eJournals Transforming cities 6/2

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0036
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2021
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Transformation von Städten durch die Energiewende

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2021
Volker Stelzer
Getrieben vom Wettlauf zwischen der Reduktion der Treibhausgase und der Erwärmung der Jahresmitteltemperaturen wird sich die Versorgung mit Energie in den nächsten Jahren dramatisch wandeln. Dieser Wandel wird auch die Stadtstruktur, die Stadtentwicklung und die Stadtplanung verändern. Darüber hinaus wird er in vielen Städten Auswirkungen auf die Stadt-Umland-Beziehungen haben. In dem Beitrag werden die wichtigsten sich abzeichnenden Veränderungen dargestellt.
tc620058
58 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft Transformation von Städten durch die Energiewende Wie die Transformation des Energiesystems von der alten in die neue Energiewelt Städte verändern wird - ein Ausblick Energiewende, Energietransformation, alte Energiewelt, neue Energiewelt, Zukunft der Stadt, Stadtstruktur Volker Stelzer Getrieben vom Wettlauf zwischen der Reduktion der Treibhausgase und der Erwärmung der Jahresmitteltemperaturen wird sich die Versorgung mit Energie in den nächsten Jahren dramatisch wandeln. Dieser Wandel wird auch die Stadtstruktur, die Stadtentwicklung und die Stadtplanung verändern. Darüber hinaus wird er in vielen Städten Auswirkungen auf die Stadt-Umland-Beziehungen haben. In dem Beitrag werden die wichtigsten sich abzeichnenden Veränderungen dargestellt. Neue Herausforderungen für Städte Vielfältige, sich rasch ändernde Rahmenbedingungen stellen Städte aktuell vor große Herausforderungen. Digitalisierung, demographischer Wandel, Klimaerwärmung, internationaler Wettbewerb sind nur einige von ihnen. Ein bisher wenig beachteter Treiber für Veränderung ist die Energietransformation. Diese Veränderungen in der Bereitstellung und dem Transport, aber auch beim Konsum von Energie werden hauptsächlich getrieben von den Anstrengungen zur Verringerung der Klimaerwärmung und durch technologischen Fortschritt. Charakterisiert werden kann die Transformation mit rund 50 Aspekten, durch die sich die alte von der neuen Energiewelt unterscheidet oder die von der Transformation des Energiesystems stark verändert werden (Tabellen 1 bis 6 [1 - 11]). Einteilen lassen sich diese Veränderungen in die fünf Bereiche Energieerzeugung (Tabelle 1), Energietransport (Tabelle 2), Energiesystem allgemein (Tabelle 3), Material (Tabelle 4), Ökonomie (Tabelle 5) und Gesundheit, Natur (Tabelle 6). Tabelle 1: Veränderungen in der Energieerzeugung durch Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Anlagenstandorte Natürliche Gegebenheiten spielen geringere Rolle Natürliche Gegebenheiten spielen größere Rolle Rolle von Verbrennungsprozessen Verbrennungsprozesse spielen große Rolle Verbrennungsprozesse spielen geringe Rolle Rolle von Dampfprozessen Dampfprozesse spielen große Rolle Dampfprozesse spielen geringe Rolle Zentralität Mehr zentrale und weniger dezentrale Anlagen Weniger zentrale und mehr dezentrale Anlagen Distanz zum Verbraucher Weniger Anlagen in direkter räumlicher Nähe zum Verbraucher Mehr Anlagen in direkter räumlicher Nähe zum Verbraucher Primärenergieeffizienz Im Durchschnitt geringere Primärenergieeffizienz Im Durchschnitt höhere Primärenergieeffizienz Leistungsdichte Stärker konzentrierte Leistung Stärker verteilte Leistung Auslastung Höhere Anzahl Volllaststunden Geringere Anzahl Volllaststunden Produktion Relativ konstante Produktion Relativ volatile Produktion Witterungsabhängigkeit Kaum witterungsabhängig Hohe Witterungsabhängigkeit 59 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft In dem Beitrag werden für jeden der Bereiche die Aspekte herausgestellt, die in den nächsten Jahren besonders zu einer Veränderung des Aussehens und Funktionierens von Städten beitragen werden. Veränderung in der Energieerzeugung Von den Veränderungen in der Energieerzeugung haben vor allem die Aspekte Anlagenstandorte, Zentralität der Anlagen und die Distanz zum Verbraucher Auswirkungen auf die Stadt. In der alten Energiewelt spielen vor allem die Nähe zu den Vorkommen fossiler Rohstoffe bzw. die Verkehrsanbindungen für den Transport der Energierohstoffe, die Kühlmöglichkeiten für die Dampfprozesse, das Vorhandensein von Flächen für kompakte Anlagen, die Nähe zu den Energieverbrauchsorten, sowie die Distanz zu Wohngebieten wegen der Schadstoffemissionen die entscheidende Rolle bei der Standortwahl von Energieanlagen. Als Resultat liegen heute viele von ihnen in der Nähe von Städten, an Flussläufen und Küsten (viele Kohle- und Atomkraftwerke sowie Raffinerien) oder aber in den Städten (viele Gaskraftwerke). Dort sind sie mit ihren massiven Gebäuden oft stadt- oder stadtteilprägend. In der neuen Energiewelt spielen solch massive Gebäude eine deutlich geringere Rolle. Die Standorte der Anlagen richten sich vielmehr nach dem Vorhandensein natürlicher Energiequellen (Sonneneinstrahlung, Wind, geothermischer Gradient, Wasserkraft). Ein großer Teil der Gebäude ist mit Solaranlagen, seien es Kollektoren für Solarthermie oder Photovoltaik, ausgestattet. Diese Anlagen sind viel näher an den Privatverbrauchern und dem Gewerbe als in der heutigen - alten - Energiewelt. Ein Großteil der massiven fossilen Kraftwerke der alten Energiewelt werden rückgebaut oder umgenutzt, zum Beispiel als Energiespeicher. Veränderung beim Energietransport Die Veränderung des Energietransportes hat vor allem durch die verringerte Bedeutung von Wasserstraßen, Häfen, Schienen und Autobahnen, die erhöhte Bedeutung von Speichern und anderen Netzstrukturen Auswirkungen auf die Stadt. Übergabestationen, inklusive ihrer Lagerflächen für Kohle bzw. Öl- und Gastanks, können umgenutzt werden. In Häfen können so ganze Stadtteile am Wasser entstehen, die heute noch durch diese Infrastrukturen blockiert sind. Ähnlich wie das beispielsweise in Hamburg vorgemacht wurde. Die Speicherung von Energie beim Endverbraucher (Privathaushalt, Gewerbe, Industrie, öffentliche Hand) hat sich in der Vergangenheit gewandelt. So wurde der Holzvorrat wie in alter Zeit in vielen Gebäuden in der Stadt in der Neuzeit erst vom Kohlenkeller und dann vom Heizöltank abgelöst. Heute sind viele dieser Räume umgewidmet, da die Energieversorgung mit Gas und Strom erfolgt, die keine Lagerung von Energierohstoffen beim Endverbraucher erfordert. In der neuen Energiewelt wird in den Gebäuden Fläche für die Lagerung von Energie vorgesehen werden. Hierbei handelt es sich zum einen um Wassertanks für die Brauch- und Heizwasserspeicherung, die durch Solarkollektoren oder Wärmepumpen gespeist werden. Hierdurch kann durch die Solarkollektoren auch Warmwasser und Heizenergie für Nachtzeiten und Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint, bereitgestellt werden. Darüber hinaus werden in der neuen Energiewelt viele Gebäude über eigene Stromspeicher verfügen, um einen Teil des Stroms, der vor allem durch die Nutzung der Solarenergie, die über die Gebäudehülle gewonnen wird, auch in Nachtzeiten nutzen zu können. Da in der neuen Energiewelt Frischholz kaum noch zur Energiebereitstellung genutzt werden Tabelle 2: Veränderungen beim Energietransport durch die Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Internationalität Internationaler Lokaler Importabhängigkeit Große Importabhängigkeit Gering Importabhängigkeit Import von regenerativem Strom, Gas und Treibstoff Kaum Viel Bedeutung von Wasserstraßen, Schienen- und Autobahnanbindungen Wichtige Funktion als Transportwege, die konstant in Funktion gehalten werden müssen, um den Nachschub an Energierohstoffen zu sichern Geringere Bedeutung als Transportweg für Energierohstoffe Speicher, regelbare Lasten, Reservekapazitäten Wenig Speicher, regelbare Lasten, Reservekapazitäten Viel Speicher, regelbare Lasten, Reservekapazitäten Netzstruktur Andere Netzstruktur Andere Netzstruktur Stromleitung Monodirektional Bidirektional Steuerungsnotwendigkeiten im Stromnetz Geringere Steuerungsnotwendigkeiten Höhere Steuerungsnotwendigkeiten 60 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft wird, werden auch die Gebäude - heute vornehmlich im Stadtrandbereich und kleineren Städten in ländlich geprägten Regionen - die heute noch ausschließlich oder ergänzend mit Holz heizen, umgestellt werden. Gebäudetechnisch verfügen moderne Gebäude der neuen Energiewelt auch nicht mehr über einen Schornstein. Neben den verbraucherseitigen Energiespeichern wird eine neue Infrastruktur in Städten an Bedeutung gewinnen: die Quartierenergiespeicher. In kleinerem Umfang werden dort, wo die räumlichen Voraussetzungen gegeben sind, saisonale Warmwasserspeicher, zum Beispiel in Lärmschutzwällen oder im Untergrund, angelegt. Sie können weit größere Mengen warmen Wassers speichern, als dies in Gebäuden möglich ist. Sehr viel spricht dafür, dass der Quartierstromspeicher in der Stadt der Zukunft zum allgemeinen Stadtbild gehören wird. Er hat in der Welt, in der ein Großteil der Gebäude mit Solaranlagen ausgestattet ist und die Mobilität auf elektrische Antriebe umgestellt ist, eine Schutzfunktion für das Stromnetz. Die Schutzfunktion rührt daher, dass es in der neuen Energiewelt in Städten häufig vorkommen wird, dass an sonnenreichen Tagen in Quartieren ohne große Stromverbraucher ein Überschuss an Strom produziert wird. Dieser Überschuss kann erheblich sein und im Extremfall Teile des Niederspannungsnetzes überlasten. Andererseits wird immer wieder die Situation entstehen, dass viele Menschen ihre Elektroautos gleichzeitig laden wollen. Auch dies kann soweit gehen, dass das Netz gefährdet ist. Da sich beide beschriebenen Situationen in größeren Zeiträumen abwechseln, ist ein Quartierstromspeicher eine ideale Infrastruktur, um die genannten Risiken abzumildern. Wie solche Stromspeicher letztendlich aussehen werden und wie ihre Verteilung ist, sprich auf wieviele Haushalte ein Quartierspeicher kommen wird, lässt sich jetzt noch nicht seriös vorhersagen, wird aber mit Sicherheit - je nach Situation - unterschiedlich sein. An die beschriebene künftige Situation muss auch das städtische Stromnetz selbst angepasst werden. Auch die Netzstruktur, die Auslegung auf bidirektionalen Betrieb und die Steuerung der Energieflüsse in den städtischen Energienetzen werden sich ändern. Allerdings hat dies kaum Auswirkungen auf die Stadtstruktur oder die Stadtentwicklung und wird deshalb hier nicht weiter ausgeführt. Allgemeine Veränderungen des Energiesystems Von den allgemeinen Veränderungen des Energiesystems ist für Städte vor allem die Umstellung der Sektoren Wärme und Mobilität auf Strom relevant. Durch bessere Dämmmaßnahmen, die Einführung von Lüftungssystemen sowie Erd- und Umgebungswärmepumpen reduziert sich die Nachfrage nach Heizöl, Erdgas und Fernwärme pro Quadratmeter Wohnfläche, so dass derartige Infrastrukturen zum Teil unökonomisch und somit rückgebaut werden. Tabelle 3: Allgemeine Veränderungen im Energiesystem durch die Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Tabelle 4: Veränderungen bei den Energiequellen und dem Materialeinsatz durch die Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Sektoren (Strom, Wärme, Mobilität) Sektoren weitestgehend getrennt Starke Sektorkopplung Rolle von Strom Gesamtsystem weniger strombasiert Gesamtsystem mehr strombasiert Wasserstoff Kein Wasserstoff Wasserstoff spielt eine Rolle Methan Methan fossil erzeugt Methan regenerativ erzeugt Resilienz Andere Gefährdung der Versorgungssicherheit Andere Gefährdung der Versorgungssicherheit Rechtsregime Geringerer Anteil der Wertschöpfungskette unterliegt nationalem Rechtsregime Größerer Anteil der Wertschöpfungskette unterliegt nationalem Rechtsregime Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Energiequellen Vorwiegend fossil Vorwiegend regenerativ Kernenergie Mehr Kernenergie Weniger Kernenergie Seltene Erden Geringer Einsatz Hoher Einsatz Materialaufwand für Anlagen Geringerer Aufwand Höherer Aufwand Abwärme Geringe Abwärmenutzung Verstärkte Abwärmenutzung Reststoffbeseitigung Etabliert Zum Teil neue Entwicklungen 61 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft Auch im Mobilitätsbereich steigt mit der Verschiebung von Marktanteilen von benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen zu Fahrzeugen, die mit Strom betrieben werden, der Druck auf Tankstellen und Reparaturwerkstätten. Vor allem innerstädtische Anlagen werden zunehmend Probleme bekommen und aufgeben. Diese Flächen stehen wiederum anderen Nutzungen zur Verfügung. Bei den verbliebenen Tankstellen im Außenbereich wird zunehmend Wasserstoff, vor allem für den Schwerlastverkehr, angeboten. Auf der anderen Seite wird im öffentlichen und privaten Raum die Installation von Stromtankmöglichkeiten zunehmen. Veränderungen bei den Energiequellen und dem Materialeinsatz Bei der Kategorie der Energiequellen und dem Materialeinsatz prägt der Wechsel der Energiequellen die Stadtentwicklung am deutlichsten. Besonders die Selbstversorgung mit Energie wird in der neuen Energiewelt zunehmend stadtbildprägend. Schon bei der Planung von Neubaugebieten aber auch von Renovierungsarbeiten wird die Produktion von Energie auf dem Gebäudedach und mit Fassadenelementen fest eingeplant. Aber auch der Aspekt der Abwärmenutzung kann für Städte sehr relevant sein. In Städten fällt an vielen Stellen Wärme an (Gewerbe, Industrie, Abwasserleitungen, Kläranlage). Diese „Überschusswärme“ entweicht in der alten Energiewelt sehr oft ungenutzt in die Umgebung. In der neuen Energiewelt gibt es deutlich weniger Prozesse, in denen Energie im Überschuss als „Nebenprodukt“ anfällt, da es deutlich weniger Verbrennungs- und Dampfprozesse geben wird. In der neuen Energiewelt wird in den verbleibenden Anlagen die „Abfallenergie“ weitgehend genutzt und zum Teil in Wärmenetze eingespeist. Tabelle 5: Veränderungen in der Ökonomie durch die Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Tabelle 6: Veränderungen in den Bereichen Gesundheit, Natur und Fläche durch die Transformation von der alten zur neuen Energiewelt. © Stelzer Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Ort der Wertschöpfung Größerer Anteil im Ausland Geringerer Anteil im Ausland Eigentümerzahl Weniger direkte Eigentümer Mehr direkte Eigentümer Beschäftigter im Energiesektor Weniger Mehr Kostenschwerpunkt Betrieb, Nachsorge Anlagenbau Langzeitkosten Einige Langzeitkosten Kaum Langzeitkosten Investitionen in Nutzung fossiler Energieträger Sehr hoch Sehr gering Klassischer Maschinenbau (vorgelagerte Prozesskette) Hohe Bedeutung Geringere Bedeutung Elektrotechnik (vorgelagerte Prozesskette) Geringere Bedeutung Hohe Bedeutung Energiearmut Größer Geringer Aspekt Alte Energiewelt Neue Energiewelt Lärm Höhere Lärmbelastung Geringere Lärmbelastung Gesundheits- und ökosystembelastende Emissionen (PM2,5, NO x , Hg, Radionuklide) Größere Mengen Geringere Mengen Gefahr katastrophaler Unfälle Mehr und andere Weniger und andere Beitrag zur Klimaerwärmung Freisetzung großer Mengen Treibhausgase Freisetzung geringer Mengen Treibhausgase Verhältnis zur Natur Stärker extraktiv Stärkere Nutzung von Energieflüssen Natureingriffsintensität Höher Niedriger Flächenintensität Geringere Flächeninanspruchnahme Größere Flächeninanspruchnahme Konkurrenz zu Lebensmittelproduktion Geringer Stärker Untergrund Andere Eingriffe in den Untergrund Andere Eingriffe in den Untergrund Rekultivierungsaufwand Groß Klein Nutzung der Meere Geringere Nutzung Stärkere Nutzung 62 2 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Umbau zur Stadt der Zukunft Ökonomische Veränderungen Für die Ökonomie in Städten spielt der Energiesektor in der Regel keine große Rolle. Aus diesem Grund sind viele der Aspekte, die für die Ökonomie der Energiewende wichtig sind, nicht sehr prägend für Städte. Eine Ausnahme ist die Anzahl der Menschen, die an der Energieerzeugung direkt finanziell beteiligt sind. Durch die Vielzahl der Energieproduzenten in der neuen Energiewelt ist die Planung von Veränderungen in diesem Bereich deutlich komplexer als in der alten Energiewelt, wo die Energieversorgung weitestgehend in der Hand von wenigen Akteuren liegt. Veränderungen in den Bereichen Gesundheit, Natur und Fläche Für Städte ergeben sich deutliche Veränderungen im Bereich Gesundheit, Natur und Fläche durch den Übergang von der alten in die neue Energiewelt. Vor allem die Belastung mit Lärm und mit Schadstoffen verringert sich in den Städten der neuen Energiewelt. Ursächlich für die Verbesserung der Luftqualität ist die Verringerung von Verbrennungsprozessen für die Mobilität, aber auch für die Wärmeproduktion und die Stromerzeugung. Weil die Klimaerwärmung Städte erheblich beeinflusst, hat die Verringerung der Freisetzung treibhauswirksamer Emissionen in der neuen Energiewelt einen starken Einfluss auf die Stadtentwicklung. Sollte der Übergang von der alten in die neue Energiewelt noch lange Zeit benötigen, dann wird die zunehmende Erwärmung der Atmosphäre die Hitzeereignisse in Städten deutlich verstärken, was einen Anstieg an kreislaufbelastenden Situationen zur Folge haben wird. Darüber hinaus treten vermehrt Starkniederschlagsereignisse auf, die die Entwässerungseinrichtungen in vielen Städten überlasten, da diese nicht auf diese Situationen ausgelegt sind. Wenn der Übergang generell schneller erfolgt, können die dramatischsten Auswirkungen der Klimaerwärmung noch verhindert werden. Außerdem nehmen die Eingriffe in den Untergrund von Städten durch die Nutzung von Erdwärme und Geothermie in der neuen Energiewelt zu, während sie im Außenbereich abnehmen, da es in ihr keine großen Abbaugebiete für fossile Rohstoffe mehr gibt. Ausblick Der dramatische Wandel, der sich in der Energieversorgung aktuell weltweit vollzieht, wird in Zukunft eines der prägenden Elemente der Stadtentwicklung und Stadtplanung sein. Neben den Veränderungen in den bestehenden Infrastrukturen wirkt sich vor allem die Ausweitung der Energieproduktion auf die Wohngebäude aus. Darüber hinaus werden Stadt- Umland-Beziehungen neu belebt, da Städte tendenziell verstärkt Energiequellen aus dem direkten Umland nutzen und weniger Energieträger, die von weit her transportiert werden. Städte die vorausschauend planen, können schon heute diesen Strukturwandel offensiv angehen, anstatt sich an die alten Strukturen zu klammern und mit viel Kraftaufwand zu versuchen, die alten, nicht mehr zeitgemäßen Strukturen zu konservieren. Eine der größten Fragen in diesem Prozess ist: Findet der Wandel von der alten in die neue Energiewelt schnell genug statt, damit die Klimaerwärmung soweit begrenzt werden kann, dass die größten Probleme für die Städte aus Überhitzung, Trockenheit und Starkniederschlägen nicht eintreten werden. LITERATUR [1] Dieckhoff, C.: Modellierte Zukunft, Energieszenarien in der wissenschaftlichen Politikberatung. Bielefeld, 2015. [2] Droege, P.: 100 % Renewable. London,2011. [3] Hennicke, P., Rasch, J., Schröder, J., Lorberg, D.: Die Energiewende in Europa. Eine Fortschrittsvision. München, 2019. [4] International Energy Agency - IEA (2020): Energy Technology Perspectives 2020. Paris. [5] International Energy Agency - IEA (2020): World Energy Outlook 2020. Paris. [6] International Energy Agency - IEA (2021): Global Energy Review. Paris. [7] Jenzing, B.: Trend zur hauseigenen Tankstelle. In: neue energie, 02 (2021), S. 36 - 41. [8] Poganietz, W.-R., Timpe, C., Becker, L., Höfer, T., Koch, M., Seebach, D., Weiss, A., Wildgrube, T.: Transformation des Energiesystems bis zum Jahr 2030. Kaltenkirchen, 2019. [9] Rösch, C., Bräutigam, K.-R., Kopfmüller, J., Stelzer, V., Fricke, A.: Sustainability Assessment of the German Energy Transition. Energy, Sustainability and Society, 8 (1), (2018) Art. Nr. 12. [10] Schippl, J., Grunwald, A., Renn, O. (Hrsg): Die Energiewende verstehen - orientieren - gestalten. Baden- Baden, 2017. [11] Vuille, F., Marechal, F.: Energy Challanges in Urban Systems. In: Binder, C., Wyss, R., Massaro, E. (Hrsg.): Sustainability Assessment of Urban Systems, Cambridge, (2020) S. 353 - 383. Dr. Volker Stelzer Projektleiter Karlsruhe Institut für Technologie, KIT Kontakt: volker.stelzer@kit.edu AUTOR