidiert Dialoge mit Einwohner*innen zu führen, möglicherweise Bedarfe abzufragen oder um zivile Unterstützung zu koordinieren [18]. Vorwiegend in akuten Krisen oder Katastrophen, zum Beispiel Hagel- oder Schneestürmen oder Bränden, könnten Soziale Medien als wesentliches Kommunikationsinstrument eingesetzt werden. Dabei gab es vereinzelt Kommunen, die mit ihrer örtlichen Feuerwehr bzw. dem jeweiligen Krisenstab kooperiert und Beiträge in Absprache mit Oberbürgermeister*innen und der entsprechenden Pressestelle veröffentlicht haben. Zudem wurden Antworten für User*innen in Abstimmung verfasst und gepostet [18]. Im Umkehrschluss können ohne eine richtige Strategie sowie Absprachen im Krisenstab diverse Risiken entstehen, die sich beispielsweise durch fehlende Informationen auf Seiten der Bürgerschaft äußern können. Dadurch wird nochmals außerhalb der Erfahrungsberichte die Notwendigkeit von Kooperationen und Strategien hervorgehoben. Bevölkerungsperspektive zur Krisenkommunikation durch öffentliche Verwaltungen In diesem Zusammenhang ist die Perspektive der Bevölkerung aus der im Rahmen der Studie POSITIV bundesweit angelegten Online-Bürgerbefragung (n = 216) bezüglich der Bausteine „Vertrauenswürdigkeit“, „Transparenz“ sowie „Zufriedenheit“ zu betrachten. Eingebettet wird dies in den Kontext Krisenkommunikation und Informationsinput. Im Jahr 2020 ist in der Bevölkerung zwar allgemein ein Anstieg des Vertrauens in die Medien zu verzeichnen, demgegenüber hat sich aber ein gleichzeitiges Misstrauen während der Corona-Pandemie in Social Media entwickelt [19, 20]. Aus diesem Grund ist besonders das Vertrauen in die von öffentlichen Verwaltungen durch Social Media geteilten Information im Kontext Krisenkommunikation bedeutsam. Zu erwähnen ist, dass die Online-Befragung im Sommer 2020 durchgeführt wurde, weswegen das Antwortverhalten zu einem anderen Zeitpunkt in der Pandemie womöglich „kritischer“ ausgefallen wäre- - Stichwort: Verschwörungsmythen, Vertrauensverlust. Insgesamt lässt sich folgende Tendenz aus der Umfrage entnehmen: Ein Großteil der Teilnehmenden (n = 132) fühlt sich gut von der eigenen Stadt über die aktuellen Entwicklungen informiert. Zusätzlich ist rückblickend ein Großteil der Befragten (n = 150) mit dem Social-Media-Auftritt ihrer Stadt im Allgemeinen (n = 144) sowie während des Corona-Ausbruchs im März 2020 (n = 150) zufrieden bis sehr zufrieden. Daran lässt sich erkennen, dass die Zufriedenheit der Befragten mit dem Social-Media- Auftritt der jeweiligen Stadt während der Corona- Krise nicht gesunken ist. Demgegenüber bringen allerdings ein Informationsinput bzw. ein Informationsaustausch auf Social Media nicht ausschließlich Vorteile (zum Beispiel: leichter und schneller Informationszugang, Dialog und Interaktion) mit sich [21]. Denn durch einen Informationsaustausch können sogenannte Fake News (gefälschte Nachrichten) leichter verbreitet werden, die besonders stark auf sozialen Netzwerkseiten ansteigen [22]. Zudem beeinflussen Fake News auf sozialen Netzwerkseiten negativ das Vertrauen in Soziale Medien über alle Alterssparten in Deutschland hinweg, wobei sich speziell die jüngere Generation (unter 39 Jahren) über Social Media informiert [23]. Vorwiegend im Kontext der Krisenkommunikation ist die Argumentationslinie von Fake News nicht zu vernachlässigen, zumal (neben Facebook) vermehrt Twitter zur akuten Krisenkommunikation (zum Beispiel hinsichtlich eines Bombenfundes oder einer Evakuierung) genutzt wird. Aber auch für länger andauernde Krisen, wie beispielsweise die Corona-Pandemie, ist die Social-Media-Nutzung zur Krisen- und Risikokommunikation ein wichtiger Bestandteil, der unter anderem an der intensiveren Social-Media-Nutzung zu Informationszwecken seitens der User*Innen über alle Altersgruppen hinweg zu sehen ist [24]. Handlungsempfehlungen für die Social- Media-Nutzung in Pandemie-Zeiten Nicht jede Verwaltung verfügt über die notwendigen Ressourcen und Möglichkeiten kontinuierlich zur Risikoprävention, zur Aufklärung der Bevölkerung oder generell zum Krisenmanagement mit dem jeweiligen Krisenstab oder generell mit BOS zusammenzuarbeiten. Dennoch ist es unerlässlich in akuten Krisenphasen, wie der derzeitigen COVID- 19-Pandemie, zu kooperieren. Dies ist besonders wichtig, um den Folgen wie Fake News oder Verschwörungsmythen entgegenzuwirken. Hierfür können, in Verbindung mit den Ergebnissen der Social Media-Analyse im Rahmen von POSITIV, Handlungsempfehlungen für öffentliche Verwaltungen formuliert werden. 54 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Die aufgegriffenen Nachteile bzw. Konsequenzen (zum Beispiel: Vertrauensverlust in (Soziale) Medien) können teilweise im Kontext der Corona-Pandemie mit der Bewegung „Querdenker“ und ihren Gesinnungsgenossen („Corona-Diktatur“) in Verbindung gebracht werden [25]. In Zeiten von Corona artikulieren einige Bürger*innen (darunter auch Querdenker-Anhänger*innen) Unsicherheiten, Misstrauen gegenüber den mitgeteilten Anordnungen, Ängste sowie Unzufriedenheit mit der Corona-Politik [25]. Fazit Die Social-Media-Nutzung durch öffentliche Verwaltungen zur Krisenkommunikation kann hier ansetzen: Soziale Netzwerke können in der Funktion als unmittelbare Kommunikationsinstrumente für Nutzer*innen maßgebliche Informationen schnell und in „Echtzeit“ bereitstellen. Zudem können die von öffentlichen Verwaltungen verwendeten sowie weiterführenden Quellen in den Beiträgen verlinkt werden, sodass sich die Nutzenden sowohl online als auch offline (zum Beispiel entsprechende Dokumente online herunterladen und offline lesen, sich mit Freunden/ Bekannten darüber austauschen) selbst ein Bild von der Lage machen und sich kritisch mit den Inhalten auseinandersetzen. Allerdings sollten nur glaubwürdige Quellen herangezogen werden, um beispielsweise Misstrauen entgegenzuwirken. Denn unglaubwürdige Quellen, aber auch fehlende oder unzureichende Kommunikation im Krisenfall, schaden dem Vertrauen in (Soziale) Medien [26]. Der Informationsbereitstellung folgt auch zu einem guten Teil die Aufklärung und die damit einhergehende Möglichkeit zur Erzeugung von Transparenz für unter anderem politische Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Ängsten (zum Beispiel vor dem Virus, Jobverlust usw.) sowie Unzufriedenheiten in Krisenzeiten können durch die Social-Media-Nutzung ebenso entgegengewirkt werden, indem beispielsweise für den „Ernstfall bespaßt wird“ [18]. Das bedeutet, dass in dem aufgebauten Online-Netzwerk nicht nur interessante oder wichtige, sondern auch unterhaltende oder authentische Informationen (oder Inhalte) geteilt werden, um zu Krisenzeiten eine hohe Anzahl von Personen zu erreichen, sodass das Vertrauen gegenüber der eigenen Stadt oder Gemeinde erhöht werden kann [18]. Schließlich ist es wahrscheinlicher, dass jene Inhalte im eigenen Umfeld geteilt werden. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, dezidiert Beiträge und dazugehörige Kommentare zu moderieren sowie auf Netiquette und Regelungen für die Nutzer*innenkommunikation zu verweisen. Dadurch kann mit den Bürger*innen responsiv interagiert werden. Auch dieses Vorgehen kann sowohl das Vertrauen als auch die Zugehörigkeit steigern, wodurch schließlich eine vertrauenswürdige, digitale Beziehung zwischen Kommune und Bürger*in hergestellt werden kann. Demzufolge ist eine aufgebaute Reichweite sowie Vertrauen maßgeblich in der durch Social Media betriebenen Risiko- und Krisenkommunikation. Nicht zuletzt kann durch die Social-Media-Nutzung in der Krisenkommunikation Unterstützung für Menschen angeboten werden, die Hilfe benötigen (zum Beispiel: Help-Content für Kontaktinformationen zu Beratungsstellen oder medizinischen Anlaufstellen, FAQs). Im Umkehrschluss kann die Bevölkerung durch die Einhaltung der mitgeteilten Maßnahmen sowohl Mitbürger*innen schützen als auch das Handeln in der Stadtgesellschaft verstehen und aktiv unterstützen. LITERATUR [1] Höbel, P., Hofmann, T.: Krisenkommunikation. 2., völlig überarbeitete Auflage. Konstanz, München: UVK Verlagsgesellschaft, 2014. [2] Karutz, H., Geier, W., Mitschke, T.: Einführung. In: Karutz, H., Geier, W., Mitschke, T.: (Hrsg.): Bevölkerungsschutz. Notfallvorsorge und Krisenmanagement in Theorie und Praxis. Heidelberg: Springer Verlag, (2017) S. 1 - 9. [3] Geier, W.: Geschichte, Status quo und aktuelle Herausforderungen. In: Karutz, H., Geier, W., Mitschke, T.: (Hrsg.): Bevölkerungsschutz. Notfallvorsorge und Krisenmanagement in Theorie und Praxis. Heidelberg: Springer Verlag, (2017) S. 9 - 20. [4] Nolting, T., Thießen, A.: Krisenmanagement in der Mediengesellschaft. In: Nolting, T., Thießen, A. (Hrsg.): Krisenmanagement in der Mediengesellschaft. Potenziale und Perspektiven der Krisenkommunikation. 1.-Auflage. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, (2008) S. 9 - 18. [5] Köhler, T.: Gefahrenzone Internet - Die Rolle der Online-Kommunikation bei der Krisenbewältigung. In: Nolting, T., Thießen, A. (Hrsg.): Krisenmanagement in der Mediengesellschaft. Potenziale und Perspektiven der Krisenkommunikation. 1. Auflage. Wiesbaden: Springer Verlag für Sozialwissenschaften, (2008) S. 233 - 252. [6] Steiger, S., Schiller, J., Gerhold, L.: Aktive Risiko- und Krisenkommunikation in Social Media. In: BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) (Hrsg.): Bevölkerungsschutz. Social Media, Bd. 3. 3/ 2014, (2014) S. 14 - 16. [7] Lüge, T.: Helfer ohne Grenzen. Wie soziale Medien weltweit Hilfseinsätze verändern. In: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.): Bevölkerungsschutz. Social Media. 3 (2014), S. 4 - 8. [8] Unz, D., Blanz, M.: Mediale Kommunikation und Massenkommunikation. In: Blanz, M. et al.: (Hrsg.): Kommunikation. Eine interdisziplinäre Einführung. Stuttgart, 2014, S. 135. 55 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie [9] BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe): BBK-Glossar. Ausgewählte zentrale Begriffe des Bevölkerungsschutzes. Band 8, 2011. In: http: / / www.bbk.bund.de/ SharedDocs-/ Downloads/ BBK/ DE/ Publikatinen/ Pra-xis_Bevoelkerungsschut z / B and _ 8 _ Pra -xis _ B S _ BBK _ Gloss ar.pdf ? _ _ blob=publicationFile, zugegriffen am 13.09.2017. [10] BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) 2017: Glossar. Stichwort: Krisenkommunikation. In: http: / / www.bbk.bund.de/ DE/ S er v ice -funk tionen/ G los s ar/ _ func tion -/ glos s ar. html? lv3=1956410&lv2=4968170, zugegriffen am 18.06.2017. [11] BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat): Schutz Kritischer Infrastrukturen - Risiko- und Krisenmanagement (Leitfaden für Unternehmen und Behörden), 2011. https: / / www.bmi.bund. de/ SharedDocs/ downloads/ DE/ publikationen/ themen/ bevoelkerungsschutz/ kritis-leitfaden.pdf ? _ _ blob=publicationFile&v=6 [12] BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat): Konzeption Zivile Verteidigung (KZV), 2016. https: / / w w w.bmi.bund.de/ DE / themen/ bevoelkerungsschutz/ zivil-und-katastrophenschutz/ konzeption-zivile-verteidigung/ konzeption-zivile-verteidigung-node.html [13] Kern, J., Zisgen, J.: „I like Hochwasser“. Eine stichprobenhafte Untersuchung der Nutzung von Facebook während des Hochwassers 2013 in Deutschland. In: BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) (Hrsg.): Bevölkerungsschutz. Social Media, Bd. 3 (2014), S. 17 - 19. [14] BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe): Auswertungsbericht LÜKEX 13. 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(Hrsg.), Cetin, F., Nell, R., Schofer, A.: POSITIV: Bürger*innen als Freunde? Potenziale von sozialen Medien in der öffentlichen Verwaltung Fraunhofer IAO, 2020. [19] Infratest-dimap: Glaubwürdigkeit der Medien, 2020. Abgerufen von https: / / www.infratest-dimap.de/ umfragen-analysen/ bundesweit/ umfragen/ aktuell/ glaubwuerdigkeit-der-medien-2020/ zugegriffen am 13.01.2021. [20] El Ouassil, S.: Zunehmende Polarisierung. Vertrauen in Medien steigt, Misstrauen auch, 2020. https: / / www. deutschlandfunk.de/ zunehmende-polarisierung-vertrauen-in-medien-steigt.2907.de.html? dram: article_ id=485766, abgerufen am 13.01.2021. [21] Shu, K., Sliva, A., Wang, S., Tang, J., Liu, H.: Fake News Detection on Social Media: A Data Mining Perspective. ACM SIGKDD Explorations Newsletter, 19 (1), (2017) S. 22 - 36. doi: 10.1145/ 3137597.3137600 [22] Hajok, D., Selg, O.: Kommunikation auf Abwegen? Fake News und Hate Speech in kritischer Betrachtung. 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Forum Psychoanal, 36, (2020) S. 383 - 401. doi: 10.1007/ s00451-020-00405-6 [26] BMI Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat): Leitfaden Krisenkommunikation, 2014. ht t p s : / / w w w. b m i . b u n d .d e / S h a r e d D o c s / d o w n loads/ DE / publikationen/ themen/ bevoelkerungss c hut z / leit faden k ris enkommunik ation.p d f ? _ _ blob=publicationFile&v=4 Fatma Cetin, M.A. Universität Stuttgart IAT, Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement Kontakt: fatma.cetin@iao.fraunhofer.de Rebecca Nell, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Urban Data & Resilience Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Kontakt: rebecca.nell@iao.fraunhofer.de Alisa Schofer, B.A. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO Kontakt: alisa.schofer@iao.fraunhofer.de AUTORINNEN
