eJournals Transforming cities 6/3

Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0063
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2021
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Die Wasserwirtschaft auf der digitalen Reise

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2021
Mark Oelmann
Christoph Czichy
Eva-Maria Inderelst
Wohin führt die digitale Reise in der Wasserwirtschaft? Die Unternehmen der Wasserwirtschaft haben einen beachtlichen Weg zurückgelegt und vielfältiges Digitalisierungsengagement gezeigt. In einigen Bereichen besteht gleichwohl Nachholbedarf, um nächste Ziele zu erreichen. Ein neu entwickelter Digitalisierungsindex soll Branchenakteuren helfen, den Stand der Digitalisierung im eigenen Unternehmen zutreffend einzuschätzen und Maßnahmen zur weiteren Entwicklung einzuleiten.
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81 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? Ein Digitalisierungsindex für die Wasserbranche Digitalisierung - kaum ein Begriff wird derzeit so häufig verwendet und gleichzeitig so unterschiedlich interpretiert. Dadurch entsteht für viele Führungskräfte ebenso wie Mitarbeitende der Wasserwirtschaft das diffuse Gefühl, dass nichts bleibt, wie es ist. Als Garant für die Versorgung mit Trinkwasser und die Entsorgung von Abwasser stellt sich der Branche die Frage, welche Versprechen der Digitalisierung wirklich tragfähig und langfristig für die Branche, der als Teil der kritischen Infrastruktur eine besondere Bedeutung zukommt, von Bedeutung sind. Zwar lassen sich bereits zahlreiche Beispiele für erfolgreich umgesetzte Projekte finden. Diese wirken in vielen Fällen jedoch wie einzelne Puzzleteile, denen der gemeinsame Rahmen fehlt. Diese Gemengelage führt nicht selten zu einer großen Verunsicherung und zu vorschnellen Entscheidungen. So entstand die Idee, einen Digitalisierungsindex für die Wasserwirtschaft zu erstellen. Dieser soll Aufschluss darüber geben, wo die Branche steht, wo Die Wasserwirtschaft auf der digitalen Reise Der „1. HRW-Digitalisierungsindex für die deutsche Wasserwirtschaft“ - Ziele, Struktur, Ergebnisse und nächste Schritte Digitalisierungsindex, Wasserwirtschaft, Digitalisierung, KI, Unternehmenskultur, Reifegradmodelle Mark Oelmann, Christoph Czichy, Eva-Maria Inderelst Wohin führt die digitale Reise in der Wasserwirtschaft? Die Unternehmen der Wasserwirtschaft haben einen beachtlichen Weg zurückgelegt und vielfältiges Digitalisierungsengagement gezeigt. In einigen Bereichen besteht gleichwohl Nachholbedarf, um nächste Ziele zu erreichen. Ein neu entwickelter Digitalisierungsindex soll Branchenakteuren helfen, den Stand der Digitalisierung im eigenen Unternehmen zutreffend einzuschätzen und Maßnahmen zur weiteren Entwicklung einzuleiten. THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser? © Julia Schwab auf Pixabay 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 82 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? die Herausforderungen liegen, welche Trends sich bereits bewährt haben und welche weiteren Aspekte der Digitalisierung die Branche in naher Zukunft besonders umtreiben werden. Entwickelt wurde der Digitalisierungsindex von der Hochschule Ruhr West mit Unterstützung der MOcons GmbH & Co. KG sowie dem IWW Zentrum Wasser und in Partnerschaft mit den Verbänden DVGW, VKU und BDEW. Er ist kostenfrei abrufbar unter: www.digitalisierungsindex-wasserwirtschaft.de Zentrale Ziele des Digitalisierungsindex Im Kern verfolgt der Digitalisierungsindex die folgenden drei zentralen Ziele:  Er soll der Branche als Orientierungsmaßstab für die digitale Entwicklung dienen, indem zentrale Elemente der Digitalisierung aufgegriffen und im Kontext betrachtet werden.  Durch eine strukturierte Auseinandersetzung mit diesem vielschichtigen Thema soll der Digitalisierungsindex Unternehmen unterstützen und ihnen zugleich die Gelegenheit bieten, sich mit anderen Unternehmen zu vergleichen. Er soll Mut und Lust machen, sich mit dem eigenen Stand der Digitalisierung auseinanderzusetzen und Anknüpfungspunkte zu suchen, wie die weitere Entwicklung sinnhaft und strukturiert gestaltet werden könnte.  Vor allem aber soll er als „Schaufenster nach Außen“ fungieren, um die Vielfalt der Ansätze zu dokumentieren, die die Branche verfolgt. Dadurch wird politischen Entscheidungsträgern, Aufsichtsorganen, (Umwelt-)Verbänden und Behörden das Signal vermittelt, dass die Wasserwirtschaft das Potenzial der Digitalisierung erkennt und nutzt, um aktuellen wie künftigen Herausforderungen effizient zu begegnen. Grundsätzliche Methodik Der Digitalisierungsindex basiert auf den Ergebnissen zweier Forschungsprojekte, dem „Reifegradmodell für eine Wasserversorgung 4.0“ sowie dem „Reifegradmodell für eine Abwasserentsorgung- 4.0“, die mit Unterstützung von insgesamt 32-Praxispartnern entwickelt wurden. 1 Beide Modelle umfassen 34 bzw. 36 Kriterien, die vier sogenannten Gestaltungsfeldern (Ressourcen, Informationssysteme, Organisation und Kultur) zugeordnet sind, anhand derer die Bereiche eines Unternehmens untersucht werden. Für jedes Kriterium erfolgt in Abhängigkeit seiner Ausprägung die Einordnung eines Reifegrads zwischen Stufe 1 und 6 (siehe Bild 1). Dies ermöglicht eine sehr gute Einschätzung des untersuchten Bereichs im Hinblick auf das untersuchte Gestaltungsfeld und erlaubt den individuellen Status quo eines Unternehmens nach einem einheitlichen Vorgehen zu bestimmen. Somit setzt diese Vorgehensweise den Fokus auf eine ganzheitliche Transformation und stellt klar heraus, dass Digitalisierung weitaus mehr als nur eine bloße Technologieeinführung ist. 1 Die Reifegradmodelle wurden unter Leitung des IWW Zentrum Wasser zusammen mit der MOcons GmbH & Co. KG sowie dem FIR e. V. für die Wasserversorgung bzw. dem FiW e. V. an der RWTH Aachen für die Abwasserentsorgung entwickelt. Ersteres wurde seitens des DVGW, zweiteres durch die teilnehmenden Abwasserentsorger finanziert sowie von der DWA begleitet. Bild 1: Stufen der Reifegradmodelle Wasserversorgung 4.0 bzw. Abwasserentsorgung 4.0. © Offermann, Martin et al. (2019), S. 8 Bild 2: Geographische Verortung der Interviewteilnehmenden. © HRW-Digitalisierungsindex, S. 29 Ver- und Entsorgung Abwasserentsorgung Wasserversorgung 83 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? In den Reifegradmodell-Projekten wurden sechs zweistündige Vor-Ort-Interviews pro Praxispartner geführt. Da die Idee des Digitalisierungsindex darin bestand, möglichst viele Unternehmen zu befragen und dazu etwa 45-minütige Telefoninterviews durchzuführen, wurde die Anzahl der untersuchten Kriterien aus zeitlichen Gründen von 36 auf nunmehr 15 reduziert. Zudem wurde mit jedem Interviewpartner nur eine Wertschöpfungsstufe (zum Beispiel Wasserproduktion, Wassernetze oder Verwaltung/ Kundenservice) diskutiert, während in den Reifegradmodell-Interviews sechs Hauptprozesse thematisiert wurden. Die 15 Kriterien wurden in einer bestimmten Reihenfolge gestellt, um die Teilnehmenden in dem Telefonat gedanklich auf eine „digitale Reise“ mitzunehmen. In knapp 190 Telefoninterviews mit Wasserver- und Abwasserentsorgern wurden die 15 Kriterien anhand entsprechender Fragen mit den Interviewteilnehmenden für jeweils eine von ihnen gewählte Wertschöpfungsstufe diskutiert. Auf Basis der Antworten erfolgte dann eine Reifegradeinschätzung (Stufen 1 bis 6) für jedes Kriterium. Da es sich bei der Digitalisierung um keinen Selbstzweck handelt, ist zu betonen, dass eine höhere Reifegradstufe nicht für jedes Unternehmen stets das beste Ergebnis darstellt. Ein Abwarten und ein dann reflektiertes Übernehmen bereits etablierter Konzepte und Ansätze mag im Einzelfall rational und effizient sein. Gleichwohl besteht die These, dass die Potenziale der jeweils höchsten Reifegradstufe sich nur voll entfalten können, wenn die verbleibenden Gestaltungsfelder nicht vernachlässigt sind. Im Fokus der ersten Auflage stand die Erhebung des digitalen Status quo der Wasserversorgung, deren Unternehmen auch durch die Unterstützung der Partnerverbände DVGW, BDEW und VKU weitgehend repräsentativ hinsichtlich Verteilung über das Bundesgebiet (siehe Bild 2) sowie Rechtsform vertreten sind. Mit Abwasserentsorgern wurden ebenfalls Telefoninterviews geführt. Aufgrund der geringeren Anzahl an Unternehmen ist jedoch keine umfängliche Repräsentativität gegeben, sodass die Ergebnisse lediglich ersten Vergleichen zwischen Wasserver- und Abwasserentsorgung dienen. In zukünftigen Auflagen des Digitalisierungsindex sollen beide Branchen dann gleichgewichtig befragt werden. Ergebnisse aus den Gestaltungsfeldern Die Auswertung der für den Digitalisierungsindex geführten Telefoninterviews legt dar, dass Unternehmen der Wasserwirtschaft bereits in vielerlei Hinsicht einen beachtlichen Weg auf dem Pfad der Digitalisierung zurückgelegt haben und zeigen ein vielfältiges Digitalisierungsengagement. In einigen Bereichen besteht gleichwohl Nachholbedarf, um die nächsten Etappenziele zu erreichen. Die allgemeinen Ergebnisse des Digitalisierungsindex sind in Bild 3 abgebildet. Die linke Darstellung stellt für jedes der vier Gestaltungsfelder einen Ø-Reifegrad über alle befragten Wasserversorger dar. Die Skala reicht von 1 (niedrigster Reifegrad) bis 6 (höchster Reifegrad). Der höchste Ø-Reifegrad wird mit 3,2 im Gestaltungsfeld Informationssysteme erreicht, der niedrigste im Bereich Organisation mit einem Wert von 2,6. Die Ø-Reifegrade der beiden anderen Gestaltungsfelder liegen mit 2,9 (Kultur) bzw. 3,0 (Ressourcen) nahezu in der Mitte. Es wird deutlich, dass die Unternehmen tendenziell bei den beiden technischen Gestaltungsfeldern Ressourcen und Informationssysteme weiter vorangeschritten sind als bei ihrem organisatorischen bzw. kulturellen Pendant. Auch konnte in der Erstellung des Digitalisierungsindex festgestellt werden, dass die Unternehmen in den technischen Wertschöpfungsstufen Wasserressourcen/ -produktion und Wassernetze/ -verteilung tendenziell besser aufgestellt sind als in der Wertschöpfungsstufe Verwaltung/ Kundenservice. Um zu untersuchen, inwiefern die bisherige Entwicklung bei den einzelnen Unternehmen relativ gleichmäßig über die betrachteten Gestaltungsfelder stattgefunden hat, werden in der rechten Darstellung zusätzlich die Ø-Reifegrade der Top- 10-Unternehmen in den vier Gestaltungsfeldern dargestellt (siehe Bild 3). Eine exakt gleichmäßige Entwicklung in allen Gestaltungsfeldern würde sich dadurch auszeichnen, dass ein einzelnes Unternehmen (repräsentiert durch eine der zehn Farben) als Quadrat dargestellt würde. Tatsächlich zeigt die Auswertung, dass die Top-10-Unternehmen teilweise sehr unterschiedliche Ø-Reifegrade in den einzelnen Gestaltungsfeldern aufweisen, was in Form vieler unterschiedlicher Vierecke zum Ausdruck kommt. Einzelne Unternehmen erreichen 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 Top 10 Ressourcen Top 10 Organisation Top 10 Informationss. Top 10 Kultur Ø Organisation Ø Kultur Ø Ressourcen Ø Informationss. 6 Bild 3: Digitalisierungsindex über alle Gestaltungsfelder in der Wasserversorgung. © Eigene Darstellung nach: HRW- Digitalisierungsindex, S. 79 f. 84 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? beachtliche Werte in einem Gestaltungsfeld, erzielen gleichzeitig jedoch nur sehr unterdurchschnittliche Werte in einem anderen. Im Hinblick auf den Reifegradmodell-Ansatz ist diese Erkenntnis von besonderem Interesse. Denn obwohl das Modell keinen bestimmten Reifegrad postuliert, da Digitalisierung wie gesagt nicht als Selbstzweck zu verstehen ist, gilt gleichwohl die These, dass die Potenziale des am weitesten entwickelten Gestaltungsfelds nur dann genutzt werden können, wenn die anderen Gestaltungsfelder annähernd gleich ausgeprägt sind. Weitere Erkenntnisse konnten hinsichtlich der Unternehmensgröße gewonnen werden. Tendenziell schneiden relativ größere Unternehmen relativ besser ab. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass insbesondere kleine Unternehmen enorme Spannen bei den Reifegradausprägungen aufweisen. Einer ambitionierten Geschäftsführung kann es offenbar gelingen, ihre relativ kleinere Belegschaft sehr viel schneller zu mobilisieren und auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Auffällig ist daneben, dass Wasserversorger als Teil eines Mehrspartenunternehmens im Gegensatz zu reinen Wasserver- oder integrierten Wasserver- und Abwasserentsorgern nur selten herausstechen - eine Ausnahme bildet das Themenfeld IT-Sicherheit. Entsprechend der analysierten Gestaltungsfelder lassen sich folgende wesentliche Erkenntnisse formulieren:  Die Ausstattung mit digitaler Mess- und Steuerungstechnik ist weniger von der Unternehmensgröße als vielmehr von den handelnden Personen abhängig. Kleine Unternehmen weisen dabei die größte Spreizung zwischen Nachzüglern und Vorreitern auf. Die Einbindung in ein Mehrspartenunternehmen ist kein Garant für eine stärker ausgeprägte Vernetzung von Anlagen in der Wasserversorgung. Dies mag entweder daran liegen, dass relative Fortschritte anderer Sparten bei Sensorik und Aktorik geringer ausgeprägt und Synergieeffekte folglich kleiner sind, als zunächst vermutet, oder daran, dass die Wasserversorgung aufgrund der geringeren Wettbewerbsintensität bei Investitionen schlicht weniger bedacht wird als die anderen Sparten.  Hinsichtlich der Kapazität der IT-Netzwerke bestehen vielfach Einschränkungen bei der Anbindung entfernt liegender Anlagen. Bei vielen Unternehmen führt eine geringe Übertragungsrate in entlegenere Gebiete dazu, dass die Leitwarte nur in größeren Zeitabständen Daten von dortigen Anlagen erhält und diese deshalb regelmäßig von Mitarbeitenden angefahren werden. Vor- Ort-Einsätze wären bei besserer Übertragungsgeschwindigkeit in geringerem Umfang nötig. Es zeigt sich gleichwohl, dass viele Unternehmen bei schlechter Übertragungsrate eigenständige Lösungen suchen. Die Ansätze unterscheiden sich zwischen ländlichen Regionen (zum Beispiel: eigene Glasfasernetze) und urbanen Räumen (zum Beispiel: Richtfunk).  Die Gewährleistung eines medienbruchfreien Datenflusses kristallisierte sich als zentrales Digitalisierungsthema heraus, das alle Unternehmen umtreibt. Die Einbindung neuer Software in bestehende (teilweise sehr alte) IT-Systeme mit oftmals rudimentären oder individuell zu erstellenden Schnittstellen, stellt die Unternehmen regelmäßig vor Herausforderungen.  Die Bedeutung der Datenqualität für die digitale Entwicklung ist den Wasserversorgern bewusst, dennoch mangelt es vielfach an organisatorischen und technischen Maßnahmen zur Sicherstellung der Datenqualität. Sehr regelmäßig wird die Datenqualität als zu gut beurteilt. Daten bilden den Ausgangspunkt für den digitalen Fortschritt und das Ergebnis jeglicher Datenanalyse hängt von der Qualität der Eingangsparameter ab. Eine geringe Datenqualität führt dazu, dass Beschäftigte das Vertrauen in IT-Systeme, darin enthaltene Daten und daraus erstellte Datenanalysen im Zeitverlauf verlieren. Dadurch wird aber das Ziel konterkariert, Entscheidungen zunehmend datenbasierter zu treffen.  Ein und dasselbe Digitalisierungsprojekt funktioniert in einem Unternehmen, in einem anderen jedoch nicht. Grund ist eine sich unterscheidende Unternehmenskultur im Ausgangszustand. Unternehmen sind deshalb gut beraten, sich zunächst mit ihrer Unternehmenskultur auseinanderzusetzen. Die dabei gemachten Erkenntnisse können helfen, Digitalisierungsprojekte so zu konzipieren, dass sie die Stärken der jeweiligen Kultur bestmöglich nutzen und inhärente Schwächen zu umgehen versuchen. Die Kenntnis der aktuellen Unternehmenskultur kann gleichzeitig auch als Startpunkt dienen, um die eigene Kultur sinnhaft weiterzuentwickeln, um möglicherweise auch einfacher neue, junge und andersdenkende Mitarbeitende nachhaltig zu integrieren.  Die vielen Möglichkeiten und die Komplexität der Digitalisierung können Unternehmen lähmen. Die Rückmeldung aus den Interviews zeigt gleichwohl, dass keine Sorge vor den ersten Schritten bestehen sollte - oftmals bringt ein „kleiner Stein“ Großes ins Rollen, weil quick-wins Mut machen und Skeptiker zu überzeugen vermögen. 85 3 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Zu viel oder zu wenig Wasser ? Nächste Aufgaben in puncto Digitalisierung  Es ist festzustellen, dass die Datenqualität häufig nicht so gut ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Bisher werden viele Daten erhoben, eine sinnhafte Plausibilisierung fehlt jedoch häufig. Der Einsatz maschinellen Lernens oder KI zur Entscheidungsunterstützung setzt eine (automatisierte) Datenvalidierung voraus. Die Sicherstellung der Datenqualität hat daher eine hohe Priorität und sollte noch lange, bevor tatsächlich an die Nutzung maschinellen Lernens oder KI gedacht wird, angegangen werden.  Digitalisierung kann erst bei durchgängigem Datenfluss an Fahrt gewinnen, deshalb ist die Einrichtung adäquater Schnittstellen eine zentrale Herausforderung - sowohl zwischen IT-Systemen innerhalb einer Abteilung als auch abteilungsübergreifend. Ob Betriebs- und Büro-IT vor dem Hintergrund der zu gewährleistenden IT-Sicherheit miteinander verknüpft werden sollten, wird in diesem Zusammenhang zur Gretchenfrage.  Bedeutung wird in der mittleren Frist auch die Verknüpfung mit Externen wie Behörden und Lieferanten/ Anlagenbauern erlangen. Mit ersteren lässt sich insbesondere das Umweltreporting weit effizienter gestalten, auch wenn hier noch „dicke Bretter“ zu bohren sind. Skaleneffekte und beständiges Lernen aus den Analysen von Daten unterschiedlichster Kunden und Einsatzsituationen spricht für die vertiefte Zusammenarbeit mit Lieferanten/ Anlagenbauern.  Digitalisierung berührt entsprechend unmittelbar das Selbstverständnis der Wasserversorger, denn es stellt sich immer häufiger die Frage, welche (digitalen) Aufgaben von Dienstleistern übernommen werden sollten und welche nicht. Damit erfordert die digitale Entwicklung für die Mitarbeitenden in mancher Hinsicht die Neudefinition der eigenen Tätigkeit. Dass diese sich hier nicht überfordert fühlen, impliziert Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit von Geschäfts- und Bereichsleitungen.  Die anstehende Verrentungswelle bei vielen Wasserwirtschaftsunternehmen sowie das heute viel breitere Wissen, das unter anderem für die Nutzung digitaler Möglichkeiten notwendig ist, hebt das Wissensmanagement und die Förderung einer Wissenskultur aufs Schild. Das Benennen etwa von Key-Usern oder die Einführung von Generationsclubs fördert sinnvollerweise die Kommunikation sowie das Vertrauen zwischen Mitarbeitern. Grundsätzlich aber fehlt es insbesondere beim Wissensmanagement an überzeugenden, weiteren Rezepten.  Insgesamt tun sich Wasserversorger schwer, den hohen Gehaltswünschen bereits gut ausgebildeter Bewerber mit Berufserfahrung zu entsprechen, nicht zuletzt auch deshalb, weil Tarifverträge oder gesetzliche Vorgaben ihren Handlungsspielraum einengen (zum Beispiel bei Zweckverbänden). Die Ausbildung sowie die Zusammenarbeit mit Hochschulen beispielsweise im Zusammenhang mit dualem Studium wird insbesondere im Hinblick auf das Ausscheiden vieler aktueller Mitarbeiter an Bedeutung gewinnen.  Die Wasserwirtschaft besteht aus techniklastigen Branchen. Dies ist nicht neu, zeigt sich aber wieder im vorliegenden Digitalisierungsindex. Während die technischen Wertschöpfungsstufen tendenziell Möglichkeiten der Digitalisierung vielgestaltig nutzen, fällt der Bereich Verwaltung/ Kundenservice relativ gesehen ab. Es ist zu erwarten, dass digitale Möglichkeiten Verwaltungsabläufe effizienter zu gestalten helfen und sich die Kundenorientierung ausbauen lässt. Neben der Beschreibung der Interviewergebnisse zu den 15 Kriterien wird der Digitalisierungsindex durch Best-Practice-Beispiele sowie Gastbeiträge und einen Ausblick zu zentralen Entwicklungsfeldern der Branche abgerundet. Er kann kostenlos unter www.digitalisierungsindex-wasserwirtschaft.de abgerufen werden. Prof. Dr. Mark Oelmann Sprecher des interdisziplinären Forschungsschwerpunkts der HRW „Wasserökonomik und Wasserwirtschaft“, Beiratsvorsitzender des Kompetenzzentrums Digitale Wasserwirtschaft MOcons GmbH & Co. KG Wirtschaftsinstitut der Hochschule Ruhr West Kontakt: mark.oelmann@hs-ruhrwest.de Christoph Czichy, M.Sc. VWL Geschäftsführender Gesellschafter Wissenschaftlicher Mitarbeiter MOcons GmbH & Co. KG Wirtschaftsinstitut der Hochschule Ruhr West Kontakt: christoph.czichy@mocons.de Eva-Maria Inderelst, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wirtschaftsinstitut der Hochschule Ruhr West Kontakt: eva-maria.inderelst@hs-ruhrwest.de AUTOR*INNEN