eJournals Transforming cities 6/2

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0022
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Die Arbeitswelt verändert sich disruptiv und damit verändern sich auch die Arbeitsumgebungen. Stefanie Lürken, seit 2014 Country Manager bei IWG plc, einem Dachunternehmen führender Büroanbieter wie Regus und Spaces, geht im Gespräch darauf ein, welche Entwicklungen sie aktuell bei der Belegung von Büroflächen sieht – von hybriden Arbeitsmodellen bis hin zum weltweiten Trend, dass Berufstätige in Zukunft vermehrt auf 15-Minuten-Offices setzen werden.
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4 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview Die Arbeitswelt befand sich bereits vor Corona im Umbruch. Welches waren und sind die Treiber der Veränderungen? Haupttreiber für diese Veränderung ist die digitale Transformation, die bereits in den 1970er Jahren mit dem Aufkommen der ersten Computer begann. Das traditionelle Büro hatte früher seine Berechtigung, vor allem, weil es der einzige Ort war, der die Materialien und Ausrüstungen geboten hat, die zum Arbeiten benötigt wurden, aber nicht zu Hause verfügbar waren: wie Schreibmaschinen, Computer, Kopierer und Aktenschränke, um unzählige Kilometer Papier zu lagern. Inzwischen hat sich das Büro jedoch auf das digitale Leben verlagert - in einigen Fällen befinden sich die in der Cloud gespeicherten Daten nicht einmal mehr im selben Land wie die Mitarbeiter, die darauf zugreifen - und das ändert die Notwendigkeit von festen Büroflächen. Wird es künftig immer weniger klassische Arbeitsformen geben - mit festen Arbeitszeiten, klaren Hierarchien und sicheren Arbeitsplätzen? Allein in den letzten zehn Jahren ist der Anteil von flexiblen Bürolösungen weltweit um 1 000 % gestiegen. JLL - ein globales Unternehmen für gewerbliche Immobiliendienstleistungen - prognostizierte schon vor der Pandemie, dass der Gesamtanteil flexibler Büroflächen von 2 % im Jahr 2019 auf 30 % im Jahr 2030 steigen würde. Angesichts der Pandemie erwarten wir nun einen noch größeren Anteil an flexiblen Arbeitsmodellen. Ein gutes Beispiel sind die beiden Business Center, die wir während der Pandemie im vergangenen Jahr eröffnet haben. Diese sind beide ausgebucht, die Nachfrage nach flexiblem Arbeitsplatz ist also definitiv da. Für den deutschen Markt sehen wir daher ein starkes Wachstum und erweitern unsere Büroflächen in der gesamten Region. Am 1. März haben wir beispielsweise die Business Center HQ Berlin Teltow und das Signature by Regus Hamburg Jungfernstieg eröffnet. Und es gibt auch noch weitere Pläne, da für den Sommer weitere Eröffnungen geplant sind, wie das Regus Stuttgart Leinfelden. Werden eher Selbständige, Gründer, Co-Worker, Projektarbeiter, Self-Entrepreneure den Arbeitsmarkt verändern? Das lässt sich so pauschal gar nicht beantworten. Jede der von Ihnen genannten Gruppen wird ihren Anteil an den Veränderungen haben. Das klassische Büro ist drauf und dran seine Rolle im Arbeitsalltag dauerhaft zu verändern. Es wird in vielen Fällen zu einem Ort der Begegnung, dem Austausch mit dem Team - das lässt sich nicht oder nur sehr bedingt per Video-Call erzeugen. Fixe Büroflächen in Unternehmen werden zwar nicht verschwinden, aber sich verkleinern. Was eigentlich unterscheidet flexibles Arbeiten von den tradierten Mustern der „Old Economy“? Die Pandemie hat gezeigt: Es geht vieles mit Remote-Working, das sich selbst Experten nie hätten Freiräume Flexible Umgebungen für flexibles Arbeiten Die Arbeitswelt verändert sich disruptiv und damit verändern sich auch die Arbeitsumgebungen. Stefanie Lürken, seit 2014 Country Manager bei IWG plc, einem Dachunternehmen führender Büroanbieter wie Regus und Spaces, geht im Gespräch darauf ein, welche Entwicklungen sie aktuell bei der Belegung von Büroflächen sieht - von hybriden Arbeitsmodellen bis hin zum weltweiten Trend, dass Berufstätige in Zukunft vermehrt auf 15-Minuten-Offices setzen werden. Stefanie Lürken. © IWG plc 5 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview vorstellen können. Die - zumindest gefühlt - jetzt rascher voranschreitende Digitalisierung trägt dazu bei, dass sich immer mehr Tätigkeiten smart - also unabhängig vom Ort - durchführen lassen. Natürlich bleiben die soziale Komponenten, die der Gang ins Büro hat. Die Wahrheit wird wie fast immer in der Mitte liegen. Arbeit im Home-Office mit ein oder zwei Bürotagen pro Woche. Das wiederum spricht sehr stark für unseren Ansatz flexible Büro-Lösungen anzubieten. Zum flexiblen Arbeiten der Zukunft gehört auch, dass diese Büros für die Mitarbeitenden der Firmen einfach erreichbar sein müssen. Worin liegen die Vorteile der neuen Flexibilität? Welche Nachteile gibt es? Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter in Zukunft in vielen Fällen nur sehr wenig Zeit benötigen wollen, um von ihrem Zuhause an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Wir investieren daher in flexible Bürolösungen in Vorstadt-Lagen und Kleinstädten, so wie wir es bereits vor der Pandemie getan haben, da wir einen längerfristigen Trend dahingehend beobachten. IWG hat bereits in den letzten zwei Jahren fast alle neuen Offices in Gebieten außerhalb der Innenstädte eröffnet. Derzeit sehen wir, dass die Nachfrage nach Office-Lösungen in kleineren und mittleren Städten sowie Ballungsgebieten bei all unserer Marken, einschließlich Regus und Spaces, weltweit exponentiell zunehmen. Viele Jobs können dank Digitalisierung von überall ausgeübt werden. Ist ein schneller Internetanschluss also der Schlüsselfaktor schlechthin? Vor Jahren war das schnelle Internet zumindest noch ein Differenzierungsfaktor. Diese Zeiten sind allerdings weitgehend vorbei. Selbst kleinere Städte sind inzwischen an das Glasfasernetz angebunden. Was wir weltweit sehen, ist, dass die Nachfrage nach Coworking Spaces und Bürolösungen in Ballungsräumen steigt und die Nachfrage in den Innenstädten zurückgegangen ist. Wie entwickeln sich die Arbeitsumgebungen mit der neuen Unabhängigkeit und Flexibilität? (Stichwort: Coworking, Home Office, Gründerzentren, Jelly, Maker Spaces etc.) Wir sehen einen sehr deutlichen Trend, dass Unternehmen in erster Linie nach Arbeitsflächen in der Nähe der Wohnorte der Mitarbeiter suchen. Selbst während der Herausforderungen der Pandemie haben wir einige unserer größten Deals in unserer 31-jährigen Geschichte unterzeichnet, darunter mit Standard Chartered - dieser umfasst eine weltweite Mitgliedschaft für alle 95 000 Mitarbeiter der Bank, die Zugang zu unseren 3 500 Zentren bietet. Da IWG Regus jedoch in mehr als 120 Ländern tätig ist, hat sich je nach regionaler Situation die Pandemie anders ausgewirkt. Bewirtschaftete Büroflächen in gut erreichbaren Innenstadtlagen sind sicher gefragt, doch wie sieht es in städtischen Randgebieten oder gar in ländlichen Gegenden aus? Nein, wir haben derzeit keine Pläne, Business Center in der Innenstadt zu schließen. Wir investieren weiterhin in innerstädtische Standorte und bieten dort die nötige Flexibilität, die unsere Kunden verlangen. Wir sehen immer noch ein großes Interesse an unseren Business Centern in der Innenstadt. Aber natürlich verlangen Unternehmen heute nicht mehr fünfbis zehnjährige Verträge, sondern möchten flexibel sein. Daher erwarten wir, dass Unternehmen © IWG plc © IWG plc 6 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES FORUM Interview in den nächsten drei bis fünf Jahren vor allem auf hybride Arbeitslösungen setzen werden. Wir reagieren darauf mit unserem starken Angebot, beispielsweise unserem DYOO-Konzept, das Unternehmen die Flexibilität gibt, ihr Büro ganz nach ihren Wünschen und Bedürfnissen auszustatten. Ganz abgesehen von der Corona-Pandemie haben wir jedoch bei allen unseren Offices die langfristige Rentabilität im Blick und nehmen jedes Jahr eine Anpassung und eine Schließung einer kleinen Anzahl an Büros vor, wenn diese längerfristig nicht lebensfähig sind. Nach über einem Jahr Erfahrung mit Arbeiten im Homeoffice stellt sich die Frage: Werden Berufstätige künftig wieder täglich lange Pendlerstrecken auf sich nehmen wollen? Wir gehen davon aus, dass Mitarbeiter in Zukunft in vielen Fällen sehr wenig Zeit für den Weg von ihrem Wohnort zu ihrem Arbeitsplatz benötigen werden. Deshalb investieren wir, wie schon vor der Pandemie, in flexible Office-Lösungen in Vorstadtlagen und Kleinstädten, da wir einen längerfristigen Trend in diese Richtung sehen. Welche Trends sehen Sie durch die entstehenden neuen Arbeitsformen für die Stadtentwicklung (und die Regionalentwicklung)? Werden Räume und Flächen künftig anders genutzt bzw. werden möglicherweise neue Bauformen entstehen? Der Trend zu kleineren und mittelgroßen Städten sowie hybriden Arbeitsmodellen bedeutet nicht, dass es für prestigeträchtige Zentralen keine Rolle mehr geben wird, ob sie nun im Stadtzentrum liegen oder nicht. Sie sind nach wie vor wichtig für die Corporate Identity, das Wachstum des Unternehmens und den Zusammenhalt im Team. Die Zentrale wird auch weiterhin ein Ort sein, an dem Mitarbeiter bei Bedarf zusammenkommen können. Das Büro kann sehr wichtig für die emotionale, fast „tribale“ Verbindung zwischen einem Arbeitgeber und seinen Mitarbeitern sein. Dies kann ein wichtiger kultureller Faktor für ein Unternehmen sein und einen gemeinsamen Unternehmensgeist stärken - und so auch ein Wettbewerbsvorteil zu einem anderen Unternehmen darstellen. Was meinen Sie: Sorgt mehr Freiraum in der Arbeitswelt eher für Ängste bei den Menschen oder werden die persönlichen Freiheiten, die durch mehr Flexibilität entstehen können, begrüßt? Wir glauben, dass die Pandemie einen nachhaltigen Einfluss darauf haben wird, wie wir leben und arbeiten. Städte werden in unserem gesamten Arbeitsleben nicht mehr die gleiche Bedeutung haben wie zuvor. Schon vor der Pandemie war das Pendeln eine der am wenigsten bevorzugten Aktivitäten der Menschen. Wir erwarten daher, dass die Menschen ein hybrides Arbeitsmodell favorisieren, das ihnen Arbeitsmöglichkeiten innerhalb von 15-Minuten von ihrem Zuhause bietet. Mit hybriden Arbeitslösungen meinen wir, dass die Arbeit zu Hause die Norm sein wird und dass Mitarbeiter zwei oder drei Tage im Büro oder in Coworking Spaces in der Nähe ihrer Wohnorte mit Kollegen verbringen. Innenstädte werden immer noch eine wichtige Rolle einnehmen, aber wir glauben nicht, dass es das einzige Zentrum des täglichen Lebens sein wird, so wie es vorher der Fall war. Und das ist eine gute Sache, da sich dies auch positiv auf die Umwelt auswirken wird! © IWG plc © IWG plc Bilder: Spaces Kennedydamm, Düsseldorf.