Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0018
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Erfolgreiche Wertschöpfung mit urbaner Mobilität
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Pablo Guillen
Andreas Mitschele
Die stetig wachsende Nachfrage nach urbaner Mobilität bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, eröffnet aber auch Chancen für innovative Ansätze. So werden über intelligente Verkehrssysteme (IVS) aus dem Kontext „Smart Mobility“ in zunehmenden Umfang Daten erhoben, beispielsweise zu Fahrzeugen, Straßen, Ampeln oder Parkplätzen. Die damit verbundenen Wertschöpfungspotenziale lassen sich mit datengetriebenen Geschäftsmodellen (DGGM) erschließen. Der Beitrag klassifiziert solche DGGM systematisch und zeigt anhand konkreter Anwendungsbeispiele Optionen für die Stakeholder im urbanen Umfeld auf.
tc610072
72 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Erfolgreiche Wertschöpfung mit urbaner Mobilität Datengetriebene Geschäftsmodelle im Kontext intelligenter Verkehrssysteme Smart Mobility, Intelligente Verkehrssysteme (IVS), Datengetriebene Geschäftsmodelle, Big Data Pablo Guillen, Andreas Mitschele Die stetig wachsende Nachfrage nach urbaner Mobilität bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich, eröffnet aber auch Chancen für innovative Ansätze. So werden über intelligente Verkehrssysteme (IVS) aus dem Kontext „Smart Mobility“ in zunehmenden Umfang Daten erhoben, beispielsweise zu Fahrzeugen, Straßen, Ampeln oder Parkplätzen. Die damit verbundenen Wertschöpfungspotenziale lassen sich mit datengetriebenen Geschäftsmodellen (DGGM) erschließen. Der Beitrag klassifiziert solche DGGM systematisch und zeigt anhand konkreter Anwendungsbeispiele Optionen für die Stakeholder im urbanen Umfeld auf. Einer Studie der Vereinten Nationen (UN) zufolge wächst die urbane Bevölkerung weltweit bis zum Jahr 2050 um weitere 2,5 Milliarden Menschen [1]. Dieser massive Zuwachs führt zu einer zunehmenden Nachfrage nach innerstädtischer Mobilität, was negative Auswirkungen für das urbane Ökosystem und die Lebensqualität mit sich bringt. „Smart Mobility“-Initiativen sollen unter Anwendung innovativer Technologien und Konzepten zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen. In Folge der zunehmenden Vernetzung innerhalb des Mobilitätssektors spielen in diesem Kontext datengetriebene Ansätze eine zentrale Rolle. Diese schaffen neue Wertschöpfungspotenziale, die mithilfe sogenannter datengetriebener Geschäftsmodelle (DGGM) erschlossen werden können. Smart Mobility und intelligente Verkehrssysteme in Smart Cities Grundlegendes Konzept für eine „Smart City“ aus automatisierungstechnischer Sicht ist die mit Sensorik instrumentierte, digital vernetzte und mittels Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) intelligente Stadt [2]. Dabei soll die Organisation von Städten in Anbetracht gesellschaftlicher Entwicklungen funktionsfähig gehalten und gleichzeitig effizienter und nachhaltiger gestaltet werden [3]. Als Teilbereich wollen Smart Mobility-Initiativen den urbanen Verkehr durch den Einsatz moderner Transporttechnologien in Kombination mit IKT-Technologien verbessern. Intelligente Verkehrssysteme, als eine Kategorie von Smart Mobility, zeichnen sich dabei durch eine intensive Nutzung von IKT aus. © Micheile Henderson on Unsplash 73 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Diese umfassen Anwendungen zum Sammeln, Speichern und Verarbeiten sogenannter „urbaner Mobilitätsdaten“ [4]. Deren Auswertung liefert schließlich spezifische Informationen über den Verkehr einer Stadt, die für die Planung, Implementierung und Bewertung von Initiativen und Richtlinien für urbane Mobilität verwendet werden können [5]. Darüber hinaus eröffnen diese generierten und ausgewerteten Mobilitätsdaten neue Wertschöpfungspotenziale für die Stakeholder im urbanen Umfeld. Entsprechend geeignete DGGMs können dabei zur Steigerung der urbanen Lebensqualität beitragen [6]. Datengetriebene Geschäftsmodelle und Big Data Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie eine Organisation grundlegend funktioniert [7]. Entsprechend adressiert ein Geschäftsmodell die wesentlichen Kunden sowie das zugehörige Nutzenversprechen eines Unternehmens. Außerdem beschreibt es die grundlegende Wertschöpfungsarchitektur sowie die Ertragsmechanik einer Organisation [8]. Im Zuge der Digitalisierung haben technologische Innovationen bestehende Geschäftsmodelllogiken grundlegend verändert und die Gestaltung vollkommen neuer Geschäftsmodelle ermöglicht. Einen wesentlichen Treiber dieser Entwicklungen stellt „Big Data“ dar. Darunter werden die gewaltigen Datenmengen verstanden, die aufgrund immer weitreichenderer Datenerfassung exponentiell zunehmen. Innovative Technologien, wie Big Data Analytics, eröffnen dabei Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten, indem sie ermöglichen, Wert aus der Datenflut zu generieren [9]. Solche datengetriebenen Geschäftsmodelle (DGGM) verwenden Daten als Schlüsselressource zur Generierung jeglicher Art von digitalen Produkten bzw. Services mithilfe von Schlüsselprozessen wie Datenaggregation, Datengenerierung, Datenanalyse, Datenaustausch, Datenverarbeitung, Dateninterpretation, Datenverteilung und Datenvisualisierung, um Wert für Stakeholder zu schaffen und Einnahmen zu erfassen [10]. Urbane Daten in intelligenten Verkehrssystemen Im Zuge der rasanten Fortschritte der IKT innerhalb des Mobilitätssektors hat der Bereich der urbanen Mobilität aus Datensicht erheblich an Relevanz gewonnen. Eine zentrale Technologie stellt dabei das Internet of Things (IoT, dt. „Internet der Dinge“) dar. Demnach werden im Zuge von IVS beispielweise Fahrzeuge, Straßen, Ampeln oder Parkplätze mithilfe von Sensoren und Netzwerkanschlüssen zu „Smart Devices“ und können somit innerhalb des urbanen Raums miteinander kommunizieren. Dabei werden sehr große Mengen urbaner Mobilitätsdaten generiert und ausgetauscht. Die Quellen sowie die Charakteristika der entsprechenden Daten werden in Bild 1 aufgezeigt. Im Zusammenhang mit der Datenfrequenz können beispielsweise Echtzeitdaten zum PKW-Aufkommen in einer Stadt übertragen werden, um den aktuellen Verkehrsfluss gezielt zu optimieren. Alternativ lassen sich historische Daten über das Verkehrsaufkommen zu bestimmten Zeitintervallen abrufen (zum Beispiel des Verkehrsaufkommens bei einem Fußballspiel), um vorausschauende Planungsmaßnahmen abzuleiten. Urbane Mobilitätsdaten eröffnen vielfältige Potenziale für die Stakeholder im innerstädtischen Umfeld, um möglicherweise negativen Auswirkungen gesellschaftlicher Trends, wie Urbanisierung und Bevölkerungswachstum, entgegenzuwirken und zugleich substanziellen Mehrwert in Städten zu generieren. Aktuelle Praxisbeispiele zeigen jedoch, dass sich das technologische Potenzial oftmals schwer in einen spürbaren ökonomischen, ökologischen und sozialen Wert für die beteiligten Akteure umsetzen lässt. Dies lässt sich auf die vielfältigen Bild 1: Quellen und Charakteristika urbaner Mobilitätsdaten. © Guillen nach [11, 12], Icons: https: / / www. flaticon.com 74 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie Herausforderungen der zu entwickelnden DGGM zurückführen, wie beispielsweise unzureichende Kenntnisse hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung solcher Geschäftsmodelle. [11, 13] Trotz erheblicher Relevanz für die Praxis besteht hier noch viel Raum für Forschungsarbeiten. Im Folgenden wird ein Überblick möglicher Ausprägungen von Geschäftsmodellinnovationen in IVS gegeben. Hierzu wurde auf Basis einer systematischen Literaturanalyse zunächst eine integrierte Taxonomie für DGGM im Kontext von IVS hergeleitet, um den konkreten Optionenraum im urbanen Ökosystem aufzuzeigen. Business Model Canvas als Ausgangspunkt Taxonomien repräsentieren Methoden oder Modelle zur Klassifizierung bestimmter Objekte in verschiedenen Dimensionen nach einem vorgegebenen System [14]. In der weitverbreiteten Geschäftsmodell- Taxonomie „Business Model Canvas“ (BMC) nach Osterwalder und Pigneur wird das Geschäftsmodell eines Unternehmens mithilfe von neun Schlüsselelementen klassifiziert. Diese sind unterteilt in einen Wertbereich (Nutzenversprechen, Kundensegmente, Kundenbeziehung, Kundenkanäle und Einnahmequellen) sowie einen Effizienzbereich (Schlüsselaktivitäten, -ressourcen, -partner und Kostenstruktur). Ersterer beschreibt den generierten Mehrwert für die Kunden, wohingegen sich der Effizienzbereich auf die internen Prozesse fokussiert, die zur Generierung des Werteversprechens notwendig sind. [15] Aufgrund eines hohen Strukturierungsgrads und einer holistischen Betrachtungsweise eignet sich das BMC-Rahmenwerk gut zur Modellierung und Analyse von Geschäftsmodellen und dient nachfolgend als Ausgangspunkt [16]. Die Taxonomie soll dabei aufzeigen, wie Stakeholder des städtischen Umfelds auf Basis der urbanen Mobilitätsdaten (Mehr-) Wert generieren können. Dabei sollen konkrete Möglichkeiten von Wertversprechen für bestimmte Akteure aufgezeigt werden. Außerdem soll dargestellt werden, wie diese erbracht und letztlich monetarisiert werden können. Entsprechend liegt der Fokus im Weiteren auf den fünf Dimensionen des BMC-Wertbereichs. Klassifizierung von Geschäftsmodellen Die nachfolgende Taxonomie zeigt den Stakeholdern den konkreten Optionenraum für potenzielle IVS-Geschäftsmodelle auf. Allen Komponenten des Wertebereichs wurden dabei plausible Ausprägungen auf Basis einer umfassenden Literaturanalyse zugeordnet. Wertangebot beim Kunden Im Rahmen der ersten Komponente Kundensegmente werden die relevanten Kundengruppen bestimmt, die mittels des DGGM im Kontext urbaner Mobilität adressiert werden sollen. Dabei kann es sich um Bürger einer Stadt, um Unternehmen und Stadtverwaltungen handeln. [11] Das Nutzenversprechen als zweites Schlüsselelement erfasst die Produkte und Dienstleistungen, die den jeweiligen Kundensegmenten auf Basis von Daten angeboten werden. Ein Produktangebot kann als „Data-as-a-Product“ umgesetzt werden, indem den Abnehmern (historische) Daten als Endprodukt zur Verfügung gestellt werden. Dieses wird dazu anhand gewisser Metriken (zum Beispiel: Umfang, Kosten, Qualität) standardisiert und entsprechend für alle Kunden angeboten. Alternativ können Daten auch als „Data-as-a-Service“ bereitgestellt werden. Hier erfolgt das Datenmanagement über den gesamten Lebenszyklus durch den Anbieter, wodurch die Daten flexibel und je nach Kundenbedarf über das Internet abgerufen werden [17, 18]. Von „Information-as-a-Service“ spricht man, wenn aus den Daten durch Vorabanalysen Informationen gewonnen werden. Über „Analytics-as-a-Service“ schließlich werden Analyse- und Visualisierungstools zur Verfügung gestellt, mit denen Kunden selbständig Mehrwerte generieren können [10, 19]. Außerdem wird in dieser Dimension der direkt generierte Nutzen des DGGMs für das urbane Umfeld erfasst. So kann eine Reduzierung von Verschmutzung, Verkehrsstaus, Lärmbelastung und Transferkosten sowie eine Erhöhung der Transfergeschwindigkeit oder der Sicherheit der Bewohner verfolgt werden [20]. Der konkrete Nutzen kann sich dabei für die verschiedenen Stakeholder in unterschiedlicher Form äußern: Beispielsweise führt eine erhöhte Verkehrssicherheit für die Bürger einer Stadt zu weniger Gefahren im Straßenverkehr. Für die Stadtverwaltung sinken gleichzeitig die Kosten im Zusammenhang mit Unfallhilfen [21]. Kundenkanäle und -beziehungen Das dritte Schlüsselelement sind die Kundenkanäle, über die den Kunden das Nutzenversprechen bereitgestellt wird. Dies kann beispielsweise über eine API (Application Programming Interface) für einen direkten Zugang, per Web-Download, Web- Schnittstelle oder eine sonstige Software erfolgen. [11, 22] Darüber hinaus kann das Angebot auf Basis einer der folgenden Plattformvarianten bereitgestellt werden: „Analytics Plattform“ (Bereitstellung von Analyse-Tools), „Data Marketplace“ (Plattform- 75 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie betreiber agiert als Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage von datengetriebenen Produkten bzw. Dienstleistungen), „Software-as-a-Service”- Plattform (als Host für diverse, darauf laufenden Anwendungen) oder als digitale Vertriebsplattformen (zum Beispiel: Apple App Store) [23, 24]. Außerdem können den Kunden Daten in einem Datenpool zur Verfügung gestellt werden, über den verschiedene Stakeholder mithilfe eines kollektiven „Crowdsourcings“ von Mobilitätsdaten ein gemeinsames Datenset schaffen. Bei einem Crowdsourcing werden Daten von einer verteilten Gruppe von Mitwirkenden unter Einsatz des Internets und sozialer Kollaborationen erzeugt. [25] Die Komponente Kundenbeziehungen beschreibt die jeweiligen Beziehungen, die ein datengetriebenes Unternehmen mit den adressierten Kundensegmenten pflegt. Bei DGGM im Kontext urbaner Mobilität können Kunden eine aktive Rolle im Wertschöpfungsprozess in Form einer „Co-Creation“ und Community einnehmen. Ersteres beschreibt die gemeinsame Entwicklung und Kollaboration zwischen Kunden und Unternehmen. Dabei stellen Kunden bestimmte Ressourcen und Kompetenzen zu Verfügung, die zur Wertschöpfung mittels eines Produktes oder einer Dienstleistung mitverwendet werden [26]. Im Rahmen einer Community ermöglicht der Einsatz digitaler Technologien die soziale Interaktion von Konsumenten mit gleichen Interessen, wodurch Daten generiert werden [27]. Zudem können Kunden auch passiv über eine virtuelle bzw. automatisierte Schnittstelle, eine persönliche Assistenz oder über einen sogenannten „Self-Service“ (zum Beispiel FAQ) agieren [21]. Vielfältige Umsatzmodelle Die fünfte Schlüsselkomponente Einnahmequellen determiniert das Umsatzmodell einer Organisation [28]. Unternehmen können den Verkauf von Vermögenswerten verfolgen oder beispielsweise Leasing-, Lizensierungs- oder Abo-Modelle (nutzungsbasiert oder mit Flatrate) einsetzen. Außerdem können Umsätze über eine Drittpartei, Werbung oder ein „Freemium“-Modell erzielt werden. Bei letzterem können Nutzer auf ein Produkt oder eine Dienstleistung kostenlos mit bestimmten Limitationen zugreifen, die gegen eine regelmäßige Gebühr aufgehoben werden können. Das DGGM wird so durch die bezahlende Nutzergruppe finanziert. Darüber hinaus können Datenprodukte bzw. -services als sogenannte „Open Data“ kostenlos öffentlich zugänglich gemacht werden, was vor allem bei städtischen Behörden üblich ist [22]. Dabei werden Mobilitätsdaten von der Behörde selbst generiert, gegebenenfalls mit weiteren Daten privater Organisationen angereichert und anschließend unter anderem aufgrund der Rechenschaftspflicht öffentlicher Institutionen bzw. der Zugangsrechte der Bürger veröffentlicht. Zudem können Einnahmen über ein Gainsharing- Modell (Höhe des Umsatzes nach dem, durch den Konsum erzeugten, Vorteil auf der Kundenseite), einen Pay-per-Use-Ansatz (Kunden zahlen für Produkt bzw. Service nutzungsabhängig), eine Vermittlungsgebühr und das sogenannte „Packaging Model“ (Fixpreis für Erwerb einer bestimmten Menge an Daten) gewährleistet werden. [11, 29, 30] Im Folgenden wird die vorgestellte Taxonomie zur Typisierung von drei ausgewählten und in der IVS-Domäne etablierten Unternehmen eingesetzt. Dadurch wird der theoretisch hergeleitete Optionenraum für Geschäftspotenziale im Kontext urbaner Mobilität mit relevanten Beispielen aus der IVS- Praxis validiert. Anwendung auf Unternehmen Zunächst wird der Navigationsservice Waze untersucht. Wenngleich sich dieser nicht ausschließlich auf den Stadtbereich bezieht, so trägt der Service dennoch auch zur Verbesserung des urbanen Straßenverkehrs bei. Die Waze-App (Android, Apple) stellt Bürgern Echtzeit-Verkehrsinformationen, zum Beispiel über Staus, Unfälle, Gefahrenstellen, Baustellen, zur Verfügung (Information-as-a-Service). Der Service trägt somit zur Reduzierung von Verkehrsstaus und gleichzeitig zur Erhöhung der Transfergeschwindigkeit sowie zur Verkehrssicherheit bei. Bei dem community-basierten Ansatz beteiligen sich die Kunden aktiv an der Wertschöpfung, indem sie der Community die Verkehrsinformationen bereitstellen. Der grundsätzlich kostenlose Service finanziert sich über Werbung und den Verkauf von Daten an Drittparteien. [31] Das französische Startup Vianova als nächstes Beispiel forciert die Kollaboration von Stadtverwaltungen und Betreibern von Mikromobilitätsservices mithilfe einer Analytics-Plattform („Mobility Data Platform“), die beiden Kundengruppen einen effizienten, bilateralen Datenaustausch ermöglicht (Data-as-a-Service). Über ein Dashboard (Software-asa-Service) werden neben den Daten auch Tools zur Datenanalyse und -visualisierung zur Verfügung gestellt (Analytics-as-a-Service). Das Konzept fördert die Zusammenarbeit beider Akteure und soll zudem Mikromobilitätsdienstleistungen in Städten zugänglicher machen. Damit generiert das Unternehmen Nutzen in alle plausiblen Dimensionsausprägungen im urbanen Ökosystem. Die Kunden partizipieren aktiv durch eigene Datenbereitstellung an der Wert- 76 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie schöpfung des Services (Co-Creation). Über das Umsatzmodell konnten keine Informationen in Erfahrung gebracht werden. [32] Als letztes Beispiel aus der IVS-Praxis wird die Plattform DataMall betrachtet. Die Initiative der „Land Transport Authority“ (LTA), die als gesetzliche Behörde unter dem Verkehrsministerium der Regierung von Singapur agiert, offeriert Mobilitätsdaten der Metropole. Adressiert werden sollen hierbei vor allem Unternehmen und Drittparteien, um kollaborativ, innovative Lösungen für den lokalen Verkehr zu entwickeln. Über die zugehörige Plattform (Data Marketplace) können sowohl historische Daten „asa-Product“ via Download als auch dynamische Echtzeitdaten „as-a-Service“ via API kostenlos als „Open Data“ bezogen werden. Je nach Verwendung dieser Daten seitens der Abnehmer kann das Unternehmen zur Generierung verschiedener Nutzenausprägungen in der Metropole beitragen. Auf Basis der großen Datenvielfalt sind grundsätzlich alle Ausprägungen der Nutzendimension möglich. Die Kundeninteraktion ist dabei passiv, da diese über eine virtuelle Schnittstelle abgewickelt wird. [33] Bild 2 stellt die Einordnung der Geschäftsaktivitäten der Beispielunternehmen in die hergeleitete Taxonomie dar. Ergebnisse und Diskussion Die vorgestellte Taxonomie zu Klassifizierung datengetriebener Geschäftsmodelle im Kontext intelligenter Verkehrssysteme kann als Ausgangspunkt einer Untersuchung solcher Geschäftsmodelle in der Theorie dienen. Organisationen aus der Praxis können sich mithilfe der Taxonomie darüber hinaus einen Überblick über die Geschäftsmodelllandschaft verschaffen und ihre Aktivitäten entsprechend positionieren. Der Ansatz lässt sich außerdem zur Analyse des Marktumfeldes und als Basis zur Entwicklung eigener, plausibler Geschäftsmodellinnovationen heranziehen. Die Taxonomie kann Organisationen somit dabei unterstützen, Wertschöpfungspotenziale auf Basis der immer weiter zunehmenden Datenmengen im urbanen Mobilitätssektor zu heben und dabei gleichzeitig zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten beizutragen. 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Dimensionen Ausprägungen Kundensegmente Kundenmarkt Bürger Unternehmen Stadtverwaltung Nutzenversprechen Produkt/ Dienstleistung Data-as-a-Product Data-as-a-Service Information-as-a-Service Analytics-as-a-Service Nutzen Reduzierung der Verschmutzung Reduzierung des Verkehrsstaus Reduzierung der Lärmbelastung Reduzierung der Transferkosten Erhöhung der Sicherheit Erhöhung der Transfergeschwindigkeit Kundenkanäle Bereitstellung API Web-Interface Download Software Plattform Analytics Plattform Data Marketplace SaaS-Plattform Digitale Vertriebsplattform Datenpool Kundenbeziehung Interaktion Aktiv Passiv Co-Creation Community Virtuell Persönlich Automatisiert Self- Service Einnahmequellen Umsatzmodell Verkauf von Vermögenswerten Abo-Modell Kostenlos Flatrate Nutzungsbasiert Drittpartei Freemium Werbung Open Data Leasing Lizensierung Gainsharing Pay-per-Use Vermittlungsgebühr Packaging Model Bild 2: Waze (blau), Vianova (grün), DataMall (lila) - DGGM-Taxonomie im Kontext von IVS mit Beispielunternehmen [34]. © Guillen 77 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lehren aus der Pandemie [7] Magretta, J.: Why Business Models Matter. 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