Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0034
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Smart East – die Energiewende in die Stadt bringen
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Christoph Schlenzig
Manuel Lösch
In Karlsruhe Ost entsteht ein Reallabor für die Transformation eines ganzen Stadtquartiers in ein smartes Quartier mit klimaschonender Energieversorgung
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48 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft Motivation und Ziel Die Gebäude im Smart-East-Quartier sind teils über 100 Jahre alt und ihre Energieversorgung soll so erweitert und im Quartier vernetzt werden, dass sie in Kürze einen Beitrag zur Energiewende vor Ort leisten. Das stellt eine Herausforderung dar, weil es kaum vergleichbare Beispiele gibt, an denen sich Smart East - die Energiewende in die Stadt bringen In Karlsruhe Ost entsteht ein Reallabor für die Transformation eines ganzen Stadtquartiers in ein smartes Quartier mit klimaschonender Energieversorgung Energiewende, Reallabor, Stadtquartier, Partizipation, Karlsruhe Christoph Schlenzig, Manuel Lösch Sowohl international als auch auf nationaler Ebene verstärkt sich der Trend in der städtebaulichen Planung, durch die Schaffung smarter Energiesysteme das Ziel einer klimaneutralen Stadt zu erreichen. Überwiegend handelt es sich dabei aber um Planungen für Neubaugebiete. Die Sektoren Strom, Wärme, Kälte und Mobilität können in diesen von vorneherein gemeinsam geplant und gekoppelt werden. Smart East dagegen ist ein Reallabor-Projekt, in dem ein gemischtes Gewerbe- und Wohngebiet mit Bestandsgebäuden in Karlsruhe-Ost in ein energieoptimiertes smartes Quartier transformiert werden soll. Hierzu sollen neue digitale Geschäftsmodelle zur energetischen Kooperation im Quartier entwickelt und demonstriert werden. die Verantwortlichen dieses Reallabors orientieren können. Mit Smart East entsteht daher gleichzeitig eine für andere Kommunen wertvolle Blaupause für energieoptimierte Bestandsquartiere. Das Leuchtturmprojekt soll innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden und wird mit einer Million Euro durch das Land Baden-Württemberg unterstützt. Bild 1: Luftbild des Quartiers „Smart East“ in Karlsruhe. © Baden T V 49 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft IT-Komponenten und Algorithmen. Aufbauend auf theoretischen Analysen beschäftigt sich das FZI mit dem optimierten Betrieb von Energieanlagen und der Kommunikation über intelligente Messsysteme. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) - Institut für Automation und angewandte Informatik Das Karlsruher Institut für Technologie - Institut für Automation und angewandte Informatik betreibt Forschung auf dem Gebiet innovativer, anwendungsorientierter Informations-, Automatisierungs- und Systemtechnik für zukunftsfähige Energiesysteme. Das KIT ist für die Digitalisierung des Quartiers durch den Aufbau einer digitalen Infrastruktur zuständig. Dadurch können Mess- und Zustandsdaten aus den Gebäuden erfasst und mithilfe von Kommunikationssystemen übermittelt werden. Das KIT trägt außerdem maßgeblich zur Erstellung von Modellen der Einzelanlagen und des Gesamtquartiers bei, welche die Grundlage für eine vorausschauende Einsatzplanung der vernetzten energietechnischen Anlagen im Quartier sind. Diese Modelle dienen dazu, wirtschaftliche Betriebsvarianten für neue Geschäftsmodelle zu identifizieren. Die Seven2one Informationssysteme GmbH Das Karlsruher IT-Unternehmen Seven2one Informationssysteme GmbH ist Experte für die Digitalisierung der Geschäftsmodelle der Energiewende und entwickelt dazu individuelle Lösungen für das Energiemanagement dezentraler Energiesysteme in smarten Quartieren und Unternehmen. Seven2one ist verantwortlich für den Aufbau der digitalen Quartiers-Plattform zur energetischen Vernetzung der Gebäude in Smart East. Die Plattform bündelt die Daten aller Zähler und Sensoren in einer Datendrehscheibe, bindet dort die Optimierungsmodelle der Forschungspartner an und ermöglicht so das kontinuierliche Quartiers-Energiemanagement. Für die Menschen bietet die Plattform Portale zur Visualisierung der relevanten Quartiersinformationen aus Sicht des Betreibers („Leitstand“) sowie aus Sicht der Mieter („Kundenportal“) und ermöglicht so Transparenz und Partizipation. Die Stadtwerke Karlsruhe (SWK) Die Stadtwerke Karlsruhe (SWK) sind als regionaler Energieversorger maßgeblich an der Realisierung innovativer Lösungsansätze für zukünftige Energiesysteme beteiligt und investieren in das Reallabor, um neue Quartiers- und Mobilitätskonzepte zu entwickeln. Die Stadtwerke Karlsruhe unterstützen bei der Instrumentierung der Liegenschaften mit intel- Ein gemischtes Gewerbe- und Wohnquartier in der Oststadt von Karlsruhe wird zu einem energieoptimierten und klimaschonenden Quartier. DIE VISION: Von der Idee zur Bündelung von Know-how Anfang 2019 entstand die Idee, mit einem Verbund aus Forschungsinstituten sowie IT- und Energieunternehmen ein Reallabor für ein smartes Quartier auf der Innovationsachse Haid-und-Neu-Straße in Karlsruhe-Ost zu entwickeln. Ziel war es, in einem Reallabor die Potenziale einer klimaschonenden Energieversorgung mit erneuerbaren Energien in einem städtischen Bestandsquartier in der Praxis zu erproben, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln und anschließend die Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Durch die Verbindung aus Forschung, IT- und Energie-Unternehmen ist ein starkes Projekt-Team entstanden, welches die Kompetenzen der TechnologieRegion Karlsruhe bündelt, wo mit der Energieinformatik ein neuer Wirtschaftsschwerpunkt im Entstehen ist. Der amtierende Oberbürgermeister der Stadt, Dr. Frank Mentrup, ist als Schirmherr des Reallabors von Smart East überzeugt und bezeichnet es als ein wichtiges Mustervorhaben, das einen möglichen Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele 2050 für Karlsruhe aufzeigt. Mit ihm als politischem Zugpferd und den elf weiteren Praxispartnern aus der Region entstand für dieses Leuchtturmprojekt ein starker Verbund für die Realisierung der Vision von Smart East. Verbundpartner und assoziierte Partner Die initiierenden Verbundpartner des Reallabors haben genau das spezifische Know-how, um trotz der hohen Komplexität des Vorhabens Smart East zum Erfolg zu führen. Der Verbund setzt sich aus vier direkt beteiligten Organisationen zusammen. Das FZI Forschungszentrum Informatik Das FZI Forschungszentrum Informatik in Karlsruhe ist eine wirtschaftsnahe und unabhängige Forschungseinrichtung an der Schnittstelle zwischen universitärer Forschung und praktischer Anwendung. Im Anwendungsfeld Energie erforschen die FZI-Wissenschaftler neue Verfahren und Technologien, die dazu beitragen, Energiesysteme mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energiequellen effizient zu betreiben. Im Projekt Smart East liegt der Fokus auf der Ausgestaltung digitaler Geschäftsmodelle zur energetischen Kooperation in intelligenten Quartieren und der Entwicklung dazu notwendiger 50 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft ligenten Messsystemen und entwickeln gemeinsam mit den Projektpartnern neue Geschäftsmodelle. Ziel ist es, die Praxistauglichkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsmodelle einzuschätzen und deren Umsetzbarkeit in realen Umgebungen zu prüfen, um dann wirtschaftlich nutzbare und einsatztaugliche Musterlösungen für Stadtwerke herauszuarbeiten. Darüber hinaus helfen sieben assoziierte Partner bei der Realisierung von Smart East. Der Zusammenschluss der initiierenden Partner mit den assoziierten Partnern schafft ein Konsortium mit breit angelegtem Wissen, wertvollen Erfahrungen und starken Netzwerken. Folgende Unternehmen unterstützen das Reallabor mit ihrer Expertise: 1. Die Technologiefabrik Karlsruhe GmbH gehört zu einer der sechs Liegenschaften von Smart East und ist als Gründerzentrum Heimat für 80 Startup-Unternehmen aus dem Bereich der IT- und High-Tech-Branche unter einem Dach. 2. Die Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e. V. für Energiewirtschaft, Industrie, Politik und Wissenschaft ist für die Vernetzung des Projekts mit den Energiewende-Aktivitäten im Land zuständig und ein wesentlicher Kommunikationskanal, um die Projekt-Erfahrungen und Ergebnisse bekannt zu machen. 3. Das Energienetzwerk fokus.energie e. V. befindet sich als Mieter unter dem Dach der Technologiefabrik. Das Netzwerk bringt Menschen zusammen, ermöglicht fachliche Koordination und Bündelung, um innovativen Konzepten im Energiebereich zum Erfolg zu verhelfen. Der Verein trägt mit seiner Informationsplattform zur Kommunikation gegenüber der interessierten Öffentlichkeit bei. 4. Die badische Energie-Servicegesellschaft mbH (BES) ist ein lokaler grüner Energieerzeuger mit innovativen und smarten Lösungen zur Energieversorgung. Die BES ist eine Tochter der Stadtwerke Karlsruhe und der Hoepfner Bräu Verwaltungsgesellschaft. Die BES entwickelt passgenaue Lösungen nach den jeweiligen Vor-Ort-Anforderungen und verkauft Nutzenergie in Form von Wärme, Kälte oder Strom an die Kunden - zum Beispiel über Community-Modelle. Sie ist gleichzeitig Energieversorger für das Hoepfner Areal, auf dem sich vier Liegenschaften von Smart East befinden. 5. Der CyberForum e. V. ist das größte regional aktive Hightech-Unternehmer-Netzwerk in Europa, mit 1 200 Mitgliedern und rund 30 000 Arbeitsplätzen. Das CyberForum ist als Mieter in der Hoepfner Burg ein wichtiger Stakeholder im Quartier. 6. Die TechnologieRegion Karlsruhe GmbH (TRK) ist eine Regionalentwicklungs- und Standortvermarktungsgesellschaft, die sich auf Wirtschaft, Innovation und Wissenschaft fokussiert. Mit der Energiestrategie „R E-Action 1.5“ bietet die TRK Kommunen und politischen Entscheidern in der TRK einen Handlungsrahmen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und zugleich die regionale wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Ziel ist es, die Energiewende wirtschaftlich, gesellschaftlich und ökologisch zu einem Erfolg zu machen sowie die Energieinformatik als neuen Wirtschaftsschwerpunkt der TechnologieRegion Karlsruhe zu etablieren, wozu Leuchtturmprojekte wie das Reallabor Smart East beitragen. Ein besonderer Schwerpunkt der TRK liegt in der Entwicklung smarter Quartiere und durch den Erfahrungsaustausch in Netzwerken sowie eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit wird die TRK das Projekt Smart East aktiv begleiten. 7. Die Hoepfner Bräu Friedrich Hoepfner Verwaltungsgesellschaft mbH & Co KG verfolgt unter der Führung von Herrn Dr. Hoepfner innovative Konzepte für ein nachhaltiges Immobilienmanagement und beteiligt sich mit vier Liegenschaften am Smart-East-Reallabor. Sie ist auch Anteilseigner an der BES. Durch den Verbund aus insgesamt elf Projektpartnern ist es gelungen, mit Eigentümern, Immobilien- und Anlagenbetreibern, Mietern und dem loka- Bild 2: Smart East Karte. © ink drop, stock. adobe.com 51 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft len Energieversorger alle betroffenen Stakeholder für Smart East zu begeistern und an Bord zu holen. Dadurch wurde die große Chance geschaffen, neue Konzepte zur Quartiersversorgung und dazu passende Geschäftsmodelle in der Realität umzusetzen und zu erproben. Status quo des Bestandsquartiers Entlang der Innovationsachse Haid-und-Neu-Straße in Karlsruhe-Ost befinden sich insgesamt sechs Liegenschaften, die unterschiedlich genutzt werden. Es handelt sich dabei um Wohn- und Bürogebäude, Labore, ein Mehrgenerationenhaus, zwei Startup-Zentren und das neue, sich im Bau befindliche, Innovationszentrum iWerkx mit dem Smart Production Park. Das Quartier hat mit Gebäuden unterschiedlichen Baualters und energetischer Ausgestaltung eine heterogene Struktur. Die Gebäude sind zum Teil noch mit konventionellen Stromzählern ausgestattet und nicht untereinander vernetzt. In den sechs Liegenschaften findet sich Energieerzeugung durch Photovoltaik (PV)-Anlagen, Blockheizkraftwerke oder Fernwärmeversorgung, Energieverbrauch durch viele Gebäudeklimaanlagen und Ladesäulen für Elektromobilität sowie thermische Heiß- und Kaltwasser-Pufferspeicher. Das neue iWerkx wurde bereits mit einem modernen Energiekonzept geplant, die Technologiefabrik besitzt als Industriebau aus dem Jahr 1914 eine klassische Energieversorgung. Die Stadtwerke Karlsruhe sind zusammen mit der Badischen Energie-Servicegesellschaft lokaler Energielieferant in dem Quartier und deshalb insbesondere an der Bestimmung des Potenzials für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien interessiert. In diesem Zusammenhang wird vor allem untersucht, ob sich die räumlich angrenzenden Gebäude durch wirtschaftliche Geschäftsmodelle zu einer Energiegemeinschaft zusammenschließen lassen und welche Potenziale sich zur Sektorkopplung anbieten. Vier Aktionsfelder für das Reallabor Zur Transformation des Bestandsquartiers in ein energieoptimiertes und klimaschonendes Quartier wurden vier Aktionsfelder definiert. Diese werden in Smart East gesamtheitlich verfolgt. Die Transformation soll damit auch als Blaupause für andere Quartiere dienen. Aktionsfeld 1: Klimaschutz Dezentrale Energieversorgung mit Sektorkopplung Das Aktionsfeld widmet sich der Ermittlung der Dekarbonisierungspotenziale durch den Aufbau einer dezentralen erneuerbaren Energieversorgung, deren Chance sich aufgrund der räumlichen Nähe der Liegenschaften zueinander ergibt. Smart East wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten zur Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Kälte, Gas und Mobilität im Quartier erschließen und das reale Potenzial dieser Maßnahme für den Klimaschutz ermitteln. Ziel ist es, möglichst viel Strom vor Ort aus erneuerbaren Energien zu gewinnen und intelligent im Quartier zu nutzen. Zusammen mit der umweltfreundlichen Fernwärme der Stadtwerke Karlsruhe und den vorhandenen Blockheizkraftwerken soll die Klimabilanz des Quartiers optimiert werden. Das Quartiers-Energiemanagement ermöglicht die intelligente Integration von Kühl- und Wärmelasten sowie geeigneten Quartiersspeichern. Damit kann der vor Ort erzeugte Strom im Quartier verbraucht, gespeichert, in Wärme bzw. Kälte umgewandelt oder zum Laden von Elektroautos verwendet werden. In diesem Zusammenhang wird außerdem die Nutzbarkeit, der sich durch die Sektorkopplung ergebenden Flexibilität zur Stabilisierung des öffentlichen Stromnetzes untersucht. Synergieeffekte durch Energiemanagement im Quartier Zur Optimierung des Energiesystems in diesem Reallabor werden neue Verfahren der Energieinformatik angewandt, praxistauglich gemacht, im Betrieb getestet und weiterentwickelt. Die rund um das FZI House of Living Labs des FZI Forschungszentrums Informatik und die Hoepfner-Brauerei in der Karlsruher Oststadt liegenden Gebäude, werden zu einem energieoptimierten Quartier vernetzt. Dazu wird, basierend auf dem existierenden modularen Framework von Seven2one, ein Quartiersenergiemanagement aufgebaut, welches die Optimierungsmodelle der Forschungspartner integriert. Die sektorgekoppelte Optimierung von Erzeugung, Bild 3: Die Hoepfner- Burg. © Ras Rotter 52 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft Speicherung und Verbrauch wird dabei durch die Vernetzung der lokalen Gebäude-Energiesysteme auf der übergeordneten Quartiersebene erreicht. Die gemischten Nutzungsarten Büro, Labor, Produktion, Gewerbe und Wohnen ermöglichen dabei neue Optimierungsspielräume zur dezentralen Abstimmung von Verbrauch und regenerativer Erzeugung. Damit wird gezeigt, wie sich ein vorhandener Gebäudebestand technisch aufrüsten und im Verbund zu einer intelligenten Energiezelle verknüpfen lässt. Dabei werden Synergieeffekte untersucht, die durch die heterogene Anlagenzusammensetzung mit unterschiedlichen Nutzungsprofilen und dem Austausch von Stromüberschüssen unter den vernetzten Gebäuden in Echtzeit entstehen. Aktionsfeld 2: Digitalisierung Digitalisierung durch Retrofitting: Das Reallabor zeigt, wie ein städtisches Quartier digitalisiert werden kann - die Grundvoraussetzung für ein integriertes Energiemanagement und Sektorkopplung. Durch ein Retrofitting-Konzept zur Nachrüstung und Modernisierung der Messinfrastruktur werden die Gebäude und Bestandsanlagen mit digitaler Mess- und Steuerungstechnik ausgestattet, allen voran intelligente Messsysteme. Diese werden in Verbindung mit den Smart-Meter- Gateways zur zentralen Kommunikationseinheit, die für die Realisierung des Datenaustauschs mit dem Quartiers-Energiemanagement nötig ist. Der Fokus beim Retrofitting liegt auf der Verwendung standardisierter Schnittstellen zur Messdatenerfassung, Kommunikation und Steuerung, um eine möglichst kostengünstige Nachrüstung zu ermöglichen. Quartiersplattform für Optimierung und Dokumentation: Ein weiterer Aspekt der Digitalisierung von Smart East ist der Aufbau der Quartiersplattform. Die Plattform dient der Optimierung des Energieaustauschs innerhalb des Quartiers, der Speicherbewirtschaftung und des Lademanagements für die Elektrofahrzeuge. Hier werden alle benötigten Daten aus dem Quartier gebündelt und dokumentiert. Gleichzeitig ermöglicht ein Portal die transparente Visualisierung der Informationen und Ergebnisse. Dieser Zugang steht allen Partnern zur Verfügung, eingeschränkt aber auch anderen Interessierten aus Forschungseinrichtungen und der Energiebranche. So wird es der Fachwelt und anderen Kommunen möglich, an den Erkenntnissen, der Vorgehensweise und der entwickelten Lösungen zur Umsetzung neuer Geschäftsmodelle teilzuhaben. Aktionsfeld 3: Geschäftsmodelle Vielfältige Geschäftsmodelle für Energiemanagement im Quartier: Ein zentrales Element des Reallabors ist die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle für lokale Energiegemeinschaften im Quartier. Neue Geschäftsmodelle zum dezentralen Energiemanagement in Quartieren werden entwickelt und im Reallabor untersucht. Beispiele für Geschäftsmodelle sind Energie-Contracting, neue Anwendungsfälle für Smart Meter wie Sub-Metering und Mieterstrom, Dienstleistungen rund um Energiegemeinschaften sowie die Errichtung und der Betrieb von Quartiersspeichern oder Ladeinfrastruktur im Quartier inklusive eines integrierten Energiemanagements. Im Blickfeld sind außerdem zeitvariable Tarife, das Pooling und die netzdienliche Vermarktung von Flexibilität bei Stromverbrauch und -erzeugung. Stromüberschüsse können lokal zwischen den Akteuren im Quartier ausgetauscht und Lastverschiebungen bei der Nachfrage nach Strom, Wärme, Kälte, Gas, Lüftung und Elektromobilität berücksichtigt werden. Möglich ist die Vermarktung von aggregierter Flexibilität am Regelleistungsmarkt oder am (EPEX) Intraday-Strommarkt zur Glattstellung der Bilanzkreise. Hierzu sollen Möglichkeiten zur Bildung einer Energiegemeinschaft und damit zusammenhängende Auswirkungen auf anfallende Umlagen und Entgelte untersucht und praxisnah aufgezeigt werden. Regulatorik setzt Rahmenbedingungen: Soweit diese Geschäftsmodelle regulatorisch umsetzbar sind, werden sie in Smart East in der Realität erprobt. Es wird gezeigt, ob und wie mit ihnen unter den aktuellen energiepolitischen Rahmenbedingungen Geld verdient bzw. gespart werden kann. Allerdings können regulatorische Einschränkungen dazu führen, dass nicht alle identifizierten Bausteine eines Geschäftsmodells konform zu den bestehenden Rahmenbedingungen umsetzbar sind. Im letzteren Fall soll der Mehrwert der nicht umsetzbaren Aspekte auf der Ebene von Bilanzrechnungen aufgezeigt werden. Dabei sollen auch Handlungsanleitungen entwickelt werden, die Ausgestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Regulatorik zur Etablierung neuer Geschäftsmodelle aufzeigen. Aktionsfeld 4: Partizipation Öffentlichkeitswirksame Demonstration: In dem Reallabor werden alle wesentlichen Stakeholder des Quartiers einbezogen: Eigentümer, Mieter, Anlagenbetreiber und Energieversorger. Durch die intensive Kommunikation mit den unterschiedlichen Stakeholdern im Quartier und dem 53 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft konsequenten Auftritt in der Öffentlichkeit sollen die Ergebnisse aus Smart East allen Beteiligten und Interessierten transparent und nachvollziehbar gemacht werden. Anwenderkreistreffen für Stakeholder im Quartiersumfeld: Im Rahmen von Smart East wird ein Anwenderkreis etabliert, der zusammen mit der neu geschaffenen Kompetenzstelle Smarte Quartiere der Smart Grids- Plattform Baden-Württemberg e. V. organisiert wird. Im Rahmen mehrerer Treffen und Workshops können potenziell interessierte Stakeholder wie Kommunen, Wohnungswirtschaft, Immobilienentwickler, Gewerbeparkbetreiber oder öffentliche Liegenschaftsbetreiber das Projekt von Anfang an begleiten, erste Erkenntnisse selbst nutzen oder ihre Fragestellungen in das Projekt einbringen. Smart East wird somit eine Lösung für Energiewende und Klimaschutz in Bestandsquartieren aufzeigen und durch intensive Öffentlichkeitsarbeit sollen auch andere Quartiere zum Handeln motiviert werden. Bei der Transformation hin zu energieoptimierten und klimaschonenden Quartieren soll Smart East als Vorbild und Blaupause auch für weitere Quartiere und andere Kommunen dienen. Herausforderungen und Risiken von Smart East Das Vorhaben birgt einige Risiken für die teilhabenden Verbundpartner. Zunächst ist die Digitalisierung und Nachrüstung von Messinfrastruktur in alten Gebäuden mit aktivem Betrieb eine Herausforderung. Weiterhin stehen im Projekt selbst keine Mittel zum Ausbau zusätzlicher PV-Anlagen im Quartier zur Verfügung. Die ersten Potenzialabschätzungen deuten auf ein PV-Potenzial in der Größenordnung von 500- kWp hin. Hier ist nun konsequente Überzeugungsarbeit bei den Eigentümern gefordert. Diese sollen von der Wirtschaftlichkeit der Investition überzeugt werden, damit das Potenzial erneuerbarer Energien auf freien Dachflächen voll ausgeschöpft werden kann. Somit besteht ein Risiko, dass nicht alle Erneuerbare-Energien-Potenziale voll ausgeschöpft werden können, die vor Ort theoretisch zur Verfügung stehen. Die Zukunftsvision Das Projekt soll in der Praxis nachweisen und demonstrieren, dass durch eine Vernetzung von Energieanlagen eine optimierte Betriebsführung möglich ist. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Kälte, Gas und Mobilität durch eine entsprechende Digitalisierung. Es soll gezeigt werden, dass durch entsprechende Software nicht nur ein substanzieller Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch eine Reduzierung der Energiekosten für Bestandsquartiere möglich ist. Die Vernetzung der Energieanlagen zu einem Verbund und die lokale Abstimmung von Erzeugung und Verbrauch im Quartier erlaubt dabei eine sichere, robuste und netzdienliche Energieinfrastruktur. Zukünftige Geschäftsmodelle werden das netzdienliche und marktorientierte Anbieten der durch die Sektorkopplung entstehenden Flexibilität in Stromverbrauch und -erzeugung ermöglichen. Herausforderungen der schwankenden Stromerzeugung durch Sonne und Wind im öffentlichen Stromnetz kann somit effizient entgegnet werden. Das Projekt Smart East hat Vorbildcharakter, indem es eine übertragbare Blaupause zur Transformation weiterer Bestandsquartiere bietet. Mit den entwickelten Geschäftsmodellen und der digitalen Plattform zum Quartiers-Energiemanagement wird damit ein signifikanter Beitrag zu den Klimaschutzzielen in Baden-Württemberg und darüber hinaus geleistet. In den kommenden Jahren wird sich die Kooperation in Quartieren im Bereich der Energieversorgung wesentlich verändern und dadurch eine lebenswerte und attraktive urbane Umwelt geschaffen. Dr. Christoph Schlenzig Geschäftsführer Seven2one Kontakt: christoph.schlenzig@seven2one.de Manuel Lösch, M.Sc. Abteilungsleiter FZI Forschungszentrum Informatik Kontakt: loesch@fzi.de AUTOREN Name: Smart East Entstehungsort: Haid-und-Neu-Straße in Karlsruhe-Ost Laufzeit: 2021 bis 2023 Beteiligte Partner: 11 Liegenschaften: 6 Förderung: 1 Mio. € STECKBRIEF: