Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0019
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Das EcoMobileum
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Oliver Schwedes
Konrad Otto-Zimmermann
Die Verkehrswende erfordert ein neues Mobilitätsverständnis, das sich nicht mehr daran bemisst, mit immer größeren und schnelleren Fahrzeugen stetig wachsende Distanzen zu überwinden. Vielmehr ist ein Trendbruch zugunsten von Fortbewegungsmitteln zwischen Schuh und Auto erforderlich, der heute noch kaum denkbar erscheint, geschweige denn erlebbar ist. Um die Menschen von der Verkehrswende zu überzeugen, braucht es Erlebniswelten, wo sie eine neue Mobilitätskultur erfahren können.
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78 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität Die Verkehrspolitik sieht sich mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung mit der Herausforderung konfrontiert, die Menschen davon zu überzeugen, den aktuellen Wachstumspfad zu verlassen und stattdessen zukünftig kleine, langsame Fahrzeuge zu nutzen, die nur über geringe Reichweiten verfügen. Das Potenzial ist seit langem bekannt, etwa, dass 50-Prozent der mit dem Auto gemachten Wege unter fünf Kilometer lang sind, also zu Fuß, mit Fahrzeugen der Mikromobilität, dem Fahrrad oder anderen Fahrzeugen mit menschlichem Maß zu bewältigen sind [1] und auf wenigstens dreißig Prozent aller Autofahrten verzichtet werden kann [2]. Demgegenüber stehen jene mentalen Infrastrukturen der Menschen, die geprägt sind durch das Auto im Kopf. Etwas anderes zu denken, erscheint kaum möglich, darüber hinaus ist eine Vielzahl der Produkte im Bereich der Fahrzeuge unterhalb der Größenordnung „Auto“, die es schon gibt, weder bekannt noch können sie ausprobiert werden - sie stehen uns im wahren Sinne des Wortes nicht vor Augen. 1 Vor diesem Hintergrund haben das Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung der Technischen Universität Berlin und das Büro The Urban Idea von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt eine Machbarkeitsstudie finanziert bekommen, um die Realisierung einer Erlebniswelt für nachhaltige städtische Mobilität zu sondieren - das EcoMobileum ® . 2 Hier sollen Erfahrungshorizonte einer neuen Mobilitätskultur eröffnet werden, um die Menschen von der Verkehrswende zu begeistern. 1 Das Büro The Urban Idea hat eine Datenbank angelegt, die aktuell rund 700 Fahrzeuge für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche umfasst: www.theurbanidea.com/ zwischenschuh-und-auto. 2 Abschlussbericht mit den Konzeptstudien auf: https: / / www. ivp.tu-berlin.de/ AB_Machbarkeitsstudie -EcoMobileum ist eine eingetragene Marke von The Urban Idea GmbH Das EcoMobileum Erlebniswelt für eine neue Mobilitätskultur Stadtplanung, Verkehrsplanung, Ausstellung, Erfahrung, Mobilitätsbildung Oliver Schwedes, Konrad Otto-Zimmermann Die Verkehrswende erfordert ein neues Mobilitätsverständnis, das sich nicht mehr daran bemisst, mit immer größeren und schnelleren Fahrzeugen stetig wachsende Distanzen zu überwinden. Vielmehr ist ein Trendbruch zugunsten von Fortbewegungsmitteln zwischen Schuh und Auto erforderlich, der heute noch kaum denkbar erscheint, geschweige denn erlebbar ist. Um die Menschen von der Verkehrswende zu überzeugen, braucht es Erlebniswelten, wo sie eine neue Mobilitätskultur erfahren können. Bild 1: So könnte der Ausstellungsraum in der ehemaligen Freiburger Stadthalle aussehen. © The Urban Idea; Visualisierung: studio klv 79 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität Das Konzept des EcoMobileum Das EcoMobileum fußt auf drei konzeptionellen Säulen, die je nach Bedarf sowohl unterschiedlich kombiniert als auch selektiv verwendet werden können: Die Ausstellung In der Ausstellung sollen neben der Vielfalt von bekannten insbesondere auch innovative, aber noch weitgehend unbekannte Produkte der Mobilität mit menschlichem Maß präsentiert werden. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass sich kein Messecharakter einstellt. Vielmehr müssen sich alle Anbieter*innen in ein Gesamtkonzept fügen, das die Besucher*innen im Sinne einer Erlebniswelt in städtische Alltagssituationen eintauchen lässt. Dementsprechend müssen die Produkte von den Besucher*innen einfach genutzt und in bestimmten lebensweltlichen Kontexten ausprobiert werden können. Die Ausfahrt Die „Erfahrung“ der neuen Mobilitätsangebote in der lebensweltlich gestalteten Ausstellung kann mit einer Ausfahrt außerhalb der Ausstellung auf diversen Parcours fortgesetzt werden. Dort wird es möglich sein, das Fahrzeug auf seine Alltagstauglichkeit hin zu prüfen. Dazu müssen möglichst realitätsnahe (Verkehrs-)Infrastrukturen angeboten werden, die den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Nutzer*innengruppen genügen. Die Akademie Schließlich sollen in einer Akademie/ Mobility- School auch verschiedene Formen des Wissenstransfers angeboten werden. Dabei bildet das Konzept der Mobilitätsbildung in Abgrenzung zur Verkehrserziehung das verbindende Element. Durch didaktisch anspruchsvolle Formate werden Zukunftsbilder einer neuen Mobilitätskultur vermittelt, in der die Bürger*innen lernen selbstbestimmt und entsprechend ihren jeweiligen Bedarfen eine nachhaltige Mobilität zu praktizieren. In diesem Dreiklang wird es das EcoMobileum seinen Besucher*innen ermöglichen, neue Fahrzeuge mit menschlichem Maß kennenzulernen (Ausstellung), mit ihnen neue Stadtraumqualitäten zu erfahren und ein neues Mobilitätsverständnis zu erleben (Parcours) und die Zusammenhänge rund um Mobilität, städtische Lebensqualität und globale Nachhaltigkeit zu verstehen (Akademie). Im Folgenden wird das EcoMobileum aus Sicht der Integrierten Verkehrsplanung im Rahmen der aktuellen Herausforderungen städtischer Verkehrsentwicklung kontextualisiert. Zentrale Themenfelder städtischer Verkehrsentwicklung sind die Neuaufteilung des öffentlichen Raums, neue Verkehrsangebote, wie sie unter dem Begriff Mobility as a Service (MaaS) diskutiert werden, sowie institutionelle Reformen, als wesentliche Voraussetzung einer Neuorganisation von Verkehr und Mobilität. Im Rahmen der EcoMobileum-Erlebniswelt werden die drei Themenfelder den drei konzeptionellen Säulen zugeordnet. Demnach werden in der Ausstellung die einzelnen Fahrzeuge mit dem übergreifenden Thema MaaS verbunden. Die Ausfahrt wird dazu genutzt, die Neuaufteilung des öffentlichen Stadtraums zu thematisieren und die Parcours dementsprechend zu gestalten. Im Rahmen der Akademie schließlich werden die notwendigen institutionellen Reformen diskutiert, wie beispielsweise die Entwicklung neuer Beteiligungsformate für die Bevölkerung. Die Ausstellung: Mobility as a Service (MaaS) In den Städten sind weltweit neue Verkehrsangebote eingeführt worden, die von privaten Anbietern im öffentlichen Raum beworben und von potenziellen Kunden genutzt werden können, sogenannte Sharing-Angebote. Während es vor zehn Jahren zunächst mit Carsharing-Angeboten begann, sind es in den letzten Jahren vor allem diverse Kleinstfahrzeuge der Größenordnung zwischen Schuh und Auto, die im öffentlichen Stadtraum angeboten werden. Vor diesem Hintergrund gilt MaaS als Hoffnungsträger für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung. Demnach erlauben die neuen I&K-Technologien die Verknüpfung aller Verkehrsmittel zu multimodalen Mobilitätsangeboten, die den Nutzer*innen bedarfsgerecht angeboten werden können, in dessen Folge - so jedenfalls die Hoffnung - sie auf den privaten PKW verzichten werden. Während die wissenschaftliche Debatte um das MaaS-Konzept aktuell von einem angebotsorientierten Planungsverständnis dominiert wird, das dem Prinzip „the market knows best“ folgt, stellen wir dem ein integriertes Planungsverständnis gegenüber, dem die Überzeugung zugrunde liegt, dass sich Planung an politischen und gesellschaftlichen Zielen orientieren muss [3]. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass MaaS nur dann einen Beitrag zu einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung leisten wird, wenn es an zuvor politisch definierten Zielen ausgerichtet wird und die Mobilitätsangebote gemeinsam mit regulativen Maßnahmen in ein Gesamtkonzept integriert werden. Die EcoMobileum-Erlebniswelt kann genutzt werden, um zu zeigen, dass das bisher technikgetriebene und durch ein ökonomisch verengtes Planungsverständnis geprägte MaaS im Sinne einer integrierten Verkehrspolitik und -planung weiterentwickelt und im Rahmen eines auf wissenschaft- 80 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität lichen Gütekriterien fußenden Mobilitätsmanagements eingebunden sein muss, wenn das politisch angestrebte Ziel einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung erreicht werden soll [4]. Eine integrierte MaaS-Plattform, die den Besucher*innen alle ausgestellten Produkte anbietet, könnte gleichsam die alles verbindende Matrix der Ausstellung bilden (Bild 1). Dazu würde es sich anbieten, Anbieter aus dem Bereich des öffentlichen Verkehrs einzuladen, die schon immer in enger Kooperation mit den Städten und Gemeinden einen integrierten gesamtstädtischen Ansatz vertreten haben. Ein EcoMobileum in Berlin könnte beispielsweise die erfolgreiche Jelbi- App der Berliner Verkehrsbetriebe nutzen, mit der sich die Besucher*innen dann durch die Erlebniswelt bewegen können. Die Ausfahrt: Neuaufteilung des öffentlichen Raums Die Stadt- und Verkehrsplanungsdebatten werden in jüngster Zeit zunehmend durch Gerechtigkeitsfragen geprägt, die sich bis dahin nicht gestellt hatten [5]. Nachdem es beispielweise jahrzehntelang gesellschaftlich akzeptiert war, private Autos kostenlos im öffentlichen Stadtraum abzustellen, wird dies zunehmend kontrovers diskutiert. Seit kurzem findet eine Wiederentdeckung städtischer Raumqualitäten statt [6]. Am augenfälligsten zeigt sich das daran, dass Parkplätze von Autos geräumt werden, um sie ihrer ursprünglichen Funktion als Marktplätze wieder zugänglich zu machen. Unter dem Begriff der Umweltgerechtigkeit werden zudem immer öfter die Belastungen der Stadtgesellschaft durch private Autos thematisiert. Das Land Berlin hat einen Umweltgerechtigkeitsbericht erstellt, in dem quartiersscharf abgelesen werden kann, welche Bevölkerungsgruppen in welchem Ausmaß von Luft- und Lärmemissionen betroffen sind, nur über wenig Grünflächen verfügen und von bioklimatischen Belastungen betroffen sind [7]. Insgesamt wird der Verkehr von den Stadtgesellschaften zunehmend als Belastung wahrgenommen, welche die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigt und die Lebensqualität einschränkt [8]. Die hier skizzierte verkehrspolitische und -planerische Transformation der Stadtgesellschaft, in deren Zentrum die Neuaufteilung des öffentlichen Stadtraums steht, wird einen konfliktreichen Aushandlungsprozess erfordern. Das EcoMobileum könnte der Ort sein, wo die Menschen daran beteiligt werden. Speziell die Ausfahrt kann dazu genutzt werden, für Besucher*innen neue verkehrsplanerische Gestaltungskonzepte für den Straßenraum erlebbar zu machen und sie von ihnen bewerten zu lassen (Bild- 2). Anders als die traditionelle Verkehrsplanung ist die Integrierte Verkehrsplanung, mit ihrem Fokus auf den Menschen und einen menschengerechten Stadtverkehr, auf kollaborative Beteiligungsprozesse mit den Bürger*innen angewiesen. Die EcoMobileum- Erlebniswelt eröffnet die Möglichkeit eines solchen transdisziplinären Wissenstransfers, von dem alle Beteiligten gleichermaßen profitieren. Beispielsweise könnten die aktuellen wissenschaftlichen Debatten über neue Kreuzungsdesigns konkret und für die Besucher*innen anschaulich in die Konzeptionierung der Parcours einfließen und mit den neuen Kleinstfahrzeugen von ihnen „erfahren“ werden. Die Wissenschaft wiederum könnte hier die subjektive Wahrnehmung unterschiedlicher Gestaltungsvarianten des öffentlichen Straßenraums in einem Umfang erfassen, wie es im Rahmen von begrenzten Forschungsprojekten selten möglich ist. Die Politik wiederum könnte die Erfahrungen der Menschen nutzen, indem sie sie in den konfliktreichen Aushandlungsprozess um die Neuverteilung des öffentlichen Straßenraums einbezieht und ihre Kompetenzen für eine informierte Entscheidungsfindung heranzieht, anstatt sich wie in der Vergangenheit allein auf eine „Expertokratie“ zu verlassen [9]. Schließlich erhalten auch die Anbieter neuer Kleinstfahrzeuge durch die alltagsweltlichen Erfahrungen der Besucher*innen wichtige Hinweise zur Verbesserung ihrer Produkte, die auf einer klassischen Messeausstellung nicht möglich wären. Die Ausfahrt im Rahmen der EcoMobileum- Erlebniswelt ist somit ein vielschichtiger Praxistest, der die anstehende verkehrspolitische und -planerische Transformation der Stadtgesellschaft unterstützt und damit einen konstruktiven Beitrag dazu leistet, die angestrebte Verkehrswende informiert und aktiv zu gestalten. Die Akademie: Mobilitätsbildung Die womöglich größte Hürde nachhaltiger Verkehrsentwicklung bilden die von den Sozialwissenschaften gut erforschten, von den Verkehrs- Bild 2: Mögliche Anordnung von Parcours auf dem Gelände des ehem. amerikanischen Supermarkts im Patrick Henry Village in Heidelberg © The Urban Idea 81 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität wissenschaften jedoch bis heute vernachlässigten, mentalen Infrastrukturen [10]. Damit sind die alltäglichen Vorstellungen von Verkehr und Mobilität gemeint, die jeder von uns verinnerlicht hat und die unser Handeln leiten. In Deutschland, wie in den meisten reichen Industrieländern, sind die mentalen Infrastrukturen stark vom privaten Automobil geprägt, sodass das „Auto im Kopf “ die Vorstellung davon bestimmt, wer als mobil erachtet wird [11]. Demnach zeichnet sich der Idealtypus eines mobilen Menschen dadurch aus, dass er über einen privaten PKW verfügt, der am besten direkt vor der eigenen Haustür geparkt steht. In dieser Situation erscheint bei jeder geplanten Aktivität das Auto vor dem geistigen Auge und verdrängt zugleich alternative Verkehrsmittel wie das Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr. Wenn zudem die alternativen Angebote an Attraktivität verlieren, weil sie immer weniger nachgefragt werden, verstärkt sich dieser Effekt, und die Menschen können gut begründet sagen, dass es keine angemessene Alternative zu ihrem privaten Auto gibt. Ein Leben ohne den privaten PKW erscheint ihnen dann immer weniger denkbar. Vor diesem Hintergrund besteht die Herausforderung einer zukunftsweisenden Verkehrspolitik und -planung, die auf Alternativen zum privaten PKW angewiesen ist, darin, die einseitig am privaten Auto ausgerichteten mentalen Infrastrukturen anzusprechen und für denkbare Alternativen zu sensibilisieren. Diese gezielte Ansprache unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen entsprechend ihrer jeweiligen Anforderungen und Bedarfe ist die Aufgabe des Mobilitätsmanagements und eines ihrer zentralen Instrumente ist die Mobilitätsbildung. Anders als die konventionelle Verkehrserziehung, die eine Anpassungsstrategie verfolgt, indem sie die Menschen für das Überleben in der bestehenden Autogesellschaft trainiert, ist die Mobilitätsbildung darauf gerichtet, ein breites Verständnis von Verkehr und Mobilität zu vermitteln mit dem Ziel, ein ebenso selbstbewusstes wie verantwortungsvolles Mobilitätsverhalten zu unterstützen [12]. Die Akademie des EcoMobileums kann hier anknüpfen und für die unterschiedlichen Altersgruppen passende Bildungsangebote entwickeln. Als Freizeiteinrichtung müsste das EcoMobileum den spielerischen Aspekt noch weiterentwickeln und auch entsprechende medial aufbereitete Angebote im Sinne der „Gamification“ für die älteren Bevölkerungsgruppen entwickeln. Die Besucher*innen könnten beispielsweise aktiv in partizipative Planungsprozesse eingebunden werden und dabei grundlegende Informationen zu dem Themenfeld nachhaltiger Verkehrsentwicklung erhalten. Durch mediale 3D-Unterstützung könnten sie sich etwa an einer Straßenraumgestaltung beteiligen und dabei die formalen Planungsschritte kennenlernen. Dieses Wissen kann sie dazu ermächtigen, sich Zuhause kompetent einzubringen und die Qualität der Ergebnisse von Verkehrspolitik und -planung vor Ort zu verbessern. Aber auch konventionelle Bildungsangebote sollen dort ihren Platz haben. Dementsprechend sollte das EcoMobileum auch Räume zur Verfügung stellen, in denen sich Expert*innen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft austauschen und entsprechende Schulungen stattfinden können. Gleichzeitig sollten die Städte und Gemeinden darüber aufgeklärt werden, was sie schon heute unter den gegebenen Rahmenbedingungen im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung umsetzen können. Indem die Städte und Gemeinden Bildungsreisen in das EcoMobileum organisieren, könnten beispielweise die von der Agora Verkehrswende zusammengetragenen kommunalen Handlungsspielräume den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nahegebracht werden [13]. Darüber hinaus könnten die traditionellen Verkehrsschulen weiterentwickelt werden zu Akademien im Sinne des EcoMobileum und somit auch die Anlaufstelle für die klassischen Bildungseinrichtungen wie KITAs und Schulen sein, die als Teil ihrer Mobilitätsbildung dorthin Ausflüge organisieren. In allen Fällen muss gewährleistet sein, dass der aufklärerische Bildungsanspruch durch spielerische Formen medial anspruchsvoll vermittelt wird. Fazit: Der politische Wille zählt Die EcoMobileum-Erlebniswelt leistet einen zentralen Beitrag zu der politisch angestrebten Verkehrswende, indem es dem aktuellen Trend des „höher, weiter, schneller“ mit dem Konzept der Mikromobilität begegnet, die auf weniger Verkehr, kürzere Bild 3: So könnte das Außengelände vor der ehemaligen Freiburger Stadthalle aussehen. © The Urban Idea, Visualisierung: studio klv 82 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES 82 1 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Mobilität Distanzen und geringere Geschwindigkeiten zielt. Dabei ist das Besondere am EcoMobileum, dass es die Verkehrswende nicht nur postuliert, sondern sie seinen Besucher*innen erfahrbar macht. Jeder kann sich dort ein Bild von möglichen Zukünften machen, wenn er neue Verkehrsmittel auf ihre Alltagstauglichkeit erprobt. Das EcoMobileum setzt nicht primär auf technische Innovationen, vielmehr sind die dort präsentierten neuen Verkehrsmittel nur Vehikel zur Unterstützung eines neuen Mobilitätsverhaltens. Das EcoMobileum will ein neues Verständnis von Verkehr und Mobilität vermitteln und zielt damit auf eine soziale Innovation. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die großen gesamtgesellschaftlichen Transformationen in der Vergangenheit immer mit einem tiefgreifenden kulturellen Wandel verbunden waren. Das EcoMobileum will diesen Kulturwandel dadurch unterstützen, dass es seinen Besucher*innen Möglichkeitsräume eröffnet, Verkehr und Mobilität neu zu denken. Das EcoMobileum ist ein innovativer Ansatz, den Wandel zu einer neuen Mobilitätskultur in demokratischen Gesellschaften zu gestalten und die Menschen daran zu beteiligen. Dabei befähigt das EcoMobileum die Besucher*innen auf verschiedene Weise darin, den kulturellen Wandel aktiv mitzugestalten. Die durch einen kulturellen Wandel bei der Bevölkerung oftmals ausgelöste Unsicherheit aufgrund von Befürchtungen oder sogar Ängsten vor dem noch unbekannten Neuen sowie daraus resultierende Widerstände, können durch die spielerische Aneignung in der Erlebniswelt konstruktiv gewendet werden. Damit ist das EcoMobileum ein innovativer Beitrag zur politischen Legitimierung nachhaltiger Verkehrsentwicklung, die auf die Einsicht der Menschen heute mehr denn je angewiesen ist. Das EcoMobileum kann von der Politik genutzt werden, um die Verkehrswende zu gestalten. Das setzt voraus, dass die Politik die Verkehrswende gestalten will. So wie es eine politische Entscheidung für die Energiewende bedurfte, setzt auch die Verkehrswende eine entsprechende politische Entscheidung voraus. Von einem solchen politischen Willen ist auch das EcoMobileum abhängig. LITERATUR [1] Nobis, C., Kuhnimhof, T., Follmer. R., Bäumer, M.: Mobilität in Deutschland - Zeitreihenbericht 2002 - 2008 - 2017. Studie von infas, DLR, IVT und infas 360 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (FE-Nr. 70.904/ 15). Bonn, Berlin, 2019. www.mobilitaet-in-deutschland.de (30.06.2020). [2] Haag, M.: Notwendiger Autoverkehr in der Stadt. In: Gies, J. et al. (Hrsg.): Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, Loseblattsammlung, Beitragsnummer 3.2.5.1. Berlin/ Offenbach, 2018. [3] Docherty, I., Marsden. G., Anable, J.: The governance of smart mobility. In: Transportation Research Part A 115, (2018) S. 114 - 125. [4] Schwedes, O., Rammert, A.: Mobilitätsmanagement. Ein neues Handlungsfeld Integrierter Verkehrsplanung. Wiesbaden,2020. [5] Creutzig, F., Javaid, A., Soomauroo, Z., Lohrey, S., Milojevic-Dupont, N., Ramakrishnan, A., Sethi, M., Liu, L., Niamir, L., Bren d’Amour, C., Weddige, U., Lenzi, D., Kowarsch, M., Arndt, L., Baumann, L., Betzien, J., Fonkwa, l., Huber, B., Mendez, E., Misiou, A., Pearce, C., Radman, P., Skaloud, P., Zausch, J. M.: Fair street space allocation: ethical principles and empirical insights. In: Transport Reviews, 2020. DOI: 10.1080/ 01441647.2020.1762795 [6] Havemann, A., Selle, K. (Hrsg.): Plätze, Parks & Co.: Stadträume im Wandel. Analysen, Positionen, Konzepte. Dortmund, 2020. [7] SenUVK - Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: Basisbericht Umweltgerechtigkeit. Grundlagen für die sozialräumliche Umweltpolitik. Berlin, 2019. www.berlin.de/ senuvk/ umwelt/ umweltgerechtigkeit/ (30.06.2020). [8] Adli, M.: Stress and the City: Warum Städte uns krank machen. Und warum sie trotzdem gut für uns sind. München, 2017. [9] Fischer, F.: Citizens, Experts, and the Environment. The Politics of Local Knowledge. Durham & London, 2002. [10] Welzer, H.: Mentale Infrastrukturen: Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam. Schriftenreihe Ökologie der Heinrich-Böll-Stiftung, Band 14. Berlin, 2011. [11] Canzler, W.: Das Auto im Kopf und vor der Haustür: Zur Wechselbeziehung von Individualisierung und Autonutzung. In: Soziale Welt, Heft 2, (2000) S. 191 - 207. [12] Schwedes, O., Pech, D., Becker, J., Röll, V., Stage, D., Stiller, J.: Von der Verkehrserziehung zur Mobilitätsbildung. IVP-Discussion Paper, Heft 2. Berlin, 2021. [13] Agora Verkehrswende: Öffentlicher Raum ist mehr wert. Ein Rechtsgutachten zu den Handlungsspielräumen in Kommunen. 2. Auflage, 2018. www.agora-verkehrswende.de/ fileadmin/ Projekte/ 2018/ OEffentlicher_ Raum_ist_mehr_wert/ Agora_Verkehrswende_Rechtsgutachten_oeffentlicher_Raum.pdf (30.06.2020). Prof. Dr. Oliver Schwedes Leitung Fachgebiet Integrierte Verkehrsplanung Institut für Land- und Seeverkehr Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme Technische Universität Berlin Kontakt: oliver.schwedes@tu-berlin.de Dipl.-Ing., Mag. rer. publ. Konrad Otto-Zimmermann The Urban Idea GmbH - EcoMobility Studio Kontakt: info@theurbanidea.com AUTOREN