eJournals Transforming cities 6/4

Transforming cities
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2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0069
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Brandschutz von Lithium-Ionen-Batterien im urbanen Raum

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Stephan Klüh
Rüdiger  Kopp
Der Bedarf an leistungsfähigen Batterien wächst weltweit und immer größere Anwendungen erobern den Markt sowohl im privaten als auch industriellen Raum. Allein in Europa werden bereits in diesem Jahr mehr als eine Million Neuzulassungen von Fahrzeugen erwartet, von denen die meisten im städtischen Umfeld unterwegs sein werden. Die E-Mobilität erlebt dank zahlreicher politischer Initiativen und Förderungen einen Höhenflug, so dass eine Zukunft, in der ein wesentlicher Anteil der Fahrzeuge elektrisch angetrieben ist, nicht mehr abwegig erscheint.
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8 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Die Zukunft auf den Straßen scheint elektrisch zu sein, doch es häufen sich zunehmend Fragen, welche Auswirkungen dies auf die Sicherheit der städtischen Infrastruktur, beispielweise Park- und Tiefgaragen, haben wird. Die Dringlichkeit dieser Fragen ist in den letzten Jahren durch Berichte von Unfällen und Bränden von Elektrofahrzeugen sichtbar geworden und so zunehmend in der Öffentlichkeit angekommen. Noch fehlen aussagekräftige Statistiken, um die Wahrscheinlichkeit von solchen Brandereignissen zu bestimmen, aber die Herausforderungen und potenziellen Gefahren für die Einsatzkräfte werden breiter diskutiert. Insbesondere das Löschverhalten von Elektrofahrzeugen steht immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit, mit Bildern von Flammen, die aus (scheinbar) gelöschten Fahrzeugen herausschlagen und selbst bei Teilen der Feuerwehr zu Verunsicherungen führten. Solche Nachrichten erregen auch deshalb viel Aufmerksamkeit, weil die Technologie noch relativ neu ist und es keine seit Jahrzehnten erprobten Taktiken bei der Bekämpfung gibt (Bild 1). Währenddessen nimmt im Windschatten der E-Mobilität auch die Verbreitung stationärer Batterieanwendungen im städtischen Raum zu. Immer mehr Energiespeicher aus Batterien werden in Städten installiert: ob als Teil der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, in Kombination mit Photovoltaikanlagen oder als Notstrom für kritische Infrastrukturen. Batterien von Elektrofahrzeugen und Energiespeichern zeigen große Ähnlichkeiten, wobei die Kapazität stationärer Anlagen noch deutlich größer werden kann. Dies gilt dementsprechend auch für das Brandrisiko, welches von den Batteriezellen ausgeht, und somit gibt es offene Fragen in Bezug auf Brandschutz. Forschungsprojekt SUVEREN Antworten auf die Fragen zur Sicherheit im Brandfall wurden im Projekt SUVEREN (www. suveren-nec.info; Laufzeit 2017 bis 2020) gesucht. Das Akronym SUVEREN steht für „Sicherheit in unterirdischen städtischen Verkehrsbereichen bei Einsatz neuer Energieträger“. Bearbeitet wurde das Projekt SUVEREN von einem Forschungskonsortium der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), der Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (STUVA) sowie der Firma FOGTEC, Entwickler Brandschutz von Lithium-Ionen- Batterien im urbanen Raum Wassernebel als erprobte Lösung zum Schutz von Energiespeichern, e-Fahrzeugen und Ladestationen Lithium-Ionen-Batterie, Brandschutz, E-Mobilität, Energiespeicher Stephan Klüh, Rüdiger Kopp Der Bedarf an leistungsfähigen Batterien wächst weltweit und immer größere Anwendungen erobern den Markt sowohl im privaten als auch industriellen Raum. Allein in Europa werden bereits in diesem Jahr mehr als eine Million Neuzulassungen von Fahrzeugen erwartet, von denen die meisten im städtischen Umfeld unterwegs sein werden. Die E-Mobilität erlebt dank zahlreicher politischer Initiativen und Förderungen einen Höhenflug, so dass eine Zukunft, in der ein wesentlicher Anteil der Fahrzeuge elektrisch angetrieben ist, nicht mehr abwegig erscheint. Bild 1: Ladestationen sind für die E-Mobilität unerlässlich, bei deren Installation in Garagen ist jedoch das erhöhte Brandrisiko von Elektrofahrzeugen während des Ladens zu beachten. ©FOGTEC Brandschutz GmbH 9 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität und Hersteller von speziellen Branderkennungs- und Brandbekämpfungssystemen. Im Fokus der Forschung stand die Untersuchung von Bränden bei Elektrofahrzeugen und deren Traktionsbatterien. Dabei wurden die drängendsten offenen Problemstellungen zum Brandverhalten identifiziert und adressiert. Versuche zum Brandverhalten von Elektrofahrzeugen Zu Beginn des Forschungsprojekts lagen nur sehr wenige öffentlich zugängliche Daten und gesichertere Informationen zum Brandverhalten von Batterien vor. Die notwendigen Erkenntnisse und Beobachtungen konnten nur durch Versuche im Realmaßstab mit echten Batterien gewonnen werden; daher wurde ein umfangreiches Versuchsprogramm zu einem zentralen Bestandteil des Forschungsprojekts. Durchgeführt wurden die Versuche in Zusammenarbeit mit dem Institut für angewandte Brandschutzforschung (IFAB) in dessen Brandlabor. Einem Batteriebrand liegt, technisch gesehen, das sogenannte „thermische Durchgehen“ zu Grunde, welches sowohl das Zündals auch das Brandverhalten von Lithium-Ionen-Batterien bestimmt. Dieses kann durch innere und äußere Einflüsse ausgelöst werden [1]. Das Bild eines Batteriebrandes ist geprägt von starkem Gasausstoß, Stichflammen in unterschiedlicher Länge und Dauer sowie deutlich hörbaren explosionsartigen Geräuschen, welche auf das Bersten der einzelnen Batteriezellen zurückzuführen sind. Die Zellen bersten aufgrund des Überdrucks, der in Folge des thermischen Durchgehens und des Verdampfens des Elektrolyten entsteht. Das ausströmende Gasgemisch besteht aus einer Vielzahl toxischer Stoffe, zum Beispiel Fluorwasserstoff (HF), und ist zündfähig [2]. Je nach Batterietyp laufen diese Prozesse sehr heftig und schnell ab. Batteriebrand erfolgreich bekämpfen Aufbauend auf den Erkenntnissen und Erfahrungen zum Brandverhalten wurden Methoden untersucht, mit denen ein solcher Brand effektiv beeinflusst und kontrolliert werden kann. Hierzu müssen zusätzlich zu den offenen Flammen auch die Reaktionen im Inneren der Batteriezellen beachtet werden, denn dort findet das eigentliche thermische Durchgehen statt. Dies kann eine Zelle so sehr aufheizen, dass Zersetzungsreaktionen auch in benachbarten Zellen beginnen und sich das thermische Durchgehen somit weiter ausbreitet. Ein Stoppen dieser Ausbreitung muss das Ziel einer erfolgreichen Brandbekämpfung sein; hierfür ist eine externe Kühlung der Batterie notwendig. Bei Elektrofahrzeugen ist der direkte Zugang zur Batterie meist durch das Fahrzeug blockiert, so dass die Kühlwirkung durch das Abführen der Brand- und Reaktionswärme aus der Umgebung erreicht wird. Für diese Aufgabe ist Wasser das empfohlene und effektivste Löschmittel, da es über herausragende Kühleigenschaften verfügt [3, 4]. Die SUVEREN-Versuche stützen diese grundsätzliche Eignung als Löschmittel. In Brandversuchen konnte die Ausbreitung des thermischen Durchgehens durch Beaufschlagung des Bereiches mit Wassernebel unterbrochen werden. Die Kühlwirkung des Wassers wird bei der Hochdruck- Wassernebel-Technologie durch die Zerstäubung des Wassers in kleinste Tröpfchen und die damit verbundene größere Oberfläche gesteigert. In der Praxis kann die Effektivität durch die Kombination mit geeigneten Brandmeldern oder anderen Technologien zur Branderkennung gesteigert werden. Eine frühe Branderkennung in Kombination mit einem frühen Beginn der Brandbekämpfung ist bei sich schnell entwickelnden Bränden, die bei Batterien in der Regel vorkommen, von großem Vorteil. Im Forschungsprojekt wurden demensprechend auch Methoden zur Branderkennung von Batterien untersucht und getestet. Forschung / Anwendung zum Brandschutz in Tiefgaragen Beim Brandschutz in Tiefgaragen muss nicht nur die Batterie, sondern das Brandverhalten des gesamten Fahrzeugs betrachtet werden. Analysen im Forschungsprojekt zeigten, dass es in Bezug auf die Brandintensität viele Gemeinsamkeiten bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb und mit Verbrennungsmotor gibt [5]. Diese Erkenntnis wurde bei der Entwicklung eines repräsentativen Test-Szenarios für Brände in Garagen berücksichtigt, damit sowohl Besonderheiten bei Bränden von E-Fahrzeugen als auch ganz allgemein das Brandverhalten der Fahrzeugklasse PKW berücksichtigt wird. Das Testszenario bestand aus einer simulierten Garage, einer Fahrzeugattrappe und einer Kombination aus Brennstoffen, mit denen ein (Elektro-) Fahrzeug nachgebildet wurde. Das Versuchskonzept wurde im Forschungsprojekt mit dem Ziel entwickelt, die Wirksamkeit einer stationären Brandbekämpfungsanlage beim Brand eines Elektrofahrzeugs beurteilen und nachweisen zu können. Durch die Festlegung reproduzierbarer Bedingungen können so verschiedene Strategien zur Brand- 10 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität bekämpfung in Garagen objektiv auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Bild 2 zeigt einen Brandversuch mit der Fahrzeugattrappe, eine detaillierte Beschreibung der Versuchsreihe ist in [6] zu finden. Im Rahmen des SUVEREN- Forschungsprojekts wurde der erste entsprechende Nachweis für eine Brandbekämpfungsanlage mit Hochdruck-Wassernebel erbracht. Das zugrundeliegende Brandszenario umfasst alle für eine Parkgarage typischen Situationen, inklusive denen an Ladestationen, die zunehmend auch innerhalb von Garagen installiert werden dürften. Da während des Ladenvorgangs von einer erhöhten Brandentstehungswahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann, ist dies ein bedeutender Aspekt. Das entwickelte Versuchskonzept entspricht den Vorgaben aus Brandschutz-Richtlinien zur schutzzielorientierten Nachweisführung, bei der die Wirksamkeit von Maßnahmen im jeweiligen Anwendungsfall in 1 : 1-Brandversuchen geprüft wird. Behördlich wird der Brandschutz in Tiefgaragen aktuell durch die Garagenverordnungen der Bundesländer geregelt, die bisher keine oder kaum Regelungen bzgl. Elektro-Fahrzeugen enthalten. Mit den vorhandenen Nachweiskonzepten sowie den Erkenntnissen zum Brandbekämpfungsverhalten von Batterien lassen sich zum Teil auch Brandschutzlösungen für verwandte Batterieanwendungen, wie beispielseise Batteriespeicher, ableiten. In diesen Fällen ist bislang kein verbindliches Prüfverfahren bekannt, so dass eine Bewertung von Brandschutzmaßnahmen im Einzelfall erfolgen muss. Die wissenschaftlichen Ergebnisse aus den SUVEREN-Brandversuchen stellen eine Basis dar und können zu einer sachgemäßen Bewertung beigetragen. Fazit In der Praxis wird die Brandbekämpfung bei Batterien durch die Zugänglichkeit des Löschmediums zur Batterieoberfläche und damit durch die Art der Batterieanwendung beeinflusst. Bei einem Elektro-Fahrzeug schirmt das Fahrzeug die Batterie vor der unmittelbaren Wirkung des Löschmittels ab. Im Gegensatz dazu kann das Einbringen des Löschmittels bei stationären Anlagen, wie zum Beispiel bei Energiespeichern, gezielter erfolgen. Wasser bleibt bei Batteriebränden durch seine gute Kühlwirkung besonders effektiv. Je nach Anwendung können allerdings die Nebenwirkungen auf elektronische Geräte eine Rolle spielen - insbesondere beim Einsatz großer Wassermengen. Die im Forschungsprojekt untersuchte Hochdruck-Wassernebel-Technologie kann einen Batteriebrand aufgrund der effektiven Nutzung der Kühlwirkung erfolgreich bekämpfen - mit vergleichsweise geringem Wassereinsatz. Nach den Ergebnissen des Forschungsprojekts SUVEREN ist eine schutzzielorientierte Nachweisführung bei Bränden mit Batterien insbesondere in Tiefgaragen unbedingt empfehlenswert, um auch bei veränderten Rahmenbedingungen ein weiterhin hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. LITERATUR [1] Ghiji, M., Edmonds, S., Moinuddin, K.: A Review of Experimental and Numerical Studies of Lithium Ion Battery Fires. Applied Sciences, Bd. 11, (2021) p. 3 - 29. [2] Kutschenreuter, M., Klüh, S., Fast, L., Leismann, F., Lakkonen, M., Rothe, R.: Fire Safety of Lithium-Ion Traction Batteries. In International Conference on Fires in vehicles (FIVE), 15.-16.12. 2020. [3] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV): Hinweise für die Brandbekämpfung von Lithium-Ionen-Akkus bei Fahrzeugbränden, Berlin, 2020. [4] Considerations for ESS Fire Safety. DNV GL, New, 2017. [5] Kutschenreuter, M., Klüh, S., Lakkonen, M., Rothe, R., Leismann, F.: Vehicles change the fire safety design in underground structures. In Proceedings from the Ninth International Symposium on Tunnel Safety and Security, Borås, Sweden, 2020. [6] Klüh, S., Leismann, F.: Brandschutz in unterirdischen Verkehrsanlagen bei zunehmender E-Mobilität - Erkenntnisse aus Brandversuchen: Batteriebrände, Schadstofffreisetzung, Löschmittel,“ in STUVA-Tagung 2021, Karlsruhe, 2021. Dipl.-Ing. Stephan Klüh F&E-Ingenieur FOGTEC Brandschutz GmbH stephan.klueh@FOGTEC.com Dipl.-Ing. Rüdiger Kopp Geschäftsführer FOGTEC Brandschutz GmbH ruediger.kopp@FOGTEC.com AUTOREN Bild 2: Brandversuch im realen Maßstab mit der Fahrzeugattrappe und dem Einsatz einer Wassernebel- Anlage. ©FOGTEC Brandschutz GmbH