eJournals Transforming cities 6/4

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2021-0078
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Probieren als Entscheidungshilfe bei der Standortwahl

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Constanze Zöllter
Stefanie Rößler
Robert Knippschild
Klein- und Mittelstädte im demografischen und ökonomischen Strukturwandel brauchen neue Ansätze, um ihre Potenziale zu fördern und damit der Abwanderung, Leerständen sowie weiterem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. In der Stadt Görlitz wird seit einigen Jahren ein experimenteller Ansatz erprobt, durch den interessierte Personen den Standort für eine begrenzte Zeit ausprobieren und mit ihren Bewertungen und Erfahrungen neue Sichtweisen auf eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung erlauben.
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47 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt Informelle Ansätze für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung Mit dem Projekt „Stadt auf Probe - Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ wurde ein Ansatz entwickelt, wie Städte im demografischen und ökonomischen Strukturwandel ihre Potenziale besser nutzen, fördern und damit Gegenentwürfe zu Abwanderung, Leerstand sowie einem weiteren Bedeutungsverlust etablieren können. Interessierte Personen bekamen die Möglichkeit, den Wohn- und Arbeitsstandort Görlitz für vier Wochen auszuprobieren und vorhandene Netzwerke und Institutionen kennenzulernen. Ein solch experimenteller Ansatz des „Ausprobierens“ kann zum einen Hürden und Unsicherheiten auf Seiten potenzieller Zuzügler abbauen. Zum anderen ermöglicht es Städten, einen Blick von außen auf die lokalen Gegebenheiten zu bekommen. Die (wenn auch nur zeitweilige) Nutzung und Bespielung vorhandener Raumangebote schafft Aufmerksamkeit in der Stadtgesellschaft und ermöglicht das Probieren als Entscheidungshilfe bei der Standortwahl Das Projekt „Stadt auf Probe - Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ Experimentelle Ansätze in der Stadtentwicklung, Erprobung, Mittelstadt, peripherer Raum Constanze Zöllter, Stefanie Rößler, Robert Knippschild Klein- und Mittelstädte im demografischen und ökonomischen Strukturwandel brauchen neue Ansätze, um ihre Potenziale zu fördern und damit der Abwanderung, Leerständen sowie weiterem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. In der Stadt Görlitz wird seit einigen Jahren ein experimenteller Ansatz erprobt, durch den interessierte Personen den Standort für eine begrenzte Zeit ausprobieren und mit ihren Bewertungen und Erfahrungen neue Sichtweisen auf eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung erlauben. 48 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt Ausprobieren von Aktivitäten und Angeboten. Im Sinne eines Reallabors liegt auch eine wesentliche Chance in der transdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft, um neue Fragestellungen zu erörtern, aber auch gemeinsam neues Wissen zu generieren und methodische Herangehensweisen stetig zu reflektieren [1, 2]. Projektansatz „Stadt auf Probe - Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ Mit dem im Rahmen der „Nationalen Stadtentwicklungspolitik“ vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) / Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen einer Ko-Finanzierung geförderten Projekt wurden ein seit 2008 etablierter Probe-Ansatz erweitert [3, 4]. Ausführlicher wurde dazu bereits in dieser Zeitschrift berichtet [5]. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Vorgängerprojekte zielte das Projekt „Stadt auf Probe - Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ nun auf Personen, die ortsungebunden, zum Beispiel freiberuflich und eventuell in der Kreativwirtschaft arbeiten und die sich für die Stadt Görlitz als Wohn- und Arbeitsort interessieren (zu den Rahmenbedingungen der Stadt siehe [5]). Dafür wurden ihnen für den Zeitraum von vier Wochen jeweils ein Wohnsowie ein Arbeitsraum zur Verfügung gestellt, damit sie ihre Erwerbstätigkeit nach Görlitz mitbringen und den Alltag in der Stadt ausprobieren konnten. Neben der Stadt Görlitz und der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft KommWohnen Service GmbH, die drei möblierte Wohnungen bereit hielt, wirkten lokale Initiativen mit, die Arbeitsräume und Anknüpfungspunkte für Netzwerke anboten. Der Verein KoLABORacja e. V. stellte einen Arbeitsplatz in einem CoWorking-Space zur Verfügung (Bild 1), der Kühlhaus Görlitz e. V. verschiedene Werkstätten (Bild 2) und der Verein Wildwuchs e. V. einen Ausstellungsraum (Bild 3). Nach einem offenen Teilnahmeaufruf gingen insgesamt Bewerbungen von 149 Personen bzw. Haushalten ein. Zusammen mit den Begleitpersonen haben sich 223 Personen für das Projekt interessiert, darunter 12 Familien mit insgesamt 17 Kindern. Mehr als zwei Drittel der Bewerber*innen lebten zum Zeitpunkt der Bewerbung in einer Großstadt mit mehr als 100 000 Einwohner*innen (Bild 4). Als Motivation zur Teilnahme gaben die Bewerber*innen Interesse an der Stadt Görlitz an (90 %) sowie die Suche nach einem neuen Wohnort (62 %) und nach neuen Netzwerken (61 %) an. Die Bewerber*innen arbeiteten in einem breiten Spektrum im künstlerisch-kreativen, aber auch Dienstleistungsbereich. Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgte nach Kriterien, die sich aus der Zielstellung des Projektes ableiteten. Zunächst wurde anhand der Herkunft, des Familienstandes, der Motivation zur Projektteilnahme und der Beziehung zur Stadt Görlitz eingeschätzt, wie glaubhaft die Auseinandersetzung mit einem neuen Wohn- und Arbeitsstandort ist. Die endgültige Auswahl der Teilnehmenden erfolgte anhand der dargestellten Motivationen und Tätigkeitsfelder. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten nur 15 der ursprünglich geplanten 18 Durchläufe mit jeweils drei Haushalten, die parallel in der Stadt zur Probe wohnten, stattfinden. In dieser Zeit konnten im Rahmen von Fragebögen und Interviews Daten von 47 Teilnehmenden erhoben und wissenschaftlich ausgewertet werden (zu den Altersgruppen vgl. Bild 5; zur Umzugsmotivation vgl. Bild 6). Bild 1 (links): Arbeitsraum im KoL ABOR. © Paul Glaser Bild 2 (Mitte): Kreativwerkstatt im Kühlhaus. © Juliane Wedlich Bild 3 (rechts): Ausstellungsraum des Wildwuchs-e. V. © Sascha Röhricht 69% 13% 9% 9% Herkunftsorte der Bewerber*innen Großstadt (mehr als 100.000 Einwohner*innen) Mittelstadt (20.000 - 100.000 Einwohner*innen) Kleinstadt (5.000 - 20.000 Einwohner*innen) größerer Ort oder Landgemeinde (unter 5.000 Einwohner*innen) N= 149 Bild 4: Herkunftsorte der Bewerber*innen im Projekt „Stadt auf Probe“. © Zöllter et al. 49 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt Projektergebnisse Die Teilnehmenden im Projekt „Stadt auf Probe“ machten in einem umfangreichen Online-Fragebogen vor ihrer Ankunft in Görlitz Angaben zu ihrem aktuellen Wohn- und Arbeits(stand)ort sowie zu Wünschen und Bedarfen für einen potenziellen neuen Standort. Nach verschiedenen Gruppengesprächen während des Aufenthaltes wurde an dessen Ende ein leitfadengestütztes Interview mit den Teilnehmenden insbesondere zu ihren Erfahrungen vor Ort in Görlitz durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Folgenden zusammengefasst. Lebensphase und Leidensdruck Es wurde deutlich, dass Standortentscheidungen durchaus auch emotionale und persönliche Entscheidungen sind, die nicht ausschließlich auf das Vorhandensein spezifischer (Standort-)Faktoren zurückzuführen sind und in der Regel sehr bewusst und überdacht getroffen werden. Die Bewerbungen zum Projekt zeigten, dass vor allem Personen in der Familiengründungsphase - nach Abschluss einer Ausbildungsphase oder nach der ersten Etablierung im Erwerbsleben - über einen Standortwechsel nachdachten. Standörtliche Veränderungen kamen auch für Menschen in Frage, die in ihrem Erwerbsleben bereits erfolgreich waren und, häufig nach Auszug der Kinder, noch einmal über eine berufliche und räumliche Neuorientierung nachdachten. Bereits bei den Bewerbungen zur Projektteilnahme wurde die Annahme bestätigt, dass sich Personen, die zunehmend unter den Überlastungserscheinungen vieler Großstädte leiden, aktiv nach einem alternativen Wohnstandort umsehen. Häufig wurde eine Unzufriedenheit mit dem Angebot und den Mietpreisen auf dem lokalen Wohnungsmarkt, den Möglichkeiten zum Eigentumserwerb sowie auch mit der hohen Verkehrs- und Lärmbelastung am Wohnstandort angegeben. Weitere Motivationen waren die Mietpreise für Arbeitsräume sowie deren Ausstattung und der Wunsch, Wohnen und Arbeiten räumlich zu trennen. Probieren als Entscheidungshilfe und Türöffner Die Möglichkeit des Ausprobierens nutzen viele Personen auch als persönliches Experiment, um sich über ihre Wohnbedürfnisse und Anforderungen an einen Standort mehr Klarheit zu verschaffen. So zogen einige Teilnehmende am Ende ihres Aufenthaltes das allgemeine Fazit, dass ihnen die Ruhe und Entschleunigung einer kleineren Stadt gefiel. Gleichzeitig sind die häufig in der Kultur- und Kreativwirtschaft Tätigen zum einen an mehreren Standorten präsent, zum anderen aber auch bezogen auf ihren Beruf einer gewissen Unsicherheit ausgesetzt. Häufiger wurden daher auch die Möglichkeiten eines vorübergehenden Aufenthaltes in solch einer Stadt angesprochen oder auch das Potenzial als Zweitwohnsitz. Qualität, Quantität und Zugänge auf dem Wohnungsmarkt Die vielen leer stehenden Wohnungen und Gewerberäume und die vergleichsweise günstigen Mieten zogen das Interesse vieler Teilnehmender auf sich und wurden von diesen auch als wesentliches Potenzial der Stadt Görlitz bewertet. Die Zahlungsbereitschaft der Teilnehmenden lag etwas über dem Durchschnitt des lokalen Wohnungsmarktes. Allerdings wurden auch Ansprüche formuliert, die auf dem Wohnungsmarkt in Görlitz offenbar nur bedingt abgedeckt sind. Gerade bezüglich angebotener Altbauwohnungen in einer Stadt mit einem solch großen historischen Gebäudebestand wurden mehr Wohnungen mit individueller Gestaltung, hochwertiger Sanierung und historischen Elementen erwartet. Neben bereits fertig sanierten wurden außerdem unsanierte Wohnungen nachgefragt, die 15% 41% 17% 19% 4% 4% Altersgruppen der Teilnehmenden 18-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60 Jahre und älter keine Angabe gemacht N= 47 17% 53% 28% 2% Haben Sie vor nach Görlitz zu ziehen? Ja, das plane ich. Ich kann es mir vorstellen, hängt aber noch von verschiedenen Dingen ab. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. keine Aussage N = 47 Bild 5: Altersgruppen der Teilnehmenden im Projekt „Stadt auf Probe“. © Zöllter et al. Bild 6: Umzugsmotivation der Teilnehmenden im Projekt „Stadt auf Probe“. © Zöllter et al. 50 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt individuell gestaltet werden können. Ebenso wurde ein Bedarf an flexibel nutzbaren Räumen, die beispielsweise auch eine Kombination von Wohnen und Arbeiten ermöglichen, oder auch neuen „Wohnmodellen“ deutlich, wie Gemeinschaftswohnmodelle oder Baugemeinschaften. Aufgrund der sehr kleinteiligen Anbieterstruktur innerhalb der Stadt empfanden es viele Teilnehmenden schwer, sich einen Gesamtüberblick über den Immobilienmarkt zu verschaffen. Mittelstädte als Ort der Entschleunigung und Inspiration Charakteristische Eigenschaften einer Mittelstadt wie die Übersichtlichkeit, die kurzen Wege innerhalb der Stadt und die damit häufig verbundene Entschleunigung des Alltages, aber auch die wenigen Ablenkungen wurden positiv eingeschätzt, um etwa konzentriert an einem Projekt zu arbeiten. Die Möglichkeit einer intensiven Schaffensphase konnte teilweise auch die fehlenden Anregungen der gewohnten großstädtischen Umgebung aufwiegen. Je nach Tätigkeit konnte das besondere städtebauliche Umfeld, das „Unperfekte“ oder „Unfertige“, aber auch zu neuen Ideen und zur Inspiration beitragen. Die räumlichen, aber auch gedanklichen Freiräume, denen die Teilnehmenden begegneten, sowie die Offenheit und Toleranz gegenüber ihren ausgeübten Tätigkeiten, trugen wesentlich zur Wahrnehmung der Stadt Görlitz als einem geeigneten Standort für kreativ Tätige bei. Mittelstädte als ökonomisch tragfähige Orte für die Kultur- und Kreativwirtschaft Die Eignung von Görlitz als ökonomisch tragfähiger Arbeitsstandort für freiberufliche Kreative ist abhängig von der ausgeübten Tätigkeit. Für diejenigen, die vorwiegend online arbeiten oder keinen lokalen Absatzmarkt benötigen, war die Stadt aufgrund ihrer bereits genannten Potenziale eine reelle Option als Wohnstandort. Bei Tätigkeiten, die auch auf einen lokalen Absatzmarkt angewiesen waren, hing die Eignung davon ab, wie die Potenziale des Standortes tatsächlich genutzt werden konnten, um neue Märkte zu erschließen, neue Geschäftsideen zu entwickeln und die eigene Erwerbstätigkeit auszubauen. Stellenweise beschrieben die Teilnehmenden auch eine fehlende Bereitschaft von Personen außerhalb ihrer Netzwerke, die Arbeit von Kultur- und Kreativwirtschaft wertzuschätzen und entsprechend zu fördern und zu unterstützen. Gleichzeitig schwang bei den Teilnehmenden immer die Besorgnis mit, bei einer Professionalisierung und damit einhergehenden Kommerzialisierung der Aktivitäten vor allem im Kultur- und Kreativbereich ähnliche Prozesse wie in vielen Großstädten, mit oft auch negativen Auswirkungen, in Gang zu setzen und damit die Potenziale und Anziehungsfaktoren der Stadt auf längere Sicht zu verlieren. Verkehrsanbindung von Mittelstädten Viele Teilnehmende waren vor allem für die Ausübung ihrer Tätigkeit auf eine gute Anbindung der Stadt an andere - vornehmlich - deutsche Großstädte und Metropolregionen angewiesen. Dabei stand vor allem die Bahnverbindung im Vordergrund. Hierzu gab es unterschiedliche Bewertungen, inwiefern das Streckennetz und die Taktung vor allem in die Städte Dresden und Berlin bereits ausreichend seien. Die Ausdünnung der Verbindungen an den Tagesrandlagen wurde kritisch gesehen und die fehlende Fernverkehrs-Anbindung der Stadt Görlitz wurde immer wieder thematisiert und von den Teilnehmenden größtenteils gefordert. Neben den rein praktischen Vorzügen einer qualitätsvollen Zuganbindung auf Fernverkehrsniveau, spielte durchaus auch die damit verbundene Wahrnehmung einer gut und komfortabel erreichbaren Stadt eine Rolle. Nähe als Potenzial und Last von Mittelstädten Bereits vorhandene Netzwerke, Initiativen, Vereine und die vielen engagierten Menschen in der Stadt Görlitz überraschten die Teilnehmenden positiv. Dies ermöglicht zugezogenen Personen ein schnelles Ankommen in der Stadt und ein leichtes Knüpfen von Kontakten und Netzwerken. Diese sicherlich Bild 7: Leerstehendes Eckgebäude in der Görlitzer Altstadt © C. Zöllter/ IÖR-Media 51 4 · 2021 TR ANSFORMING CITIES THEMA Lebensraum Stadt auch auf die Größe der Stadt zurückzuführende Eigenschaft der sozialen Nähe sorgte für positive, aber auch eher ungewohnte Gefühle bei den Teilnehmenden. So wurde vielen sehr schnell klar, dass sie die gewohnte Anonymität der Großstadt in Görlitz nicht vorfinden würden, was sowohl positiv als auch eher negativ empfunden wurde. Auch nahmen die Teilnehmenden wahr, dass sich polarisierende Diskussionen viel schneller und intensiver in der Stadtgesellschaft und im alltäglichen Leben durchschlagen. Fazit und Ausblick Es ist davon auszugehen, dass die spezifischen Befunde und Hinweise für eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadt Görlitz auch auf andere Städte mit ähnlichen Rahmenbedingungen übertragen werden können. Das Projekt hat gezeigt, dass Experimente geeignet sein können, sowohl auf Seiten der Bewohnerschaft als auch auf Seite der Stadtverantwortlichen, etablierte Pfade zu verlassen, um Spielräume für neue Erfahrungen und einen Austausch zu ermöglichen. Dafür müssen sich alle Beteiligten selbstbestimmt auf das Experiment einlassen, was durchaus Mut und Offenheit bei allen erfordert. Entsprechende Ansätze sollten im Rahmen der Stadtentwicklungspolitik weiter befördert werden und hinsichtlich ihres Mehrwerts, aber auch der Herausforderungen (für beide Seiten) offen diskutiert werden. Die Stadt Görlitz hat sich aktuell das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Dies haben die Projektpartner zum Anlass genommen, die Idee des „Ausprobierens eines Standortes“ weiterzuentwickeln, und so startete Ende des Jahres 2020 das Projekt „Stadt der Zukunft auf Probe - Ein Wohn- und Arbeitsexperiment für ein klimaneutrales Görlitz“. Es soll wiederum Aufmerksamkeit auf den Wohn- und Arbeitsstandort Görlitz lenken und zugleich die Chancen eines gezielten Zuzugs für die Umsetzung einer nachhaltigen Stadtentwicklung ermitteln. Die Teilnehmenden nutzen den Aufenthalt, um sich im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit mit der Thematik Klimaneutralität und nachhaltige Stadtentwicklung auseinanderzusetzen und ihr Wissen in die Stadt zu tragen. Dazu sind verschiedene Arbeitsmodelle angedacht: Praktika in Unternehmen, wissenschaftliche Gastaufenthalte, Start-Up-Aktivitäten bis hin zu Aufenthalten von freischaffenden Künstler*innen in Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen und Unternehmen. Die Begleitforschung umfasst dabei sowohl den Blick der Gäste auf die Stadt und ihre Potenziale und Grenzen hinsichtlich eines nachhaltigen Lebensstils als auch die Erfahrungen der aufnehmenden Stadtgesellschaft mit den Impulsen von außen. Die ersten Teilnehmenden kamen im Herbst 2021 in die Stadt und es werden weitere Aufenthalte bis zum Frühjahr 2023 folgen. LITERATUR [1] Beecroft, R., Parodi, O.: Reallabore als Orte der Nachhaltigkeitsforschung und Transformation - Einführung in den Schwerpunkt. Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse (ITAS) (Hrsg.): Reallabore als Orte der Nachhaltigkeitsforschung und Transformation, (2016) S. 4 - 8. [2] Schneidewind, U.: Urbane Reallabore - ein Blick in die aktuelle Forschungswerkstatt. In: pnd online (3), (2014) S. 1 - 7. [3] Pfeil, A.: Leerstand nutzen - Perspektivenwechsel im Umgang mit dem strukturellen Wohnungsleerstand in ostdeutschen Grenzgebieten. Berlin: Rhombos- Verlag, IÖR-Schriften, Band 64, (2014). [4] Zöllter, C., Rößler, S., Knippschild, R.: Probewohnen Görlitz-Altstadt. Berlin: Rhombos-Verlag, IÖR-Schriften, Band 75, (2017). [5] Zöllter, C., Rößler, S., Knippschild, R., Hauck, S.: Stadt auf Probe - Wohnen und Arbeiten in Görlitz. Eine Mittelstadt in peripherer Lage als zukunftsfähiger Wohn- und Arbeitsstandort. In: Transforming Cities 1 (2019) S. 48 - 53. Dipl.-Geogr. Constanze Zöllter Wissenschaftliche Mitarbeiterin Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden; Interdisziplinäres Zentrum für transformativen Stadtumbau (IZS), Görlitz Kontakt: c.zoellter@ioer.de Dr.-Ing. Stefanie Rößler Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektur Seniorwissenschaftlerin Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden; Interdisziplinäres Zentrum für transformativen Stadtumbau (IZS), Görlitz Kontakt: S.Roessler@ioer.de Prof. Dr.-Ing. Robert Knippschild Dipl.-Ing. Raumplaner Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden, und Technische Universität Dresden Kontakt: R.Knippschild@ioer.de AUTOR*INNEN