eJournals Transforming cities 6/3

Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0057
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Strategien zur Bewältigung extremer Trockenheit und des Wassermangels in Berlin

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Regina Gnirss
Gesche Grützmacher
Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung sagt häufigere, länger andauernde Hitzeperioden voraus. Für die Bevölkerung wird es eine deutliche Zunahme der Hitzetage und Tropennächte geben. Die Folge sind steigende monatliche Wasserbedarfe im Sommer und Nutzungskonkurrenz zum Beispiel mit der Landwirtschaft und der Schifffahrt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Wassersparmaßnahmen wie etwa Einschränkungen bei der Gartenbewässerung zukünftig zur Ressourcensicherung nötig sein werden.
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50 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? Erhebungen zum städtischen Klima Berlins sind seit 1985 Teil des Umweltatlas der Senatsverwaltung. 1 Dazu zählen Bestandsaufnahmen des heutigen Klimas, aber auch Abschätzungen der Auswirkungen der durch den Klimawandel zu erwartenden Verhältnisse. Demnach sagt das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung häufigere, länger andauernde Hitzeperioden voraus. Weiterhin wird es für die Bevölkerung eine deutliche Zunahme der Hitzetage und Tropennächte geben. In der Folge sind steigende monatliche Wasserbedarfe im Sommer zu erwarten und Nutzungskonkurrenz zum Beispiel mit der Landwirtschaft und der Schifffahrt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Wassersparmaßnahmen wie etwa Einschränkungen bei der Gartenbewässerung zukünftig zur Ressourcensicherung nötig sein werden. Die Berliner Wasserbetriebe stellen als kommunaler Wasserver- und Abwasserentsorger die Trinkwasserversorgung der 3,7 Mio. Einwohner Berlins 1 https: / / www.berlin.de/ umweltatlas/ klima/ Strategien zur Bewältigung extremer Trockenheit und des Wassermangels in Berlin Wassermanagement, Klimawandel, Dürre, Wassermangel, Trockenheit, Berlin Regina Gnirss, Gesche Grützmacher Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung sagt häufigere, länger andauernde Hitzeperioden voraus. Für die Bevölkerung wird es eine deutliche Zunahme der Hitzetage und Tropennächte geben. Die Folge sind steigende monatliche Wasserbedarfe im Sommer und Nutzungskonkurrenz zum Beispiel mit der Landwirtschaft und der Schifffahrt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Wassersparmaßnahmen wie etwa Einschränkungen bei der Gartenbewässerung zukünftig zur Ressourcensicherung nötig sein werden. sicher. Das Trinkwasser wird über rund 700 Brunnen aus dem Grundwasser innerhalb des Stadtgebietes gewonnen und mittels naturnaher Verfahren zu Trinkwasser aufbereitet. Deshalb sind 25 % des Stadtgebietes Wasserschutzgebiete, zum großen Teil bestehend aus Wald-, Gewässer- und Grünflächen. Rund 70 % des geförderten Rohwassers entstammen jedoch indirekt den Flüssen und Seen der Stadt, gewonnen über Uferfiltration oder künstliche Grundwasseranreicherung. Da die staugeregelten Flüsse und Seen auch als Vorfluter für die Kläranlagen und Regenwassereinleitungen dienen, gibt es damit einen direkten Zusammenhang zwischen der Trinkwasserversorgung und einer weitergehenden Abwasserreinigung sowie der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung. Berlin wurde weltweit von der Internationalen Water Association für dieses Konzept der nachhaltigen Bewirtschaftung des Wasserkreislaufs als Water Wise City ausgewählt. 2 Für die Bevölkerung verhindert es Trinkwasser- 2 https: / / iwa-network.org/ city/ berlin/ Bild 1 (links): Infiltrationsbecken mit Einlaufbauwerk an der Grundwasseranreicherung Saatwinkel, Wasserwerk Tegel, Berlin. © Berliner Wasserbetriebe Bild 2 (rechts): 25 % des Stadtgebietes von Berlin sind Wasserschutzgebiete - Hier: Wasserschutzgebiet in Wuhlheide. © Berliner Wasserbetriebe / Joachim Donath 51 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? knappheit, es verbessert sich das Stadtklima und die Auswirkungen extremer Trockenheiten werden dadurch reduziert. Unter dem Eindruck der Jahre 2018 - 2020 mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen im gesamten Nordosten Deutschlands haben die Berliner Wasserbetriebe ein „Konzept zur Festigung der Resilienz der Trinkwasserversorgung in Berlin“ entwickelt. Die Bestandsaufnahme zeigt, dass das System der Trinkwassergewinnung aus dem Grundwasser in unmittelbarer Ufernähe gegenüber Trockenphasen relativ robust aufgestellt ist. Der Grundwasserleiter dient dabei als riesiger Speicher, der über die natürliche Grundwasserneubildung im unmittelbaren Einzugsgebiet, die Uferfiltration und die künstliche Anreicherung mit Oberflächenwasser gespeist wird. Diese Ressourcen können sich gegenseitig ausgleichen und kurzzeitige saisonale Defizite überbrücken. Solange die Wasserstände in den Flüssen und Seen konstant bleiben (was durch die Stauhaltung der Berliner Gewässer und die Zuflüsse aus den Klärwerksableitungen geregelt wird), kann genügend Wasser in den Untergrund infiltrieren. Aber auch ein kurzzeitiges Absinken des Wasserstandes ist noch nicht als kritisch zu sehen - dann kann nämlich verstärkt landseitiges Grundwasser zuströmen. Langfristig ist jedoch zu erwarten, dass auf Grund der steigenden Durchschnittstemperaturen die Verdunstung ansteigt und somit die Grundwasserneubildung sinkt. Wie stark dieser Rückgang sein wird und ob er Einschränkungen in den förderbaren Jahresmengen zur Folge haben wird, wird derzeit gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlins im Rahmen des „Masterplans Wasser“ erarbeitet. Bereits jetzt können wir jedoch abschätzen, dass die Nutzungskonflikte zum Beispiel mit der Siedlungsentwicklung, der Schifffahrt und auch der Landwirtschaft zukünftig zunehmen werden. Daher wurden im Resilienzkonzept Maßnahmen auf drei verschiedenen Ebenen angestoßen:  Investitionen in die Robustheit des Systems (zum Beispiel: Brunnenerneuerungen, Verstärkung des Rohrnetzes oder Behälterausbau),  Erschließung zusätzlicher Ressourcen (zum Beispiel über die Inbetriebnahe stillgelegter Brunnengalerien oder Wasserwerke)  Aktive Gestaltung des Stakeholderdialogs, um im Vorfeld von akuten Nutzungskonflikten Maßnahmen auch an anderer Stelle anzustoßen. Flankierend wurde im Rahmen des Förderprogramms der Deutschen Anpassungsstrategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels, im Forschungsprojekt „HYDRA“ der Grundwasseranreicherungsstandort Wasserwerk Spandau untersucht. Das Projekt wurde im Verbund mit dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin durchgeführt, mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Klima und Verkehr als assoziiertem Partner. Die Klimaprognosen für die Region Nordostdeutschland wurden ausgewertet und den Kapazitätsszenarien des Wasserversorgungskonzeptes 2040 für Berlin gegenübergestellt. Für die zukünftig längeren Trockenperioden konnten aus HYDRA Empfehlungen für einen bedarfsgerechten Betrieb der Grundwasseranreicherung gegeben werden. Demnach soll die Anreicherung verstärkt in die Wintermonate mit höheren Abflüssen in den Flüssen verschoben werden. Die zusätzlichen Infiltrationsmengen können die zukünftig höhere Entnahme (Spitzenlasten) ausgleichen und die Grundwasserstände im Einzugsgebiet stabilisieren. Regina Gnirss Leiterin Forschung und Entwicklung Berliner Wasserbetriebe Kontakt: regina.gnirss@bwb.de Dr. Gesche Grützmacher Stellvertretende Leiterin Wasserversorgung Berliner Wasserbetriebe Kontakt: gesche.gruetzmacher@bwb.de AUTORINNEN Bild 3: Forschungsprojekte ebenfalls zu Technologien der Wasserwiederverwendung. © Berliner Wasserbetriebe / Technische Universität München