eJournals Transforming cities 6/4

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0077
123
2021
64

Dritte Orte in Krisenzeiten

123
2021
Lena Greinke
Sogenannte Dritte Orte sind Orte der Zusammenkunft, in denen ein Ausgleich zu Familie und Arbeit gesucht wird. Bereits seit den 1990er Jahren wurde die Bedeutung dieser Treffpunkte untersucht und ihre Wichtigkeit verdeutlicht. In Zeiten der COVID-19-Pandemie leiden vor allem freundschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte, weil sie unter anderem durch Kontaktbeschränkungen stark reduziert werden oder vollständig ausbleiben (müssen). Mittels studentischer Beobachtungen und Befragungen der Besucher*innen von Dritten Orten in der Region Hannover im Frühjahr 2021 wird die Bedeutung dieser Räume als Anker und für den dialogischen Austausch anhand von sechs Beispielen untersucht. Ausgewählt wurden die städtischen und ländlichen Dritten Orte Bibliothek, Park, Dorfladen und Kiosk.
tc640042
42 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt Dritte Orte, auch „third places“ oder „great good places“, sind Orte der Zusammenkunft oder Gemeinschaftsorte, in denen ein Ausgleich zu Familie und Arbeit gesucht wird. Der aus den Sozial- und Kulturwissenschaften entstammende Begriff des Dritten Ortes geht auf die Konzepte von thirdspace und third space nach Bhabha [1] und Soja [2] zurück [3]. Dritte Orte sind Räume, in denen sich außerhalb von privaten und beruflichen Kontexten offen begegnet werden kann [3]. Laut des Stadtsoziologen Ray Oldenburg handelt es sich dabei um Orte der Öffentlichkeit, die außerhalb des firstplaces der Familie, also dem Zuhause, sowie dem secondplace der Arbeit und Ausbildung liegen [4 in 3]. Das Thema der Dritten Orte ist en vogue. Mittlerweile gibt es bereits Förderprogramme, die die Konzeptentwicklung und -umsetzung solcher Räume, insbesondere in ländlichen Räumen, fördern. So zum Beispiel das Programm „Dritte Orte - Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“ des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen [5]. Gekennzeichnet sind Dritte Orte durch einen niedrigschwelligen Zugang, der es allen Menschen - auch Fremden - ermöglicht zusammen zu treffen, zu kommunizieren, sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten sowie gegebenenfalls zu konsumieren [4 in 3; 6]. Diese Orte laden zum regelmäßigen Verweilen ein, sind zwanglos und informell, wodurch sie eine angenehme Atmosphäre für den Austausch schaffen [5]. Merkmale der thirdplaces sind unter anderem:  eine gute Erreichbarkeit durch eine zentrale Lage (zum Beispiel am Marktplatz),  ihre Dauerhaftigkeit als möglichst physischer Ort mit nachhaltigen Verantwortungsstrukturen,  der barrierearme und kostenlose Zugang,  geeignete Öffnungszeiten für viele Nutzer*innengruppen,  einladende Gestaltung und Atmosphäre, die unterschiedliche Nutzungen zulassen  Vernetzung verschiedener Nutzungen, um Kooperationen zu fördern und  die Einbindung in die Stadt-/ Dorfbzw. Regionalentwicklung [7]. Zu Orten der Begegnung in urbanen und ländlich geprägten Gebieten können unterschiedliche Räume zählen. Es sind nicht nur Orte, in denen sich Menschen begegnen, sondern auch Begegnungen mit Literatur, Technik und neuen Medien stattfinden können [3]. Zu Dritten Orten zählen somit zum Beispiel auch Öffentliche Bibliotheken [3], Parkanlagen, Museen, Musikschulen [6], Kulturzentren, Kirchen oder Kioske sowie viele weitere Räume. Diese Orte ermöglichen Partizipation, bringen Menschen Dritte Orte in Krisenzeiten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Orte der Zusammenkunft und Gemeinschaft Dritte Orte, Third Places, Great Good Places, COVID-19, Gemeinschaft, Region Hannover Lena Greinke Sogenannte Dritte Orte sind Orte der Zusammenkunft, in denen ein Ausgleich zu Familie und Arbeit gesucht wird. Bereits seit den 1990er Jahren wurde die Bedeutung dieser Treffpunkte untersucht und ihre Wichtigkeit verdeutlicht. In Zeiten der COVID-19-Pandemie leiden vor allem freundschaftliche und nachbarschaftliche Kontakte, weil sie unter anderem durch Kontaktbeschränkungen stark reduziert werden oder vollständig ausbleiben (müssen). Mittels studentischer Beobachtungen und Befragungen der Besucher*innen von Dritten Orten in der Region Hannover im Frühjahr 2021 wird die Bedeutung dieser Räume als Anker und für den dialogischen Austausch anhand von sechs Beispielen untersucht. Ausgewählt wurden die städtischen und ländlichen Dritten Orte Bibliothek, Park, Dorfladen und Kiosk. Hannover Isernhagen Sehnde Springe Bild 1: Ausgewählte Beispiele Dritter Orte in der Region Hannover. (Kartengrundlage verändert nach Open- StreetMap.org) Grafik © Greinke Georgengarten Stadtbibliothek Springe Dorfladen Bolzum Stadtbibliothek Hannover Kiosk Kochstraße Wietzepark © Gemeinde Isernhagen © Gemeinde Isernhagen © Dorfladen Bolzum 43 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt zusammen und schaffen Lebensqualität [8]. Zudem könnten auch digitale Räume wie zum Beispiel Facebook, Twitter, Instagram etc. als Dritte Orte fungieren, jedoch fehlt ihnen die unabdingbare reale und dreidimensionale Begegnung, die thirdplaces ausmachen [6]. Räume der Begegnung sind vielfältig, doch wie verändern sie sich durch die COVID- 19-Pandemie? Welche Rolle spielen Dritte Orte in Krisenzeiten? Welchen Beitrag können sie zum Austausch in der Gemeinschaft leisten? Diese und weitere Fragen werden in diesem Beitrag analysiert. Ziel ist es, aufzuzeigen, inwiefern Dritte Orte für nachbarschaftliche und freundschaftliche Kontakte von Bedeutung sind sowie inwiefern sie wichtig für Städte, ländliche Räume und die Gesellschaft sind. Analyse Dritter Orte am Beispiel der Region Hannover Um die Bedeutung und Wichtigkeit der Dritten Orte für die Gesellschaft sowie für städtisch und ländlich geprägte Räume zu analysieren, werden je drei beispielhaft ausgewählte Dritte Orte in städtischen und ländlichen Räumen in der Region Hannover untersucht. Die im Jahr 2001 aus einem Zusammenschluss des Kommunalverbandes Großraum Hannover und des Landkreises Hannover hervorgegangene Region Hannover besteht aus 21 Städten und Gemeinden und schließt die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover ein. In der Region leben circa 1,2- Mio. Menschen [8]. Die Kommunen in der Region sind sehr divers: Sowohl landschaftlich als auch strukturell unterscheiden sie sich voneinander. So gibt es eher ländlich geprägte Kommunen (zum Beispiel die Stadt Springe oder die Gemeinde Uetze) und vornehmlich städtisch geprägte Kommunen (zum Beispiel die Stadt Garbsen oder die Gemeinde Isernhagen) [nach 10, 11]. Sie unterscheiden sich teilräumlich differenziert betrachtet in ihren Charakteristika. Zu den ausgewählten Beispielen Dritter Orte in der Region Hannover gehören der Stadtpark Georgengarten, die Stadtbibliothek und der Kiosk an der Kochstraße in der Stadt Hannover sowie der Landschaftspark Wietzepark zwischen der Stadt Langenhagen und der Gemeinde Isernhagen, die Stadtbibliothek in Springe und der Dorfladen Bolzum in der Stadt Sehnde (Bild 1). Alle Beispiele haben gemein, dass sie als Treffpunkte fungieren und die zentralen Merkmale der thirdplaces erfüllen. Im Juni 2021 befragten Studierende des Bachelorstudiengangs Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität mittels standardisierter Umfrage 107 Personen, die die ausgewählten Dritten Orte aufsuchten. Für die standardisierte Umfrage wurde ein Fragebogen erstellt, welcher folgende sechs geschlossenen Fragen enthielt: 1. Wofür benutzen Sie persönlich diesen Ort? 2. Wie oft besuchen Sie diesen Ort? 3. Wie schätzen Sie den Zustand des Ortes ein? 4. Gibt es Optimierungsbedarf? Wenn ja, in welchem Bereich? 5. Wie empfinden Sie den Einfluss des Ortes auf Ihr Wohlbefinden? 6. Wie hoch schätzen Sie die Bedeutung des Ortes für den Stadtteil/ das Dorf ein? Die Befragten konnten in Frage eins, zwei und vier aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten auswählen. Die Fragen drei, fünf und sechs wurden von den Befragten mittels Nominalskala von 1 (sehr gering/ schlecht) bis 10 (sehr hoch/ gut) eingeschätzt. Die Antworten wurden gezählt und analysiert. Insgesamt identifizierten sich 57 Personen der Befragten als männlich, 47 Personen als weiblich und eine als divers. Die Befragten waren zwischen 12 und 68 Jahren alt, wobei die Altersgruppe der 19bis 30-Jährigen den größten Anteil mit 34-Personen ausmachte (Bild 2). Bei der Altersverteilung fällt auf, dass in ländlichen Räumen überwiegend ältere Personen befragt wurden, während in urbanen Räumen vermehrt jüngere Befragte teilnahmen. Chancen und Risiken der Dritten Orte in der COVID-19-Pandemie Die untersuchten Dritten Orte wurden auch während der COVID-19-Pandemie im Frühjahr des Jahres 2021 recht regelmäßig aufgesucht. Circa 43 % der Befragten gaben an, den Dritten Ort öfter als einmal in der Woche zu besuchen, rund 23 % suchen die Orte mindestens einmal pro Woche auf und lediglich 14 % der Befragten sind seltener als einmal Bild 2: Alter der Befragten bei der standardisierten Umfrage. © Greinke 44 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt im Monat vor Ort (Bild 3). Dritte Orte sind folglich auch in Krisenzeiten bedeutende Anlaufpunkte, die für den Austausch untereinander genutzt werden (können). Dennoch ist und bleibt eine große Herausforderung in der COVID-19-Pandemie das Social Distancing aufgrund der Hygieneregeln, die dafür sorgen, dass Menschen größere Abstände zueinander einhalten müssen. Zudem führten Lockdowns dazu, dass Dritte Orte phasenweise geschlossen werden mussten oder verwaist blieben. Insbesondere in solchen Situationen fehlt der spontane dialogische Austausch der Gemeinschaften, in dem neue Kontakte und Ideen entstehen können. Thirdplaces, die zuvor auch Ideenschmiede und Innovationsraum waren, brechen weg und verringern dadurch gegebenenfalls den Gedankenaustausch sowie die Inspiration der Menschen in einer Gemeinschaft. Besonders Parks als Dritte Orte in städtischen und ländlichen Räumen dienen den Menschen - auch in der COVID-19-Pandemie - zur Erholung und zum Entspannen. Die Beobachtungen zeigen, dass die Parks während des Lockdowns im Frühjahr 2021 teilweise weniger frequentiert werden, jedoch sind sie weiterhin Räume, in denen die Menschen entspannen können. Zum Teil werden sie sogar zu neuen Treffpunkten. Allerdings wurden zeitweise auch Parties im Georgengarten gefeiert, die mit Hilfe der Polizei beendet werden mussten. Eine erhöhte Gewaltbereitschaft gegenüber Beamten sei jedoch nicht zu erkennen gewesen. Teilweise wurde sogar über Lösungsansätze in Form von Vermittler*innen oder Nachtbürgermeister*innen diskutiert, die in der Stadt Osnabrück bereits zum Einsatz kamen [12]. Vielerorts - so auch in den zwei untersuchten Parks - wurde das Spazierengehen in der Pandemiezeit neu entdeckt. Zudem trägt vermutlich ein verändertes touristisches Verhalten, weg von Fern- und Auslandreisen hin zu Tagesausflügen zumeist in der näheren Umgebung, zur Nutzung der Parks bei. Als Dritte Orte können sie folglich zu wichtigen Treffpunkten werden, weil sie im Freien liegen und Hygieneregeln eingehalten werden können. Dorfläden und Kioske decken zahlreiche der Merkmale Dritter Orte ab. Sie sind Orte, die spontan aufgesucht werden können und zur Geselligkeit einladen. Zumeist sind sie charakterisiert durch eine entspannte Atmosphäre, die zum Wohlfühlen einlädt. Zwar unterschieden sich die untersuchten Beispiele in ihrer Konzeption und Funktion, dennoch lassen es die Dritten Orte zu, Abstand von den Gedanken zu Arbeit und Familie zu gewinnen. Im untersuchten Dorfladen steht insbesondere die Funktion als Nahversorger in Zeiten der Pandemie im Mittelpunkt. Zwar haben auch im Dorfladen einige Hygienevorschriften die Schließung von (Teil-) Bereichen verursacht, allerdings trägt der Dorfladen durch seinen barrierearmen Zugang zur Daseinsvorsorge bei, weil sich die Menschen vor Ort weiterhin versorgen können. Besonders der untersuchte Kiosk stellte sich als ein wichtiger Treffpunkt für die Menschen heraus, weil dieser frei zugänglich war. Der Verkauf musste zwar auf die Außenflächen verlegt werden bzw. durch ein Fenster erfolgen, jedoch bildete der Dritte Ort nach wie vor eine zwanglose Anlaufstelle und lud zum geselligen Austausch ein. In Krisenzeiten können solche Orte besonders wichtig werden, weil sie den nötigen Ausgleich zum Familienleben mit zum Teil aufwendiger Kinderbetreuung und Homeoffice mit vollen Arbeitstagen schaffen können. Dritte Orte schaffen aber nicht nur Räume für soziale Kontakte zu anderen Menschen, sondern ermöglichen sie im Beispiel der Bibliotheken auch die Interaktion mit unterschiedlichen Medien (zum Beispiel Bücher oder Onlineinformationen) [13]. In Krisenzeiten besteht bei Schließung der Dritten Orte die Gefahr, dass diese Interaktion verringert wird oder gar ausbleibt. Davon sind vor allem Personen betroffen, die außerhalb von Bibliotheken keinen Zugang zu den dort verfügbaren Medien haben. Insofern übernehmen Bibliotheken als Dritte Orte auch eine Verantwortung für Bildung, zum Beispiel durch die Vermittlung von Lese-Recherche und Medienkompetenz [3]. Werden folglich die Dritten Orte (zeitweise) geschlossen, kann das für die Menschen nicht nur den Verlust der sozialen Kontakte, sondern auch der Interaktion mit anderen Medien und den damit verbundenen Chancen bedeuten. Dritte Orte als „Zwischen- und Möglichkeitsräume für informelle und formelle Kommunikation“ [14] sind bereits vor der COVID-19-Pandemie wichtige Treffpunkte für die Menschen gewesen. Jedoch wird ihre Bedeutung in Zeiten der Pandemie umso deutlicher. Insgesamt knapp 52 % der Befragten gaben an, dass der Stellenwert der Dritten Orte für sie sehr hoch ist (Bild 4). Auffällig ist, dass nie- Bild 3: Häufigkeit der Besuche der Dritten Orte. © Greinke 45 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt mand den Orten einen sehr geringen oder geringen Stellenwert zuordnet. Somit sind die ausgewählten Beispiele wichtige Orte der Zusammenkunft, die insbesondere auch in Krisenzeiten ein Bezugs- oder Treffpunkt sowie Anker sein können. Zwar mussten die meisten Orte während der Lockdowns schließen, jedoch gab es größtenteils immer noch eingeschränkte Angebote (zum Beispiel reduzierte Öffnungszeiten oder Fensterverkauf), sodass der Zugang weiterhin möglich war und unterschiedliche soziale Gruppen aufeinandertreffen konnten [15]. Dadurch war es Menschen aus der Nachbarschaft in der Pandemie möglich, wenigstens zeitweise sowie in geringem Umfang und Ausmaß mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Besonders in Zeiten, in denen durch Hygieneregeln der Abstand zu den Mitmenschen größer sein muss, können Dritte Orte den Besuchenden Halt geben und als Anlaufstelle zugleich Hoffnung schenken. An oder in den Dritten Orten war es zumindest eingeschränkt möglich, sich zu treffen und auszutauschen, um einen Ausgleich zu Familien- und Berufsleben zu erlangen sowie soziale Beziehungen zu pflegen [15]. Dritte Orte können zudem eine Chance sein, sich hierarchielos und ungezwungen aus alltäglichen Rollen zurückzuziehen [15] und das Wohlbefinden der Besuchenden positiv zu beeinflussen. Die Befragung zeigt, dass sie einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten [15]. Rund 93 % der Befragten gaben an, dass der besuchte Ditte Ort ihr Wohlbefinden stark bis sehr stark beeinflusst (Bild- 5). Dabei fällt auf, dass sowohl städtisch als auch ländlich geprägte Dritte Orte einen positiven Einfluss haben können: Dritte Orte sind eine Chance für die Menschen sich bei einladender Atmosphäre zu vernetzen. Der Kontakt zur Nachbarschaft und den Besuchenden der thirdplaces ermöglicht eine positive Stimmung, die insbesondere in Krisenzeiten bedeutsam sein kann. In Zeiten von Homeoffice und -schooling sind solche Treffpunkte besonders wertvoll für die Gemeinschaft. Dritte Orte können ein gutes Miteinander schaffen, welches sich vorteilhaft auf die Menschen auswirkt. Die Gesellschaft braucht diese zugänglichen und nicht-kommerziellen Begegnungsorte [8]. Dritte Orte erhalten und stärken Dritte Orte, an denen spontane Interaktionen, zum Beispiel auch gemeinsames Lachen und Streiten möglich sind und sogar gefördert werden, gilt es zukünftig zu erhalten und weiterzuentwickeln. In der Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts sind es diese thirdplaces, die ein Miteinander aufbauen und erhalten können. Eine der wichtigen Funktionen der Dritten Orte, das Pflegen einer Gemeinschaft, sollte insbesondere in Krisenzeiten nicht außer Acht gelassen werden. Durch die COVID-19-Pandemie, die soziale Distanz fördert, besteht die Gefahr, dass nachbarschaftliche Kontakte reduziert werden und Dritte Orte an Bedeutung verlieren. So haben auch die Untersuchungen gezeigt, dass sowohl in ländlichen als auch in städtisch geprägten Räumen thirdplaces wichtige analoge Treffpunkte und Begegnungsorte sind, die es zu erhalten gilt. Die mittlerweile recht etablierten Formate des digitalen Austausches (zum Beispiel Telefonie oder Videokonferenzen) können zwar phasenweise fehlende Kontakte und Interaktionen mit anderen Menschen und Medien abfangen, jedoch ist es nicht möglich, mit ihnen reale Begegnungen und damit auch physische Orte zu ersetzen. Insbesondere „Bürgerdialoge oder Nachbarschaftsinitiativen funktionieren nicht im virtuellen Raum, sondern brauchen die lokale Anbindung für ihre Identität und Glaubwürdigkeit“ [8]. Verringerter Zugang zu öffentlichen Dritten Orten sollte deshalb zukünftig (weiter oder wieder) reduziert werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Gemeinschaften und Nachbarschaften zu stärken und lebendige, reale (Dritte) Orte zu erhalten. Die analysierten Beispiele Dritter Orte in städtischen und ländlichen Räumen können allesamt als wichtige Räume für die Menschen charakterisiert Bild 4: Stellenwert der Dritten Orte für die Besuchenden. © Greinke Bild 5: Einfluss der Dritten Orte auf das Wohlbefinden der Besuchenden. © Greinke 46 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt werden - sowohl vor, während und vermutlich auch nach der COVID-19-Pandemie. Die Merkmale der Beispiele unterscheiden sich zum Teil von einander: Während Parks eher zur Erholung und zum Entspannen dienen, leisten Bibliotheken einen Beitrag zur Bildung und bieten Möglichkeiten zu Interaktionen mit Medien. Kioske und Dorfläden hingegen laden zur Geselligkeit und Versorgung der Menschen ein. Jedoch muss beachtet werden, dass die Merkmale Dritter Orte sehr individuell ausdefiniert werden können: Für einige Menschen ist es gemütlich, im Park spazieren zu gehen, wohingegen andere sich im Gespräch am Kiosk besser entspannen. Kritisch zu betrachten ist zudem der mögliche Ausschluss von Menschen durch eingeschränkte Öffnungszeiten, begrenzte Zugänglichkeit oder finanzielle Belastungen zum Beispiel durch Eintrittsgelder, die Dritte Orte auslösen können. Gemein haben alle untersuchten thirdplaces, dass sie einladend sind und sich positiv auf die Stimmung der Besucher auswirken. Unterschiedlich ausgeprägt sind jedoch die freie Zugänglichkeit und die Anregung zur Kommunikation. Zukünftig sollte die Bedeutung der thirdplaces für soziale Kontakte sowie die Stadt- und Kommunalentwicklung weiter untersucht werden. Damit alle Menschen ihre Dritten Orte als „Great Good Places“ [4] finden können, gilt es, viele unterschiedliche Räume zu erhalten und zu entwickeln. Dritte Orte sind eine Chance und sollten auch zukünftig bedeutsam für Städte, Kommunen und die Gesellschaft sein. LITERATUR [1] Bhabha, H. K.: The location of culture. London, New York: Routledge, 1994. [2] Soja, E. W.: Thirdspace: Journeys to Loss Angeles and other Real-and-imagined Places. Cambridge, Oxford: Blackwell, 2007. [3] Thiele, K., Klagge, B.: Öffentliche Bibliotheken als dritte Orte und Bildungsgerechtigkeit in Zeiten von Covid-19. S. 552-559, in: BIBLIOTHEK - Forschung und Praxis 2020; 44 (3) (2020). [4] Oldenburg, R.: The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons, and other Hangouts at the Heart Community. New York: Paragon House, 1989. [5] Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: Dritte Orte, 2021. URL: https: / / www.mkw.nrw/ kultur/ foerderungen/ dritte-orte [6] Bangert, H.: Soziokultur und >>Dritte Orte<<. S. 373 - 378 in: Sievers, N.; Blumenreich, U.; Dengel, S.; Wingert, C. (Hrsg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2019/ 20. Bielefeld, 2020: transcript Verlag. https: / / doi.org/ 10.14361/ 9783839444917-052 [7] Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (2020): Merkmale eines Dritten Ortes. URL: https: / / www.mkw.nrw/ sites/ default/ files/ documents/ 2019-01/ mkw_nrw_kultur_dritteorte_merkmale_0.pdf [8] Haist, K., Kutz, S.: Viele Corona-Begegnungsorte während und nach der Pandemie: Wiedereröffnet, aber nicht offen. In: Alternative Kommunalpolitik 5/ 2020 (2020) S. 20 - 21. [9] Region Hannover: Die Region Hannover Stellt sich vor, 2021. URL: https: / / www.hannover.de/ Leben-inder-Region-Hannover/ Ver waltungen-Kommunen/ Die-Verwaltung-der-Region-Hannover/ Stellt-sich-vor [10] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Raumabgrenzungen. Übersicht Raumabgrenzungen. Raumtypen 2010: Besiedelung und Lage. 2021. URL: https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ forschung/ raumbeobachtung/ Raumabgrenzungen/ deut s chland/ gemeinden/ R aumt y pen2010 _v bg / raumTypenBesiedlLage_ 2019.csv; jsessionid=3B94 A 577D366C 769BC 2FB12 A635E 7D37.live21302? _ _ blob=publicationFile&v=5 [11] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung: Raumabgrenzungen. Übersicht Raumabgrenzungen. 2021. URL: https: / / www.bbsr.bund.de/ BBSR/ DE/ forschung/ raumbeobachtung/ downloads/ downloadreferenzen.html? nn=2544954 [12] Norddeutscher Rundfunk: Vermehrt Party-Ärger: Hannover erwägt Nachtbürgermeister. 2021. URL: https: / / w w w.ndr.de/ nachrichten/ niedersachsen/ hannover_weser-leinegebiet/ Vermehrt-Party-Aerger-Hannover-erwaegt-Nachtbuergermeister,nachtb uergermeister104.html [13] Houghton, K., Foth, M., Miller, E.: The continuing relevance of the library as a third place for users and non-users of IT: The case of Canada Bay. Aust Libr J 62(1) (2013) S. 27 - 39. [14] Bingel, K.: Dritte Orte kreativ-urbaner Milieus. Eine gendersensible Betrachtung am Beispiel Braunschweig. Transcript Verlag, 2019. [15] Schmidt, S.: Open Creative Labs - Treffpunkte für Kreative? . Standort 44 (2020) S. 67 - 72. https: / / doi. org/ 10.1007/ s00548-020-00638-x Meinen Dank möchte ich den Studierenden der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover aussprechen, die die Erhebungen durchgeführt haben: Lara Adenbeck, Ole Christiansen, Charlotte Felmberg, Mitja Hecht, Johanna Hefekerl, Jakob Lück, Greta Meinke, Julius Röber, Liv Scheil, Lucia Stiebler, Catharina von Cölln und Lisa Wiegmann. Dr. Lena Greinke Wissenschaftliche Mitarbeiterin in Forschung und Lehre Institut für Umweltplanung Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover Kontakt: greinke@umwelt.uni-hannover.de AUTORIN