Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0015
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2021
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Smart City: Chancen und Herausforderungen für die kommunale Infrastruktur
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Corinna Hilbig
Oliver Rottmann
Immer mehr Städte und Gemeinden entwickeln eine eigene Smart City-Strategie. So komplex und vielfältig Regulierung, Finanzierung, Planung und Organisation einer Stadt sind, so komplex und vielfältig fallen auch die Strategien für die Umsetzung von Smart City auf kommunaler Ebene aus. Städte und Gemeinden stehen zudem vor weiteren großen Herausforderungen: Zusätzlich zu Investitionsstaus bei den Infrastrukturen und teilweise strukturell angespannten Haushaltslagen bestehen infolge dieser Trends und daraus abgeleiteter politischer Ziele Anpassungsbedarfe unter anderem im Bereich der Energieeffizienz, der Gestaltung der städtischen Mobilität oder der nachhaltigen und bürgerfreundlichen Quartiersentwicklung und Verwaltung. All diese Prozesse werden unter dem Begriff „Smart City“ diskutiert. Smart City-Strategien zielen darauf ab, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, umweltfreundlicher und sozial inklusiver zu gestalten. Allerdings bestehen hier große Herausforderungen, die sich meistens im Klein-Klein verlieren und ein strategisches Gesamtkonzept vermissen lassen. Eine gewisse Schwierigkeit bereitet dabei, dass es bisher keine allgemeingültige Definition einer „Smart City“ gibt und folglich eine Vielzahl von Begriffen und Konzepten existiert. Dies zeigt sich etwa in der Anzahl der benannten Handlungsfelder bestehender Konzepte, die zwar eine große Bandbreite aufweisen, aber nicht immer einer Gesamtstrategie folgen.
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56 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Smart City: Chancen und Herausforderungen für die kommunale Infrastruktur Smart City, Smart Governance, Kooperationen, Energieversorgung, Mobilität Corinna Hilbig, Oliver Rottmann Immer mehr Städte und Gemeinden entwickeln eine eigene Smart City-Strategie. So komplex und vielfältig Regulierung, Finanzierung, Planung und Organisation einer Stadt sind, so komplex und vielfältig fallen auch die Strategien für die Umsetzung von Smart City auf kommunaler Ebene aus. Städte und Gemeinden stehen zudem vor weiteren großen Herausforderungen: Zusätzlich zu Investitionsstaus bei den Infrastrukturen und teilweise strukturell angespannten Haushaltslagen bestehen infolge dieser Trends und daraus abgeleiteter politischer Ziele Anpassungsbedarfe unter anderem im Bereich der Energieeffizienz, der Gestaltung der städtischen Mobilität oder der nachhaltigen und bürgerfreundlichen Quartiersentwicklung und Verwaltung. All diese Prozesse werden unter dem Begriff „Smart City“ diskutiert. Smart City-Strategien zielen darauf ab, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, umweltfreundlicher und sozial inklusiver zu gestalten. Allerdings bestehen hier große Herausforderungen, die sich meistens im Klein-Klein verlieren und ein strategisches Gesamtkonzept vermissen lassen. Eine gewisse Schwierigkeit bereitet dabei, dass es bisher keine allgemeingültige Definition einer „Smart City“ gibt und folglich eine Vielzahl von Begriffen und Konzepten existiert. Dies zeigt sich etwa in der Anzahl der benannten Handlungsfelder bestehender Konzepte, die zwar eine große Bandbreite aufweisen, aber nicht immer einer Gesamtstrategie folgen. © Tumisu auf Pixabay 57 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Hintergrund Technologische Entwicklung und Digitalisierung schreiten zügig voran und werden die Art, wie Menschen heute leben und arbeiten, maßgeblich verändern. Infolgedessen muss bei der städtebaulichen und raumstrukturellen Entwicklung von Kommunen reagiert werden, um im Standortvergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Digitalisierung, Effizienz und Ressourcenschonung sind für Menschen und Unternehmen wichtige Themen der Zukunft. Eine flächendeckende Breitbandversorgung steigert nicht nur die Standortattraktivität, sondern ermöglicht Innovationen in Anwendungsfeldern wie Mobilität und Bürgerservices. Zusätzlich hat die Corona-Pandemie das urbane Leben spürbar herausgefordert. So wurde speziell der digitale Vernetzungsanspruch in zahlreichen Bereichen erhöht. Die Grenzen von Wohnen, Arbeiten und Bildung verschwimmen, digitale Konversation ersetzen physische Besuche im Familien- und Freundeskreis - Entwicklungen, die eine Blaupause für etwaige künftige digitale Lösungen vorgeben. Durch neue Kommunikationskonzepte entstehen veränderte Formen der Arbeit, Bildungs(re)formen werden angestoßen, E-Government wird intensiviert, um so den gewohnten Behördengang zu ersetzen. Speziell mit Blick auf Smart City-Lösungen resultieren daraus große Herausforderungen, da nicht zuletzt bestehende Ansätze mitunter ein strategisches Gesamtkonzept vermissen lassen. Einerseits gewinnen Städte als Wohnort für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung seit Jahren an Bedeutung. Andererseits sind gerade in den Städten verstärkt Phänomene und Aufgaben zu bewältigen, die in nicht so stark besiedelten Räumen weniger intensiv wirken: Klimawandel, hohes Verkehrsaufkommen, Energiewende (Strom, Wärme, Mobilität) sowie Sektorenkopplung. Smart Cities können dabei zahlreiche stadttypische Prozesse unterstützen und vereinfachen [1]. Jede Stadt oder Gemeinde muss bei der Erarbeitung eines Smart City-Konzepts abwägen, welche Handlungsfelder besondere Priorität erhalten. Für einige Kommunen wird der Ausbau von öffentlichem WIFI Priorität haben, für Kommunen mit viel Motorisierten Individualverkehr (MIV) werden intelligentes Parken und neue Mobilitätskonzepte wichtig sein. Aber auch intelligente Beleuchtung und die Digitalisierung kommunaler Dienstleistungen der Daseinsversorgung sind Anwendungsfelder der Zukunft. Innovative Technologien, Quartiersentwicklung, Straßen- und Brückenanalysen oder Verkehrsmanagement: Smart City-Konzepte bieten die zahlreiche Chancen. Smart City kann Antworten auf die Herausforderungen der Urbanisierung geben: neue Mobilität, eine bessere Luft- und Umweltqualität und mehr Möglichkeiten der Teilhabe für eine alternde Bevölkerung. Durch die schnelle und effektive Verarbeitung von großen Datenmengen und Informationen (Big Data) können zahlreiche Vorteile generiert werden. Energieunternehmen können beispielsweise die Stromproduktion effizienter planen und steuern, indem sie die Zufuhr von Energieträgern in Bedarfstiefpunkten senken. Logistikunternehmen können ihre Routen effizienter gestalten, indem sie ihre Fahrzeugeinsätze besser an Stoßzeiten anpassen. So lassen sich nicht nur Kosten senken, sondern auch Emissionen einsparen [2]. Die wesentliche Herausforderung ist die Entwicklung einer ganzheitlichen Smart City-Strategie, die eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote integriert und sich an den individuellen Bedarfen orientiert. Daraus leiten sich geeignete Organisations-, Umsetzungs- und Finanzierungsmodelle für die jeweilige Kommune ab. Insbesondere die Finanzierungsmodelle können wesentlich von der Fördermöglichkeit der geplanten Maßnahmen abhängen. Komplexität der Begriffsdefinition Smart City als Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte in Gemeinden und Städten gewinnt sowohl für den öffentlichen Sektor als auch für private Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Stadtentwicklungskonzepte - vor allem in urbanen Räumen, aber auch zunehmend in ländlichen Gebieten - werden immer intensiver davon beeinflusst. Ziele eines verstärkten Einsatzes von Smart City-Anwendungen sind die Verbesserung der Lebensbedingungen und der Schutz der Umwelt [3]. Private Unternehmen sehen in Smart City die Möglichkeit, sich durch ihr Technologie- und Lösungsangebot weitere Betätigungsfelder zu erschließen. Für Städte und Gemeinden sind Smart City-Konzepte unter anderem wegen des steigenden Wettbewerbs um Zuzug sowie Industrie- und Gewerbeansiedlung und die daraus resultierenden Infrastrukturerweiterungen interessant. Smarte Technologien können sowohl aus ökologischer, als auch aus ökonomischer Sicht viele Potenziale in Städten und Gemeinden entfalten. Für kommunale Unternehmen, die maßgeblich an der Daseinsvorsorge beteiligt sind, ergeben sich deshalb diverse relevante Anwendungsfelder. Smarte Stromnetze und eine intelligente Verbrauchssteuerung bieten vielfältige Chancen zur Reduzierung des Energieverbrauchs. Auch eine Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes kann so erreicht werden [4]. Ganzheitliche Ansätze 58 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie helfen, möglichst hohe Synergieeffekte nutzen zu können. Der Begriff Smart City wird dabei häufig unterschiedlich verwendet, beispielsweise aus raumstruktureller Sicht (Smart City versus Smart Region). Im Kern ist Smart City ein Sammelbegriff, unter dem die Entwicklung und Nutzung verschiedener Technologien gefasst werden. Für Technologieunternehmen steht Smart City vor allem für vernetzte Kommunikations- und Informationssysteme. Betrachtet man jedoch den eigentlichen Sinn, so ist darunter auch intelligentes Handeln im Sinne einer ganzheitlichen Stadtentwicklung entlang der sich ändernden Bedürfnisse der Menschen zu fassen (Bild 1). Handlungsfelder für die kommunale Infrastruktur - Studienergebnisse Im Rahmen der Studie „Smart City - Chancen für die kommunale Infrastruktur“, die das KOWID an der Universität Leipzig und die PSPC GmbH 2020 in Kooperation mit den Verbänden BDEW und VKU sowie den Unternehmen VINCI, BDO, Commerz Real, RheinEnergie, Stromnetz Hamburg, VNG und Westenergie erstellt haben, wurden Experten und Entscheider aus den drei Gruppen Kommunen, kommunale Unternehmen und private Dienstleister mittels einer Tiefenbefragung zu Chancen und Hemmnissen einer erfolgreichen Smart City-Strategie adressiert. Im Rahmen der Definition des Smart City-Begriffs zeigt sich, dass die Vertreter der kommunalen Unternehmen mehr auf die zugrundeliegenden Technologien als Wesensmerkmal abstellten, als die Experten der Kommunen. Die privaten Unternehmen betonten überdies in der Definition, dass mit Smart City ein Mehrwert für die Nutzer, das heißt für die Bürger, einhergehen müsse. Die Notwendigkeit einer dezidierten Smart City-Strategie wird von den Experten gesehen. Die Identifikation von Kernzielen wurde vor diesem Hintergrund als einer der ersten Schritte bei der Konzeptionierung einer Smart City herausgestellt. Für die Vertreter der Kommune hat die höchste Priorität die Einbindung der gesamten Bevölkerung zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe, der Generationsgerechtigkeit und des Gemeinwohls. Es folgen innovative und flexible Mobilitätskonzepte und der effiziente Ressourceneinsatz. Doch auch die Schaffung technisch-digitaler Infrastrukturen sowie der Einsatz von IKT und neuen Technologien für diverse Aufgaben- und Infrastrukturbereiche (Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Freizeit) sowie die Vermittlung digitaler Kompetenz schon an den Schulen sind eine Zielgröße. Die kommunalen Unternehmen gaben ähnliche Ziele an, jedoch mit leicht anderer Schwerpunktsetzung. Der Ressourceneinsatz stand bei ihnen an erster Stelle, gefolgt von der Einbindung der Bevölkerung. Allerdings spielt die Maßnahmenperspektive je nach Gruppe eine divergierende Rolle: Während die Kommunen digitale Verwaltung/ Smart Governance priorisieren, nahm dies bei den anderen beiden Expertengruppen keine deutlich priorisierte Position ein. Signifikant war der Fokus der kommunalen Öffentliche Hand: Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, Umbau des Mobilitätssystems, Umbau der öffentlichen Verwaltung Technologieunternehmen: Vernetzte Informations- und Kommunikationssysteme Wissenschaft: Informations- und Kommunikationssysteme, Lebensqualität, neue Formen der politischen Partizipation Ökologischer Kontext: Neue intelligente Lösungen, um den öffentlichen Fußabdruck des Einzelnen zu mindern Baubranche: Schaffung energieeffizienter Gebäudeinfrastruktur Wirtschaft: Durch IKT kann eine neue Ökonomie entstehen, die konventionelle Prozesse und Wertschöpfungsketten erweitert, verändert oder ersetzt Bild 1: Begriffsdefinition von Smart City und Anwendungsbereiche sind stark verbunden. Eine allgemeingültige und abschließende Definition kann es deshalb nicht geben. Vielmehr hängt die Definition vom jeweiligen Smart-City Konzept ab. © Hilbig, Rottmann 59 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Unternehmen auf die Handlungsfelder Energieversorgung/ Energiedienstleistungen und Energieeffizienz sowie Digitalisierung/ digitale Infrastruktur und Vernetzung. Auch wurden Hemmnisse benannt. Die Kommunen zeichneten hier ein sehr heterogenes Bild, insbesondere fehlende finanzielle und personelle Ressourcen wurden als wesentliches Hindernis aufgeführt. Doch auch den Überblick über die technischen Möglichkeiten und Best Practices zu behalten, stellt mitunter eine Herausforderung für Kommunen dar. Die kommunalen Unternehmen sahen ein weiter gestreutes Feld von Hindernissen (konzeptionelle, ökonomische, soziologische und sektorale). Die Experten der privaten Unternehmen sahen die gleichen Barrieren. Überdies nannten sie die Bereitschaft zur Kooperation und Kollaboration als wichtige Ressource. Dabei bezieht sich die Kooperation eher auf die Ebene der Verwaltung/ Gebietskörperschaften und die Kollaboration auf die Zusammenarbeit von Unternehmen, beispielsweise bei der gemeinsamen Produktentwicklung. Für die Umsetzung von Smart City-Konzepten ist folglich die Kooperation der unterschiedlichen politischen Ebenen (Kommune, Land, Bund), aber auch von Wissenschaft und Wirtschaft erforderlich, um sich gegenseitig zu unterstützen. Auch der Austausch mit anderen Städten, Kommunen und Unternehmen kann laut privaten Dienstleistern eine große Hilfestellung dabei bieten, Nutzen aus „Best Practices“ zu ziehen. Ebenfalls interkommunale Kooperationen können für Kommunen interessant sein, wobei mindestens zwei Gemeinden ihr Wissen verbinden und übertragbare Modelllösungen entwickeln können. Durch Kollaboration zwischen verschiedenen Branchen können Synergiepotenziale gehoben und Effizienzgrade optimiert werden. So hat ein Stadtwerk etwa die Möglichkeit, mit Energiedienstleistern zusammenzuarbeiten, um den Kunden einen neuen Service bereitzustellen, da es infolge von Skalierungseffekten bei den Dienstleistern für Stadtwerke oftmals unrentabel ist, entsprechende Services selbst zu entwickeln und anzubieten. Die Frage nach den einzubindenden Stakeholdern betreffend, unterscheiden sich die Antworten nur geringfügig. Alle Experten nannten Stadtgesellschaft, Stadtverwaltung, kommunale und private Unternehmen. Die Experten der Kommunen nannten zudem auch Hochschulen sowie Stadtrat/ Politik. Die Experten der kommunalen Unternehmen schlossen demgegenüber auch Energieversorgungsunternehmen sowie Interessensvertretungen ein. Bei den Experten der privaten Unternehmen erfolgte überdies kein Fokus auf die zugrunde liegende Organisationsform. Alle Teilnehmer nannten vorrangig relevante Infrastrukturbereiche oder Branchen. Kommunale Unternehmen wurden von allen Experten als wichtige Infrastrukturanbieter identifiziert und sind demnach als Stakeholder einzubinden. Alle Experten erachten den Aufgabenbereich Mobilität als besonders geeignet für Digitalisierungsstrategien. Die Experten nannten verschiedene geeignete Maßnahmen und stellten die positiven Effekte heraus (zum Beispiel durch intelligente Verkehrssteuerung die Lärm- und Schadstoffemissionen zu begrenzen). Die dynamische Erfassung des Kundenverhaltens wird im Zusammenhang mit vielen gemachten Vorschlägen notwendig werden, da nur so eine effiziente Gestaltung des Verkehrs vorgenommen werden kann. Die Senkung des MIV wird von allen Experten als sinnvoll erachtet, weshalb es viele Hinweise zur Verbesserung des ÖPNV gab. Die Vertreter der kommunalen Unternehmen sehen darüber hinaus Handlungsbedarf bei der Baustellenkoordination. Die zeitliche und örtliche Koordination von Baumaßnahmen und möglichst eine enge übergreifende Kooperation bei der Abwicklung von Baumaßnahmen würde zu einer Reduzierung der Verkehrsbeeinflussung führen und möglicherweise auch zu einer Kostenreduzierung. Die Experten der kommunalen und privaten Unternehmen sahen zudem im Bereich Energieversorgung großes Potenzial. Die kommunalen Unternehmen erachteten es als sinnvoll, zunächst die einzelnen Energiesysteme zu einem Gesamtsystem zusammenzufassen, da nur so ein Optimum erreicht werden kann. Außerdem wurde unter anderem Überwachung durch Sensorik genannt, welche den Wartungsaufwand reduzieren kann. Die privaten Unternehmen sehen daneben die Problematik weniger in der Reintegration der Energiesysteme, sondern vielmehr im hohen Investitionsbedarf. Die technischen Lösungen stehen laut dieser Gruppe grundsätzlich bereit. Jedoch ist der Investitionsbedarf hoch - konkret geht es hier um den Ausstieg aus der Kohleverstromung, die Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem und den Ausbau der Netzinfrastruktur. Die Experten der Kommunen erachten zudem das Schaffen einer digitalen Infrastruktur als zentral. Währenddessen setzten die Vertreter der privaten Unternehmen vielmehr die Bildung einer digitalen Infrastruktur voraus, da sie dies als Basis für diverse Problemlösungsansätze erachten. Die Vertreter der Kommunen und der privaten Unternehmen betrachten außerdem den Bereich E-Governance als besonders geeignet für Digitalisierungsstrategien, wohingegen 60 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie die kommunalen Unternehmen diesem Bereich eine eher untergeordnete Bedeutung zusprechen. Dahingehend, dass die bisherigen oftmals komplexen Verwaltungsstrukturen viel Zeit und personelle Ressourcen kosten, wurden Lösungsoptionen zur Verfahrensvereinfachung genannt. Alle Experten sehen digitale Konzepte wie Service-Portale oder eine „Bürger-App“ als sinnvoll an. Diese sind für die Bürger direkt greifbar und entlasten durch digitale Behördengänge (zum Beispiel: KFZ-Anmeldungen, Meldegänge, Bezahlsysteme) zudem das Personal. Die privaten Unternehmen sehen auch eine Chance darin, durch digitale Verwaltungen die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhöhen (Bürgernähe, „mit der Zeit gehen“, Modernität). Hinsichtlich der infrage kommenden Kooperationspartner zeigt sich, dass alle Experten nahezu die gleichen Akteure als wesentlich erachten (kommunale Unternehmen, Stadtrat, Stadtverwaltung, IT-Unternehmen, Privatwirtschaft, Hochschulen) jedoch schließen sowohl die Vertreter der kommunalen als auch privaten Unternehmen Start-ups explizit ein. Diese werden als besonders flexibel und schnell hervorgehoben, sie würden innovative Wege gehen und neue Geschäftsfelder entwickeln. Die Experten der Privatwirtschaft sehen in der Kooperation mit Start-ups zudem die Chance, Wertschöpfungsketten und Innovationskraft in der Region zu halten. Auf die Frage, welche Angebote eine Smart City jenseits der Digitalisierung ausmachen könnte, zielten die Antworten aller Experten besonders auf gesellschaftsrelevante und nachhaltigkeitsbezogene Gesichtspunkte ab. Die Vertreter der Kommunen nannten neben Aspekten zur Inklusion auch neue Beteiligungsformen und Verwaltungs-/ Organisationsstrukturen sowie Quartiersmanagement. Die Antworten der Vertreter der kommunalen Unternehmen fielen ähnlich aus, jedoch war das Spektrum weiter, beispielsweise bezogen auf Lebensqualität/ Gesundheit und Innovation/ Synergien. Die Vertreter der privaten Unternehmen nannten darüber hinaus noch Aspekte zu Kultur/ Bildung. In keiner der drei Gruppen scheinen bezogen auf das Thema Smart City und kommunale Infrastruktur besonders ausgeprägte Erfahrungen mit partnerschaftlichen Modellen zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft zu bestehen. Die Bereitschaft dazu wurde insbesondere von der Privatwirtschaft signalisiert. Der Fokus der Kommunen liegt derzeit weniger auf Organisationsals auf Finanzierungsmodellen. Fazit Im Rahmen der Untersuchung wurden Chancen und Hemmnisse von Smart City-Ansätzen aus den Sektoren Kommunen, kommunale Unternehmen und private Dienstleister analysiert. Notwendige Ansätze unterscheiden sich meist nur im Detail. Zielgerichtet konzipiert, kann eine Smart City helfen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, umweltfreundlicher und sozial inklusiver zu gestalten. Allerdings verlieren sich Konzepte noch immer im Detail und lassen oft ein strategisches Gesamtkonzept vermissen. Sie können jedoch einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung der urbanen Trends leisten, wenn sie als strategisches Gesamtkonzept angegangen werden. Um dieses jedoch erfolgreich etablieren zu können ist es wichtig, mit Maßnahmen zu beginnen, die schnell eine breite öffentliche Wahrnehmung entfalten, diese aber in eine Gesamtstrategie einzubetten. LITERATUR + QUELLEN: • Der Text basiert auf einer Studie der Autoren von Dezember 2020, in Kooperation mit den Verbänden BDEW und VKU sowie den Unternehmen: BDO, Commerz Real, RheinEnergie, Stromnetz Hamburg, VINCI, VNG und Westenergie [1] Rottmann, O. et al.: Tagesspiegel Background: Smart City in Corona-Zeiten. 11. 05. 2020. Online: https: / / background.tagesspiegel.de/ [2] Portmann, E., Finger, M.: Smart Cities - Ein Überblick! . HMD 52, (2015) 470 - 481. Online. https: / / doi. org/ 10.1365/ s40702-015-0150-4 [3] Dameri, R., Rosenthal-Sabroux, C. (Hrsg): Smart City and Value Creation. In: Dameri, R., Rosenthal-Sabroux, C.: Smart City: How to Create Public and Economic Value with High Technology in Urban Space. (2014), S. 1 - 2. [4] Müller-Seitz, G., Seiter, M., Wenz, P.: Was ist eine Smart City? Betriebswirtschaftliche Zugänge aus Wissenschaft und Praxis. (2016), S. 4. Dr. Corinna Hilbig Geschäftsführende Gesellschafterin PSPC Public Sector Project Consultants GmbH Kontakt: corinna-hilbig@psp-consult.de Dr. Oliver Rottmann Geschäftsführender Vorstand KOWID-Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. an der Universität Leipzig Kontakt: rottmann@wifa.uni-leipzig.de AUTOR*INNEN
