eJournals Transforming cities 6/2

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0032
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Wie schlaue Gebäude das Klima schützen

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2021
Klaus Dederichs
Bita Sotoudeh
Smart Buildings revolutionieren die Immobilienbranche. Mittels Sensoren werden Nutzungsdaten des Gebäudes erhoben und die Energieeffizienz optimiert. Und via Smart Grid können die Gebäude sogar mit dem Stromnetz kommunizieren und dazu beitragen, das Lastenmanagement zu verbessern.
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40 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Ein moderner Kubus, umhüllt von einer Glasfassade, mitten in Berlin: Der im Februar vergangenen Jahres eröffnete cube berlin, geplant von CA Immo mit Unterstützung des Planungs- und Beratungsunternehmen Drees & Sommer und dem PropTech Thing-it, macht architektonisch durchaus etwas her. Doch die eigentliche Innovation sieht man von außen nicht: Hinter der Fassade verbirgt sich nämlich geballte Intelligenz, denn der Bau setzt ganz auf smarte Technologie - in Verbindung mit höchsten Sicherheitsstandards. Rund 3 750 Sensoren, 750 sogenannte Beacons, also Sender mit Bluetooth Low Energy und 140 Mobilfunkantennen sammeln im cube berlin die unterschiedlichsten Daten, die die Basis für die smarte Gebäudesteuerung bilden. Eine mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete zentrale Steuerungseinheit verknüpft viele der technischen Anlagen, Sensoren sowie Planungs-, Betriebs- und Nutzerdaten miteinander. Dieses sogenannte „Brain“ erfasst die Informationen und Daten, analysiert und bewertet sie und unterbreitet Optimierungsvorschläge zum Beispiel für den Betrieb des Gebäudes. So erkennt das System etwa nicht genutzte Flächen und schaltet gegebenenfalls Anlagen wie Heizung, Lüftung, Kühlung oder Licht in diesen Bereichen ab. Das trägt dazu bei, die Energieeffizienz zu erhöhen und den Komfort für die Nutzer zu steigern. Die Energiewende ist in aller Munde, doch von der Erreichung seiner ehrgeizigen Klimaziele ist Deutschland noch meilenweit entfernt. Schlaue Gebäude, die ihren Energiebedarf selbst optimieren und sich an die Nutzerbedürfnisse intelligent anpassen, können einen wichtigen Beitrag für mehr Energieeffizienz im Immobiliensektor leisten. Das Gelingen der Energiewende hängt auch davon ab, ob im Gebäudebereich die richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden. Wie schlaue Gebäude das Klima schützen Smart Buildings, Smart Grids, Internet der Dinge, Energieversorgung, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien Klaus Dederichs, Bita Sotoudeh Smart Buildings revolutionieren die Immobilienbranche. Mittels Sensoren werden Nutzungsdaten des Gebäudes erhoben und die Energieeffizienz optimiert. Und via Smart Grid können die Gebäude sogar mit dem Stromnetz kommunizieren und dazu beitragen, das Lastenmanagement zu verbessern. Bild 1: Smart Grid steht für ein Datennetz, mit dem parallel zum Stromnetz die Erzeugung, die Verteilung, aber auch die Speicherung der erzeugten Energie koordiniert wird. © monicaodo 41 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Detaillierte Nutzungsdaten: Nur so viel Energieverbrauch wie nötig Das Internet der Dinge und smarte Steuerungen verändern grundlegend die Art und Weise, wie Gebäude bewirtschaftet werden. Ob der cube berlin, The Ship in Köln oder Hammerbrooklyn in Hamburg: immer mehr Gebäude verfügen über ein digitales Gehirn, das Daten der Nutzer und des Betriebs sammelt, analysiert und sich anschließend den individuellen Bedürfnissen anpasst. Sensoren und digitale Datenerfassung ermöglichen detaillierte Nutzungsprofile von Gebäuden und Anlagen in Echtzeit. So liefern beispielsweise CO 2 -Sensoren oder auch klassische Bewegungsmelder Informationen dazu, welche Räume wie stark genutzt werden. Sind Arbeitsplätze oder Räume nicht fest vergeben, zeigt eine App beim Betreten des Gebäudes die Vakanzen. Je nach Nutzung der Räume kann dann die Leistung von Heizung, Klima- oder Lüftungsanlage an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Steigt etwa der CO 2 -Gehalt der Raumluft aufgrund vieler Besucher, läuft die Lüftung intensiver. Und wenn sich in einem Raum keine Personen aufhalten, wird weniger geheizt. Auf diese Weise lassen sich beträchtliche Energieeinsparungen realisieren: Bis zu 20 Prozent Energieoptimierungspotenziale sind alleine durch einen intelligenten Gebäudebetrieb möglich. Denn eine smarte Immobilie konditioniert die Räume gemäß der tatsächlichen Nutzung und schafft einen großen Beitrag zur Energieeffizienz und damit auch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele - denn das Gebäude benötigt auf diese Weise nur so viel Energie, wie sich auch Personen in den jeweiligen Räumen aufhalten. In Zukunft kann die Künstliche Intelligenz durch eine Datenanalytik idealerweise sogar Muster für ganze Immobilienportfolios ableiten und so den künftigen Verbrauch für eine relativ große Zeitspanne vorhersagen. Aber auch die Reparatur- und Wartungskosten sowie der Verwaltungsaufwand lassen sich auf diese Weise reduzieren, denn das Gebäude der Zukunft kann mehr als nur Daten zu sammeln - es denkt mit, lernt von seinen Nutzern und passt sich deren Bedürfnissen individuell an. Dadurch werden die Prozesse im Gebäude und aber auch Probleme in optimaler Weise erkannt, bevor sie überhaupt sichtbar werden. Da ein Customized Smart Building auf eine Vielzahl unterschiedlicher Daten zurückgreift, sollte man allerdings schon in der Bild 2: Das beeindruckende Bürogebäude „cube berlin“ des Bauherrn CA Immo verfügt über hochmoderne künstliche Intelligenz und soll sich zukünftig weitestgehend selbst steuern. © CA Immo 42 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Energie Erneuerbare Energien, etwa aus Windkraft- oder Solaranlagen, unterliegen naturgemäß hohen Schwankungen. Um den Anteil Erneuerbarer Energien am Energiemix kontinuierlich zu erhöhen, braucht es ein intelligentes, digitales Energiesystem. Parallel zum Stromnetz entsteht daher ein Datennetz, mit dem die Erzeugung, die Verteilung, aber auch die Speicherung der erzeugten Energie koordiniert wird - das Smart Grid. Die Informations- und Kommunikations-Technologie dahinter ist in der Lage, die schwankende Energiezufuhr und die Stromversorgung im Netz intelligent zu regeln. Erkennt das Smart Grid beispielsweise, dass mehr Strom produziert als benötigt wird, lassen sich einzelne Anlagen wie Windräder gezielt drosseln. Seit Januar 2020 gibt es für alle Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6 000 Kilowattstunden (kWh) die Pflicht, Smart Meter einbauen zu lassen. Solche digitalen, intelligenten Messsysteme sind Teil des Smart Grids und kommunizieren den Stromverbrauch und damit den Strombedarf in Echtzeit an die Netzbetreiber. Auch der Verbraucher erhält in Echtzeit Transparenz darüber, wie viel Strom er gerade verbraucht. Mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz will das Wirtschaftsministerium dafür sorgen, dass dynamische Stromtarife in Verbindung mit Smart Metern flächendeckend auf den Markt kommen. Sie passen sich preislich der Nachfrage und dem Angebot im Netz an und sollen so Verbraucher und Klima entlasten. Planungsphase den Datenschutz mitberücksichtigen, um rechtlichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Grundsätzlich wird bei den in Smart Buildings gesammelten Daten unterschieden zwischen personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten. Personenbezogene Daten lassen Rückschlüsse auf individuelle Verhaltensmuster zu. Sie sind deshalb durch die EU- Datenschut zgrundverordnung (DSGVO) und das deutsche Recht besonders geschützt. Anders verhält es sich mit den nichtpersonenbezogenen Daten, wozu etwa Informationen über den Energieverbrauch, technische Daten oder auch Raumbelegungspläne zählen. Schon in der Planungsphase muss daher überlegt werden, wie sich ein direkter Personenbezug möglichst vermeiden lässt, so dass das Smart Building ohne Reibungsverluste seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Bild 3: Auch THE SHIP in Köln gilt als ein hochintelligentes Gebäude. Mittels Sensoren werden dort Nutzungsdaten erhoben und die Gebäudesteuerung optimiert. © THE SHIP SMART GRID: STABILITÄT DURCH INTELLIGENTE STROMNETZE