Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0027
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Kombination von Photovoltaik und Dachbegrünung
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Gunter Mann
Felix Mollenhauer
Die Kombination von Photovoltaik und Dachbegrünung wird zwar schon seit Jahrzehnten in verschiedenen Varianten praktiziert, dennoch sind sogenannte „Solar-Gründächer“ längst noch keine Selbstverständlichkeit. Viele Bauherren, Planer und Ausführenden haben noch Vorbehalte gegen eine Kombination oder wissen gar nicht, dass diese möglich ist. Die Kombination von Photovoltaik und Begrünung funktioniert, wenn bestimmte Grundregeln beachtet werden.
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22 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Positive Wirkungen durch Kombination Dachbegrünungen haben viele positive Wirkungen, die bei einer Kombination mit Photovoltaik besonders ins Gewicht fallen. Werden auflastgehaltene Solar-Gründachsysteme verwendet, ergeben sich daraus weitere Vorteile. Schutz der Dachabdichtung: Die Dachbegrünung schützt im Gegensatz zu unbegrünten Dachflächen die empfindliche Dachabdichtung nicht nur vor Extremtemperaturen und Hagelschlag, sondern auch vor Trittbelastung bei Wartungsgängen. Die Reparatur- und Sanierungsanfälligkeit ist deutlich geringer, wenn die Dachabdichtung durch eine Begrünung geschützt ist. Bei auflastgehaltenen Systemen zur Kombination von Dachbegrünung und Solaranlage sind zudem Dachdurchdringungen oder sonstige Eingriffe in die Dachabdichtung und Gebäudesubstanz nicht notwendig. Damit können kostenaufwändige und schadensanfällige Dachabdichtungsarbeiten vermieden werden. Vermeidung von Punktlasten Da auflastgehaltene Solar-Gründachsysteme durch die gleichmäßige Lastverteilung des Substrates gehalten werden, entfallen Punktlasten (beispielsweise durch Betonplatten), wie sie bei herkömmlichen Montagesystemen entstehen. Steigerung der Biodiversität Auch ein Solar-Gründach kann einen Beitrag zum Artenschutz leisten. Je nach Schichtaufbau und Pflanzenauswahl kann ein Biodiversitätsgründach geschaffen werden. Und aufgrund der unterschiedlichen Licht-Schatten- und Feuchtigkeitsverhältnisse durch die PV-Module entstehen auf dem Dach verschiedene Standortbedingungen. Diese können zusätzlich zu einer Erhöhung der Artenvielfalt von Flora und Fauna beitragen. Ertragssteigerung Bei Photovoltaikanlagen bestimmen die Umgebungstemperaturen die Leistung der PV-Module. Abhängig von der Sonneneinstrahlung können sich die Module im Sommer bis zu 90- °C aufheizen. Dadurch wird die Leistung um bis zu 25-% im Vergleich zur Nennleistung gemindert. Die Leistung kann Kombination von Photovoltaik und Dachbegrünung Die Erfolgsfaktoren für ein nachhaltiges Solar-Gründach Gunter Mann, Felix Mollenhauer Die Kombination von Photovoltaik und Dachbegrünung wird zwar schon seit Jahrzehnten in verschiedenen Varianten praktiziert, dennoch sind sogenannte „Solar-Gründächer“ längst noch keine Selbstverständlichkeit. Viele Bauherren, Planer und Ausführenden haben noch Vorbehalte gegen eine Kombination oder wissen gar nicht, dass diese möglich ist. Die Kombination von Photovoltaik und Begrünung funktioniert, wenn bestimmte Grundregeln beachtet werden. Bild 1: Kombination Photovoltaik und Dachbegrünung im X XL-Format. © BuGG Bild 2: Artenreiche und passende Pflanzenauswahl für ein Solar-Gründach: Niederwüchsige und dicht machende Sedum- und Kräuterarten. © BuGG 23 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum gemäß den Standard-Test-Bedingungen (STC) bei 25- °C und dem abhängigen Zelltyp mit jedem Grad an Temperatursteigerung um bis zu 0,5-% abnehmen. Untersuchungen konnten belegen, dass durch die Verdunstungsleistungen von Dachbegrünungen ein Kühleffekt entsteht. Im Gegensatz zu anderen, sich stark aufheizenden Oberflächenmaterialien bleibt bei der Begrünung die Oberflächentemperatur nahe an der Außentemperatur. Der Kühleffekt der Dachbegrünung kann dazu beitragen, die Aufheizung der PV-Module zu mindern. Da die Oberflächentemperatur und langwellige Wärmestrahlung reduziert werden, entstehen kaum Einbußen in der Modulleistung. Demnach ergeben sich bei Dachbegrünungen in Kombination mit Solaranlagen Vorteile und Ertragssteigerungen gegenüber unbegrünten Dächern. Ein genauer Wert lässt sich jedoch nicht ermitteln, da dies vom jeweiligen Objekt abhängig ist, das heißt vor allem von Faktoren wie Lage, Substrataufbau und Modulverlegung. Planungshinweise Damit die Kombination aus Photovoltaik und Dachbegrünung für beide Leistungsbereiche nachhaltig funktioniert, ist eine fachgerechte Planung, Ausführung und Instandhaltung notwendig. Dachneigung Für die Kombinationslösung Photovoltaik und Dachbegrünung darf die Dachneigung bei auflastgehaltenen Systemen nicht mehr als 5 ° betragen, um ein Abrutschen der Systeme zu vermeiden. Dachabdichtung An die Dachabdichtung gibt es bei der Installation von Solaranlagen keine besonderen Anforderungen. In Kombination mit Dachbegrünungen muss die Dachabdichtung allerdings wurzelfest nach FLL bzw. DIN EN 13948 sein. Wärmedämmung Die Wärmdämmung muss ausreichend druckstabil und belastbar sein. Bei Umkehrdächern sind Bauphysik und dampfdiffusionsoffene Bauweise zu beachten. Flächenlast Die Zusatzbelastung durch eine PVbzw. Solarthermie-Anlage beträgt etwa 20 - 60 kg/ m². Bei Dachbegrünungen müssen zusätzlich das Gewicht des Gründachaufbaus und der Vegetation von etwa 100 - 150 kg/ m² berücksichtigt werden. Die Wahl des Gründachaufbaus hängt bei auflastgehaltenen Solarständerungen davon ab, welche Auflast sie zur Lagesicherung benötigen. Blitzschutz Zu Schadensvermeidung der Solaranlage ist ein Blitzschutz notwendig. Alle Solaranlagenelemente müssen daher bei einem bestehenden oder noch zu errichtenden äußeren Blitzschutz innerhalb der Blitzschutzanlage liegen. Gleichwegs ist ein Sicherheitsabstand von mindestens 0,5 m zur Blitzschutzanlage einzuhalten. Aufbau Solar-Gründach Der grundsätzliche Aufbau von auflastgehaltenen Solar-Gründächern sieht oberhalb einer geeigneten Dachkonstruktion mit wurzelfester Dachabdichtung wie folgt aus: Schutzlage als Schutz der Dachabdichtung Als Grundelement für Solar- Gründächer dient in der Regel eine Basisplatte zur Verfüllung und Lastaufnahme. Diese Basisplatte hat meist sowohl Dränals auch Wasserspeicherfunktionen Bild 3: Auflastgehaltenes Solar-Gründach mit flachen, südausgerichteten Modulen und ausreichend großen Reihenabständen. © BuGG Bild 4: Auflastgehaltenes Solar-Gründach in Ost-West-Verlegung. © BuGG 24 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Die Basisplatten sind mit Substrat verfüllt und erhalten damit ihre Standfestigkeit. Die Vegetationstragschicht kann durchgehend auf gleicher Aufbauhöhe von etwa 8 - 10 cm, abhängig von Begrünungsart, Vegetationsziel und zu erzielender Mindestauflast (bei auflastgehaltenen Systemen) über die komplette Dachfläche oder wellenförmig (6 - 15 cm) eingebaut werden. Erfolgsfaktoren für das Gelingen einer Kombination aus Solar- und Gründach Für die nachhaltige Umsetzung von Solar-Gründächern sind folgende Grundsätze („Erfolgsfaktoren“) zu beachten: 1.- Verschattung der Solar-Module vermeiden, 2.- ausreichende Reihenabstände, sodass die Instandhaltung gut möglich ist, 3.-Verwendung auflastgehaltener Solar-Gründach-Systeme, 4.- regelmäßige, fachgerechte Instandhaltung (Pflege und Wartung), 5.-rechtzeitige Einbeziehung aller beteiligten Gewerke, einschließlich Planung. Vermeidung von Verschattung Um Verschattungen der Solar- Module durch zu hohe Pflanzen zu vermeiden, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Der Abstand zwischen Substratoberfläche und Modulunterkante sollte ausreichend groß sein, also mindestens 20 cm, je nach Pflanzenauswahl eventuell größer. Abstände von mindestens 30 cm haben sich bewährt. Damit die Solar-Module nicht verschattet werden, sind niedrigwüchsige Pflanzen mit einer maximalen Wuchshöhe von 15 - 20-cm und dichtem Flächenschluss zu empfehlen. In der Regel sind Sedum-Moos-Kräuter-Begrünungen gut geeignet. Durch die Höhe des Gründachaufbaus und des Substrats lassen sich die Pflanzenauswahl und Vegetationsentwicklung in Abhängigkeit von den regionalen Gegebenheiten beeinflussen. Grundsätzlich gilt, je höher der Gründachaufbau, desto mehr Wasser speichert er und desto höher kann die Vegetation ausfallen. Auch wenn die geringe Substrathöhe und die maximale Wuchshöhe der Pflanzen die Pflanzenauswahl einschränken, sollte versucht werden, eine möglichst artenreiche und von Frühjahr bis Herbst blühende Vegetation aufzubringen. Niedrige, schattenverträgliche Pflanzenarten mit hohem Deckungsgrad unter den Solar-Modulen hemmen das Aufkommen unerwünschten Fremdbewuchses. Die Anlage eines Kiesstreifens vor den Solar-Modulen ist empfehlenswert, um die Pflanzenentwicklung dort einzuschränken und bei Bedarf einfacher pflegen zu können. Um Pflanzenaufwuchs zu vermeiden, können vor den Solar- Modulen auch Betonplatten ausgelegt werden. Diese dienen gleichzeitig als Wartungswege. Geringe Substrathöhen (von etwa 5 - 8 cm) vor den Solar- Modulen schließen höherwüchsige Arten aus. Bei ballastierten Systemen ist die benötigte Mindestauflast zur Standsicherung zu beachten. Ausreichend Reihenabstände Zur Durchführung der Pflege und Wartung sind Wartungswege und Absturzsicherungen vorzusehen. Es ist auf einen ausreichenden Abstand zum Dachrand und einen Abstand der Modulreihen untereinander (je nach Ausrichtung mindestens 50 - 80 cm) zu achten. Kabel und weitere zur Solaranlage gehörende Bauteile sind so zu montieren, dass beispielweise Pflanzenschnitt problemlos möglich ist. Eine durchgehende, störungsfreie Entwässerung muss sichergestellt sein - entweder durch die Basisplatte selbst oder eine darunter liegende Dränageschicht. Auf der Basisplatte ist das Modul-Montagesystem mit dem benötigten Neigungswinkel befestigt. Das Gesamtsystem ist durch Modultragschienen miteinander verbunden. Die Solar-Module werden auf die Modultragschienen aufgelegt und durch Modulklemmen gehalten. Bild 5: Schematischer Schnitt durch ein auflastgehaltenes Solar-Gründach. Der Gründachaufbau hält die PV-Aufständerung lagesicher und ohne Dachdurchdringung. © BuGG Bild 6: BuGG-Fachinformation „Solar-Gründach“. © BuGG Professionelle Versickerung von Regenwasser www.mall.info CaviLine der Sickertunnel aus Beton + Ideal zur Kombination mit einer Regenwasserbehandlung + Preiswerte Lösung für Versickerungsanlagen + Hohe Stabilität befahrbar bis SLW 60 + Schnelle Montage bei flacher Bauweise + Gesamte Anlage zugänglich nach DGUV Regel 103-003 + Beton ist ökologisch, robust und langlebig Neuheit 2021 Mall-Bemessungs-Software MBS-Online Verwendung auflastgehaltener Solar- Gründach-Systeme Auflastgehaltene Solar-Gründach-Systeme sind zu bevorzugen, da hierbei die Photovoltaikaufständerungen nicht in die Dachabdichtung/ Dachkonstruktion eingreifen und damit Wärmebrücken und Undichtigkeiten vermieden werden. Die Last des Gründachaufbaus hält die Photovoltaikaufständerungen lagesicher auf dem Dach. Mehrere Gründachsystemanbieter haben solche Systeme in ihren Programmen. Instandhaltung (Pflege und Wartung) von Solar-Gründächern Sowohl Dachbegrünung als auch Solaranlagen bedürfen einer regelmäßigen und fachgerechten Instandhaltung. Die Instandhaltung von Dachbegrünung und Montagesystem übernimmt der Gründach-Fachbetrieb, die Instandhaltung der Solaranlage inklusive der Elektronik obliegt dem Solar-Fachbetreib. Solaranlage Die jährliche Inspektion der Anlagen beschränkt sich auf eine Sichtkontrolle der Anlage und eventuell auf die Reinigung der Module. Folgende Instandhaltungsmaßnahmen sind eventuell durchzuführen: Regelmäßige Sichtkontrollen (für Isolationsschäden bei Kabeln, Beschädigungen der Verteilerkästen, Beschädigungen an Wechselrichtern oder sonstigen Bauteilen), Sichtkontrollen (nach Stürmen oder Gewittern), eine jährliche Sichtprüfung der Dabdichtung und Dachdurchdringungen, Kontrolle der Standfestigkeit der Unterkonstruktion sowie aller Anlagenteile auf Beschädigungen (Witterungseinflüsse, Ablagerungen an den Paneelen, Bewuchs, hängende Kabel, die den Dachbegrünungspfleger bei der Arbeit behindern können). Im Vier-bis-fünf-Jahrestakt sollte eine wiederkehrende Prüfung nach DIN EN 62446 durchgeführt werden. Dachbegrünung Der Pflegeaufwand eines Solar-Gründaches ist höher als bei einem vergleichbaren Gründach ohne Solaranlage, da sichergestellt sein muss, dass Pflanzen die Module nicht verschatten und kein unerwünschter Fremdbewuchs unter den Modulen entsteht. Auf Solargründächern muss die Begrünung jährlich zweibis viermal, insbesondere in den Wuchsphasen zwischen März bis Juni, kontrolliert und eventuell zurückgeschnitten werden. Grundsätzlich sollte mindestens einmal im Frühjahr und einmal im Herbst eine Pflege des Daches stattfinden. Zusätzlich zum Vorgenannten müssen Dachrandbereiche und Dachdurchdringungen auf Hinterwurzelungen kontrolliert und die Entwässerungseinrichtungen überprüft werden. Zusammenfassung Bei vorausschauender und abgestimmter Planung und einer ebensolchen späteren Ausführung unter den verschiedenen Gewerken sind Kombinationslösungen von Dachbegrünung und Photovoltaik (sogenannte Solar-Gründächer) gut machbar. Sie vereinen eine Vielzahl positiver Wirkungen. Hervorzuheben sind dabei auflastgehaltene Solar-Gründächer, deren Photovoltaikaufständerungen durch die Auflast des Gründachs lagesicher gehalten werden. Der Bundesverband Gebäudegrün e. V. (BuGG) hat zu dem Thema zwei Schriften veröffentlicht: die BuGG-Fachinformation „Solar-Gründach“, in der ausführliche Informationen rund um das Solar-Gründach zu finden sind, und den BuGG-Fokus „Solar-Gründach“, der die wichtigsten Planungsgrundlagen auf den Punkt bringt. Dr. Gunter Mann Präsident Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) Kontakt: gunter.mann@bugg.de Felix Mollenhauer, M.Sc. Referent Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) Kontakt: felix.mollenhauer@bugg.de AUTOREN
