Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0046
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Cloudbasierte Steuerung und Überwachung
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Joel Stratemann
Wasserwirtschaftliche Anlagen wachsen im Laufe ihres Lebenszyklus, weshalb sich die in ihnen verbaute Technik oftmals erheblich unterscheidet. Steht eine Modernisierungsmaßnahme an, ist dies ein guter Zeitpunkt, um die Automatisierung in die digitale Welt zu überführen. Wie sich dies effektiv und wirtschaftlich umsetzen lässt, zeigt das Beispiel der Abwasserpumpwerke der Stadt Laatzen.
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10 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Wenn es um den Einsatz von Pumpensteuerungen und Fernwirklösungen geht, gehören Abwasserpumpwerke aufgrund ihrer dezentralen Lage zu den prädestinierten Bauwerken. Da die Außenstationen häufig über das ganze Stadtgebiet verteilt sind, werden alle wichtigen Betriebsdaten und Informationen der einzelnen Pumpwerke über geeignete Protokolle an die übergeordnete Leitstelle übertragen (Bild 1). Auf diese Weise lassen sich die dezentralen Bauwerke dauerhaft durch das Betreiberpersonal steuern und überwachen. Bei Störungen werden darüber hinaus die verantwortlichen Mitarbeiter benachrichtigt, was Ausfallzeiten reduziert und Folgeschäden vermeidet. Allerdings verfügen zahlreiche Pumpwerke noch über veraltete Technik und agieren vollkommen autark. Am Beispiel der Stadt Laatzen lässt sich veranschaulichen, wie der Übergang zu einer modernen Lösung aussehen kann (Bild 2). Bislang technisch unterschiedliche Automatisierungstechnik verbaut Das im Landkreis Hannover gelegene Laatzen umfasst eine Fläche von etwa 34 Quadratkilometer. In ihrem Einzugsgebiet sorgen aktuell 17 dezentrale Pumpwerke für den Abtransport des Abwassers der rund 42 000 Einwohner. Die verschiedenen Außenstationen weisen dabei unterschiedliche bauliche Bedingungen hinsichtlich der Pumpenzahl, Sensorik und lokalen Automatisierungstechnik auf. Kleinere Pumpwerke besitzen zwei Pumpen, eine analoge Niveaumessung sowie einzelne digitale Signale. Im Gegensatz dazu sind in den großen Pumpwerken bis zu drei Pumpen und eine zusätzliche Durchflussmessung installiert. Ihre maximale Förderleistung beträgt zwischen 250 und 300 Kubikmeter pro Stunde (Bild 3). Ein weiterer Unterschied zwischen den 17 Pumpwerken besteht in der verbauten Automatisierungstechnik. Sämtliche Laatzener Pumpstationen verfügen über speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS). Eine Station ist komplett erneuert worden und soll deshalb gleich eine Steuerung von Phoenix Contact bekommen. Bei zwei weiteren Stationen müssen die Schaltschränke modernisiert werden. Im Rahmen dieser Aktivität ist ebenfalls die Umstellung der Steuerungstechnik geplant. Die restlichen 14 Außenstationen sind mit Pumpensteuerungen verschiedener Hersteller ausgestattet, weil sie über die Jahre historisch gewachsen sind (Bild 4). Die SPS, welche die Ansteuerung der Pumpen in Abhängigkeit des Höhenstands verantworten, informieren das Betreiberpersonal der Stadt Laatzen beispielsweise bei Störungen per Telefonanruf oder SMS. Bislang gibt es keine zentrale Erfassung der Betriebsdaten der Abwasserpumpwerke in einem zentralen Leitsystem, sodass die Mitarbeiter die dezentralen Bauwerke anfahren und überprüfen müssen. Dies Cloudbasierte Steuerung und Überwachung Cloudbasierte Steuerung und Überwachung Modernisierung der Abwasserpumpwerke der Stadt Laatzen Modernisierung der Abwasserpumpwerke der Stadt Laatzen Joel Stratemann Joel Stratemann Wasserwirtschaftliche Anlagen wachsen im Laufe ihres Lebenszyklus, weshalb sich die in ihnen ver- Wasserwirtschaftliche Anlagen wachsen im Laufe ihres Lebenszyklus, weshalb sich die in ihnen verbaute Technik oftmals erheblich unterscheidet. Steht eine Modernisierungsmaßnahme an, ist dies ein baute Technik oftmals erheblich unterscheidet. Steht eine Modernisierungsmaßnahme an, ist dies ein guter Zeitpunkt, um die Automatisierung in die digitale Welt zu überführen. Wie sich dies effektiv und guter Zeitpunkt, um die Automatisierung in die digitale Welt zu überführen. Wie sich dies effektiv und wirtschaftlich umsetzen lässt, zeigt das Beispiel der Abwasserpumpwerke der Stadt Laatzen. wirtschaftlich umsetzen lässt, zeigt das Beispiel der Abwasserpumpwerke der Stadt Laatzen. © Phoenix Contact PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur 11 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur ist notwendig, um zum Beispiel wesentliche Betriebsdaten - wie Mengenzähler - händisch zu dokumentieren. Im Kontext der voranschreitenden Digitalisierung sind nun sämtliche Pumpwerke der Stadt Laatzen durch eine ganzheitliche Lösung modernisiert worden. Das Retrofit zielte darauf ab, die Betriebsdaten über ein zentrales Leitsystem aufzunehmen und zu visualisieren, damit das Personal unterstützt wird und sich Ressourcen einsparen lassen. Zudem sollten wichtige Störmeldungen an das Betreiberpersonal übermittelt werden. Durch die Modernisierung wird ferner langfristig ein einheitlicher technischer Standard bei allen Pumpwerken etabliert, was die Bedienung und Wartung vereinfacht. Schnelle Anbindung an das zentrale Leitsystem Die Herausforderung bei der Erneuerung historisch gewachsener Infrastruktur liegt in der Diversität der verwendeten Komponenten, Technologien und baulichen Rahmenbedingungen. Folglich muss eine ganzheitliche Lösung kompatibel zu sämtlichen Variationen und Gegebenheiten sein, sodass zwangsläufig eine Offenheit des Systems erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund haben sich die Verantwortlichen der Stadt Laatzen bei der neuen technischen Ausstattung der Pumpwerke für eine Steuerung auf Basis der PLCnext Technology in Kombination mit dem Smart Pump Portal - beides von Phoenix Contact - entschieden. 14 Außenstationen sind durch eine PLCnext Control ergänzt worden (Bild 5). Relevante Betriebsdaten werden durch digitale und analoge Signale erfasst und über das Mobilfunknetz an das zentrale Leitsystem übertragen. Zu diesem Zweck wird das standardisierte Kommunikationsprotokoll OPC UA eingesetzt, das einfach handhabbar ist sowie die Messwerte auch bei Verbindungsabbrüchen speichert und zu einem späteren Zeitpunkt weiterleitet. Die PLCnext Control erweitert somit die bestehende Pumpensteuerung und dient als intelligente Schnittstelle zum Leitsystem. Aus dieser Konstellation resultiert für die Stadt Laatzen der Vorteil, dass sich Abwasserpumpwerke mit existierender Pumpensteuerung bereits an das zentrale Leitsystem anbinden lassen. Langfristig kann die vorhandene Pumpensteuerung bei Bedarf abgelöst werden, denn die Automatisierungstechnik von Phoenix Contact ist durch ein Software- Update um die Funktionen einer vollständigen Pumpensteuerung ausbaubar. Wie schon erwähnt, sollen in drei Pumpwerken die Schaltschränke inklusive Steuerung erneuert werden. In diesen Außenstationen wird die oben beschriebene Automatisierungstechnik auf Basis der PLCnext Technology genutzt. Der Unterschied zu den 14 Bauwerken mit vorhandener Pumpensteuerung besteht darin, dass die Funktionserweiterung „Pump Control“ bereits durch ein Update in der Automatisierungstechnik vorliegt. Einfacher Ausbau um zusätzliche Funktionen Bei der Pumpensteuerung „Pump Control“ handelt es sich um eine Software-basierte Funktionserweiterung für die PLCnext-Steuerungen von Phoenix Contact. Die Software-Lösung entspricht genau den Anforderungen der Stadt Laatzen, da sich mit ihr zum Beispiel bis zu drei Pumpen steuern lassen. Zu den Funktionseigenschaften zählen neben einer effizienten Niveauregulierung beispielsweise eine Bild 1: Die Außenstation „An der Masch“ ist mit einer Pumpensteuerung eines anderen Herstellers ausgestattet. © Phoenix Contact Bild 2: Die Stadt Laatzen ist für den Abtransport des Abwassers der rund 42 000 Einwohner verantwortlich. © Phoenix Contact Bild 3: In den großen Pumpwerken sind bis zu drei Pumpen installiert. © Phoenix Contact Bild 4: Im Betriebsgebäude Maschstraße befindet sich ebenfalls eine Steuerung eines anderen Anbieters. © Phoenix Contact 12 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Infrastruktur Zwangseinschaltung, Betriebsüberwachung sowie dynamische Schaltschwellen zur Reduzierung von Verschmutzungen. Die Pumpensteuerung kann durch eine Parametrierung außerdem jederzeit an die jeweiligen Rahmenbedingungen der einzelnen Abwasserpumpwerke angepasst werden. Die integrierte webbasierte Oberfläche erlaubt etwa eine Änderung der Pumpenzahl, der verwendeten Messtechnik oder verschiedener weiterer Funktionen. Abgesehen von der Pumpensteuerung übernimmt die Software-Erweiterung ebenfalls die Kommunikation zum zentralen Leitsystem. Für diese Aufgabe setzt die Stadt Laatzen das webbasierte Smart Pump Portal ein, das auf der ebenso webbasierten Resylive-Plattform aufsetzt (Bild 6). In Kombination mit der Automatisierungstechnik aus dem offenen Ökosystem PLCnext Technology entsteht so ein ganzheitliches Konzept. Über die Portallösung lassen sich sämtliche Betriebsdaten visualisieren und langfristig historisieren. Die Daten werden darüber hinaus dazu genutzt, um die Fördermengen der Pumpwerke sowie deren Schaltspiele und Betriebsstunden in Berichten zu dokumentieren, sodass die dezentralen Bauwerke nicht mehr werktäglich angefahren werden müssen. Ein Vorteil des Webportals ergibt sich aus dem Wegfall der Wartung und Instandhaltung, weil keine eigene IT-Infrastruktur bereitgestellt werden muss. Zudem können die Mitarbeiter orts- und zeitunabhängig auf alle notwendigen Informationen der Abwasserpumpwerke zugreifen, wobei der Zugang zum Portal den gängigen Anforderungen im Hinblick auf die IT-Sicherheitsrichtlinien entspricht. Deutliche Steigerung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit Aufgrund der von der Pumpensteuerung unterstützten branchenspezifischen Funktionen sowie der eingebauten Fernwirkschnittstelle über standardisierte Protokolle und des Webportals zur Dokumentation der Betriebsdaten werden die die Abwasserpumpwerke betreffenden Betriebsabläufe in puncto Effizienz und Wirtschaftlichkeit optimiert. In Summe bietet die ganzheitliche Lösung der Stadt Laatzen sowohl Offenheit als auch Flexibilität. Während sich bestehende Pumpensteuerungen ergänzen und langfristig ablösen lassen, verfügen neue Abwasserpumpwerke von Anfang an über eine leistungsfähige Steuerung auf der Grundlage der Software-Lösung Pump Control (Bild 7). Mehr Informationen: www.phoenixcontact.de/ wasser Bei der PLCnext Technology handelt es sich um ein offenes Ökosystem, das sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt. Neben den PLCnext-Steuerungen sind das die modulare Softwareplattform PLCnext Engineer, der digitale Marktplatz PLCnext Store, die PLCnext Community zum Erfahrungsaustausch sowie die Option einer systemischen Cloudintegration. Eine speziell entwickelte Firmware-Architektur erlaubt die Nutzung von IEC61131-Programmiersprachen in Kombination mit Hochsprachen - wie C++ oder C# - oder einem Regelalgorithmus-Modell in Matlab Simulink. Dabei kann ein Steuerungsprogramm aus lediglich einer oder einer beliebigen Kombination der genannten Sprachen bestehen. Zukunftsfähig wird das Ökosystem durch die flexible Erweiterung der PLCnext-Steuerungen um zusätzliche Funktionen, beispielsweise Pump Control oder neue Protokolle. Dazu wird einfach die entsprechende App - etwa MQTT - aus dem PLCnext Store auf die SPS geladen. Der Anwender muss bei einer technischen Weiterentwicklung also kein neues Gerät kaufen, sondern kann die vorhandene Hardware einfach anpassen. Das spart Zeit und Geld. Joel Stratemann MBA Infrastructure Applications & Projects Phoenix Contact Electronics GmbH Kontakt: info@phoenixcontact.de AUTOR OFFENES ÖKOSYSTEM FÜR MEHR FLEXIBILITÄT UND ZUKUNFTSSICHERHEIT Bild 7: Anja Gnad, als technische Angestellte für die Pumpstationen verantwortlich, und ihr Kollege Mathias Weber, Vorarbeiter im Bereich Abwasser, sind überzeugt. © Phoenix Contact Bild 5: Neben der PLCnext-Steuerung A XC F 2152 (Mitte) nutzt die Stadt Laatzen die Stromversorgung der Produktfamilie Uno (links) sowie ein TC Modem (rechts). © Phoenix Contact Bild 6: Über die Portallösung Smart Pump Portal lassen sich sämtliche Betriebsdaten visualisieren. © Phoenix Contact