Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0044
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Systemlösungen für lebenswerte Städte
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Dominik Gößner
Unter dem Aspekt, dass wir auch in Zukunft in lebenswerten urbanen Gebieten wohnen wollen, kommt dem Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes eine besondere Bedeutung zu. In der Regel sind im Wasserhaushalt Verdunstungsanteile von mehr als 50 % des Jahresniederschlags enthalten. Beim Verdunstungsvorgang wird eine extrem hohe Menge Energie in Form von latenter Wärme gebunden und in höhere Atmosphärenschichten transportiert und dadurch aus unserem Lebensraum entfernt.
tc630006
6 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Die durch Versiegelung von Flächen im städtischen Raum entstandenen urbanen Hitzeinseln lassen sich durch Energieabfuhr über die Verdunstung großer Regenwassermengen reduzieren. Weniger urbane Hitzeinseln verringern wiederum Intensivität und Häufigkeit von Niederschlagsereignissen über Städten. Der Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes reduziert demnach sowohl urbane Hitzeinseln als auch Starkniederschläge über städtischem Gebiet - zwei Faktoren, die für Lebensqualität in urbanen Räumen wichtig sind. Bereits im Jahr 2006 fand deshalb die Forderung „die Veränderung des Wasserhaushaltes durch Siedlungsaktivitäten so gering zu halten, wie es ökologisch, technisch und wirtschaftlich vertretbar ist“ in das Regelwerk der DWA-A 100 Eingang. Der Effekt dieser Zielsetzung in der DWA-A 100 auf die tatsächlichen Planungen hielt sich, aus subjektiver Wahrnehmung in der täglichen Praxis, jedoch in Grenzen. Der Fokus bei den Planungen des Regenwassermanagements lag meist weiterhin auf der Reduzierung des Abflusses mit allen verfügbaren Methoden, ohne den natürlichen Wasserhaushalt einzubeziehen. Möglicherweise lag dies an der üblichen Planungspraxis, an der nicht formulierten Konkretisierung der Ziele und den nicht vorhandenen Methoden zur Berechnung und zum Nachweis der natürlichen Wasserbilanz eines Gebietes. Neu: DWA-A 102 zum Erhalt der natürlichen Wasserbilanz Dies hat sich mit Erscheinen der Regelwerksreihe DWA-A 102 nun geändert. Mit dem Weißdruck existiert seit Dezember 2020 ein Regelwerk, das den Erhalt der natürlichen Wasserbilanz bei Neuerschließungen und Überplanungen fordert und diese Forderungen im Entwurf der DWA- M 102-4 auch konkretisiert! Im Entwurf der DWA-M 102-4 ist definiert, wie und wo die Zielwasserbilanz, die nach der entwässerungstechnischen Neuerschließung von Siedlungsflächen und der städtebaulichen und/ oder entwässerungstechnischen Überplanung von Siedlungsgebieten erreicht werden soll, entnommen werden kann und wie sie ermittelt werden soll. Folglich stehen Kommunen und Planern Systemlösungen für lebenswerte Städte Gemäß Regelwerk DWA-A 102 zum Erhalt der natürlichen Wasserbilanz Dominik Gößner Unter dem Aspekt, dass wir auch in Zukunft in lebenswerten urbanen Gebieten wohnen wollen, kommt dem Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes eine besondere Bedeutung zu. In der Regel sind im Wasserhaushalt Verdunstungsanteile von mehr als 50 % des Jahresniederschlags enthalten. Beim Verdunstungsvorgang wird eine extrem hohe Menge Energie in Form von latenter Wärme gebunden und in höhere Atmosphärenschichten transportiert und dadurch aus unserem Lebensraum entfernt. Bild 1: Natürliche Wasserbilanz durch Verdunstung. © Optigrün international AG Bild 2: Grüne Oasen mitten in der Stadt: Axel- Springer-Haus in Berlin. © Optigrün international AG 7 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur erstmals konkrete Leitlinien zur Verfügung, mit denen sowohl die einzuhaltende Wasserbilanz als auch die aufgrund der Planung zu erwartende Wasserbilanz ermittelt werden kann - dies schafft eine Basis für gemeinsames Handeln der Beteiligten. Welche Folgen hat die neue Regelwerksreihe auf die Bebauung? Bei einer stichprobenartigen Begutachtung der Zielwasserbilanzen, die bei Neuerschließungen oder Überplanungen erreicht werden sollen, fällt auf, dass die geforderte Verdunstungsrate in der Regel über 50 % liegt, dass also über die Hälfte des Jahresniederschlags wieder vor Ort versickert werden soll. In dicht besiedelten Regionen ist dieser Zielwert nicht einfach zu erreichen. Denn dort muss ein Großteil der Niederschläge, insbesondere auch aus den Wintermonaten, zurückgehalten werden, um sie dann im Frühling und Sommer verdunsten zu lassen. Entsprechende Regenwasserspeicher 1 werden im Tiefbaubereich oder auf Dachflächen errichtet. Neben der Speicherung des Regenwassers ist dessen Verdunstung die nächste Herausforderung. Dazu sind Grünflächen notwendig, denen das Wasser aus den Regenwasserspeichern zugeführt werden kann. Neben dem Speichern und Verdunsten von Regenwasser besteht eine weitere, bereits bestehende Anforderung an das Regenwassermanagement: der temporäre Regenwasserrückhalt zur Einhaltung von Einleitbeschränkungen und zum Überflutungsschutz. Für diese Aufgaben sind Regenwasserrück- 1 Definition Regenwasserspeicher: Dauerhafter Speicherraum für Regenwasser, der nur durch aktive Entnahme entleert wird. halteanlagen 2 - unterirdische Rigolen oder Retentionselemente auf Dachflächen - erforderlich. Regenwasserrückhalteanlagen speichern Regenwasser nicht dauerhaft, da sie sonst ihren temporären Zweck zur Einhaltung von Einleitbeschränkungen oder dem Rückhalt von Starkregenereignissen nicht mehr erfüllen könnten. Folglich sind zum Erhalt des natürlichen Wasserhaushaltes und zur Einhaltung der Anforderungen des bestehenden Regenwassermanagements zwei verschiedene Arten von Regenwasserspeichern notwendig: temporäre Regenwasserspeicher bzw. Regenwasserrückhalteanlagen und dauerhafte Regenwasserspeicher bzw. Zisternen. Müssen nun zusätzlich zu den bereits notwendigen Regenwasserrückhalteanlagen Regenwasserspeicher zur Erhöhung der Verdunstung geschaffen werden? Nicht zwangsläufig. Es besteht die Möglichkeit, Regenwasserspeicher intelligent zu steuern, sodass darin enthaltenes Regenwasser so lange wie möglich zurückgehalten wird, um die Verdunstung zu fördern. Außerdem fließt nur Regenwasser ab, wenn ein Regenereignis bevorsteht, und nur so viel wie nötig, damit die Speicherkapazitäten des Regenwasserspeichers nicht überschritten werden. Pumpen, Abläufe in Zisternen und auf Retentionsgründächern sind mit einem Server verbunden und werden von hier aus intelligent gesteuert. Dazu werden kontinuierlich Wetterdaten ausgewertet. Die Systemlösung von OPTI- GRÜN und FRÄNKISCHE verbindet Hochbau mit Tiefbau, in dem so viel Regenwasser wie möglich auf dem Grundstück in Regen- 2 Definition Regenwasserrückhalteanlage: Speicherraum zum temporären Rückhalt von Regenwasser, welcher sich selbstständig, über eine Drossel oder Versickerung entleert. wasserspeichern auf dem Dach und im Tiefbau zurückgehalten wird. Die intelligente Steuerung der vernetzten Bauteile macht es möglich, das Regenwasser aus der Zisterne einem beliebigen Nutzen zuzuführen. In der Steuerung können Zielwasserbilanzen hinterlegt werden. Wenn beispielsweise 70 % des jährlichen Niederschlags verdunstet, 30 % versickert und 0 % abgeleitet werden sollen, werden die Pumpen in der Zisterne, basierend auf Wettervorhersagedaten und Simulationswerten aus der Vergangenheit, so gesteuert, dass die Zielwasserbilanz so gut wie möglich eingehalten wird. Zur Verdunstung wird dann Regenwasser von der Zisterne auf das Gründach und zur Versickerung in die Versickerungsanlage gepumpt. Auf diese Weise lassen sich die in dichten urbanen Räumen gebauten Regenwasserspeicher und Retentionsgründächer so effizient wie möglich nutzen, um die Zielvorgaben der DWA-A 102 bzw. der Kommune auf wirtschaftliche Art und Weise zu erreichen. M. Eng. Dominik Gößner Leiter Forschung & Entwicklung Produktmanagement Optigrün international AG Kontakt: d.goessner@optigruen.de AUTOR Bild 3: Wasserbilanzsteuerung durch intelligentes Regenwassermanagement. © Optigrün international AG
